TE AsylGH Erkenntnis 2011/04/13 D13 256370-2/2011

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Veröffentlicht am 13.04.2011
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Spruch

D13 256370-2/2011/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.01.2011, Zahl: 04 04.805-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, reiste am 18.03.2004 gemeinsam mit seinen Eltern XXXX (Zl. D13 256371-2/2011) und XXXX (Zl. D13 256367-2/2011) sowie seinen beiden Geschwistern XXXX (Zl. D13 256368-2/2011) und XXXX (Zl. D13 256369-2/2011) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag vertreten durch seinen Vater als gesetzlichen Vertreter einen Asylantrag. Dieser wurde hiezu am 11.11.2004 vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen und machte hinsichtlich der Fluchtgründe seines Sohnes lediglich geltend, dass dieser wegen der Probleme seines Vaters nach Österreich gekommen sei.

 

Mit Bescheid vom 13.12.2004, Zahl: 04 04.805-BAL, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 ab.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vertreten durch seinen Vater als gesetzlichen Vertreter am 28.12.2004 fristgerecht das Rechtsmittel einer Berufung, in welcher er den Bescheid in seinem vollen Umfang anfocht.

 

Mit Bescheid vom 19.06.2006, GZ: 256.370/0-XI/34/05, gab der Unabhängige Bundesasylsenat der Berufung des Beschwerdeführers statt und gewährte diesem gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 Asyl. Gemäß § 12 leg. cit. wurde weiters festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

 

2. Nachdem das Bundesasylamt am 05.08.2010 gegen den Beschwerdeführer ein Asylaberkennungsverfahren eingeleitet hatte, wurde dieser am 23.08.2010 vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes zu dem eingeleiteten Aberkennungsverfahren niederschriftlich einvernommen und machte im Wesentlichen Folgendes geltend:

 

Seit seiner Asylantragstellung habe er keinen Kontakt mehr zu den Behörden seines Herkunftsstaates gehabt und sei auch nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Er habe sich - nicht so wie sein Vater - auch keinen russischen Reisepass ausstellen lassen. Er habe Österreich bis auf einen einmaligen Besuch in München noch nie verlassen.

 

Mit Bescheid vom 13.01.2011, Zahl: 04 04.805-BAL, erkannte das Bundesasylamt den dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Unabhängigen

Bundesasylsenates vom 19.06.2006, GZ: 256.370/0-XI/34/05, zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 ab und stellte gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Begründend führte das Bundesasylamt darin zusammengefasst aus, dass dem Vater des Beschwerdeführers mit Bescheid vom heutigen Tag der Status des Asylberechtigten aberkannt worden sei, da sich dieser einen russischen Auslandsreisepass ausstellen habe lassen, und auf die Ausführungen in dessen Bescheid verwiesen werde. Zudem habe die Mutter des Beschwerdeführers ausgeführt, dass sie gemeinsam mit ihren drei jüngeren Kindern bei Verwandten in Tschetschenien gewesen sei, weswegen davon ausgegangen werde, dass sich der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation aufgehalten habe. Im Fall des Beschwerdeführers seien daher die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 - welche aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer vor dem 30.04.2004 gegenständlichen Asylerstreckungsantrag gestellt habe, anwendbar sei - erfüllt.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 27.01.2011 fristgerecht das Rechtsmittel einer Beschwerde, in welcher er den Bescheid in seinem vollen Umfang anfocht.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG idF BGBl. I Nr. 147/2008 sind - soweit sich aus dem AsylG 2005 nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2.1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

Gemäß § 75 Abs. 5 AsylG gilt einem Fremden, dem am 31.12.2005 die Flüchtlingseigenschaft zugekommen ist, soweit es zu keiner Aberkennung oder keinem Verlust der Flüchtlingseigenschaft gekommen ist, der Status des Asylberechtigten als zuerkannt. Dies bedeutet, dass auf derartige "übergeleitete" Asylberechtigte die Aberkennungsbestimmungen (§ 7 AsylG 2005) in Bezug auf den Status des Asylberechtigten zur Anwendung kommen (vgl. Putzer/Rohböck, Leitfaden Asylrecht (2007), Rz 746).

 

Diesen Übergangsbestimmungen hat das Bundesasylamt im o.a. Bescheid jedoch nicht entsprochen und damit die Rechtslage verkannt hat. Entgegen der Rechtsansicht des Bundesasylamtes, im gegenständlichen Verfahren seien aufgrund der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten im Rahmen des Erstreckungsverfahrens iSd §§ 10, 11 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, auch die entsprechenden Aberkennungsgründe iSd § 14 Abs. 1 Z 2 leg. cit. anzuwenden, wären auch im gegenständlichen Aberkennungsverfahren, die entsprechenden rechtlichen Bestimmungen des AsylG 2005 anzuwenden gewesen. Wie sich aus den oben zitierten Gesetzesbestimmungen ergibt, kommt es nicht darauf an, nach welcher geltenden Rechtslage dem damaligen Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sondern allein darauf, zu welchem Zeitpunkt das Aberkennungsverfahren eingeleitet wurde. Da das vorliegende Verfahren auf Aberkennung des Status der Asylberechtigten erst am 05.08.2010 - und somit weit nach in Kraft treten des AsylG 2005 - eingeleitet wurde, kommt das AsylG 2005 zur Anwendung.

 

Die Anwendung des Erstreckungsverfahrens nach den §§ 10, 11 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, ist im gegenständlichen Fall daher vollkommen verfehlt gewesen.

 

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass in Verfahren über die Aberkennung von Asyl auch die Bestimmungen über das Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 keine Anwendung finden. Dies deswegen, da diese Bestimmungen per definitionem einerseits nur auf Anträge auf internationalen Schutz und die diesbezüglichen Verfahren Anwendung finden. Andererseits müssen die Gründe zur Aberkennung von Asyl von jedem, der drohenden Aberkennung unterliegenden anerkannten Flüchtling individuell erfüllt werden und schlagen Aberkennungsgründe eines Familienangehörigen nicht auf andere Familienangehörige "durch".

 

2.2. Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status des Asylberechtigten abzuerkennen, wenn

 

ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

 

einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

 

der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

 

Gemäß dem - vom Bundesasylamt neben den falsch angewendeten Erstreckungsbestimmungen offensichtlich angedachten - Art. 1 Abschnitt C Z 1 GFK, wird dieses Abkommen auf eine Person nicht mehr angewendet, wenn sie sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat. Dabei sind es in der Regel zwei Handlungstypen des Flüchtlings, die relevant sind:

 

der Flüchtling reist in sein Heimatland oder

 

er lässt sich einen Reisepass seines Heimatlandes ausstellen.

 

Für beides gilt, dass der Flüchtling freiwillig gehandelt haben muss, das heißt ohne Einwirkung von physischem oder psychischem Zwang.

 

Im Fall des Beschwerdeführers liegt jedoch weder die eine noch die andere Variante der freiwilligen Unterschutzstellung des Heimatlandes vor. Der Beschwerdeführer hat sich laut eigenen Angaben keinen russischen Reisepass ausstellen lassen und sind auch im Verfahren keine Umstände zu Tage getreten, die einen diesbezüglichen Schluss zuließen.

 

Der Beschwerdeführer ist - entgegen der Annahme des Bundesasylamtes

-

aber auch nicht in seinen Herkunftsstaat zurückgereist. Vielmehr hat der Beschwerdeführer angegeben - bis auf eine Reise nach München

-

seit seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet, dieses nicht mehr verlassen zu haben. Soweit das Bundesasylamt in der Beweiswürdigung des o.a. Bescheides ausführt, dass die Mutter des Beschwerdeführers in deren Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 23.08.2010 angegeben hat, sie sei in die Ukraine bzw. weiter in die Russische Föderation gereist und hätten sie dabei der Beschwerdeführer und zwei seiner Geschwister begleitet, so entspricht dies nicht den Tatsachen. Aus dem Einvernahmeprotokoll der Mutter des Beschwerdeführers vom 23.08.2010 ergibt sich vielmehr, dass diese ausdrücklich angegeben hat, dass sie ihre drei kleineren Kinder bei ihrer Reise begleitet hätten. Da die Mutter des Beschwerdeführers lediglich über vier Kinder verfügt und der Beschwerdeführer das älteste darunter ist, ergibt sich in logischer Konsequenz, dass der Beschwerdeführer seine Mutter auf dieser Reise nicht begleitet hat und stimmt diese Schlussfolgerung insbesondere auch mit den Angaben des Beschwerdeführers überein.

 

Da der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall somit gar keinen Aberkennungsgrund im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG (Eintreten einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe) gesetzt hat und auch - wie oben ausgeführt - die Bestimmungen über das Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 keine Anwendung finden, fehlt es daher an den Grundvoraussetzungen für eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten (auch die anderen in § 7 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Gründe sind im Fall des Beschwerdeführers nicht verwirklicht) und erweist sich der o.a. Bescheid des Bundesasylamtes mangels Rechtsgrundlage als rechtswidrig, weswegen dieser daher ersatzlos zu beheben gewesen ist.

 

2.3. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Aberkennungstatbestand
Zuletzt aktualisiert am
04.05.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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