TE OGH 2011/5/26 9ObA45/11z

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Veröffentlicht am 26.05.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Albert Koblizek und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** W***** M*****, vertreten durch NM Norbert Moser Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt, wider die beklagte Partei K*****versicherung auf Gegenseitigkeit, *****, vertreten durch Dr. Robert Kugler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen (zuletzt) 8.371,65 EUR brutto sA (Revisionsinteresse: 5.663,16 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Februar 2011, GZ 6 Ra 5/10t-17, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung eines Betrags von 2.708,49 EUR brutto sA als unbekämpft unberührt bleiben, werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil in Spruchpunkt 1. zu lauten hat:

„Das Begehren der klagenden Partei, die beklagte Partei sei schuldig, ihr binnen 14 Tagen 5.663,16 EUR brutto samt 8,38 % Zinsen aus 6.271,61 EUR vom 1. 10. 2009 bis 14. 4. 2010 und 8,38 % Zinsen aus 5.663,16 EUR ab 15. 4. 2010 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.974,43 EUR (darin 329,07 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist weiter schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.939,97 EUR (darin 1.110 EUR Barauslagen, 304,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. 5. 1992 bis 30. 9. 2009 im Betrieb der Beklagten beschäftigt und ab 1. 7. 1994 Direktor und Prokurist. Wegen seiner guten Leistungen für die Beklagte wurde die Zuerkennung einer Gehaltserhöhung beschlossen.

Am 5. 3. 2001 schlossen der Vorstand der Beklagten und ihr Betriebsrat mit Wirksamkeit 1. 1. 2001 eine Betriebsvereinbarung über den Beitritt des Arbeitgebers zu einer Pensionskasse, die die Prokuristen nicht umfasste. Mit Wirksamkeit zum 1. 1. 2002 wurde diese dahin ergänzt, dass auch Prokuristen nach Ablauf einer Funktionsperiode von acht Jahren in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung aufgenommen werden konnten.

Mit Schreiben vom 26. 11. 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit:

„Mit Wirkung vom 1. 1. 2002 haben wir Ihnen eine Bezugserhöhung von monatlich 363,42 EUR, zahlbar 12mal, zuerkannt. Da Ihrerseits der Wunsch geäußert worden ist, diese Leistung als Pensionsvorsorge verwenden zu können und in die 'Pensionskassen-Lösung' für Mitarbeiter einzutreten, haben wir entsprechende Verhandlungen gepflogen. Nunmehr ist eine ergänzende Betriebsvereinbarung beschlossen und auch vom Aufsichtsrat zur Kenntnis genommen worden. Die entsprechende Vertragsergänzung mit der [Pensionskasse] wurde vorgenommen und der Betrag von 4.361 EUR pA an die [Pensionskasse] überwiesen. Damit freuen wir uns, einen weiteren Beitrag zu Ihrer Zukunftssicherung geleistet zu haben und steht es Ihnen frei, zusätzlich von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit eines Eigenbetrags bis zur Höhe der Pensionskassenleistung des Dienstgebers Gebrauch zu machen. Gemäß § 11 (1) des Pensionskassenvertrages müssen Sie einerseits sich schriftlich verpflichten, ob und in welcher Höhe Sie Beiträge an die [Pensionskasse] leisten wollen, worauf wir andererseits verpflichtet sind, diese Beiträge vom monatlichen Bezug im Gehaltsabzugswege zu inkassieren und an die [Pensionskasse] weiterzuleiten. ...“

Die Beklagte entsprach damit dem Wunsch des Klägers, die Bezugserhöhung in die Pensionskasse einzuzahlen, ohne dass Arbeitgeberbeiträge anfielen, und zahlte die Beträge brutto für netto in die Pensionskasse ein. Die Bezugserhöhung scheint auf dem Bezugszettel des Klägers nicht auf. Die Höhe des Pensionskassenbeitrags von 419,49 EUR monatlich steht außer Streit.

Soweit revisionsgegenständlich, begehrt der Kläger die Zahlung von 5.663,16 EUR an Abfertigungsdifferenz, da die Beklagte die Pensionskassenbeiträge zu Unrecht nicht in die Abfertigungsbemessungsgrundlage einbezogen habe. Es sei nicht seitens der Beklagten eine Pensionszusage erfolgt, sondern vielmehr über ausdrücklichen Wunsch des Klägers die Bezugserhöhung in die Pensionskasse überwiesen worden. Es handle sich somit um Beiträge an die Pensionskasse aus der Arbeitnehmersphäre.

Die Beklagte bestritt dies und wandte ein, mit Ergänzung zur Betriebsvereinbarung über den Beitritt der Beklagten zur [Pensionskasse] seien auch die Prokuristen, somit auch der Kläger, in den Geltungsbereich der Pensionskassenregelung einbezogen worden. Die Pensionskassenbeiträge seien nicht in die Abfertigungsbemessungsgrundlage einzubeziehen.

Das Erstgericht folgte der Argumentation des Klägers, gab dem Klagebegehren in diesem Umfang statt und wies das (nicht revisionsgegenständliche) Mehrbegehren von 2.708,49 EUR brutto sA ab.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Streitteile keine Folge. Zur Berufung der Beklagten differenzierte es, ob es sich um eine Leistung des Arbeitgebers für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft des Klägers handle und als solche gewährt werde oder ob die Zahlungen aus einer Pensionszusage resultierten, die dem Kläger eine Betriebspension sichern sollten, die ebenso wie die Abfertigung der Versorgung des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses diene und damit eine ähnliche Funktion erfülle. Dem Kläger sei eine Bezugserhöhung zuerkannt worden, weil er für die Beklagte gute Leistungen erbracht habe. Die „Pensionskassen-Lösung“ sei über Wunsch des Klägers erfolgt, was möglich geworden sei, weil die Pensionskassenregelungen der Beklagten mittels Betriebsvereinbarung ergänzt worden seien. Damit sei klargestellt, dass es sich um Entgelt für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft - während des laufenden Dienstverhältnisses - handle und nicht um eine Versorgungsleistung für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses. Der Kläger hätte auch die Möglichkeit gehabt, sich diesen Betrag auszahlen zu lassen, um diesen in weiterer Folge anzusparen oder selbst eine private Pensionsvorsorge zu treffen. Dass der Betrag brutto für netto in die Pensionskasse einbezahlt worden sei, ändere daran nichts. Es habe sich bei den Beiträgen an die Pensionskasse um solche gehandelt, die aus der Arbeitnehmersphäre und nicht aus der Arbeitgebersphäre stammten. Die Zahlungen seien daher in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung miteinzubeziehen.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung.

Rechtliche Beurteilung

Sie ist zulässig und auch berechtigt.

Gemäß § 23 Abs 1 AngG gebührt dem Angestellten bei Auflösung des Dienstverhältnisses eine Abfertigung, die ein (je nach zurückgelegter Dienstzeit berechnetes) Vielfaches des ihm für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts beträgt.

Zur Frage, wie weit Pensionskassenbeiträge in die Abfertigungsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind, sind zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs hervorzuheben:

In der Entscheidung 9 ObA 198/87 = Arb 10.699 wurde ausgesprochen, dass von einem Arbeitgeber laufend einbezahlte Prämien, die der Finanzierung einer Versicherungsleistung im Rahmen einer zugesagten Versorgungsleistung dienen, nicht als Entgelt iSd § 23 Abs 1 AngG zu werten sind. Sowohl Abfertigung als auch Betriebspension dienen der Versorgung des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und erfüllen damit eine ähnliche Funktion. Versichert ein Arbeitgeber das von ihm durch die Zusage einer betrieblichen Versorgung an die Arbeitnehmer übernommene Risiko, dann sind die von ihm dafür aufgewandten Prämien ebenso wenig Entgelt iSd § 23 Abs 1 AngG wie die Pensionsleistung selbst. Anderes würde zu einer sachlich ungerechtfertigten Doppelleistungspflicht des Arbeitgebers führen.

Daran anknüpfend wurde jüngst zu 9 ObA 3/10x ausgesprochen, dass Pensionskassenbeiträge des Arbeitgebers auch dann keine abfertigungswirksamen Entgeltbestandteile iSd § 23 Abs 1 AngG sind, wenn den Arbeitnehmern zwar ein Wahlrecht, diese Beiträge auch bar ausbezahlt zu erhalten, eingeräumt, im konkreten Fall jedoch die Einzahlung in die Pensionskasse gewählt wurde (s RIS-Justiz RS0126532). Der Entscheidung lag die Konstellation zugrunde, dass für bestimmte Arbeitnehmer in der Betriebsvereinbarung ein Arbeitgeber-Pensionskassenbeitrag festgelegt wurde, diese Arbeitnehmer aber auch die Barauszahlung des entsprechenden Betrags der Pensionskassenbeiträge wählen konnten. In Auseinandersetzung mit der Literatur (Holzer, Angestelltenkommentar § 23 Rz 33; K. Mayr in Löschnigg, AngG II § 23 Rz 27; in ZellKomm § 23 AngG Rz 27; ablehnend Schindler, „Deferred Compensations“, insb Betriebspensionszusagen als abfertigungsrelevante Entgelte, DRdA 1999, 187 f) hielt der Oberste Gerichtshof auch für diesen Fall fest, dass - anders als laufende Gehaltszahlungen - Arbeitgeber-Pensionskassenbeiträge der Finanzierung einer erst in der Zukunft, nämlich frühestens nach Beendigung des Dienstverhältnisses, fällig werdenden oder durch diese ausgelösten Entgeltleistung dienen und Pensionskassenbeiträge des Arbeitgebers auch angesichts des Wahlrechts des Arbeitnehmers keine abfertigungswirksamen Entgeltbestandteile iSd § 23 AngG sind.

Nichts anderes kann aber für den vorliegenden Fall gelten, wenn der Kläger die angebotene Auszahlung einer Gehaltserhöhung ablehnte und sich statt dessen dafür entschied, in das Pensionskassenmodell der Beklagten einbezogen zu werden. Dass diese Möglichkeit nicht von der Beklagten in Gestalt eines Wahlrechts eingeräumt wurde, sondern auf Wunsch des Beklagten erfolgte, kann dabei ebenso wenig einen Unterschied machen wie der Umstand, dass die Betriebsvereinbarung der Beklagten erst einer entsprechenden Anpassung bedurfte. Die Qualifikation der Pensionskassenbeiträge als Leistungen des Arbeitgebers wird schließlich dadurch unterstrichen, dass die Beiträge gerade keinen Gehaltsbestandteil auf dem Bezugszettel des Klägers darstellten, während Eigenbeiträge des Klägers zufolge des Schreibens vom 26. 11. 2002 von der Beklagten im Gehaltsabzugsweg zu kassieren und an die Pensionskasse weiterzuleiten gewesen wären. Auch für die vorliegende Konstellation ist daher daran festzuhalten, dass Pensionskassenbeiträge des Arbeitgebers keine Entgeltbestandteile iSd § 23 Abs 1 AngG sind und daher bei der Berechnung der Abfertigung außer Betracht bleiben müssen.

Der Revision war daher Folge zu geben und das angefochtene Urteil wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Schlagworte

11 Arbeitsrechtssachen,

Textnummer

E97440

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:009OBA00045.11Z.0526.000

Im RIS seit

10.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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