D9 417531-1/2011/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. KANHÄUSER als Vorsitzenden und den Richter Mag. STRACKER als Beisitzer im Beisein des Schriftführers Mag. FRIEDRICH über die Beschwerde des XXXX, StA.: Kasachstan, vertreten durch Mag. Wolfgang AUNER, Rechtsanwalt in Leoben, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Jänner 2011, Zl. 10 09.857-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird in Anwendung des § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, in Verbindung mit § 61 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, sowie § 10 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer brachte unter Angabe der im Spruch genannten Personalien am 20. Oktober 2010 den diesem Verfahren zu Grunde liegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.
Im Rahmen der noch am selben Tag stattgefundenen niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, von Kasachstan nach Dagestan gezogen zu sein und sich dort mit zwei Burschen angefreundet zu haben. Eines Tages sei er Zeuge gewesen, als diese Burschen anderen Personen Säcke mit unbekanntem Inhalt übergeben hätten. In der Folge sei er von drei uniformierten Beamten mitgenommen worden, die ihn "leere Formulare unterschreiben" hätten lassen und zur Zusammenarbeit aufgefordert hätten. Er hätte seine Freunde anrufen müssen, die ihn dann jedoch gewarnt hätten, dass sie alle umgebracht würden. Daraufhin habe er sich zur Flucht entschlossen. Später habe er erfahren, dass seine Bekannten damals Verpflegung für tschetschenische Kämpfer übergeben hätten.
Der Beschwerdeführer wurde am 27. Oktober 2010 vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, neuerlich niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen anführte, Staatsbürger der Republik Kasachstan zu sein und erst im Februar 2009 nach Dagestan gereist zu sein, wo er sich bis Mitte Oktober 2010 aufgehalten habe. Seinen in Österreich lebenden Vater, welcher anerkannter Flüchtling sei, habe er hier das erste Mal in seinem Leben gesehen. In Kasachstan sei er der einzige Tschetschene in der Schule gewesen und ständig beleidigt, geschlagen und beschimpft worden, sodass er nach Dagestan gefahren sei, um seine Verwandten zu suchen. Dort sei er einmal von maskierten Männern mitgenommen worden, wobei er sich nicht mehr genau erinnere, wann dies gewesen sei. Man habe ihn drei Tage lang festgehalten und ihm zuletzt Papiere vorgelegt, die er unterschreiben habe müssen. Es sei ihm angedroht worden, "alles auf ihn abzuladen, was in Dagestan passiere", wenn er sie nicht zu den Partisanen führe. Dies sei einen Tag später passiert, nachdem man bereits seinen Freund "XXXX" mitgenommen hätte. Nachdem er bestritten habe, irgendwelche Partisanen zu kennen, habe man ihn freigelassen. Zuhause hätte ihm dann seine Frau gesagt, dass Leute gekommen wären und seinen Reisepass konfisziert hätten. Sein Cousin "XXXX", dem er danach die ganze Begebenheit erzählt habe, hätte gemeint, dass er nun keine Chance mehr habe, in Dagestan ruhig zu leben und hätte ihm die Telefonnummer jenes Mannes gegeben, der ihn in weiterer Folge nach Österreich gebracht habe.
Nach Zulassung des Verfahrens und Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51 AsylG 2005) wurde der Beschwerdeführer am 22. Dezember 2010 durch einen Organwalter des Bundesasylamtes, Außenstelle Graz, hinsichtlich seiner für die Antragstellung auf internationalen Schutz maßgeblichen Motive abermals niederschriftlich einvernommen. Dabei gab dieser kurz zusammengefasst an, bis zum Jahr 2009 mit seiner Mutter in Kasachstan, in der Stadt XXXX, gelebt zu haben und dann nach Dagestan, in die Ortschaft XXXX, gezogen zu sein, wo er bei seinem Großvater (väterlicherseits) gewohnt und als Tischler gearbeitet habe. Etwa neun oder zehn Tage vor seiner am 15. Oktober 2010 erfolgten Ausreise sei er von vier maskierten und bewaffneten Männern in ein Auto gezerrt und anschließend in ein Gebäude gebracht worden, wo er drei Tage lang festgehalten worden sei. Regelmäßig seien drei Männer zu ihm gekommen und hätten ihm leere Blätter vorgelegt, die er unterschreiben hätte sollen, obwohl er beteuert habe, nichts mit Partisanen zu tun zu haben und nur in Ruhe mit seiner Familie leben zu wollen. Als er die Papiere dann letztendlich doch unterschrieben habe, sei er freigelassen worden. Sein Cousin - dem er alles erzählt habe - sei ihm dann bei der Ausreise behilflich gewesen.
Mit Bescheid vom 13. Jänner 2011, Zl. 10 09.857-BAG, wies das Bundesasylamt unter Spruchpunkt I. den Antrag auf internationalen Schutz vom 20. Oktober 2010 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, sowie unter Spruchpunkt II. bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kasachstan gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG ab und verfügte zugleich gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kasachstan (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zwar "sein allgemeines Vorbringen" wortreich erzählt habe, andererseits aber bei tiefer gehender Nachfrage nicht in der Lage gewesen sei, dieses substantiiert und nachvollziehbar darzulegen. Dieses sei überdies widersprüchlich und durch keinerlei Beweismittel gestützt und daher insgesamt als nicht glaubhaft zu bezeichnen. Es sei daher viel eher anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seine Heimat aufgrund der allgemeinen wirtschaftlich schlechten Lage und des Wunsches nach besseren, geordneten und gesicherten Lebensverhältnissen verlassen habe.
Gegen den dem Beschwerdeführer am 14. Jänner 2011 zugestellten Bescheid wurde am 26. Jänner 2011 von dessen nunmehrigem Rechtsvertreter die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass sämtliche Familienmitglieder des Beschwerdeführers - mit Ausnahme der Mutter - in Österreich lebten und bereits Asylstatus hätten. Der Beschwerdeführer werde, wie er von seiner Mutter telefonisch erfahren habe, in Kasachstan offenkundig gesucht und befürchte im Falle einer Rückkehr, nach Dagestan ausgeliefert zu werden, da er dort verdächtigt werde, mit Partisanen in Verbindung zu stehen. Ausdrücklich beantragt würden die Einvernahme der Mutter im Rechtshilfeweg bzw. die Beiziehung eines Vertrauensanwaltes in Kasachstan und insbesondere die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens.
Die Beschwerdevorlage vom 26. Jänner 2011 langte am 1. Februar 2011 beim Asylgerichtshof ein und wurde das gegenständliche Verfahren in Anwendung der Geschäftsverteilung dem nunmehr zuständigen vorsitzenden Richter des erkennenden Senats zugeteilt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und den im erstinstanzlichen Verfahren herangezogenen Hintergrundberichten zur aktuellen und für dieses Verfahren relevanten Lage in Kasachstan wird seitens des Asylgerichtshofes Folgendes festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Kasachstan und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig. Seine Identität steht nicht fest.
Er stellte am 20. Oktober 2010 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seit damals durchgehend in Österreich auf.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte. Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass dieser konkret Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Der Beschwerdeführer ist gesund. Er geht in Österreich keiner legalen Arbeitstätigkeit nach und verfügt über keine hinreichend intensiven sozialen oder wirtschaftlichen Bindungen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers befindet sich seit Anfang Februar 2011 nicht mehr im Bundesgebiet. Der leibliche Vater des Beschwerdeführers ist zwar anerkannter Konventionsflüchtling in Österreich, führte mit diesem jedoch weder in der Vergangenheit noch heute ein tatsächliches Familienleben bzw. liegt auch kein gemeinsamer Haushalt vor.
Zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Kasachstan wird unter Heranziehung der erstinstanzlichen Feststellungen Folgendes festgehalten:
Allgemeine Lage
Das neuntgrößte Land der Erde mit seinen knapp drei Millionen Quadratkilometern ist zugleich der [wirtschaftlich] stärkste der fünf zentralasiatischen Staaten. Aufgrund des großen Rohstoffreichtums - insbesondere Erdöl und -gas - verzeichnete das Land innerhalb der letzten Jahre ein beachtliches Wirtschaftswachstum. Der 1991 unabhängig gewordene Staat wird seitdem von Staatspräsident Nursultan Nasarbajew geführt; unter den etwa 15 Millionen Einwohnern leben 113 registrierte Ethnien friedlich zusammen. Die Hauptstadt von Kasachstan heißt seit Mai 1998 Astana und liegt im Zentrum des Landes. Für eine Reihe von Firmen, Organisationen und Vertretungen spielt nach wie vor die ehemalige Hauptstadt, Almaty, eine wichtige Rolle, obwohl für viele langfristig eine Verlegung ihrer Aktivitäten nach Astana ansteht.
(Quelle: FES - Friedrich Ebert Stiftung: Kasachstan, Last Update: 15.09.2010, http://www.fes.uz/Country/kzger.htm)
Ein organisierter "kasachischer" Terrorismus bzw. islamischer Extremismus existiert in Kasachstan nicht. Aber der zunehmend grenzüberschreitend operierende islamistische Fundamentalismus wird von der kasachischen Führung als konkreter werdende Bedrohung behandelt. Die Zuwanderung, auch die Arbeitsmigration aus Usbekistan, wird streng kontrolliert.
(Dt. Auswärtiges Amt: Kasachstan, Innenpolitik, Stand: Apr. 2010,
http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Kasachstan/Innenpolitik.html)
Politik / Wahlen
Das Parlament besteht aus Senat (Oberhaus) und Maschilis (Unterhaus). Der Senat setzt sich seit der Verfassungsänderung vom 16.05.2007 aus 47 Senatoren zusammen, d.h. je Gebietskörperschaft (Oblast = Gebiet) werden zwei Senatoren (Amtszeit 6 Jahre) von den örtlichen Vertretungskörperschaften (Maslichate) gewählt. 15 Senatoren werden vom Präsidenten ernannt. Einer von ihnen, Gani Kasymow, ist Vorsitzender der Partei der Patrioten, also nicht Angehöriger der Präsidenten-Partei "Nur Otan".
Im Maschilis sitzen seit Mai 2007 (Verfassungsänderung) insgesamt 107 Abgeordnete. Neun Abgeordnete werden von der Assemblée des Volkes Kasachstans, einem Konsultativorgan mit Verfassungsrang, gestellt. Das Parlament wird auf der Grundlage von Parteilisten nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Parlament und Regierung haben das Recht der Gesetzesinitiative. Gesetzesentwürfe bedürfen zum Inkrafttreten der Unterzeichnung durch den Präsidenten. Lehnt das Parlament das Budget ab, kann der Präsident das Parlament auflösen.
Die Verfassungsänderung vom 18.05.2007 brachte insgesamt eine weitere Verstärkung der bereits bisher sehr starken Stellung des Präsidenten, insbesondere die Aufhebung des bisherigen Verbots der politischen Tätigkeit des Präsidenten in einer Partei. So wurde die Wahlperiode des Präsidenten zwar von sieben auf fünf Jahre reduziert. Gleichzeitig brachte die Verfassungsänderung aber eine Aufhebung der bisher auf zwei Wahlperioden begrenzten Mandatsbeschränkung für den "Ersten Präsidenten" Kasachstans, so dass Staatspräsident Nasarbajew die Möglichkeit erhielt, auch nach 2012 erneut für die Präsidentschaft zu kandidieren.
(Quelle: Dt. Auswärtiges Amt: Kasachstan, Innenpolitik, Stand: Apr. 2010,
http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Kasachstan/Innenpolitik.html)
Die Abgeordneten des Unterhauses des kasachischen Parlaments (Madshilisi) haben am 05. Mai 2010 den Vorschlag eingebracht, dem amtierenden Präsidenten Nursultan Nasarbajew den Titel "Führer der Nation" zu geben und ihm sowie seiner Familie lebenslang Immunität vor straf- und verwaltungsrechtlicher Verfolgung zu gewähren. Am 12. Mai 2010 haben die kasachischen Parlamentsabgeordneten schließlich das Gesetz, mit dem Präsident Nasarbajew der Titel "Führer der Nation" verliehen wird, einstimmig verabschiedet. Obwohl es vom Präsidenten selbst nicht unterschrieben wurde, trat es am 15. Juni 2010 endgültig in Kraft.
(Quelle: HSS - Hanns Seidel Stiftung: Projektland: Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Quartal: April bis Juni 2010)
Rechtsschutz / Justiz
Die Verfassung beschränkt die Unabhängigkeit der richterlichen Gewalt bedeutsam. Richter sind der Bestechung und politischer Beeinflussung unterworfen, und Korruption ist überall im gerichtlichen System offensichtlich. Polizisten beleidigen zuweilen Häftlinge während der Verhaftung und Befragung, um Geständnisse zu erhalten; willkürliche Verhaftung und Haft bleiben problematisch. Kasachstan lag im Korruptionsindex 2009 von "Transparancy International" auf Platz 120 von insgesamt 180 Ländern.
(Quelle: Freedom House: Freedom in the World - Country Report, Kazakhstan, 2010 Edition, 05.2010)
Das Gesetz stellt keine unabhängige Justiz bereit. Obwohl Richter zu den bestbezahlten Beamten gehören, fordern sie Bestechungsgelder im Austausch für wohlwollende Entscheidungen. Im Gerichtssystem gibt es 3 Ebenen: "District courts" (Bezirksgericht) - "Regional courts" (Regionalgerichte, Landgerichte) und "Supreme Court" (Oberster Gerichtshof).
Das Bezirksgericht ist erste Instanz für fast alle Kriminalfälle, Regionalgerichte verhandeln schwere Verbrechen und Fälle von Bezirken ohne Bezirksgericht. Entscheidungen des Bezirksgerichts können beim Regionalgericht berufen werden und Entscheidungen des Regionalgerichts können beim Obersten Gerichtshof berufen werden. Es gibt auch Militärgerichte, sie verwenden dasselbe Strafgesetz wie zivile Gerichtshöfe.
(Quelle: US DOS - U.S. Department of State: 2009 Human Rights Report: Kazakhstan, March 11, 2010)
Sicherheitsbehörden / Korruption
Das kasachische Innenministerium beaufsichtigt die nationale Polizei, die vor allem für die nationale Sicherheit verantwortlich ist. Weiters gibt es die Agentur für Wirtschaftsverbrechen und Korruption (Finanzpolizei) und das Komitee für nationale Sicherheit (KNB). Das KNB spielt eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung der Gesetze, bei der Grenzsicherheit, der inneren Sicherheit, bei antiterroristischen Bemühungen und bei der Ermittlung und dem Verbot von illegalen oder nicht registrierten Gruppen, wie z.B. extremistische, militaristische, politische, religiöse Gruppierungen und Gewerkschaften. Die Finanzpolizei und das KNB berichten dem Präsidenten direkt.
Personen, die verhaftet, festgehalten oder beschuldigt werden, ein Verbrechen begangen zu haben, haben von Anfang an das Recht auf einen Anwalt, jedoch ist die Polizei gesetzlich nicht verpflichtet, ihnen dies mitzuteilen. Weiters erlaubt das Gesetz der Polizei, einen Gefangenen bis zu 72 Stunden grundlos festzuhalten. Menschenrechtsbeobachter kritisieren diese Zeit als zu lange und sind der Meinung, dass diese Zeit genutzt wird, um Druck auszuüben und ein Geständnis zu erpressen.
Anwälte berichten über bestehende Probleme mit willkürlicher Verhaftung. Die Regierung verhaftet gelegentlich Regierungsgegner und -kritiker wegen kleiner Vergehen. Trotzdem gibt es keine Angaben über länger andauernde Haft für politische Gegner.
Korruption unter den Polizeibeamten ist gegenwärtig; im Jahr 2009 wurden 61 Beamte wegen Korruption entlassen. Das Innenministerium kooperiert mit NGOs bei der Bereitstellung von Menschenrechtsschulungen für die lokale Polizei.
(Quelle: US DOS - U.S. Department of State: 2009 Human Rights Report: Kazakhstan, March 11, 2010)
Der Inlandsgeheimdienst (KNB), der Sondereinsätze zur Wahrung der nationalen Sicherheit und gegen Korruption durchführt, ging nach wie vor mit Antiterrormaßnahmen gegen Minderheiten vor, denen unterstellt wurde, dass sie die nationale und regionale Sicherheit gefährden könnten. Besonders betroffene Gruppen waren Asylsuchende und Flüchtlinge aus Usbekistan sowie Mitglieder oder vermeintliche Mitglieder islamischer Gruppierungen oder islamitischer Parteien, die in Kasachstan entweder nicht registriert oder verboten waren.
(Quelle: AI - Amnesty International: Amnesty International Report 2010 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte, 28. Mai 2010)
NGOs
Es existieren in Kasachstan mehr als 15.000 registrierte nichtstaatliche Organisationen und Kasachstan beauftragt sie jährlich, soziale Dienstleistungen im Wert mehr als 13 Millionen Dollar bereitzustellen.
(Quelle: United Nations / General Assembly: Kasachstan: Report of the Working Group on the Universal Periodic Review; Kazakhstan [A/HRC/14/10], March 23rd 2010)
Menschenrechte
In Kasachstan sind keine systematischen Menschenrechtsverletzungen zu verzeichnen, jedoch eine Reihe von gravierenden Einzelfällen. Gerichtsprozesse und Strafvollzug entsprechen oft nicht westlichen Standards. Für die Todesstrafe gilt seit 2004 ein Moratorium.
(Quelle: Dt. Auswärtiges Amt: Kasachstan, Innenpolitik, Stand: Apr. 2010,
http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Kasachstan/Innenpolitik.html)
Im Mai 2009 stimmte Staatspräsident Nursultan Nasarbajew einem Nationalen Handlungsplan für Menschenrechte für die Jahre 2009 bis 2012 zu, um die Besorgnis einheimischer sowie internationaler Menschenrechtsorganisationen zu zerstreuen, dass Kasachstan kurz vor Übernahme des Vorsitzes der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Januar 2010 seinen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte nicht nachkomme.
(Quelle: AI - Amnesty International: Amnesty International Report 2010 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte, 28. Mai 2010)
Nach seiner Unabhängigkeit 1991 hat Kasachstan gute Fortschritte bezüglich der Reformierung seines gesetzlichen Rahmens und seiner Institutionen gemacht. Mit der Unterzeichnung verschiedener internationalen Vereinbarungen bewies Kasachstan seinen Bürgern und der internationalen Gemeinschaft, dass die Menschenrechte eine Priorität darstellen müssen. Kasachstan unterzeichnete die wichtigsten Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen für Bekämpfung der Folter und Misshandlung, einschließlich des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und das Internationale Übereinkommen gegen Folter sowie andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Kasachstan ist Mitglied der Genfer Konventionen von 1949 und der Zusatzprotokolle von 1977. Kasachstan hat das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofes noch nicht ratifiziert. Es ist wichtig zu beachten, dass Kasachstan das Fakultativprotokoll zu dem Übereinkommen gegen Folter im Oktober 2008 ratifiziert hat. Jedoch beabsichtigt die Regierung gemäß Art. 24 des Fakultativprotokolls, eine Erklärung abzugeben, die die Umsetzung ihrer Verpflichtungen verschiebt, so lange das Gesetz zur Entwicklung des NPM (der Öffentlichen Reformverwaltung) noch diskutiert wird.
Als Mitglied der OSZE ist Kasachstan viele politische Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte eingegangen. Auch unterzeichnete Kasachstan andere regionale Abkommen für Sicherheitskooperation, wie z.B. das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen und Rechtsbeziehungen in Zivil-, Familien- und Strafrechtlichen Angelegenheiten sowie auch der Shanghai-Gruppe. Im Abschnitt II der kasachischen Verfassung wird eine Liste der Menschenrechte aufgeführt, darunter das Recht auf Leben und Nichtdiskriminierung, auf Religions-, Gewissens- und Meinungsfreiheit und auf den Schutz der Gesundheit. Das Folterverbot ist in Artikel 17 verankert. Weiterhin garantiert der Artikel 16 das Recht auf persönliche Freiheit, beschränkt die legale Dauer in Polizeigewahrsam auf 72 Stunden und enthält Bestimmungen über die Rechtshilfe und das Recht auf Einspruch.
(Quelle: Die Vereinten Nationen / Generalversammlung: Der Bericht des Sonderberichterstatters Manfred Nowak über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, Mission in Kasachstan, 16. Dezember 2009)
Todesstrafe
Artikel 15.2 der Verfassung besagt, dass "das Gesetz die Todesstrafe als extraordinäre Strafmaßnahme für außergewöhnlich schwere Verbrechen vorsieht und, dass dem Verurteilten das Recht, um Begnadigung zu bitten, garantiert wird". Artikel 49 des Strafgesetzbuches zählt diese Verbrechen auf. Ein unbegrenztes Moratorium des Präsidenten um das Thema Todesstrafe trat am 1. Jänner 2004 in Kraft. Nach offiziellen Angaben fand die letzte Exekution am 1. Dezember 2003 statt. Das letzte Todesurteil wurde am 1. August 2006 verkündet. Am 6. Dezember 2007 wurden die letzten 31 Todesurteile zu lebenslanger Haft umgewandelt.
(Quelle: Die Vereinten Nationen / Generalversammlung: Der Bericht des Sonderberichterstatters Manfred Nowak über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, Mission in Kasachstan, 16. Dezember 2009)
Minderheiten
Die Republik Kasachstan ist ein Vielvölkerstaat, in dem bei einer Gesamtbevölkerung von 15 Millionen ca. 120 ethnische Gruppen und 45 Religionsgemeinschaften friedlich zusammenleben. Die offizielle Politik der Regierung spricht sich gegen jede Diskriminierung aus. In der Praxis kann Diskriminierung jedoch nicht ausgeschlossen werden.
(Quelle: Anfragebeantwortung der Österreichischen Botschaft in Astana/Kasachstan per E-Mail vom 31.7.2009)
Das als Nichtregierungsorganisation organisierte ¿Zentrum für soziale und politische Untersuchungen' hat auf einer Pressekonferenz vom 17. August 2010 seine Analyse zu den Ereignissen des kirgisischen Volksaufstands (April 2010) und dem inter-ethnischen Konflikt in den Regierungsbezirken Osch und Dschalal-Abad (Juni 2010) vorgestellt. Demnach sind ähnliche Entwicklungen in Kasachstan nicht zu erwarten, da andersartige Bedingungen vorherrschten: Das große Staatsterritorium, die niedrige Bevölkerungsdichte, die Existenz einer starken präsidialen Macht in Person von Nasarbajew, handlungsfähige und operativ handelnde Machtstrukturen, die auf Toleranz und Geduld ausgerichtete Mentalität des kasachischen Volkes, bessere sozio-ökonomische Lebensbedingungen und allgemein eine stabilere materielle Grundlage der Bevölkerung.
(Quelle: HSS - Hanns Seidel Stiftung: Projektland: Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Quartal: Juli - September 2010)
Russische Minderheit
Die Kasachen umfassen die Hälfte der Bevölkerung, die Russen ein Viertel, der Rest setzt sich aus Ukrainern, Deutschen, Tschetschenen, Kurden, Koreanern und zentralasiatisch ethnischen Gruppen zusammen. Im Allgemeinen leben diese Gruppen harmonisch zusammen, jedoch kritisieren ethnische Russen das Fehlen einer Doppelstaatsbürgerschaft und, dass sie einen Sprachtest in Kasachisch bestehen müssen, um bei der Regierung oder bei Behörden arbeiten zu können.
(Quelle: BBC News: Country Profile: Kazakhstan, page last updated March 11th 2010,
http://news.bbc.co.uk/2/hi/asia-pacific/country_profiles/1298071.stm)
Die größte ethnische Minderheit ist die russische mit derzeit ca. 25 % (2008). Der Anteil des Titularvolkes lag 2008 bei knapp 60 %. 1989 betrug das Verhältnis Kasachen - Russen ca. 40 % : 37 %. Vor allem im ersten Jahrzehnt nach der Erlangung der Unabhängigkeit (1991) sind zahlreiche Russen, aber auch Vertreter anderer ethnischer Gruppen - zunächst bedingt durch die katastrophalen Wirtschaftsbedingungen, später auch durch die zunehmende Bevorzugung von Kasachen z.B. bei der Postenvergabe und die Forcierung der kasachischen Sprache - ausgewandert. 1999 betrug das Verhältnis Kasachen - Russen 53,4 % : 30 %. Die russische Sprache ist derzeit noch die lingua franca zwischen den verschiedenen Minderheiten, die Sprache der Wissenschaft und Technik sowie der gebildeten Schicht. Nach wie vor verwenden auch zahlreiche Kasachen vor allem in den Städten das Russische als ein Kommunikationsmittel untereinander. Dennoch ist das Russische in den vergangenen Jahren immer mehr in den Hintergrund gedrängt worden. Seit 1.1.2009 ist die Beherrschung der kasachischen Sprache eine Voraussetzung für die Aufnahme in den öffentlichen Dienst - ein Erfordernis, das auch viele Kasachen nicht erfüllen. Die russische Minderheit lebt vor allem in den Großstädten Almaty, Astana und Karaganda sowie in den an Russland grenzenden Oblasten im Norden (Nordkasachstan, Pawlodar, Petropawlowsk, Kostanai, Aktöbe). In führenden Positionen in der Politik, im Sicherheitsapparat oder in der Wirtschaft sind Russen kaum mehr anzutreffen, sehr wohl aber auf Stellvertreterebene. Mit der Abwanderung der gebildeten Russen hat ein starker "brain drain" stattgefunden, welchen Kasachstan nur schwer ausgleichen kann. Ohne russische Handwerker würde im Alltag vieles nicht funktionieren.
(Quelle: Anfragebeantwortung der Österreichischen Botschaft in Astana/Kasachstan per E-Mail vom 31.7.2009)
Rückkehrfragen: Grundversorgung / Wirtschaft
Im Zeitraum Januar - August 2010 ist das kasachische Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Vorjahr um 9,0 % gestiegen. Die industrielle Produktion stieg dabei um 10,9 %. Die jährliche Inflation wurde im August 2010 mit 4,6 % registriert. Das Außenhandelsvolumen stieg im Zeitraum Januar - Juli 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 34,8 %. Der Export stieg dabei um 63,9 % auf 34,4 Millionen USD, der Import fiel um 4,3 % auf 14,9 Millionen
USD.
(Quelle: HSS - Hanns Seidel Stiftung: Projektland: Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Quartal: Juli- September 2010)
Modernisierungs- und Reformvorhaben sind primär auf wirtschaftliche Ziele gerichtet (Implementierung der Entwicklungsstrategien), aber auch - mit zunehmender Tendenz - auf den Abbau sozialer Diskrepanzen (u.a. Anhebung des Mindestlohns, Anhebung des Existenzminimums). Größtes Hindernis für die Modernisierung ist die Korruption (Schwerpunkt in Zoll und Justiz), die jetzt energischer bekämpft wird. Premierminister Massimow, ein pragmatischer Modernisierer, hat dieses ehrgeizige Projekt entschlossen in seine Hände genommen. Auch die Partei des Präsidenten, Nur Otan, will mit Ausschüssen und Aktionen die Korruption bekämpfen.
(Quelle: Dt. Auswärtiges Amt: Kasachstan, Innenpolitik, Stand: April 2010,
http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Kasachstan/Innenpolitik.html)
Medizinische Versorgung
Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung ist in der Verfassung (Artikel 29) verankert. Das Gesundheitswesen wird in Kasachstan nicht durch Versicherungsbeiträge, sondern zu 100 % aus dem Budget finanziert. Die medizinische Versorgung ist allerdings nur in dem Gebiet (Oblast) kostenlos, in dem man gemeldet ist. Ist die Behandlung in einer Oblast nicht möglich, wird man vom behandelnden Arzt und dem regionalen Gesundheitsamt auf der Basis eines Quotensystems in eine andere Oblast, nach Almaty oder Astana überwiesen. Dieses System ist sehr korruptionsfördernd. Auf privater Basis und gegen Bezahlung besteht die Möglichkeit, sich auch außerhalb seines Gebietes von einem Wahlarzt behandeln zu lassen.
Der Zerfall der Sowjetunion und die damit einhergehende Abwanderung russischer Wissenschaftler, Ärzte und Krankenschwestern haben sich besonders negativ auf den Medizinbereich ausgewirkt. Die Ausbildung an den kasachischen Universitäten entspricht nicht den internationalen Standards, die Ausrüstung der Krankenhäuser ist großteils veraltet und es herrscht ein Mangel an motiviertem Fach- und Pflegepersonal.
Die Reform und Modernisierung des Gesundheitsbereichs ist daher eine der Prioritäten der kasachischen Regierung. Im Rahmen des staatlichen Programms "100 Schulen und Krankenhäuser" werden landesweit Kliniken nach dem neusten Stand der Technik gebaut und zahlreiche junge Leute zum Medizinstudium ins Ausland geschickt.
Psychische Krankheiten sind auch in Kasachstan behandelbar. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Therapien den westlichen Standards entsprechen.
(Quelle: Anfragebeantwortung der Österreichischen Botschaft in Astana/Kasachstan per E-Mail vom 31.7.2009)
Kasachstan erlebte in den letzten Jahren einen deutlichen Aufschwung. Das Wirtschaftswachstum betrug in den vergangenen Jahren durchschnittlich 9,4 %, das BIP hat sich seit 2001 verdoppelt. Die Modernisierung des kasachischen Gesundheitswesens stellt eine der Prioritäten des Präsidenten dar, entsprechend wird Entwicklung und Investition im Gesundheitswesen nachhaltig verfolgt. Die Umstrukturierung von postsowjetischer Gesundheitsversorgung zu moderner Gesundheitswirtschaft mit "Krankenhäusern der Zukunft" hat laut Prof. Dr. Almaz Sharman, CEO der National Medical Holding, höchste Dringlichkeit.
Die National Medical Holding (NMH) wurde von der Kasachischen Regierung mit dem ambitionierten Ziel gegründet, das Kasachische Gesundheitssystem zu revolutionieren und ein Paradebeispiel für gelungene Umstrukturierung innerhalb der zentralasiatischen Region zu werden. Ergänzend zur medizinischen Betriebsführung der Krankenhäuser sucht die National Medical Holding nach innovativen Wegen für Wissens- und Technologietransfer. Das im Juli 2007 eröffnete Krankenhaus "National Center of Maternal and Child Health" ist mit einer für den gesamten zentralasiatischen Raum einzigartigen Technologie ausgestattet. Dem ärztlichen Team steht modernste Technik für Diagnostik und Behandlung zur Verfügung. Das klinische Spektrum des "National Center for Maternal and Child Health" umfasst sämtliche Leistungen der Geburtshilfe und Frauenheilkunde inklusive der Reproduktionsmedizin sowie praktisch den gesamten Leistungsbereich der Kinderheilkunde. Das "National Center for Maternal and Child Health" ist mit 500 Betten das größte Krankenhaus der NMH und überzeugt auch hinsichtlich seiner Mitarbeiterstruktur mit rund 1.000 Mitarbeitern, davon 250 Ärzten. Von den 500 Betten sind 240 Betten der Pädiatrie zugeteilt und 260 Betten stehen der Geburtshilfe und Gynäkologie zur Verfügung. Innerhalb seines Leistungsspektrums stellt das Mutter-Kind Zentrum die medizinische Versorgung der Kasachischen Bevölkerung sicher. Die hohe Qualität der technologischen Ausstattung sowie die Investition in Ausbildung soll einerseits sicherstellen, dass künftig auch schwer erkrankten Patientinnen, die bisher zur Behandlung ins Ausland gereist sind, die Möglichkeit zur Behandlung in Kasachstan geboten werden kann und andererseits bietet es die Basis dafür, dass sich das Krankenhaus ferner gesundheitstouristisch in den umliegenden Regionen positionieren kann. Um dem hohen Qualitätsstandard international Rechnung tragen zu können, hat die National Medical Holding die Akkreditierung nach JCI bis Ende 2010 zum Ziel gesetzt.
(Quelle: Medizinische Universität Wien: National Research Center for Maternal and Child Health in Kasachstan, http://www.meduniwien.ac.at/homepage/content/allgemeine-informationen/muvi-die-internationalen-aktivitaeten-der-meduni-wien/national-research-center-for-maternal-and-child-health-in-kasachstan/de/)
Behandlung nach Rückkehr / Bewegungsfreiheit
Das Gesetz unterstützt das Recht zu emigrieren sowie das Recht in die Heimat zurückzukehren und die Regierung respektiert diese Gesetze auch im Generellen. Eine Ausnahme ist das Gesetz zur Nationalen Sicherheit, das Personen die Zugang zu Staatsgeheimnissen hatten verbietet, für fünf Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Staatsdienst einen Wohnsitz im Ausland zu nehmen.
(Quelle: US DOS - U.S. Department of State: 2009 Human Rights Report: Kazakhstan, March 11, 2010)
Politische Wirren, Kriege, Hungernöte etc. haben im vergangenen Jahrhundert auch in Kasachstan Migrationswellen ausgelöst. Derzeit leben ca. 4,1 Millionen Kasachen - mittlerweile als Staatsbürger anderer Länder - außerhalb Kasachstans, vor allem in Usbekistan, China, Russland, der Mongolei, Afghanistan etc. Kasachstan steht einer Rückkehr dieser Menschen (oralmany) überaus offen gegenüber (um den Anteil der Kasachen in Kasachstan zu erhöhen).
Laut Statistik sind zwischen 1993 und 2008 insgesamt etwa 730.000 oralmany nach Kasachstan zurückgekehrt. Die Dunkelziffer dürfte bei 1 Million liegen. Zwischen 2005 und 2008 betrug die jährliche Rückkehrerquote 15.000 Familien, 2009 wurde die Quote auf 20.000 Familien erhöht. Die oralmany erhalten vom Staat Unterkünfte, finanzielle Unterstützung und relativ rasch die kasachische Staatsbürgerschaft. Die finanzielle Zuwendung wird häufig nach der Erlangung der kasachischen Staatsbürgerschaft eingestellt, was diese Menschen dann vor größere Probleme stellen kann. In der Regel integrieren sich die oralmany jedoch relativ rasch. Gegenüber den illegal eingereisten oralmany zeigen sich die kasachischen Behörden sehr nachsichtig.
Kasachstan ist außerdem bemüht, ehemaligen kasachischen Staatsbürgern, die ab 1991 ausgewandert sind und nun wieder zurückkehren wollen, die Reintegration in Kasachstan zu erleichtern und ihnen die rasche Wiedererlangung der kasachischen Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.
Auf die beiden o.a. Gruppen kommt das so genannte "Nationale Programm für Rückkehrer (oralmany) und ehemalige Staatsbürger" zur Anwendung. Wie oftmals in Kasachstan können auch hier Probleme bei der praktischen Umsetzung auftreten. Sehr viel hängt von der Kooperationsbereitschaft und der Kompetenz der Lokalbehörden ab. Mögliche administrative Hürden würden sich, so IOM, allerdings nicht gegen bestimmte ethnische Gruppen richten.
Keine staatliche Unterstützung gibt es laut IOM für kasachische Staatsbürger, die eine Zeit lang im Ausland ihr Glück versucht haben und wieder in ihre Heimat zurückkehren wollen. Diese Rückkehrer werden im Rahmen des Assisted Voluntary Return -Programms von IOM unterstützt (Flugtickets, kleinere Darlehen für KMU-Gründungen etc.).
Laut Auskunft von IOM gibt es keine eigenen Einrichtungen für zurückkehrende alleinstehende Frauen mit Kindern. Wenn Frauen in eine der beiden o.a. Kategorien (oralmany oder zurückkehrende ehemalige Staatsbürgerinnen) fallen, erhalten sie jedoch eine staatliche Unterstützung. Es existiert ein Netz von NGOs, das sich mit Rückkehrern beschäftigt.
(Quelle: Anfragebeantwortung der Österreichischen Botschaft in Astana/Kasachstan per E-Mail vom 31.7.2009)
2. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde, insbesondere in die Einvernahmeprotokolle des Beschwerdeführers und die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Feststellungen zur aktuellen, im Hinblick auf das gegenständliche Verfahren relevanten Situation in Kasachstan. Diese Feststellungen beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen und bilden dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, sodass vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles und auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen kein Anlass besteht, an der Richtigkeit der von der belangten Behörde getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.
Die Negativfeststellung der Identität des Beschwerdeführers beruht darauf, dass dieser bis zuletzt nicht in der Lage war, einen amtlichen Lichtbildausweis in Vorlage zu bringen. Aufgrund der Sprach-, Orts- und allgemeinen Kenntnisse über Kasachstan geht der Asylgerichtshof jedoch - wie das Bundesasylamt - davon aus, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger der Republik Kasachstan ist. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Negativfeststellung hinsichtlich drohender Verfolgung bzw. unmenschlicher Behandlung im Herkunftsstaat beruht auf dem insgesamt unglaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen seines Asylverfahrens und ist der belangten Behörde dahingehend zu folgen, wenn diese nach ordnungsgemäßer, schlüssiger und nicht zu beanstandender Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid von der Unglaubwürdigkeit jenes Sachverhalts ausgeht, den der Beschwerdeführer seinem Antrag auf internationalen Schutz zu Grunde legte.
Aufgabe des/der Asylwerbers/Asylwerberin ist es, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25. 3. 1999, 98/20/0559).
"Glaubhaftmachung" im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (VwGH 9. 5. 1996, 95/20/0380).
Im gegenständlichen Fall ist vorab ausdrücklich festzuhalten, dass der Beschwerdeführer ein Staatsangehöriger der Republik Kasachstan ist und dieser Staat somit seinen Herkunftsstaat im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 17 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, darstellt. Eine allfällige wohlbegründete Furcht, aus asylrelevanten Gründen verfolgt zu werden bzw. das Bestehen der realen Gefahr, Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe ausgesetzt zu sein, kann sich daher nur auf Kasachstan beziehen, gleichwohl die Gefahr einer sogenannten "Kettenabschiebung" mit zu berücksichtigen ist, deren Risiko der Beschwerdeführer schließlich auch in seinem Beschwerdeschriftsatz andeutet.
Für den Umstand, dass der Beschwerdeführer nach einer allfälligen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat (Kasachstan) jedoch tatsächlich in die Russische Föderation (Dagestan) abgeschoben bzw. ausgeliefert werden sollte, kamen im hier zu beurteilenden Fall - wie das Bundesasylamt richtigerweise festgestellt hat - keine glaubwürdigen Indizien hervor.
Der Beschwerdeführer vermochte der schlüssigen und durchwegs nachvollziehbaren Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides im Beschwerdeschriftsatz weder entscheidend entgegenzutreten noch eine konkret rechtswidrige Vorgehensweise, ein grob fehlerhaftes Ermittlungsverfahren oder einen sonstigen relevanten Verfahrensmangel zu relevieren.
Wenn das Bundesasylamt etwa davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen inkonsistent dargelegt bzw. kontinuierlich gesteigert hat, ist dieser Einschätzung schon allein unter Berücksichtigung der Tatsache, dass dieser in seiner Ersteinvernahme weder eine an eine Entführung anschließende (dreitägige) Haft noch eine in diesem Zeitraum erfolgte Hausdurchsuchung samt Konfiszierung seines Reisepasses auch nur ansatzweise erwähnte, zuzustimmen. Auch die Ehefrau des Beschwerdeführers konnte im Übrigen die Behauptung, dass ihr Ehemann sich drei Tage lang in der Gewalt unbekannter bewaffneter Männer befunden habe, nicht bestätigen und gab vielmehr von sich aus an, dass sich dieser "in einem Versteck aufgehalten" habe.
Erwähnenswert und - im Gegensatz zur Ansicht des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers - durchaus relevant ist im Hinblick auf dessen Glaubwürdigkeit auch der Widerspruch, dass der Beschwerdeführer zunächst angab, nach seiner Entlassung aus der dreitägigen Anhaltung zuerst nach Hause zu seiner Frau gegangen zu sein, die ihm wiederum von der Konfiszierung seines Reisepasses erzählt habe, welcher sich jedoch nach der Auskunft des Beschwerdeführers in der Ersteinvernahme bei der Polizei in XXXX (somit Kasachstan) befinde (!), in der nachfolgenden Einvernahme jedoch angab, nach seiner Entlassung sofort seinen Cousin XXXX aufgesucht zu haben. Dieser Widerspruch kann auch nicht mit einer bloßen Verwechslung erklärt werden, nachdem dem Beschwerdeführer jedes der beiden Einvernahmeprotokolle nochmals vorgelesen und rückübersetzt worden ist und dieser das ordnungsgemäße Zustandekommen und die Richtigkeit des Inhalts mit seiner Unterschrift dokumentiert hat.
Nicht nachvollziehbar ist zudem, dass der Beschwerdeführer und seine Frau allgemein keine genaueren (Zeit-)Angaben zu den behaupteten Ereignissen treffen konnten, obwohl der in Rede stehende Vorfall angeblich nur neun oder zehn Tage vor der am 15. Oktober 2010 erfolgten Ausreise passiert sein soll und auch die standesamtliche Trauung des Beschwerdeführers laut vorgelegter Heiratsurkunde am XXXX und somit nahezu zeitgleich bzw. zumindest in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Entführung stattgefunden hat und sich den Beteiligten auch deshalb besonders eingeprägt haben müsste.
Wenn das Bundesasylamt im bekämpften Bescheid somit in einer vom Asylgerichtshof nicht zu beanstandenden Weise zum Ergebnis gelangt, dass durch das vom Beschwerdeführer behauptete unglaubwürdige Bedrohungsszenario eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat insgesamt nicht glaubhaft gemacht werden konnte und auch nicht von einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden menschenrechtswidrigen Behandlung des Beschwerdeführers auszugehen sei, ist dieser Sichtweise von Seiten des Asylgerichtshofes - auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens - nichts entgegenzusetzen.
Der Vollständigkeit halber anzuführen ist auch noch, dass der Beschwerdeführer in seiner ersten Einvernahme von zwei Burschen sprach, mit denen er sich angefreundet habe, in der zweiten und dritten Einvernahme dann aber von vier, zu denen er aber wiederum - bis auf die Vornamen - keine näheren Angaben machen konnte, und dass der Beschwerdeführer zuerst behauptete, mit jenen Burschen zusammen gewesen zu sein, als er entführt worden sei, während er diesen Umstand in den folgenden Einvernahmen nicht mehr erwähnte und davon sprach, dass er gerade am Heimweg von seinem Arbeitsplatz gewesen sei, als ihn drei unbekannte Männer in ein Auto gezerrt und weggebracht hätten.
Dem Beschwerdeführer ist es somit zusammengefasst nicht gelungen, mit der Beschwerde vom 26. Jänner 2011 der schlüssigen Beweiswürdigung des Bundesasylamtes dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung aufgekommen wären. Hinsichtlich der darin vom Beschwerdeführervertreter gestellten Beweisanträge ist im Übrigen auf das in § 40 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, normierte Neuerungsverbot hinzuweisen.
Hinsichtlich der Behauptung des Beschwerdeführers, in Kasachstan aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit (in seiner Schulzeit) mit Problemen konfrontiert (gewesen) zu sein, ist abschließend anzuführen, dass sich den Länderfeststellungen der belangten Behörde zwar durchaus Indizien für eine mit einem aufkeimenden Nationalismus einhergehende gewisse Diskriminierung anderer Volksgruppen als der kasachischen im öffentlichen Leben entnehmen lässt, was sich etwa unter anderem aus der nunmehrigen Notwendigkeit der Ablegung eines Tests über die kasachische Sprache für neu einzustellende Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst ersehen lässt, gleichzeitig aber ausdrücklich festgehalten wird, dass das Zusammenleben der verschiedenen Ethnien in Kasachstan im Allgemeinen harmonisch abläuft, sodass jedenfalls nicht von einer gezielten Verfolgung anderer Volksgruppenangehöriger ausgegangen werden kann.
Rechtlich folgt daraus:
3. 1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997 in der Fassung BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 23 Abs. 2 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.
Der Asylgerichtshof entscheidet gemäß Art. 129c Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, in Verbindung mit § 61 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 oder 3a leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG, BGBl. Nr. 51, hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß § 73 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I Nr. 76, tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).
Der diesem Beschwerdeverfahren zu Grunde liegende Antrag auf internationalen Schutz wurde am 20. Oktober 2010 gestellt, weshalb hier die Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, vollumfänglich zur Anwendung gelangen.
3. 2. Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, ist einem/einer Fremden, der/die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des/der Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm/ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren".
Zentraler Aspekt der dem § 3 Asylgesetz 2005 zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK (in der Fassung des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 78/1974) definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21. 12. 2000, 2000/01/0131; 19. 4. 2001, 99/20/0273).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19. 10. 2000, 98/20/0233).
Da weder aus dem unglaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers noch von Amts wegen Anhaltspunkte für eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende maßgebliche Gefahr asylrelevanter Verfolgung in seinem Herkunftsstaat ableitbar waren, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides des Bundesasylamtes spruchgemäß abzuweisen.
3. 3. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist einem/einer Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des/der Fremden in seinen/ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn/sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde".
Nach § 8 Abs. 2 Asylgesetz 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden. Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (§ 8 Abs. 3 AsylG 2005).
Unter "realer Gefahr" ist nach den Materialien zum Asylgesetz 2005 "eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen" (vgl. auch VwGH 19. 2. 2004, 99/20/0573 mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur des EGMR). Dabei obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle der Abschiebung behauptet, soweit als möglich Informationen vorzulegen, die (...) eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (EGMR 5. 7. 2005, Said v. The Netherlands, Appl. 2345/02).
§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des/der Antragstellers/Antragstellerin. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 ist Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der/die Fremde besitzt oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines/ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.
Nach der (auch zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8. 6. 2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14. 10. 1998, 98/01/0122; 25. 1. 2001, 2001/20/0011).
Der Antragsteller hat das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26. 6. 1997, 95/18/1293, 17. 7. 1997, 97/18/0336). Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21. 8. 2001, 2000/01/0443; 26. 2. 2002, 99/20/0509; 22. 8. 2006, 2005/01/0718). Die aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2. 8. 2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 Asylgesetz 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) zu beachten (VwGH 25. 1. 2001, 2001/20/0011). Die Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30. 9. 1993, 93/18/0214).
Im gegenständlichen Fall kann keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention für den Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kasachstan erkannt werden.
Es ergeben sich ausgehend von der Unglaubwürdigkeit des vom Beschwerdeführer behaupteten Vorbringens nach dem gepflogenen Ermittlungsverfahren keine Hinweise, dass dieser bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat den hier relevanten Gefahren ausgesetzt wäre noch liegen "außergewöhnliche Umstände" (¿exceptional circumstances') im Sinne der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK vor, die eine Abschiebung aus anderen - etwa gesundheitlichen - Gründen als unzulässig erscheinen lassen würden (vgl. EGMR 2. 5. 1997, D. v. The United Kingdom, Appl. 30.240/96; EGMR 27. 5. 2008, N. v. The United Kingdom, Appl. 26.565/05 bzw. VwGH 23. 9. 2009, 2007/01/0515).
Unter Berücksichtigung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers, dem es somit absolut zumutbar wäre, in seinem Herkunftsstaat selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen und der Tatsache, dass in seiner Heimat auch noch seine Mutter und sein Halbbruder leben, lässt sich auch nicht ersehen, dass es ihm im Fall einer Abschiebung in seinen Herkunftsstaat dort an der notdürftigsten Lebensgrundlage fehlen würde bzw. steht ihm überdies allfällige Hilfe durch ein soziales Netzwerk zur Verfügung.
Letztlich konnte auch nicht festgestellt werden, dass in Kasachstan derzeit eine "extreme Gefahrenlage" (vgl. etwa VwGH 16. 4. 2002, 2000/20/0131) im Sinne einer dermaßen schlechten wirtschaftlichen oder allgemeinen (politischen) Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Abschiebung als unrechtmäßig erscheinen ließe.