Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Christian P*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Graz, gegen die beklagte Partei ***** G***** GmbH, *****, vertreten durch Kaufmann & Lausegger Rechtsanwalts KG in Graz, wegen Rechnungslegung (Streitwert 30.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2010, GZ 2 R 141/10p-30, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Beklagte hat als Betreibergesellschaft einer Privatklinik vereinbarungsgemäß die Abrechnung der dem Kläger als Arzt zustehenden Honorare übernommen, weshalb - wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausführten - dem Kläger schon aus der Natur des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses ein Hilfsanspruch auf Rechnungslegung nach Art XLII Abs 1 EGZPO zusteht, um ihn als Berechtigten in die Lage zu versetzen, Ansprüche festzustellen oder geltend zu machen (vgl RIS-Justiz RS0034907; RS0035050).
Als Abteilungsleiter bzw für die Behandlung von psychiatrischen Patienten der Beklagten stand dem Kläger vereinbarungsgemäß ein Honorar von zwei Dritteln eines bestimmten Geldbetrags (Punktewert) pro „P*****“-Punkt für den jeweiligen Patienten zu. P***** ist ein vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeister Fonds, aus dem die Beklagte einen von verschiedenen Parametern (Aufenthaltsdauer des Patienten, Diagnose, Alter, Geschlecht) abhängigen und EDV-mäßig ermittelten Geldbetrag erhält. Die Beklagte gibt die maßgeblichen Parameter - ohne Angabe des Patientennamens - in ein spezielles P*****-Abrechnungsprogramm ein, welches sodann errechnet, wieviel Punkte der Beklagten für den jeweiligen Patienten zustehen. Diese Punkte ergeben dann durch Multiplikation jenen Geldbetrag, der der Beklagten von Seite der Sozialversicherung für den jeweiligen Patienten zusteht.
Die Beklagte ermittelte das dem Kläger für seine Tätigkeit als Leiter der psychiatrischen Abteilung nach dem P*****-System zustehende Honorar und überwies die daraus resultierenden Beträge. Jeweils am Monatsende druckte sie eine Gesamt-P*****-Liste aus, auf der die einzelnen Patienten nicht namentlich, sondern nur durch die Aufnahmenummer gekennzeichnet waren. Patienten mit einer psychiatrischen Hauptdiagnose wurden anhand einer Kennzahl eruiert und dann die P*****-Gesamtpunkte samt dem daraus errechneten Honoraranspruch dem Kläger per E-Mail mitgeteilt. Weitere Daten, insbesondere Namenslisten von Patienten mit psychiatrischer Hauptdiagnose oder die jährlichen P*****-Punktewerte, erhielt der Kläger nicht.
Zur Überprüfung der Abrechnung der Beklagten mit dem Kläger ist erforderlich: Abrechnungsschlüssel des P*****, Abrechnungsschlüssel der Zusatzversicherungen mit der Beklagten, Liste der von der Beklagten als psychiatrische Patienten abgerechneten Patienten, Liste der übrigen Patienten.
2. Den einzelnen Argumenten der außerordentlichen Revision, warum der Beklagten aus rechtlichen Erwägungen die ihr mit Teilurteil im Rahmen eines Stufenklagebegehrens auferlegte Abrechnungsverpflichtung (rechtlich) nicht möglich sei, ist wie folgt zu entgegnen:
2.1. Zum einen verweist die Revisionswerberin darauf, dass den Kläger selbst eine gesetzliche Dokumentationspflicht gemäß § 51 ÄrzteG getroffen habe, sodass er ohnedies über sämtliche Informationen verfüge.
Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass die Dokumentationspflicht nach § 51 ÄrzteG im Wesentlichen der Therapiesicherung, der Beweissicherung und der Rechenschaftslegung, also insbesondere der Dokumentation der wesentlichen diagnostischen Ergebnisse und therapeutischen Maßnahmen dient (3 Ob 2121/96z = EvBl 1998/24 = RdM 1998, 57; RIS-Justiz RS0108525; Stellamor/Steiner, Handbuch des österreichischen Arztrechts, Band I, 166).
Abgesehen davon trifft es nicht zu, dass das Fehlen eigener Aufzeichnungen des Rechnungslegungs-berechtigten den Rechnungslegungspflichtigen von der Rechnungslegungspflicht befreit (vgl RIS-Justiz RS0034995).
Der Einwand der eigenen Dokumentationspflicht des Klägers ist auch deshalb verfehlt, weil sich der Rechnungslegungsanspruch wesentlich auf die zwischen der Beklagten und dem Sozialversicherer stattgefundenen Abrechnungsvorgänge bezieht, in die der Kläger nicht einbezogen war.
2.2. Dem Einwand der Revisionswerberin, ihr sei die Bereitstellung personenbezogener Abrechnungsunterlagen, insbesondere von P*****-Daten „faktisch und rechtlich“ unmöglich, dies insbesondere im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 6 ff DSG und aufgrund der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht, ist Folgendes entgegenzuhalten:
Datenschutzrechtliche Implikationen bietet das Begehren auf Nennung der Patientennamen und Diagnosen gegenüber dem behandelnden Arzt schon deshalb nicht, weil ihm diese aus der Krankenbehandlung selbst bekannt waren und insofern kein Eingriffstatbestand im Sinn einer „Weitergabe“ denkbar ist. Darüber hinaus wäre gemäß § 9 Z 12 DSG eine Verwendung von Gesundheitsdaten für die Verwaltung von Gesundheitsdiensten ohnedies zulässig, wenn die Verwendung solcher Daten durch ärztliches Personal oder sonstige Personen erfolgt, die einer entsprechenden Geheimhaltungspflicht unterliegen. Dass den Kläger die Verschwiegenheitspflicht nach § 54 Abs 1 bis 3 ÄrzteG trifft, und ihm die Weitergabe solcher Daten mit Ausnahme der dort genannten Institutionen nicht gestattet ist, versteht sich von selbst. Soweit die Beklagte ihre (eigene) „ärztliche“ Verschwiegenheitspflicht ins Treffen führt, rekurriert sie offensichtlich auf § 9 KAKuG. Die dort normierte Verschwiegenheitspflicht gilt allerdings aus den oben bezeichneten Gründen wiederum nicht gegenüber dem behandelnden Arzt, dem diese diagnostischen und therapeutischen Daten ohnedies bekannt sind.
2.3. Eine faktische Unmöglichkeit der Auflösung der Verknüpfung namentlicher Patientendaten mit den P*****-Daten als Voraussetzung für die Legung einer personenbezogenen Abrechnung wird von der Beklagten nicht schlüssig argumentiert. Schließlich waren ihr die personenbezogenen Daten ursprünglich bekannt und wurden erst durch Aufnahme in die P*****-Daten anonymisiert. Durch die jeweilige Aufnahmenummer des Patienten muss die Rückführung der Anonymisierung in Namensdaten jederzeit (technisch) möglich sein.
3. Zusammengefasst zeigt die Revision der Beklagten somit keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf. Sie ist daher zurückzuweisen.
Textnummer
E97456European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00230.10Z.0526.000Im RIS seit
14.06.2011Zuletzt aktualisiert am
14.10.2011