E9 248252-0/2008/21E
E9 253081-0/2008/21E
E9 248251-0/2008/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Engel als Vorsitzenden und den Richter Mag. H. Leitner als Beisitzer über die Beschwerde der
1. XXXX, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.03.2004, Zl. 03 38.233-BAS;
2. XXXX, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.08.2004, Zl. 04 03.377-BAS;
3. XXXX, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.03.2004, Zl. 03 38.238-BAS;
nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.03.2011 zu Recht erkannt:
(Ad 1.) Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. I 126/2002, § 75 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009 als unbegründet abgewiesen.
(Ad 2.) Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs 1 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. I 101/2003, § 75 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009 hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. (§ 66 Abs 4 AVG, §§ 10 Abs 1 Z 2, 75 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009 stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.
(Ad 3) Die Beschwerde wird gemäß §§ 10, 11 AsylG 1997 BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. I 126/2002, § 75 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Erstbeschwerdeführerin reiste mit ihrem minderjährigen Sohn [der Zweitbeschwerdeführer] nicht rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein, wobei die Erstbeschwerdeführerin für sich einen Asylantrag und als gesetzliche Vertreterin des Zweitbeschwerdeführers für diesen einen Asylerstreckungsantrag in Bezug auf ihr Verfahren stellte.
Zur Begründung ihres Asylantrages brachte sie beim BAA im Wesentlichen vor, dass ihr Ehegatte im März 1991 mit einem Koffer voll Geld nach Hause gekommen sei, von dem er gemeint habe, dass es vom Benzinverkauf stamme. In weiterer Folge habe sie ihn dann nicht wieder gesehen. 1995 habe sie einen Scheidungsantrag gestellt. Sie habe dann in einem Hotel als Buchhalterin gearbeitet. Ab 1998 seien Männer zu ihr gekommen und hätten gefragt, wo sich ihr Mann befinde. Wenn sie nicht seinen Aufenthaltsort bekannt gebe, würden sie ihr "was antun". Dies sei bis 2000 so gegangen. Danach habe sie vom Büro der 6. Abteilung für Innere Angelegenheiten eine Ladung bekommen und sie sei dort aufgefordert worden nun den Aufenthaltsort des Mannes bekannt zu geben, was sie aber nicht gekonnt habe. Ab diesem Zeitpunkt sei sie "immer verfolgt und habe auch immer Besuch bekommen". Sie sei von diesen beschimpft worden und auch ihrer Mutter [die Zweitbeschwerdeführerin] sei das passiert. Diese Vorfälle hätten bis 2003 angedauert, wo sie sich dann entschlossen habe einen Zusammenarbeitungspakt zu unterschreiben. Sie sollte die Gäste im Hotel "ausspionieren und über deren Geschäfte usw. berichten". Sie hätten auch gewusst, dass ihre Mutter und ihr Sohn Pässe bekommen haben und es sei ihnen daher aufgetragen worden diese Pässe abzugeben.
Im Falle einer Rückkehr würde sie nicht wissen was sie erwarte. Sie würde am Flughafen festgenommen werden, da ihr der Pass abgenommen wurde und sie unterschreiben habe müssen das Land nicht zu verlassen.
Der Antrag der Erstbeschwerdeführerin wurde vom BAA mit Bescheid vom 8.3.2004 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
Das Fluchtvorbringen wurde im Wesentlichen als nicht glaubhaft erachtet. Es sei nicht plausibel, dass sie als unbedeutende Angestellte des Hotels, die bei ihrer Tätigkeit keinen Zugang zu den Hotelgästen habe, zur Spionage aufgefordert werde. Auch den nationalen Führerschein, den sie sich noch kurze Zeit vor der Flucht von den armenischen Behörden habe ausstellen lassen, weise nicht auf derartige Probleme mit den Behörden hin.
Spruchpunkt I. wurde im Wesentlichen damit begründet, dass eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Hinsichtlich Spruchpunkt II. wurde im Wesentlichen argumentiert, dass sich aus ihrem Vorbringen und der allgemeinen Lage keine reale Gefahr einer Verletzung der hier maßgeblichen Rechtsgüter ergebe.
Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin mit Unterstützung der "Rechtsberatung Caritas" innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Erstinstanzliches Vorbringen wird darin im Wesentlichen wiederholt und behauptet es sei wahr. Die Behörde habe Verfahrensfehler begangen.
Mit Bescheid vom 8.3.2004 wurde der Asylerstreckungsantrag des minderjährigen Drittbeschwerdeführers abgewiesen, da durch die Abweisung des Antrages der bezughabenden Mutter [die Erstbeschwerdeführerin] kein Asyl auf den Drittbeschwerdeführer erstreckt werden konnte.
Auch gegen diese Entscheidung wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Am 27.2.2004 wurde die Zweitbeschwerdeführerin, dies ist die Mutter der Erstbeschwerdeführerin und die Großmutter des Drittbeschwerdeführers, bei nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet angetroffen und in Schubhaft genommen. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gab sie an, dass sie im Dezember 2003 ihre Heimat per Auto verlassen habe.
Auf Vorhalt, dass auf Grund amtswegiger Ermittlungen feststehe, dass sie aber in der tschechischen Republik bereits als Migrantin registriert sei, gestand sie ein, dass sie bereits im März 2002 von Erewan per Flugzeug nach Prag gereist sei, wo sie sich den tschechischen Behörden gestellt habe. Ihr dortiger Asylantrag sei abgelehnt worden und sie habe dort ihren Pass wieder zurückbekommen. Es sei ihr ein Visum für ein Jahr ausgestellt worden. Mit Hilfe eines Schleppers sei sie von Prag nach Österreich gelangt. Sie sei hier, weil sie einen Asylantrag stellen wolle. Ihres Wissens seien bereits ihre Tochter und ihr Enkel hier als Asylwerber.
Ihren Asylantrag begründe sie damit, dass ihr ehemaliger Schwiegersohn in Armenien Kontakte zur Mafia hatte. Er habe eine größere Menge an Rauschgift verkauft und den Erlös offensichtlich nicht abgeliefert, weshalb ihn die Mafia suche. Ihre Tochter habe in Armenien in einem Hotel gearbeitet. Diese sei von der Mafia gezwungen worden ebenfalls Rauschgift zu verkaufen. Sie habe Angst, dass sie auch von der Mafia verfolgt werden könnte und sei daher geflüchtet.
Beim Bundesasylamt (BAA) begründete die Zweitbeschwerdeführerin ihren Antrag durch bloßen Hinweis auf das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin die diese in ihrem Verfahren gemacht habe. Sie sei durch die Probleme ihrer Tochter auch in diese Schwierigkeiten mit hineingezogen worden und es sei ihr nichts anderes übrig geblieben das Land zu verlassen. Sie wisse was die Tochter hier erzählt habe.
Mit Bescheid vom 25.8.2004 hat das BAA diesen Asylantrag gem. § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 1997 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien für zulässig erklärt. Gemäß § 8 Abs 2 AsylG 1997 wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet verfügt.
Im Rahmen der Beweiswürdigung wies die Behörde im Wesentlichen darauf hin, dass die Zweitbeschwerdeführerin schon bei der Fremdenpolizei falsche Angaben machte und sie bereits seit März 2002 im tschechischen Asylverfahren gestanden habe, weshalb die von der Tochter geschilderten Angaben diesbezüglich auch nicht mit ihrem Vorbringen vereinbar wären.
Gegen diese Entscheidung wurde ebenfalls mit Unterstützung der Rechtsberatung der Caritas innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Ein amtswegig in die Wege geleiteter Versuch im Rahmen des Dublin II-VO Verfahrens die Asylakte der Zweitbeschwerdeführerin in Tschechien anzufordern bzw. hinsichtlich der Erst- und Drittbeschwerdeführer anzufragen ob diese ebenfalls bereits in Tschechien als Fremde registriert wurden, scheiterte am wiederholt negativen Versuch für die Anfrage erforderliche brauchbare Fingerabdruckdaten dieser Personen zu erlangen.
Mit Zustellung der Ladung zur Beschwerdeverhandlung wurden die inzwischen rechtsfreundlich vertretenen beschwerdeführenden Parteien aufgefordert Bemühungen anzustellen, damit sie spätesten in der Verhandlung in der Lage sind ihre Identität und Herkunft durch nationale Identitätsdokumente und ihre Fluchtgründe bzw. allfällige Rückkehrbefürchtungen durch Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine umfassende jedoch demonstrativ bleibende Aufzählung grds. als geeignet erscheinender Unterlagen erfolgte.
Am 15.3.2011 wurde eine verbundene Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit der beschwerdeführenden Parteien durchgeführt. Das BAA blieb der Verhandlung entschuldigt fern.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden folgende Feststellungen getroffen:
1. Zur Person der Beschwerdeführer:
1.1. Die Identität der Erst- bis Drittbeschwerdeführer steht fest. Sie sind armenische Staatsangehörige und wurden auch in diesem Land sozialisiert. Zu einem entscheidungsrelevanten Rückkehrhindernis führende behandlungsbedürftige Krankheiten liegen nicht vor. Mehrere Verwandte leben noch in Armenien.
Die Erstbeschwerdeführerin verfügt über eine überdurchschnittliche Bildung bzw. berufliche Ausbildung und beherrscht mittlerweile auch die deutsche Sprache sehr gut. Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer leben - so wie schon in Armenien - auch in Österreich im gemeinsamen Haushalt Bei der Zweitbeschwerdeführerin liegen relevante private und familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich vor.
1.2. Die Fluchtgründe konnten so wie dargelegt nicht glaubhaft gemacht werden. Eine reale Gefahr für Leib und/oder Leben im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Armenien kann nicht festgestellt werden.
2. Zum Herkunftsstaat Armenien:
The Functioning of Democratic Institutions in Armenia (Council of Europe, Parliamentary Assembly, Doc. 11962, 22.6.2009)
USDOS, 2009 Human Rights Report: Armenia, 25.2.2009; 2010 Human
Rights Report : Armenia 3.11.2010: International Religious Freedeom Report 2009, 26.10.2009
Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien des Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland vom 02.02.2006, 20.3.2007, 18.6.2008, 11.8.2009, 8.11.2010)
Amnesty International Report Armenia 2009, 2010
Auswärtiges Amt Berlin an das VG Düsseldorf vom 8.6.2006, GZ. 508.516.80/44613
BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007
USDOS, Trafficking in Persons Report 2009 -Armenia- 24.6.2009
Dr. A., Expert Opinion, jeweils v. 21.5.2009 zu Zlen.: E19 242.537
u. E10 316.310
OSCE, ... violence against journalists in Armenia, 30.4.2009
IOM, Anfragebeantwortung zu E9 304.620 v. 12.5.2009
IOM, Anfragebeantwortung vom 8.3.2007 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Rückkehrsituation einer 73jährigen Frau
http://www.devdir.org/asia_middle_east.htm, Directory of Development Organizations, Edition 2010
Country of Return Information Project, Country Sheet Armenia, Feb. 2009,
aktualisiert Juni 2009
Die im Text genannten Quellen
Politik und Menschenrechtslage
Armenien hat seit seiner Aufnahme in den Europarat wichtige Reformvorhaben im gesetzgeberischen Bereich verwirklicht und insofern Fortschritte bei der Erfüllung seiner Europaratsverpflichtungen gemacht. Die praktische Umsetzung dieser Rechtsvorschriften geht aber nur langsam voran. Nicht zuletzt aufgrund der geringen Gehälter der Staatsbediensteten gibt es häufig Korruption. Seit der Amtsübernahme von Präsident Kotscharian wird diese aber verstärkt strafrechtlich verfolgt. Es wurde mit finanzieller Unterstützung von Weltbank und der USA eine Kommission beim Präsidenten zur Bekämpfung der Korruption eingerichtet. Ende 2003 wurde ein Korruptionsbekämpfungsprogramm verabschiedet, das mit Hilfe internationaler Experten und der OSZE erarbeitet worden war. (Auswärtiges Amt vom 02.02.2006; ähnlich BAA Staatendokumentation:
Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007).
Der Präsident Armeniens ist seit 9.4.2008 Serge Sarkisian.
Bisher wurden alle Wahlen in Armenien wegen zahlreicher Manipulationen und Wahlfälschungen von der internationalen Gemeinschaft kritisiert. Die Präsidentenwahl 2008 wurde trotz positiven Tenors ("mostly in line") deutlich kritischer bewertet als die Parlamentswahl 2007.
Levon Ter-Petrossian, der bis 1998 Staatspräsident war, unterlag mit 21,5 % der Stimmen und erkannte das Wahlergebnis nicht an. Im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen kam es auf dem Freiheitsplatz im Zentrum Eriwans zu tagelangen Protestdemonstrationen unter seiner Führung, die am 01.03.2008 von Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst wurden. Bei anschließenden Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gab es nach amtlichen Angaben 10 Todesopfer, 210 Polizeikräfte und 55 Zivilisten wurden verletzt. Der(damalige) Präsident Kotscharian rief daraufhin einen auf 20 Tage befristeten Ausnahmezustand für die Stadt Eriwan aus.
Mehr als hundert Personen, überwiegend Anhänger von Ter-Petrossian, wurden verhaftet. Derzeit findet der Prozess gegen 7 prominente Angeklagte statt, darunter 3 Abgeordnete, denen am 04.03.2008 die Immunität entzogen worden war.
Nach Änderungen des Strafgesetzbuches im März 2009 waren einige Anklagepunkte (Vorwurf des geplanten Staatsstreichs) fallen gelassen sowie das bisher gemeinsame Verfahren in Einzelverfahren aufgeteilt worden. In den bisher abgeschlossenen Gerichtsverfahren wurden bis Mai 2009 5 Personen zu Geldstrafen verurteilt, 38 auf Bewährung freigelassen und 54 zu Haftstrafen verurteilt. 28 Personen wurden inzwischen per Präsidialdekret begnadigt.
Am 19.06.2009 hat das Parlament eine Amnestie beschlossen, in deren Zuge auch die meisten der wegen der Märzereignisse verurteilten Personen frei gelassen worden sind. (Stand 8.7.2009: 384 Freilassungen oder Reduzierungen der Haftzeit). Das Strafmaß von Personen die nicht unter diese Amnestieregeln fielen wurde halbiert. Dennoch befinden sich weiterhin einige Oppositionelle in Haft, weil ihre Gesamtstrafe 5 Jahre übersteigt oder sie wegen Vorschriften verurteilt worden sind, die nicht unter die Regelungen der Amnestie fallen.
Wegen Gewalt gegen Zivilisten bei den Demonstrationen vom 1.3.2008 wurden im Oktober 4 Polizeibeamte unter Anklage gestellt.
(Auswärtiges Amt vom 11.8.2009; The Functioning of Democratic Institutions in Armenia; Council of Europe, Parliamentary Assembly, Doc. 11962, 22.6.2009; Amnesty International Report Armenia 2009, 2010).
Aktuelle Lage der Opposition
Die meisten politischen Parteien werden durch hohe Regierungsbeamte oder andere mächtige Persönlichkeiten beherrscht und sind nicht demokratisch aufgebaut. Zudem ist problematisch, dass die bekannteren Parteipolitiker gleichzeitig als Geschäftsleute agieren. Die Parteien leiden an internen Unstimmigkeiten oder Teilungen und haben oft kein klares inhaltliches Profil, weswegen sie für weite Teile der Bevölkerung uninteressant sind. Die wichtigsten Parteien sind die Republikanische Partei, Orinats Yerkir ("Rechtsstaatpartei") und Bargavach Hayastan ("Blühendes Armenien"); diese drei Parteien bilden die Regierungskoalition, Präsident Sargsyan ist Vorsitzender der Republikanischen Partei. Die "linke" Opposition besteht aus den Parteien Armenian National Movement (Teil des Blocks
Armenian National Congress), Daschnakzutiun (Armenisch Revolutionäre Föderation, ARF) und Erbe. Der frühere Präsident Kotscharian war nominell parteilos (und mit dem Slogan "Meine Partei ist das Volk" angetreten). Er stützte sich auf eine Koalition aus der Republikanischen Partei, der Daschnakzutiun und zuletzt der Partei "Blühendes Armenien". Es gibt immer wieder belastbare Berichte in der Presse und der NGOs über Behinderungen und Ungleichbehandlungen der Oppositionsparteien durch die Behörden, z.B. bei Demonstrationen oder Wahlen. Im Vorfeld und während des Präsidentschaftswahlkampfes war regelmäßig zu beobachten, dass ihr Zugang zu den Medien eingeschränkt ist, ebenso wie ihre Versammlungsfreiheit.
(Quelle: Auswärtiges Amt Berlin über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien vom 8.11.2010)
Waffenstillstand mit Aserbaidschan
Der Waffenstillstand zwischen Armenien und Aserbaidschan hinsichtlich des Status von Berg-Karabach wird im Grundsatz respektiert. An der Waffenstillstandslinie kommt es gleichwohl regelmäßig zu lokalen Schusswechseln mit zivilen und militärischen Opfern auf armenischer wie aserbaidschanischer Seite (bis zu 25 Tote pro Jahr). Außerdem gibt es gelegentlich noch Minenopfer.
Wirtschaft, Versorgungslage
Nach dem fast völligen Zusammenbruch der Industrieproduktion nach Erlangung der Eigenstaatlichkeit wuchs von 1994 bis 2008 die armenische Wirtschaft jedoch ohne Unterbrechungen, in den Jahren 2001 bis 2007 durchschnittlich 13% pro Jahr, erreichte allerdings erst im Jahre 2004 wieder den Stand von 1990.
Die Arbeitslosenquote lag im Juni 2009 offiziell bei 6,7% (2008: 6,3%). Die tatsächliche Arbeitslosigkeit ist jedoch erheblich höher. Es sind sehr viele Menschen im informellen Sektor tätig, Einkommen werden oft nicht versteuert.
Die durchschnittliche Inflationsrate betrug 2008 9% (2007: 4,4%) und fiel für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 auf 2,7%.
Aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise kam es neben einem massiven Verfall des Dram zu einem Einbruch von Rücküberweisungen, Direktinvestitionen und privaten Kapitalzuflüssen. Einer der Gründe hierfür sind die Auswirkungen der Krise in Russland. Die armenische Diaspora dort umfasste bislang bis zu ca. 2 Millionen Menschen, darunter viele Arbeitsmigranten, die traditionell Geld, meist für den privaten Konsum, an ihre Familien in Armenien übersandt hatten.
(http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Armenien/Wirtschaft.html; Stand Oktober 2009, Zugriff: 16.8.2010)
In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zu Verbesserungen der Lebenssituation bei. Die Gas-, Strom- und Wasserversorgung ist grds. gewährleistet.
Ein Teil der Bevölkerung ist finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch internationale humanitäre Organisationen sicherzustellen. Durch die traditionellen starken Familienbande der Armenier werden Versorgungsschwierigkeiten weitgehend überwunden. Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt.
Das (statistische) Existenzminimum beträgt in Armenien (wie auch in Berg-Karabach) 36.000 Dram (derzeit ca. 75 Euro), der offizielle Mindestlohn 25.000 Dram im Monat. Das durchschnittliche Familieneinkommen ist dagegen mangels zuverlässiger Daten nur schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten, dazu privaten Geschäften und Gelegenheitsjobs nach. Die sprichwörtliche Geschäftstüchtigkeit der Armenier ermöglicht es vielen, sich ein Zubrot zu verdienen. Die dabei erzielten Einkünfte lassen sich schwer beziffern, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Beträge niedriger angeben, als sie tatsächlich sind, um Steuerzahlungen zu umgehen. Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass viele Armenier das Land verlassen wollen.
Der Migrationsdruck hält an, da ein Angleichen des Lebensstandards an westeuropäisches Niveau trotz hoher Wirtschaftswachstumsraten in Kürze nicht zu erwarten ist. Nach einem Bericht der schwedischen Migrationsbehörde sollen von 1991 bis 2007 ca. 800.000 bis 1.000.000 Armenier, meist als Arbeitsmigranten, ihr Land verlassen haben.
Zur Bekämpfung der Armut wird auch in Armenien das System der Mikrokredite eingesetzt. Zahlreiche Banken aber auch Hilfsorganisationen vergeben solche zur Gründung von Klein- bzw. Kleinstunternehmungen (http://www.devdir.org/asia_middle_east.htm, Directory of Development Organizations, Edition 2010)
Das soziale Sicherungssystem Armeniens umfasst derzeit die folgenden Elemente:
¿ Staatliche soziale Unterstützungsprogramme wie etwa Familienbeihilfe, Berufsunfähigkeitsrente, Altersrente und andere soziale Beihilfen, einmalige Kindesprämien und Kindergeld (bis zum Alter von 2 Jahren).
¿ Soziale Unterstützungsprogramme für behinderte Mitbürger, Veteranen und Kinder;
insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationsprogramme, häusliche Alten- und Behindertenpflege, Heime, Waisenhäuser und Internate.
¿ Staatliche Sozialversicherungsprogramme, bestehend aus Alters- und Berufsunfähigkeitsrente sowie Beihilfen bei vorübergehender Berufsunfähigkeit und Schwangerschaft.
¿ Beschäftigungsprogramme einschließlich Arbeitslosenunterstützung, berufliche Weiterbildung für Arbeitslose und öffentliche (oder vergleichbare) Arbeiten.
¿ Ein System mit Privilegien für bestimmte Bevölkerungsgruppen, die 1999 unter besonders problematischen Lebensbedingungen zu leiden hatten. Dieses System umfasst derzeit einige Privilegien; vornehmlich für Veteranen des 2. Weltkriegs (und vergleichbare Gruppen) im Rahmen der (internationalen) GUS-Abkommen. In der Mehrzahl kommen Dienstleister in den Genuss dieser Privilegien. Für den Zeitraum von 2006 bis 2015 sind keine weiteren Privilegien geplant.
(IOM - International Organisation for Migration: Länderinformationsblatt Armenien 2009, letztes Update 30.11.2009)
Gesundheitswesen
Die medizinische Versorgung ist in Armenien flächendeckend grundsätzlich gewährleistet. Es kann davon ausgegangen werden, dass alle gängigen Erkrankungen, ausgenommen etwa komplizierte Transplantationen, behandelbar sind (BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007)
Ein Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung im Gesundheitswesen besteht. Das Gesetz regelt den Umfang der kostenlosen ambulanten oder stationären Behandlung bei bestimmten Krankheiten und Medikamenten, sowie zusätzlich auch für bestimmte sozial bedürftige Gruppen (inkl. Kinder, Flüchtlinge, Invaliden u. a.) und gilt (außer bzgl. der Flüchtlinge) ausschließlich für armenische Staatsangehörige. Die Einzelheiten werden jedes Jahr per Gesetz festgelegt. Die Behandlung in der Poliklinik des Wohnbezirkes ist grds. kostenlos.
Im Staatshaushalt sind für die medizinische Versorgung Mittel vorhanden, die auch kontinuierlich aufgestockt werden. Die Beträge, die den Kliniken zur Verfügung gestellt werden, reichen für deren Betrieb und die Ausgabe von Medikamenten gleichwohl nicht aus. Daher sind die Kliniken idR gezwungen, von den Patienten Geld zu nehmen. Da dies ungesetzlich ist, erhalten die Patienten jedoch keine Rechnungen. Im Einzelfall kann deswegen Bereicherung seitens des Klinikpersonals nicht ausgeschlossen werden - ist aber wohl nicht die Regel.
Es ist in der Bevölkerung bisher nicht allgemein bekannt, in welchen Fällen das Recht auf kostenlose Behandlung besteht. Die entsprechenden Vorschriften werden de facto unter Verschluss gehalten. Sie sind zwar im Prinzip öffentlich, aber schwierig zu erhalten. Auch die Kliniken erhalten jeweils nur Auszüge aus den Vorschriften. In letzter Zeit erschienen aber in der Presse Artikel mit Informationen über die kostenlose Behandlung, und immer mehr Patienten bestehen erfolgreich auf ihrem Recht auf kostenlose Behandlung.
Es besteht die Möglichkeit, eine private Krankenversicherung abzuschließen. Der Großteil der armenischen Bevölkerung macht hiervon jedoch keinen Gebrauch, weil das Vertrauen fehlt. Nur wenige, in der Regel ausländische Arbeitgeber schließen für ihre Mitarbeiter Krankenversicherungen ab. Die Versicherungen arbeiten nur mit bestimmten Kliniken zusammen, und trotz Versicherung sind noch inoffizielle Zuzahlungen seitens der Patienten erforderlich.
Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der Krankenhäuser und das technische Gerät ist zwar zum Teil mangelhaft, eine medizinische Grundversorgung ist gleichwohl gewährleistet. Es stehen in einzelnen klinischen Einrichtungen auch moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie und Computertomographie zur Verfügung. Diese Geräte stammen in der Regel aus Spenden humanitärer Organisationen bzw. der armenischen Auslandsbevölkerung (Diaspora) oder befinden sich in Privatkliniken.
Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist in Armenien auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. In der Republik Armenien gibt es psychiatrischen Abteilungen in den Krankenhäusern. Fachpersonal steht zur Verfügung.
Problematisch ist die Verfügbarkeit der Medikamente: Es sind nicht immer dieselben Präparate vorhanden. Die gängigen Medikamente sind in privaten und staatlichen Apotheken gegen entsprechende Bezahlung erhältlich. Für die Einfuhr von Medikamenten ist eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich. Viele Medikamente werden in Armenien in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland geforderten Preise verkauft. Importierte Medikamente, z. B. von Pharmafirmen wie Bayer (Deutschland), Gedeon Richter (Ungarn), Solvay (Belgien), sind überall erhältlich. Diese sind immer noch wesentlich billiger als identische Produkte derselben Hersteller in Deutschland (Auswärtiges Amt vom 02.02.2006, Seite 23f, dieselbe Quelle vom 20.3.2007, 11.8.2009, 8.11.2010).
Wenn es sich beim Patienten um eine mittellose Person handelt, wird die Behandlung im öffentlichen Gesundheitssystem in Armenien nicht verweigert. Der Patient kann beim Gesundheitsministerium der Republik Armenien einen Antrag stellen und das Ministerium wird ihm darauf folgend in ein entsprechendes Krankenhaus oder ein Gesundheitszentrum verweisen, damit dieser dort eine kostenlose Behandlung im Rahmen des staatlich vorgesehenen Programms, erhält. (IOM, Anfragebeantwortung zu E9 304.620 v. 12.5.2009)
In Armenien existieren auch staatliche und private Pflegeheime. Für die staatlichen Pflegeheime ist ein monatlicher Betrag von ca. 10 Euro zu entrichten. Private kosten ca. 105 Euro monatlich.
Das "State Center of Social Attendance" bietet eine Art ambulanten Pflegedienst an. Grundvoraussetzung für eine Versorgung ist, dass die zu betreuende Person keine in Armenien lebenden Kinder hat und offiziell pflegebedürftig ist. Das Angebot umfasst ua. Gesundheitsdienst, prophylaktische Hausbesuche, Gesundheitsvorsorge, Bereitstellung von Hygienebedarf, Rufdienst, ggfls. Regelung von Angelegenheiten im Zusammenhang mit Krankenhausdiensten etc. (IOM, Anfragebeantwortung vom 8.3.2007 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Rückkehrsituation einer 73jährigen Frau).
Schutzmechanismen
Zur Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des armenischen Staates schildert das Auswärtige Amt Berlin im genannten Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom Februar 2006 Fälle, in denen der Staat nicht willens war, Schutz zu gewähren. In der Auskunft des Auswärtigen Amtes Berlin an das VG Düsseldorf vom 8.6.2006, GZ. 508.516.80/44613 geht dieses jedoch nicht von einer generellen Schutzunwilligkeit und Schutzunfähigkeit des armenischen Staates aus. USDOS berichtet im Country Report on Human Rights Practices 2006 vom März 2007 von Modernisierungen innerhalb des Polizeiapparates, berichtet jedoch ebenfalls über Fälle, in denen der Staat nicht den erforderlichen Schutz bot. Im Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage vom März 2007, wird berichtet, dass in jüngerer Zeit keine von staatlicher Seite geduldeten Repressalien Dritter beobachtet wurden. Im jüngsten Bericht räumt das Auswärtige Amt wiederum ein, dass im Rahmen von Demonstrationen oppositioneller Gruppen die Ordnungskräfte gegen Übergriffe auf die Demonstranten nicht energisch genug vorgingen. Übereinstimmend wird in den Quellen die kursierende Korruption noch immer als ein erhebliches Problem genannt, wenngleich Bemühungen zur Bekämpfung unternommen werden. Seit 2006 werden alle Anrufe zur Polizei aufgezeichnet und die Anrufe sind kostenfrei. Im Rahmen der genannten FFM konnte festgestellt werden, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass in Armenien seitens der Sicherheitsbehörden ein genereller Unwille herrscht, Schutz zu gewähren.
Unstrittigerweise ist davon auszugehen, dass Armenien über eine Rechtsordnung verfügt, welche auch ein Straf- und Strafprozessrecht und sicherheitspolizeiliche Rechtsmaterien enthält. Ebenso existieren Behörden, welche berufen sind, im Falle der Kenntnisnahme von Straftaten einzuschreiten und gegen die Täter vorzugehen und werden begangene Straftagen auch verfolgt (öffentlich zugängliche Kriminal- und Verurteilungsstatistiken des Armenischen Amtes für Statistik [http://www.armstat.am /file/doc/99458088.pdf]).
Die Fähigkeit und der Wille Schutz zu gewähren ist grundsätzlich gegeben. Eine gefährdete Person kann die Strukturen zur Strafverfolgung in Armenien in Anspruch nehmen. Sie kann sich zB. an die Polizei aber auch an die Staatsanwaltschaft wenden. Wenn es Probleme mit derartigen lokalen Strukturen gibt, kann man sich auch an höhere Instanzen wenden. Es können auch Beschwerden beim Gericht erhoben werden. (Dr. A., Expert Opinion, jeweils v. 21.5.2009 zu Zlen.: E19 242.537 u. E10 316.310)
Gegen Verfehlungen staatlicher Organe existiert ein breites Spektrum an Rechtsschutz- und Beschwerdemöglichkeiten. Auch hier kann nicht per se festgestellt werden, dass diese Rechtsbehelfe generell ineffektiv sind. Das armenische Rechtssystem kennt das Rechtsinstitut der Verfahrenshilfe (Bericht FFM vom 1.11.2007). Die nationalen Einrichtungen zum Schutze der Menschenrechte sind Gerichte und die Ombudsperson für Menschenrechte. Nach den 2005 erfolgten Verfassungsänderungen kann auch jeder Bürger Fälle, die höchstinstanzlich entschieden wurden, vor das Verfassungsgericht bringen. Das Institut einer Ombudsperson für Menschenrechte wurde durch die Verfassungsänderung im November 2005 eingeführt. Seit der Verfassungsänderung im November 2005 gibt es die Institution einer vom Parlament gewählten Ombudsperson für Menschenrechte. Sowohl der derzeitige Ombudsmann Armen Harutyunyan als auch seine Vorgängerin haben sich das Vertrauen der Bevölkerung erworben und konnten viele Fälle erfolgreich bearbeiten. Das Profil des derzeitigen Ombudsmanns wurde durch seine deutliche Verurteilung der gewaltsamen Auflösung der Demonstration der Unterstützer des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Levon Ter-Petrosyan erheblich geschärft. Allerdings gibt zu denken, daß sein Budget in diesem Jahr abgesenkt wurde und er somit stark auf finanzielle Unterstützung der internationalen Geber angewiesen ist.
(Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien vom 8.11.2010)
Armenien bietet aufgrund seines zentralistischen Staatsaufbaus und seiner geringen territorialen Ausdehnung kaum Ausweichmöglichkeiten bei einer hypothetischen Verfolgung durch zentrale Stellen. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen. (Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien vom 8.11.2010)
Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche oder erniedrigende Strafen, Strafen, die gemessen am begangenen Delikt als extrem unverhältnismäßig anzusehen sind, lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt. Menschenrechtsorganisationen berichten allerdings von Fällen willkürlicher Festnahmen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Angehörige der Sicherheitsbehörden in Einzelfällen ihre Machtposition in privaten Streitigkeiten ausnutzen. Zwangsarbeit existiert nicht. Die Haftbedingungen entsprechen nicht westlichem Standard. Insbesondere bestehen Probleme mit den hygienischen Bedingungen, Überbelegung der Gefängnisse und der ärztlichen Versorgung der Gefangenen. Menschenrechtsorganisationen haben Zutritt zu den Gefängnissen.
Folterähnliche Übergriffe sind seit der Unabhängigkeit Armeniens stark zurückgegangen. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen. Einzelfälle können nicht ausgeschlossen werden. Die Todesstrafe wurde abgeschafft. (Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien vom 8.11.2010).
Sippenhaft, d.h. die Anwendung staatlicher Repressionen gegenüber Angehörigen oder sonstigen nahe stehenden Personen eines Beschuldigten oder Gesuchten, gibt es in Armenien nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts nicht (Auswärtiges Amt vom 18.6.2008, 11.8.2009, 8.11.2010; BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007).
Rückkehrsituation
Die Stellung eines Asylantrages im Ausland ist nicht strafbar. Rückkehrer werden nach Ankunft in Armenien in die Gesellschaft integriert und nutzen häufig die erworbenen Deutschkenntnisse bzw. ihre im Aufenthaltsstaat geknüpften Kontakte. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen (auch Staatsdienst). Wegen der steigenden Auswandererzahlen haben sie überdurchschnittliche Chancen, Arbeit zu finden. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden sind dem deutschen auswärtigen Amt nicht bekannt (Bericht vom 8.11.2010).
Rückkehrer stehen oft vor einer schwierigen wirtschaftlichen Ausgangssituation, weil sie zur Finanzierung ihrer Ausreise beträchtliche Vermögenswerte investierten und sich im Zielstaat ihre Einkommenserwartungen oftmals nicht erfüllten (Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007).
Für Rückkehrer nach Armenien besteht Unterstützung durch einige Organisationen. GRINGO ist ein Netzwerk aller Organisationen die Rückkehrer in Armenien unterstützen, welches vom "Danish Refugee Council" betreut wird. Rückkehrer haben sich mehrfach an NGOs gewandt, wobei in erster Linie um soziale Unterstützung angesucht wurde. Probleme mit Behörden wurden keine gemeldet. Es gibt mit einigen EU Mitgliedstaaten eigene Rückkehrprogramme im Rahmen derer Rückkehrer besonders unterstützt werden, was zu einer Senkung der "Rückfallsquote" geführt hat. Es existieren auch einige Präventionsprogramme gegen Auswanderung. Dazu gehört ein spezielles Programm von IOM.
Ebenso betreibt IOM für rückgekehrte Armenier ein umfassendes Beratungs- und Unterstützungsprogramm, welches etwa ua. die Vergabe von Mikrokrediten zum Start eines (Klein-)Unternehmens besteht. Solche Mikrokredite werden auch von mehr als 20 weiteren Banken oder Geldinstituten vergeben (nähere Details siehe IOM: Returning to Armenia, Country Information, Last Update on 20 November 2009; Zugriff über http://www.iomvienna.at/ am 16.8.2010)
Armenien betreibt seit 1.1.2007 ein von der Europäischen Union unterstütztes bzw. finanziertes Rückkehrförderungsprogramm (siehe www.backtoarmenia.com) ua. zur Unterstützung bei der Wiedereingliederung in Armenien.
Die Armut in Armenien ist noch immer groß. Geschätzte 37% der Armenier leben unter der Armutsgrenze. Dies betrifft auch häufig Rückkehrer aus Europa. Dennoch treffen die sozialen Probleme alle Armenier gleich, unabhängig von ihrer Ethnie und Herkunft. Es gibt Unterstützungsprogramme seitens des Staates und NGOs, wobei die staatlichen Programme mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden sind.
Es ist davon auszugehen, dass idR immer eine Möglichkeit besteht die grundlegende Existenz zum Leben zu sichern, sei es auch durch den Familienverband oder Unterstützung durch andere Stellen in besonders schwierigen Fällen. (BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007)
Dokumente
Es ist bekannt, dass zahlreiche Asylwerber aus Armenien gültige Reisepässe besitzen, diese jedoch vor den Behörden im Asylantragstaat verheimlichen.
Die meisten Asylbewerber armenischer Herkunft legen keinerlei Dokumente vor. Oft werden aber auch ge- oder verfälschte Urkunden sowie echte Dokumente, die anderen Personen gehören, verwandt. In letzterem Fall handelt es sich in der Regel um Personenstandsurkunden ethnischer Armenier, die aus Aserbaidschan nach Armenien geflüchtet und inzwischen armenische Staatsangehörige sind. Die Asylbewerber, die diese Urkunden vorlegen, behaupten regelmäßig, direkt aus Aserbaidschan nach Deutschland geflüchtet zu sein.
Im Asylverfahren werden häufig echte Dokumente unwahren Inhalts vorgelegt. Hierzu gehören u.a. Haftbefehle, Vorladungen zu Polizei, Behörden, Gerichten etc. Gegen entsprechende Bezahlung können häufig von Angestellten der Behörden Briefbögen mit Siegeln und Stempeln erlangt werden. Diese werden in der Regel durch Dritte mit dem gewünschten Inhalt versehen. Es sind auch Fälle bekannt, in denen Staatsangestellte beim Ausscheiden aus dem Dienst Briefbögen, Stempel und Siegel, Blankovordrucke usw. mitnehmen. Daneben gibt es regelmäßig Gefälligkeitsbescheinigungen, die einer Überprüfung nicht standhalten.
Es ist grundsätzlich problemlos möglich, gefälschte Dokumente zu beschaffen. Gefälschte Reisedokumente sind nur selten anzutreffen. Ge- und verfälschte Personenstandsurkunden, Vorladungen, Haftbefehle, Gerichtsurteile oder sonstige Bescheinigungen kommen jedoch häufig vor.
(Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien vom 8.11.2010)
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden erstinstanzlichen Verwaltungsakte sowie durch das Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens durch den AsylGH.
Auf Grund des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges der Verfahren der Erst- bis Drittbeschwerdeführer wurden diese gem. § 39 Abs 2 AVG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, wogegen auch kein Einwand erhoben wurde.
Ad I.1.1. Die Identität und die Staatsangehörigkeit ist durch die erst in der Beschwerdeverhandlung vorgelegten und hinsichtlich seiner Echtheit unbedenklichen armenischen Reisepässe erwiesen. Die Feststellung hinsichtlich des Gesundheitszustandes ergibt sich glaubhaft aus den lebensnahen Angaben in der Beschwerdeverhandlung und den vorgelegten medizinischen Bescheinigungsmitteln. Die Feststellung zum Bestehen von Verwandten in Armenien ergibt sich aus den übereinstimmenden und damit auch glaubhaften lebensnahen Angaben der Erst- und Zweitbeschwerdeführer. Die Feststellung zum Bildungsstand ergibt sich aus den in der Verhandlung vorgelegten Bescheinigungsmitteln und den diesbezüglich glaubhaften Angaben. Hinsichtlich des Bestehens der privaten und familiären Anknüpfungspunkte ergibt sich die Feststellung aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis bzw. aus den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben der Erst- und Zweitbeschwerdeführer.
Ad I.1.2. Der Asylwerber hat im Verfahren "glaubhaft" zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung droht (§7 AsylG 1997). Der dem Asylverfahren zu Grunde liegende Maßstab der "Glaubhaftmachung" findet auch in Bezug auf Gründe für die Geltendmachung von subsidiärem Schutz Anwendung (VwGH 26.6.1997, 95/18/1293; 17.7.1997, 97/18/0336; siehe auch: Putzer/Rohrböck, Asylrecht Leitfaden zur neuen Rechtslage nach dem AsylG 2005, Rz 154 mwN).
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, Zahl 2005/17/0252). Nach der Judikatur ist die Wahrscheinlichkeit dann gegeben, wenn die für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Erscheinungen, wenn auch noch so geringfügig, gegenüber den im entgegen gesetzten Sinn verwertbaren Erscheinungen überwiegen (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 355 mit Hinweisen auf die Judikatur).
Im Asylverfahren muss das Vorbringen des Antragstellers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden. Ungeachtet der gesetzlichen Verpflichtung der Asylbehörde bzw. des Asylgerichtshofes, im Einklang mit den im Verwaltungsverfahren geltenden Prinzipien der materiellen Wahrheit und des Grundsatzes der Offizialmaxime, den maßgeblichen Sachverhalt amtswegig (§ 39 Abs 2 AVG, § 28 AsylG 1997) festzustellen, obliegt es in erster Linie dem Asylwerber auf Nachfrage alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung darzulegen (vgl VwGH 16. 12 1987, 87/01/0299; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 19. 9. 1990, 90/01/0133; 7. 11. 1990, 90/01/0171; 24. 1. 1990, 89/01/0446; 30. 1. 1991, 90/01/0196; 30. 1. 1991, 90/01/0197; vgl zB auch VwGH 16. 12. 1987, 87/01/0299; 2. 3. 1988, 86/01/0187; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 17. 2. 1994, 94/19/0774) und glaubhaft zu machen (VwGH 23.2.1994, 92/01/0888; 19.3.1997, 95/01/0525). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007). Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich auch, dass die Ermittlungspflicht der Behörde durch die vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067). Es ist Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen. (VwGH 30. 11. 2000, 2000/01/0356).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).
Auch bei Asylverfahren nach dem AsylG 1997 ist eine mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers im Rahmen der Beweiswürdigung - und damit auch bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung - zu berücksichtigen (Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, S 385 mwN auf die Judikatur des VwGH). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601; 14.6.2005, 2005/02/0043], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).
Dabei darf in diesem Zusammenhang aber nicht übersehen werden, dass auf Grund der Spezifika eines Asylverfahrens, unbeschadet dessen, dass es als antragsgebundenes Verwaltungsverfahren nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz abgeführt wird, die Anforderungen an einen Asylwerber auf Grund von fluchttypischen Sachzwängen nicht überzogen werden dürfen. Dennoch sieht der das asylrechtliche Ermittlungsverfahren zum Inhalt habende § 28 Asylgesetz 1997 keine Beweis- bzw. Bescheinigungslastumkehr zugunsten des Beschwerdeführers vor, sondern leuchtet aus den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung hervor, dass in dieser Bestimmung lediglich explizit darauf hingewiesen wird, dass das Asylverfahren den fundamentalen Prinzipen des Verwaltungsverfahrensrechts, insbesondere dem Prinzip der materiellen Wahrheit und dem Grundsatz der Offizialmaxime nach § 39 Absatz 2 AVG, folgt. Eine über §§ 37 und 39 Absatz 2 AVG hinausgehende Ermittlungspflicht normiert § 28 Asylgesetz nicht (VwGH 14.12.2000, Zahl 2000/20/0494).
Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer vermochten im Ergebnis den vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Prämissen für die Glaubhaftmachung einer "Fluchtgeschichte" aus nachfolgenden Gründen nicht gerecht zu werden:
Die Erst- und Zweitbeschwerdeführerin beriefen sich im österreichischen Asylverfahren im Wesentlichen auf die gleichen Fluchtgründe. Geht man davon aus, so ergeben sich in deren Geschichten bzw. gemeinsamen Erlebnissen, die sie als ausreisekausal bezeichneten, erhebliche Divergenzen, die es nicht glaubhaft erscheinen lassen, dass es sich dabei um persönliche Realereignisse handelt.
Das Vorbringen zentrierte sich im Wesentlichen auf Probleme der Erstbeschwerdeführerin, die auch auf die Zweitbeschwerdeführerin ausreisekausale Auswirkungen gehabt haben sollen.
Die Erstbeschwerdeführerin behauptete im Wesentlichen, dass sie im Zusammenhang mit ihrem ehemaligen Ehegatten mit staatlichen Organen Probleme hatte, welche sie letztlich zu Spionagetätigkeit im Hotel erpresst hätten.
Die Zweitbeschwerdeführerin behauptete in Österreich zusammengefasst, dass die Erstbeschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem ehemaligen Ehegatten derselben durch nichtstaatliche Akteure zum Rauschgifthandel erpresst worden wäre.
Diese in der Verhandlung vorgehalten Widersprüche konnten nicht plausibel aufgeklärt werden. So meinte etwa die Erstbeschwerdeführerin vor diesem Vorhalt, dass sie der Mutter nichts verheimlichte und sie alles wusste. Da habe es - so ihre Rechtfertigung nach Vorhalt - ein "Missverständnis" gegeben. Die Mutter habe sich "höchstwahrscheinlich nicht richtig ausdrücken können". Es sei niemals die Rede davon gewesen, dass sie Rauschgift hätte verkaufen sollen.
Der beim BAA aufgenommen Niederschrift ist dazu auch zu entnehmen, dass die Erstbeschwerdeführerin der Zweitbeschwerdeführerin "von dieser Sache erzählte".
Die Zweitbeschwerdeführerin meinte nach diesem Vorhalt, dass sie das "mit der Mafia und dem Rauschgift nie gesagt habe und zum ersten Mal höre. Diese Spionagesache habe erst nach ihrer Ausreise stattgefunden, davon wisse sie nichts".
Die zitierte Aussage hinsichtlich Rauschgift und Mafia findet sich in der Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Gmünd, die die Behörde mit der Zweitbeschwerdeführerin unmittelbar nach ihrer nicht rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet machte. Bei Betrachtung der Niederschrift ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass diese nicht iSd § 15 AVG den vollen Beweis über den Verlauf und Gegenstand der betreffenden Amtshandlung liefern würde. Die Zweitbeschwerdeführerin hat auch kein konkretes und substantiiertes Vorbringen dagegen erstattet, die den Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges darstellen würde. Vielmehr ergibt sich aus dieser Niederschrift, dass die Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Persönlichkeit nicht als generell glaubwürdig eingestuft werden kann, zumal sie auch versuchte über ihr vorheriges Asylverfahren in Tschechien hinwegzutäuschen bzw. dieses zu verheimlichen.
Betonte die Erstbeschwerdeführerin beim BAA noch, dass sie bei der
6. Abteilung darauf hinwies, dass sie als Buchhalterin im Hotel tätig gewesen sei und Schweigepflicht hatte, brachte sie in der Beschwerdeverhandlung hingegen neu vor, dass sie die letzten 2 Jahre in der Nacht an der Rezeption gearbeitet habe und in dieser Position Zugang zu den Informationen des Hotels hatte.
Ergänzend und die Beweiswürdigung allein nicht tragend ist anzuführen, dass auch das Vorbringen in Bezug auf den Reisepass der Erstbeschwerdeführerin widersprüchlich war. Beim BAA gab sie an, dass sie und die Zweit- und Drittbeschwerdeführer bei der staatlichen Einrichtung den Reisepass abgeben mussten [..."Sie wussten auch, dass meine Mutter und mein Sohn Pässe bekommen haben, sie sagten deshalb auch, dass wir diese Pässe abgeben, damit wir ja keine Pässe besitzen". ...."und ich habe unterschreiben müssen, das Land nicht zu verlassen"]. In der Beschwerdeverhandlung brachte sie davon abweichend bzw. neu vor, dass ihr der Reisepass von diesen wieder ausgefolgt worden war.
In der Beschwerdeverhandlung betonte die Erstbeschwerdeführerin, dass die Verfolger bis zum Zeitpunkt der Ausreise "in erster Linie" den finanziellen Schaden, den ihr Mann angerichtet habe, von ihr gutgemacht haben wollten. Sie habe daher auch die Wohnung der Mutter verkauft und mit einem Teil die Verfolger bezahlt. Mit dem Rest aus dem Wohnungsverkauf hätten sie ihre Ausreise finanziert. Da den Verfolgern klar gewesen sei, dass sie dadurch nicht so viel Geld hätte lukrieren können, hätte sie auch die Spionagetätigkeit für diese durchführen sollen.
Beim BAA hingegen sprach sie im Wesentlichen von Geldforderungen bis 1998. Ab diesem Zeitpunkt konzentrierte sich ihr Vorbringen in Bezug auf die Forderungen der Verfolger, dass diese von ihr den Aufenthaltsort des ehemaligen Gatten in Erfahrung bringen wollten, "ansonsten würden sie ihr etwas antun". Sie sei auch zu Spionagetätigkeiten gezwungen worden.
Gegen die Glaubhaftmachung einer Verfolgung durch die Sicherheitsbehörden bzw. durch einzelne Organe spricht auch der Umstand, dass insbesondere die Zweitbeschwerdeführerin sowie auch ihr Sohn mit ihren echten Reisepässen sich der arm. Ausreisekontrolle stellten, worauf ein Stempel im vorgelegten Reisepass hinweist. Vielmehr wäre in einem solchen Fall aber die Vermeidung jeglichen Kontaktes mit Behörden bzw. deren Organen bei der Ausreise zu erwarten gewesen.
In der Beschwerdeverhandlung legte die Erstbeschwerdeführer einen in armenischer Sprache handgeschriebenen undatierten Brief und ein Briefkuvert vor. Sie behauptete, sie hätte diesen Brief im vorgelegten Kuvert von einer Freundin in Armenien erhalten. Das Kuvert trägt den arm. Poststempel 13.04.2004. Auf dem Kuvert steht auch die genaue österr. Anschrift und der Name der Erstbeschwerdeführerin
Dem Brief ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass die Nachbarn und Verwandten nach ihrem Aufenthalt befragt worden seien. Jemand aus der Nachbarschaft habe verraten, dass sie im Ausland sei. Es sei auch in der Schule kontrolliert worden. Ein Polizist sei zu ihr [die Verfasserin des Briefes] gekommen und habe gedroht, dass, wenn sie nicht binnen einer Woche kommen würde, sie durch Interpol gesucht werde. Sie [die Erstbeschwerdeführerin] sollte keine Briefe an die eigene Wohnadresse schicken und auch nicht dort anrufen. Sie habe Angst diesen Brief normal zu schicken. Sie sende die angeforderten Dokumente mit. Sie schicke ihn eingeschrieben, da er so nicht kontrolliert werde. Sie [die Erstbeschwerdeführerin]
sollte daher auf keinen Fall zurück nach Armenien kommen.
Angenommen, es wurde wie behauptet dieser Brief mit dem Kuvert verschickt, so fällt auf, dass dieser im zeitlichen Zusammenhang mit der negativen Bescheiderlassung des BAA fällt. Dieser Bescheid wurde nämlich am 12.3.2004 erlassen und der Brief - lt. Datierung des Kuverts - am 14.4.2004 abgesandt. Dem Inhalt des Briefes und aus dem Umstand schließend, dass die Verfasserin die exakte Wohnadresse der Erstbeschwerdeführerin in Österreich kannte, gab es auch zuvor - von Österreich aus - Kontakt mit der Freundin in Armenien. Faktum ist, dass es sich nach den Angaben der Erstbeschwerdeführerin bei der Verfasserin um eine Sympathieperson handelt, die eine Freundschaft verband und die sie auch in der Vergangenheit schon unterstützt haben soll.
Einerseits soll in dem Schreiben vermittelt werden, dass seitens staatlicher Organe mit Vehemenz versucht wird den Aufenthaltsort der Erstbeschwerdeführerin herauszufinden und selbst auch die Verfasserin in das Visier der Verfolger als Person ins Auge gefasst wurde, von der man annimmt, sie kenne den Aufenthaltsort der Erstbeschwerdeführerin. Dass diese dann hochoffiziell auf dem Postweg einen Brief, auf dem für jeden der Name und Aufenthaltsort bzw. Wohnanschrift der "flüchtigen" Erstbeschwerdeführerin ersichtlich ist, schickt, ist - unter hypothetischer Annahme der mitgeteilte Sachverhalt ist wahr - nicht plausibel. Vielmehr wäre es lebensnäher Übermittlungswege zu finden, zB. über Mittelspersonen, die nicht sofort auf die Erstbeschwerdeführerin und ihren Aufenthaltsort hinweisen.
Auffallend ist auch, dass die Verfasserin - so könnte aus dem Schreiben geschlossen werden - umfassend über die Ermittlungsschritte, zB bei Nachbarn, bei Verwandten, in der Schule, dem Denken und Handeln von Polizeiorganen einschließlich Interpol, der Organe bzw. der Verfolger und dem Ausgang der gesetzten Ermittlungen informiert ist, was unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände wenig lebensnah erscheint.
Nicht stimmig ist in diesem Schreiben auch, dass die Erstbeschwerdeführerin aufgefordert wird keine Briefe an ihre eigene Wohnadresse zu schicken und dort auch nicht anzurufen. Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer gaben im Verfahren nämlich an, dass sie ihre Wohnung schon vor der Ausreise veräußert hätten und sie behauptetermaßen auch aus diesem Grund bei der Verfasserin des Briefes gewohnt haben sollen.
Insgesamt kommt dieses Schreiben ein geringer Beweiswert zu, zumal er von einer Sympathieperson der Erstbeschwerdeführerin stammt, es au