D7 410891-2/2011/2E
BESCHLUSS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. STARK als Vorsitzende und die Richterin Mag. SCHERZ als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.03.2009, Zahl 08 10.368-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 63 Abs. 5 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), in der Fassung BGBl. Nr. 471/1995, als verspätet zurückgewiesen.
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
I.1. Die Beschwerdeführerin reiste am 22.10.2008 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet und stellte am selben Tag (gegenständlichen) ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.03.2009, Zahl 08 10.368-BAG, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, in Spruchpunkt I. abgewiesen wurde. In Spruchpunkt II. wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. abgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Dieser Bescheid wurde nach Einholung einer Meldeauskunft, welche ergebnislos verlief, durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 30.03.2009 stellte die Beschwerdeführerin durch ihren Vertreter einen Antrag auf Zustellung des Bescheides an den ausgewiesenen Vertreter, da sie an der Adresse in XXXX, an der die Zustellung vorgenommen worden sei, nicht mehr aufhältig und die Zustellung an die bisherige Anschrift nicht zulässig gewesen sei.
Mit Schriftsatz vom 20.04.2009 langte eine weitere Vollmachtsbekanntgabe beim Bundesasylamt ein. Die Beschwerdeführerin stellte im Wege ihres Vertreters einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob unter einem Beschwerde, nachdem sie am 24.03.2009 aufgegriffen worden war und am 03.04.2009 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte (Zahl 09 04.073-BAG). Im Schriftsatz brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie erst mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 08.04.2009 an Herrn XXXX vom Inhalt des Bescheides des Bundesasylamtes Kenntnis erlangt habe. Aus dem Schreiben ergebe sich, dass der Bescheid wegen unbekannten Aufenthaltes der Beschwerdeführerin hinterlegt worden und in Rechtskraft erwachsen sei. Die Mitteilung ihres Aufenthaltsortes sei versehentlich unterblieben. In der Beschwerde wurde der verfahrensgegenständliche Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und mangelnder Bescheidbegründung angefochten. Die Beschwerdeführerin beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die Stattgabe der Beschwerde in eventu nach Ergänzung des Beweisverfahrens, in eventu die Behebung des Bescheides und die Verfahrensergänzung durch das Bundesasylamt sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
I.2. Im Verfahren über den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin vom 03.04.2009 wies die belangte Behörde diesen mit Bescheid vom 18.12.2009, Zahl 09 04.073-BAG, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab (Spruchpunkt II.) und die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Über die dagegen erhobene Beschwerde vom 30.12.2009 wird gesondert mit Erkenntnis vom heutigen Tag entschieden.
Am 08.01.2010 langte beim Asylgerichtshof die Beschwerdevorlage zum Verfahren 09 04.073-BAG vom 05.01.2010 ein, der auch der Vorakt zum Verfahren 08 10.368-BAG angeschlossen war.
Mit Schreiben vom 14.01.2010 leitete der Asylgerichtshof den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an das Bundesasylamt weiter.
II. Der Asylgerichtshof hat hinsichtlich der Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:
II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 28 Abs. 5 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 147/2008 in Kraft:
das Inhaltsverzeichnis, § 13 Abs. 2 und Abs. 4 letzter Satz, § 14 Abs. 3, § 17 Abs. 5,
§ 23 und § 29 Abs. 6 mit 1. Juli 2008;
§ 24 mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes. Auf
vor diesem Zeitpunkt ergangene, zu vollstreckende Entscheidungen Abs. 2 dieser Bestimmung mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass der Asylgerichtshof mit Beschluss nachträglich eine Vollstreckungsbehörde bestimmen kann.
Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.
II.2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 23 Abs. 2 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.
Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft.
Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I Nr. 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).
Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde am 22.10.2008 gestellt, weshalb das Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden ist.
II.3. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG, in der Fassung BGBl. Nr. 471/1995, ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten.
Gemäß § 21 AVG sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz vorzunehmen.
Gemäß § 1 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 (ZustG), in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2004, regelt das Zustellgesetz die Zustellung der von Gerichten und Verwaltungsbehörden in Vollziehung der Gesetze zu übermittelnden Dokumente sowie die durch sie vorzunehmende Zustellung von Dokumenten ausländischer Behörden.
Gemäß § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, gemäß § 8 Abs. 2 ZustG die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, dass ein Dokument ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist dieses sofort bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten (§ 23 Abs. 1 ZustG, in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008). Gemäß § 23 Abs. 2 ZustG, in der Fassung BGBl. I Nr.5/2008, ist die Hinterlegung von der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes oder vom Gemeindeamt auf dem Zustellnachweis, von der Behörde auch auf andere Weise zu beurkunden. Soweit dies zweckmäßig ist, ist der Empfänger durch eine an die angegebene inländische Abgabestelle zuzustellende schriftliche Verständigung oder durch mündliche Mitteilung an Personen, von denen der Zusteller annehmen kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Hinterlegung zu unterrichten (§ 23 Abs. 3 ZustG).
Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen, nach dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
Gemäß § 33 Abs. 1 und 2 AVG wird der Beginn und Lauf einer Frist durch Sonn- und Feiertage nicht behindert, fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder den Karfreitag, so ist der nächste Werktag der letzte Tag der Frist. Die Tage des Postlaufes werden gemäß § 33 Abs. 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2004, in die Frist nicht eingerechnet.
Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.03.2009, Zahl 08 10.368-BAG, wurde der Beschwerdeführerin ohne vorhergehenden Zustellversuch am 04.03.2009 durch Hinterlegung beim Bundesasylamt zugestellt. Die Zustellung erfolgte rechtswirksam gemäß den Bestimmungen der §§ 8 Abs. 2 und 23 Abs 1 ZustG, in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008.
Voraussetzung für eine Zustellung durch Hinterlegung bei der Behörde ohne Zustellversuch gemäß den Bestimmungen der §§ 8 Abs. 2 und 23 Abs. 1 ZustG, in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008, ist, dass die Verfahrenspartei ihre bisherige Abgabestelle ändert und es unterlässt, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen sowie weiters, dass eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Die Beschwerdeführerin war von 14.11.2008 bis 16.01.2009 in XXXX gemeldet. Dass die Beschwerdeführerin diese Abgabestelle aufgegeben hat, ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 30.03.2009, in dem sich die Beschwerdeführerin in der irrigen Annahme einer Hinterlegung an der soeben genannten Adresse gegen die Rechtmäßigkeit der Zustellung mit dem Argument wendet, dort "seit längerer Zeit" nicht mehr wohnhaft zu sein. Im Schriftsatz betreffend Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Beschwerde bestreitet die Beschwerdeführerin die Wirksamkeit der Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nicht.
Am 02.03.2009 wurde vom Bundesasylamt eine Abfrage aus dem Zentralen Melderegister eingeholt, welche keine aufrechte Meldung der Beschwerdeführerin ergab. Die Beschwerdeführerin gab dem Bundesasylamt pflichtwidrig keine Abgabestelle bekannt und machte auch keinen Zustellbevollmächtigten namhaft, obwohl diesbezüglich eine Belehrung im Verfahren nachweislich erfolgte. Die Hinterlegung des verfahrensgegenständlichen Bescheides ohne Zustellversuch am 04.03.2009 erscheint daher berechtigt. Das Vorgehen der Behörde, die in der Einvernahme vom 07.01.2009 die Beschwerdeführerin auf ihre Verpflichtung zur Bekanntgabe hinwies und ein Einsicht in das Zentrale Melderegister nahm, genügt den Anforderungen an die Behörde zu einfachen Nachforschungen (vgl. dazu Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht, 5. Auflage 2009, S 364).
Der verfahrensgegenständliche Bescheid gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung, somit mit 04.03.2009, als zugestellt. Mit diesem Tag begann auch die Rechtsmittelfrist gemäß
§ 63 Abs. 5 AVG, in der Fassung BGBl. Nr. 471/1995. Der Anforderung, den Bescheid mindestens zwei Wochen bereit zu halten, wurde laut unbedenklichem Akteninhalt entsprochen. In der Beurkundung der Hinterlegung im Akt vom 04.03.2009 wurde festgehalten, dass der Bescheid "mit Wirksamkeit vom heutigen Tag" hinterlegt wurde. Die Beschwerdefrist endete damit mit Ablauf des 18.03.2009.
Die Beschwerde wurde erst nach Rechtskraft des Bescheides des Bundesasylamtes am 20.04.2009 beim Bundesasylamt eingebracht.
Es war daher die Beschwerde gemäß § 63 Abs. 5 AVG, in der Fassung BGBl. Nr. 471/1995, als verspätet zurückzuweisen.
Festgehalten wird, dass das Bundesasylamt über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welcher mit der Beschwerde gestellt und dem Bundesasylamt am 14.01.2010 nach Aktenvorlage am 08.01.2010 weitergeleitet wurde, bis dato nicht entschieden hat. Die Zurückweisung der Beschwerde ist trotz Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages zulässig, weil über diesen vom Bundesasylamt gesondert zu entscheiden ist. Im Fall der Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt der Beschluss von Gesetzes wegen außer Kraft.
Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.