D13 256368-2/2011/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.01.2011, Zahl: 04 04.806-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Die damals minderjährige Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reiste am 18.03.2004 gemeinsam mit ihren Eltern XXXX (Zl. D13 256371-2/2011) und XXXX (Zl. D13 256367-2/2011) sowie ihren beiden Brüdern XXXX (Zl. D13 256370-2/2011) und XXXX (Zl. D13 256369-2/2011) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag vertreten durch ihren Vater als gesetzlichen Vertreter einen Asylantrag. Dieser wurde hiezu am 11.11.2004 vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen und machte hinsichtlich der Fluchtgründe seiner Tochter lediglich geltend, dass diese wegen seiner Probleme nach Österreich gekommen sei.
Mit Bescheid vom 13.12.2004, Zahl: 04 04.806-BAL, wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 ab.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin vertreten durch ihren Vater als gesetzlichen Vertreter am 28.12.2004 fristgerecht das Rechtsmittel einer Berufung, in welcher sie den Bescheid in seinem vollen Umfang anfocht.
Mit Bescheid vom 19.06.2006, GZ: 256.368/0-XI/34/05, gab der Unabhängige Bundesasylsenat der Berufung der Beschwerdeführerin statt und gewährte dieser gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 Asyl. Gemäß § 12 leg. cit. wurde weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
2. Nachdem das Bundesasylamt am 05.08.2010 gegen die Beschwerdeführerin ein Asylaberkennungsverfahren eingeleitet hatte, wurde diese am 23.08.2010 vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes zu dem eingeleiteten Aberkennungsverfahren in deutscher Sprache niederschriftlich einvernommen und machte im Wesentlichen Folgendes geltend:
Sie habe am 24.07.2010 nach islamischem Recht geheiratet und sei momentan im ersten Monat schwanger. Ihr Ehemann sei ebenfalls anerkannter Flüchtling in Österreich.
Sie habe seit ihrer Asylantragstellung keinen Kontakt mehr zu den Behörden ihres Herkunftsstaates gehabt und sei auch nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Sie habe sich auch keinen russischen Auslandsreisepass ausstellen lassen, da sie einen solchen nicht brauche, da sie in Österreich leben wolle. Sie sei lediglich einmal in der Ukraine auf Urlaub gewesen. Ihre Eltern seien schon wieder in Tschetschenien gewesen. Ihr Vater sei vor etwa einem halben Jahr, vielleicht ein oder zwei Wochen dort gewesen. Ihre Mutter sei vor etwa einem Jahr dort gewesen. Beide hätten ihre jeweiligen Schwestern besucht.
In dieser Einvernahme legte die Beschwerdeführerin dem Bundesasylamt - unter anderem - folgendes Dokument vor:
Österreichischer Konventionsreisepass Nr. XXXX, ausgestellt am XXXX von der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, gültig bis XXXX, auf dessen Seite 8 sich ein Visum für die Ukraine Nr. XXXX, ausgestellt in Wien, gültig für den Zeitraum XXXX bis XXXX, sowie ein ukrainischer Einreisestempel vom XXXX und ein ukrainischer Ausreisestempel vom XXXX befindet;
Mit Bescheid vom 13.01.2011, Zahl: 04 04.806-BAL, erkannte das Bundesasylamt den der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 19.06.2006, GZ: 256.368/0-XI/34/05, zuerkannten Status der Asylberechtigten gemäß § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 ab und stellte gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. fest, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Begründend führte das Bundesasylamt darin zusammengefasst aus, dass dem Vater der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom heutigen Tag der Status des Asylberechtigten aberkannt worden sei, da sich dieser einen russischen Auslandsreisepass ausstellen habe lassen, und auf die Ausführungen in dessen Bescheid verwiesen werde. Zudem habe die Mutter der Beschwerdeführerin im Widerspruch zu den Angaben der Beschwerdeführer ausgeführt, dass sie gemeinsam mit ihren drei jüngeren Kindern - und somit auch mit der Beschwerdeführerin - bei Verwandten in Tschetschenien gewesen sei, weswegen davon ausgegangen werde, dass sich die Beschwerdeführerin - entgegen ihren Ausführungen - nicht nur in der Ukraine, sondern auch in der Russischen Föderation aufgehalten habe. Im Fall der Beschwerdeführerin seien daher die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 - welche aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin vor dem 30.04.2004 gegenständlichen Asylerstreckungsantrag gestellt habe, anwendbar sei - erfüllt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 27.01.2011 fristgerecht das Rechtsmittel einer Beschwerde, in welcher sie den Bescheid in seinem vollen Umfang anfocht.
Am 07.02.2011 langte beim Asylgerichtshof eine Beschwerdeergänzung ein, in welcher die Beschwerdeführerin ausführte, dass sie sich seit ihrer Asylgewährung nie mehr in Tschetschenien aufgehalten habe. Sie sei im Oktober 2009 mit ihrer Mutter und ihren beiden Brüdern lediglich in die Ukraine gereist, wofür sie auch ein Visum gehabt hätten, welches auch im Konventionsreisepass vermerkt sei. Die Ausführungen im Bescheid, sie habe sich auch in Tschetschenien aufgehalten, seien nicht richtig und die Entscheidung demnach rechtswidrig.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG idF BGBl. I Nr. 147/2008 sind - soweit sich aus dem AsylG 2005 nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
1.2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde (hier: der Asylgerichtshof), so der ihr (hier: ihm) vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann die Berufungsbehörde (hier: der Asylgerichtshof) jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
1.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:
"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden.
(...)
Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. März 2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' iSd § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084).
Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.
Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.10.2006, Zl. 2005/20/0459, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt: "Einem zurückweisenden Bescheid iSd § 66 Abs. 2 AVG muss (demnach) auch entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Unterbehörde unterlaufen und im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zu beheben sind (vgl. zum Ganzen zuletzt das Erkenntnis vom 20.4.2006, Zl. 2003/01/0285)."
Aktueller hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.3.2009, Zl. 2008/19/0042, zur Ermessensübung iSd § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat erneut auf das Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, verwiesen und dazu ausgeführt:
"Hat die Rechtsmittelbehörde festgestellt, dass die von § 66 Abs. 2 AVG geforderten Voraussetzungen zutreffen, so liegt es gemäß § 66 Abs. 2 iVm Abs. 3 AVG in ihrem Ermessen, entweder von der Ermächtigung zur Zurückverweisung Gebrauch zu machen und eine kassatorische Entscheidung zu treffen oder die mündliche Verhandlung selbst durchzuführen und in der Sache zu entscheiden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 19 mit Hinweisen auf die hg. Judikatur). (...)
Die Ermessungsentscheidung unterliegt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur einer eingeschränkten Überprüfung. So liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die Behörde von diesem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. dazu etwa Mayer, B-VG, 4. Aufl., Art. 130 II.1.). Dabei obliegt es der Behörde in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis des verstärkten Senates vom 25.3.1980, 3273/78, VwSlg. 10.077A/1980)."
Der Verfassungsgesetzgeber hat nunmehr den Unabhängigen Bundesasylsenat durch den Asylgerichtshof als nachprüfendes gerichtsförmiges Kontrollorgan mit umfassender Kontrollbefugnis ersetzt. Bereits aufgrund der genannten Bestimmungen des B-VG und der in ihnen erkennbar vom Verfassungsgesetzgeber vorgesehenen Kontinuität ergibt sich, dass der Asylgerichtshof die Funktion des Unabhängigen Bundesasylsenates vollständig übernimmt. Die oben genannten Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof für die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren aufgestellt hat, müssen sohin auch für das vor dem Asylgerichtshof zu führende Verfahren gelten, welcher als Nachfolger des Unabhängigen Bundesasylsenat über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen erkennt und somit eine überprüfende Funktion wahrnimmt. Auch für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof bleibt sohin festzuhalten, dass die Funktion des Asylgerichtshofes als Kontrollorgan ausgehöhlt würde und die Einrichtung des nunmehr vorgesehenen Verfahrenszuges an den Asylgerichtshof zur Formsache würde, wenn das notwendige Ermittlungsverfahren vollständig vor den Asylgerichthof verlagert würde, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen.
2.1. Dem Bundesasylamt ist zunächst einmal anzulasten, dass es im gegenständlichen Asylaberkennungsverfahren die Rechtslage verkannt hat. Entgegen der Rechtsansicht des Bundesasylamtes, im gegenständlichen Verfahren seien aufgrund der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten im Rahmen des Erstreckungsverfahrens iSd §§ 10, 11 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, auch die entsprechenden Aberkennungsgründe iSd § 14 Abs. 1 Z 2 leg. cit. anzuwenden, wären auch im gegenständlichen Aberkennungsverfahren, die entsprechenden rechtlichen Bestimmungen des AsylG 2005 anzuwenden gewesen. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Gemäß § 75 Abs. 5 AsylG gilt einem Fremden, dem am 31.12.2005 die Flüchtlingseigenschaft zugekommen ist, soweit es zu keiner Aberkennung oder keinem Verlust der Flüchtlingseigenschaft gekommen ist, der Status des Asylberechtigten als zuerkannt. Dies bedeutet, dass auf derartige "übergeleitete" Asylberechtigte die Aberkennungsbestimmungen (§ 7 AsylG 2005) in Bezug auf den Status des Asylberechtigten zur Anwendung kommen (vgl. Putzer/Rohböck, Leitfaden Asylrecht (2007), Rz 746). Mit anderen Worten kommt es nicht darauf an, nach welcher geltenden Rechtslage dem damaligen Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sondern allein darauf, zu welchem Zeitpunkt das Aberkennungsverfahren eingeleitet wurde. Da das vorliegende Verfahren auf Aberkennung des Status der Asylberechtigten erst am 05.08.2010 - und somit weit nach in Kraft treten des AsylG 2005 - eingeleitet wurde, kommt das AsylG 2005 zur Anwendung.
Die Anwendung des Erstreckungsverfahrens nach den §§ 10, 11 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, ist im gegenständlichen Fall daher vollkommen verfehlt gewesen.
Im Übrigen muss dem Bundesasylamt in diesem Zusammenhang gleich vorweg entgegen gehalten werden, dass in Verfahren über die Aberkennung von Asyl auch die Bestimmungen über das Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 keine Anwendung finden würden, da diese Bestimmungen einerseits per definitionem nur auf Anträge auf internationalen Schutz und die diesbezüglichen Verfahren Anwendung finden, und andererseits die Gründe zur Aberkennung von Asyl zudem von jedem, der drohenden Aberkennung unterliegenden anerkannten Flüchtling individuell erfüllt werden müssen und Aberkennungsgründe eines Familienangehörigen nicht auf andere Familienangehörige "durchschlagen". Zudem würde die Beschwerdeführerin auch den Familienangehörigenbegriff des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 nicht mehr erfüllen, da sie nicht mehr minderjährig ist und mit ihren Eltern auch nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt lebt.
2.2. Selbst wenn das Bundesasylamt den vorliegenden Sachverhalt unter die richtigen rechtlichen Bestimmungen subsumiert hätte, wäre diesem jedoch anzulasten, dass es sich in der Begründung des o.a. Bescheides nicht ordnungsgemäß mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt hat und zwar aus folgenden Gründen:
Für eine Subsumierung unter den Tatbestand des Asylaberkennungsgrund des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 (Eintreten einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe) hätte das Bundesasylamt die Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beweiswürdigung abschließend überprüfen müssen. Insbesondere hätte das Bundesasylamt Feststellungen dazu treffen müssen, ob die Beschwerdeführerin nunmehr tatsächlich in ihren Herkunftsstaat zurückgereist ist oder nicht, da diese Rückreise - mangels Anwendbarkeit der Regelungen über das Familienverfahren - unumgängliche Voraussetzung für die Aberkennung des der Beschwerdeführerin zuerkannten Status der Asylberechtigten wäre, ohne deren Vorliegen von der Beschwerdeführerin überhaupt kein Aberkennungsgrund gesetzt worden wäre. Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich eindeutig und unmissverständlich ausgeführt, dass sie mit ihrer Mutter und ihren beiden Brüdern im Oktober 2009 lediglich in die Ukraine gereist ist. Die Mutter der Beschwerdeführerin hat diesbezüglich zwar angegeben, mit ihren drei jüngeren Kindern - darunter auch die Beschwerdeführerin - im Juli 2009 in die Ukraine gereist zu sein, jedoch unter Umständen die russische Grenze passiert zu haben, doch sind deren diesbezüglichen Angaben derart widersprüchlich und vage gewesen, dass aus diesen weder für die Mutter der Beschwerdeführerin eindeutige Schlüsse gezogen werden können, noch damit als gegeben angesehen werden kann, dass die Angaben der Beschwerdeführerin nicht der Wahrheit entsprechen, sondern vielmehr den Ausführungen ihrer Mutter Glauben zu schenken ist und sich die Beschwerdeführerin daher entgegen ihren Ausführungen auch in der Russischen Föderation aufgehalten hat.
Selbst wenn die Beschwerdeführerin jedoch in ihren Herkunftsstaat zurückgereist ist, ist dem Bundesasylamt jedoch anzulasten, dass es sich in der Begründung des o.a. Bescheides nicht ordnungsgemäß mit dem - eigentlich zur Anwendung kommenden - Asylaberkennungsgrund des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 (Eintreten einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe) auseinandergesetzt hat, da es das Erfordernis des Willens der Beschwerdeführerin, die Beziehungen zum Herkunftsstaat zu normalisieren und sich wieder unter dessen Schutz zu stellen, woraus sich die Notwendigkeit einer gewissen Nachhaltigkeit der Zuwendung zum Herkunftsstaat ergibt, wobei diese Inanspruchnahme freiwillig erfolgen muss, weder erörtert hat, noch sich hiezu Feststellungen im o. a. Bescheid finden. Diesbezüglich ist jedoch Folgendes auszuführen:
Der Tatbestand des Art. 1 Abschnitt C Z 1 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) wird durch die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisepasses in der Regel erfüllt, sofern nicht im konkreten Einzelfall ein dieser rechtlichen Beurteilung entgegen stehender Sachverhalt aufgezeigt wird (vgl. VwGH 24.10.1996, Zl. 96/20/0587). Auch die Rückkehr in den Verfolgerstaat erfüllt den Tatbestand der Unterschutzstellung (vgl. VwGH 25.06.1997, Zl. 95/01/0326, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 13.11.1996, Zl. 96/01/0912).
Ein anderes Ergebnis als die Annahme der Unterschutzstellung kann im Einzelfall dann gewonnen werden, wenn Umstände vorgebracht werden, die die Freiwilligkeit des zu beurteilenden Verhaltens in Frage stellen (vgl. VwGH 20.12.1995, Zl. 95/01/0441).
Eine weitere wesentliche Voraussetzung für die Annahme einer Unterschutzstellung ist das Erfordernis des Willens, die Beziehungen zum Herkunftsstaat zu normalisieren und sich wieder unter dessen Schutz zu stellen, woraus sich die Notwendigkeit einer gewissen Nachhaltigkeit der Zuwendung zum Heimatstaat ergibt (vgl. VwGH 03.12.2003, Zl. 2001/01/0547). Einen wesentlichen Anhaltspunkt stellen in diesem Zusammenhang die Reisemotive bzw. die Motive zur Ausstellung eines Reisedokumentes dar (vgl. dazu auch VwGH 03.12.2003, Zl. 2001/01/0547). Es kann daher aus der bloßen Anwesenheit auf dem Territorium des Herkunftsstaates nicht ohne Weiteres auf die Inanspruchnahme von Schutz geschlossen werden (vgl. Frank/Anerinhof/Filzwieser AsylG 2005, Anmerk. E18 zu § 7). Gleiches muss wohl auch für die Ausstellung eines Reisedokumentes des Herkunftsstaates gelten.
Dem Bundesasylamt ist in diesem Zusammenhang anzulasten, dass es sich im Fall der Beschwerdeführerin - wie bereits ausgeführt - nicht ordnungsgemäß mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinander gesetzt hat. Weder hat es Feststellungen zur tatsächlichen Rückreise der Beschwerdeführerin in deren Herkunftsstaat getroffen - die von der Beschwerdeführer ausdrücklich bestritten und verneint wird und sich auch für den erkennenden Senat des Asylgerichtshofes als sehr fraglich darstellt -, noch - für den Fall der tatsächlichen Rückreise - hat es sich mit den weiteren Motiven der Beschwerdeführerin hinsichtlich dieser Rückreise und deren Willen der neuerlichen und nachhaltigen Unterschutzstellung bezüglich ihres Herkunftsstaates auseinandergesetzt bzw. dahingehende Feststellungen getroffen. Mit anderen Worten ist im gegenständlichen Aberkennungsverfahren die Frage gänzlich offen geblieben, ob von der möglichen Rückreise der Beschwerdeführerin auf die Normalisierung des Verhältnisses zu ihrem Herkunftsstaat geschlossen werden kann. Damit greift jedoch sowohl die Beweiswürdigung als auch die rechtliche Beurteilung im o.a. Bescheid viel zu kurz. Vielmehr wäre es von zentraler Bedeutung gewesen, eine Beurteilung dahingehend anzustellen, ob die Beschwerdeführerin mit der möglichen Rückreise den Willen geäußert hat, sich freiwillig und insbesondere nachhaltig wieder unter den Schutz ihres Herkunftsstaates stellen zu wollen, um die Beziehungen zu diesem zu normalisieren. Nur im Rahmen einer solchen Beurteilung und im Falle des Zutreffens dieser Intention der Beschwerdeführerin, wäre es dem Bundesasylamt zugestanden gewesen, den Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 abschließend beurteilen zu können.
2.3. Angesichts obiger Erwägungen ist als maßgebend festzuhalten, dass im Verfahren vor dem Bundesasylamt schwere Mängel aufgetreten sind, die von fehlenden Ermittlungen bis zu mangelhaften Begründungen im erstinstanzlichen Bescheid reichen.
2.4. Im weiterzuführenden Verfahren wird das Bundesasylamt folglich das Vorbringen der Beschwerdeführerin eingehend und umfassend dahingehend zu würdigen haben, ob diese tatsächlich in die Russische Föderation zurückgereist ist und dieser Umstand der möglichen Rückreise dahingehend gewertet werden kann, dass sich diese mit dem freien Willen, die Beziehungen zu ihrem Herkunftsstaat wieder zu normalisieren, wieder unter dessen Schutz stellen wollte und dieser neuerlichen Zuwendung ein nachhaltiges Element beigemessen werden kann. Eine solche abschließende Beurteilung wird jedoch nur unter Einbeziehung von diesbezüglichen Länderfeststellungen und einer Glaubwürdigkeitsprüfung der Angaben der Beschwerdeführerin über die Umstände ihrer Reise in die Ukraine bzw. die Russische Föderation erfolgen können.
Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens fehlt eine ausreichende Beurteilungsgrundlage. Da für die Lösung der Frage, ob die Beschwerdeführerin in die Russische Föderation mit dem Willen gereist ist, sich neuerlich und nachhaltig dem Schutz ihres Herkunftsstaates zu unterstellen, die Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens (unter Anwendung der geltenden Bestimmungen) notwendig ist, hätte es im konkreten Fall jedenfalls weitergehender Ermittlungen zu den Beweggründen und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin bedurft.
Die aufgezeigten Mängel sind wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Vermeidung der Mängel zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis hätte führen können. Fest steht, dass das Bundesasylamt den Sachverhalt im gegenständlichen Fall so mangelhaft ermittelt hat, dass die Durchführung oder Wiederholung einer Einvernahme unvermeidlich erscheint.
Der zuständige Senat des Asylgerichtshofes ist der Ansicht, dass die schweren Mängel vom Bundesasylamt zu sanieren sind, da im gegenteiligen Fall der Großteil des Ermittlungsverfahrens vor dem Asylgerichtshof als gerichtliche Beschwerdeinstanz verlagert würde und somit - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - der zweiinstanzliche Verfahrensgang unterlaufen würde.
Aus den dargelegten Gründen ist gemäß § 66 Abs. 2 AVG der o.a. Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückzuverweisen.
2.5. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.