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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §13 Abs3;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2008/22/0023 Serie (erledigt im gleichen Sinn):2008/22/0025 E 7. April 2011Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden 1. der A und 2. des M, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 49, Tür 28, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 7. März 2008, Zl. 317.907/4- III/4/07 und Zl. 317.907/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.572,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführenden Parteien, Staatsangehörige von Serbien, stellten am 23. August 2007 durch ihren Rechtsvertreter per Post beim Landeshauptmann von Wien Erstanträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zwecks Familienzusammenführung mit ihrem Vater, der in Österreich einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" hatte. Die Anträge wurden vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheiden vom 22. Oktober 2007 gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG zurückgewiesen, weil die beschwerdeführenden Parteien über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügten.
Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die dagegen erhobenen Berufungen gemäß § 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 NAG ab. Begründend führte sie - in beiden Bescheiden im Wesentlichen gleichlauten - aus, dass der Asylantrag der Mutter der beschwerdeführenden Parteien "mit Datum vom 27.11.2007" sowie die Asylerstreckungsanträge der beschwerdeführenden Parteien "mit Datum vom 3.12.2007" "zweitinstanzlich rechtskräftig negativ entschieden" worden seien. Der Vater der beschwerdeführenden Parteien verfüge über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG". Laut Amtsbestätigung des Bezirksgerichtes Leopoldstadt seien der Vater und die Mutter der beschwerdeführenden Parteien für diese obsorgepflichtig. Fest stehe, dass die Anträge durch den Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Parteien per Post gestellt worden seien, während diese sich im Inland aufgehalten hätten. Damit sei nicht dem Erfordernis der persönlichen Antragstellung gemäß § 19 Abs. 1 NAG entsprochen worden. Die beschwerdeführenden Parteien wären außerdem verpflichtet gewesen, den Antrag im Ausland einzubringen und die Entscheidung im Ausland abzuwarten. Da sie illegal eingereist seien und sich seit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens nicht rechtmäßig im Inland aufhielten, stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung der Anträge entgegen. Der Gesetzgeber habe bereits bei Erlassung dieser Bestimmung "auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen" und die Regelung eines geordneten Zuwanderungswesens über die persönlichen Verhältnisse gestellt. Ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Parteien, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, sei entbehrlich. Die Anträge sowie die Berufungen enthielten keine Behauptung humanitärer Gründe. Der Aufenthalt in Österreich als Asylwerber stelle keinen humanitären Grund dar. Der bloße Umstand, dass der Vater der beschwerdeführenden Parteien über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" verfüge, begründe nicht automatisch ein Aufenthaltsrecht. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Einreise der beschwerdeführenden Parteien offensichtlich illegal erfolgt sei und das Asylverfahren ihrer Mutter ebenfalls rechtskräftig negativ entschieden worden sei, hätten seitens der belangten Behörde keine humanitären Gründe im Sinne des § 72 NAG gesehen werden können. Die Berufungen seien daher gemäß § 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 NAG abzuweisen gewesen.
Dagegen richten sich die vorliegenden, wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die angefochtenen Bescheide erweisen sich schon deswegen als rechtswidrig, weil die belangte Behörde die ihr im Berufungsverfahren gesetzten Grenzen überschritten hat: Die Behörde erster Instanz hatte die von den beschwerdeführenden Parteien gestellten Anträge nämlich lediglich aus Formalgründen - wegen der von ihr konstatierten Unanwendbarkeit des NAG - zurückgewiesen. Demnach lagen ausschließlich verfahrensrechtliche Bescheide vor, mit denen eine Entscheidung in der Sache, d.h. in der Angelegenheit, die den Inhalt der Anträge bildete, abgelehnt wurde. Daher war die belangte Behörde als Berufungsbehörde lediglich befugt darüber zu entscheiden, ob die Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen war. Dies allein bildete den Gegenstand des Berufungsverfahrens. Da die belangte Behörde hingegen den von der erstinstanzlichen Behörde herangezogenen Zurückweisungsgrund als nicht (mehr) gegeben ansah und in weiterer Folge ungeachtet des Gegenstandes des Berufungsverfahrens eine inhaltliche Entscheidung traf, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2010, Zl. 2008/22/0453, mwN).
Soweit die belangte Behörde auch auf § 19 Abs. 1 NAG abgestellt hat, war dies im Übrigen deswegen verfehlt, weil in diesem Fall ein Verbesserungsverfahren einzuleiten gewesen wäre (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2009, 2008/22/0865, mwH).
Schließlich ist der belangten Behörde auch vorzuwerfen, dass sie im Zuge der auf § 21 Abs. 1 NAG gestützten Antragsabweisung nicht die gemäß § 74 in Verbindung mit § 72 NAG (in der Stammfassung) gebotene Interessenabwägung durchgeführt hat, bei der insbesondere zu prüfen gewesen wäre, ob den minderjährigen Kindern gegebenenfalls die Ausreise ohne ihren obsorgeberechtigten Vater zumutbar ist. Mit ihrer Ansicht, ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Parteien im Hinblick auf Art. 8 EMRK sei entbehrlich, hat sie die Rechtslage verkannt.
Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen der vorrangig wahrzunehmenden Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 7. April 2011
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2011:2008220022.X00Im RIS seit
05.05.2011Zuletzt aktualisiert am
14.06.2011