TE AsylGH Erkenntnis 2011/04/14 A2 418570-1/2011

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Veröffentlicht am 14.04.2011
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Spruch

A2 418.570-1/2011/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Filzwieser als Vorsitzenden und den Richter Dr. Druckenthaner als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.03.2011, Zl. 10 00.541-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 AsylG 2005 BGBI. I Nr. 100/2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 leg. cit. AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Verfahrensgang vor dem Bundesasylamt ergibt sich aus der Aktenlage. Der Beschwerdeführer mit der im Spruch genannten Identität, zugehörig der kurdischen Ethnie und Staatsbürger von Syrien, stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 19.01.2010. Er wurde am selben Tag durch die Polizeiinspektion Traiskirchen einer Erstbefragung unterzogen (As. 11-23 BAA); in Anwesenheit eines Rechtsberaters als gesetzlichen Vertreter. Nach Zulassung des Verfahrens erfolgte die Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Wien, am 07.04.2010 (As. 53-71 BAA); in Gegenwart einer gewillkürten Vertreterin. Bei dieser Einvernahme wurde ein fachärztlicher Befundbericht vom 24.03.2010 in Bezug auf den Beschwerdeführer vorgelegt, aus dem eine mittelgradig depressive Episode und eine posttraumatische Belastungsstörung hervorgehen, ferner verschiedene private Fotografien, auch mit Abbildungen von syrischen Personaldokumenten.

 

Am 18.06.2010 langte eine ergänzende Stellungnahme des Beschwerdeführers zu der Einvernahme am 07.04.2010 bei der Verwaltungsbehörde ein. Diesem Schriftsatz beigelegt sind eine Kopie einer Bestätigung über die Entlassung aus der Schule in Syrien, eine Kopie eines Schulabschlusszeugnisses, eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses in Österreich. Im Schriftsatz ist auch eine Anlage D angeführt (Personalausweis); derselbige befindet sich aber an dieser Stelle nicht im Akt.

 

Am 29.07.2010 langte bei der Verwaltungsbehörde ein weiterer fachärztlicher Befundbericht in Bezug auf den Beschwerdeführer ein. Dabei ist von einer Linderung der depressiven Beschwerden unter der antidepressiven Therapie die Rede.

 

Mit am 05.10.2010 eingelangten Schriftsatz legte der Beschwerdeführer eine weitere Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses, ferner Fotos über seine Teilnahme an einer Kundgebung im September 2010 vor dem österreichischen Parlament gegen die syrische Regierung und eine Bestätigung über seine fortgesetzte psychosoziale Betreuung vor.

 

Das Bundesasylamt hatte zwischenzeitig eine psychologische Untersuchung des Beschwerdeführers durch eine beauftragte Psychologin angeordnet; das entsprechende Gutachten über diese Untersuchung am 18.05.2010 wurde am 15.09.2010 verfasst und am 08.10.2010 an die Verwaltungsbehörde übermittelt. Dem Gutachten Dris XXXX ist zu entnehmen, dass das aktuelle Zustandsbild des Antragstellers am ehesten einer natürlichen erlebnisreaktiven Entwicklung im Rahmen einer besonders ungünstigen Lebenssituation, wie sie bei Migration oder Flucht häufig anzutreffen ist, entspricht. Eine psychische Störung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung liege dagegen nicht vor. Eine Fortsetzung der aktuell empfohlenen psychopharmakologischen Stütze sei indiziert (es handelt sich um die Medikation, welche in den vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen vorgeschlagen ist). Abschließend wird ausgeführt, dass unabhängig von politischen, wirtschaftlichen, juridischen und anderen Aspekten, welche außerhalb des klinisch-psychologischen Fachgebietes angesiedelt seien, im Hinblick auf die derzeitige psychische Befindlichkeit des Antragstellers eine Rückführung nach Syrien tolerierbar wäre, sofern eine entsprechende ärztliche Versorgung bei Bedarf gegeben sei. Die Ablehnung des Asylbegehrens stelle für den Beschwerdeführer höchstwahrscheinlich eine entsprechende psychische Belastung dar, weshalb gegebenenfalls während eines eventuellen Rückführungsprozesses ärztliche Betreuung verfügbar sein müsse.

 

In der Folge wurde der Beschwerdeführer durch das zuständige Organ der Verwaltungsbehörde in Gegenwart seiner gewillkürten Vertreterin am 16.12.2010 neuerlich einvernommen (As. 159-207 BAA).

 

Auch zu dieser Einvernahme übermittelte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 03.01.2011 eine Stellungnahme, welcher wiederum ein fachärztlicher Befundbericht der XXXX vom 29.12.2010 angeschlossen ist. Darin wird die bisherige Diagnose bestätigt. Es wird auch die Einvernahme eines zusätzlichen Medikamentes empfohlen. Am 28.01.2011 langte bei der Verwaltungsbehörde schließlich ein Zeugnis eines XXXX in Bezug auf den Beschwerdeführer ein.

 

2. Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass seine Familie und insbesondere sein Vater für eine verbotene kurdische Partei in Syrien aktiv gewesen wäre. Einer seiner Onkel sei anerkannter Flüchtling in Österreich, ein anderer wäre hier als Asylbewerber aufhältig. Seit 2004 wäre die Familie des Beschwerdeführers in Syrien immer wieder vom Geheimdienst schikaniert worden. Der Beschwerdeführer selbst sei zwischen 2006 und 2009 dreimal in Syrien inhaftiert gewesen. Dabei wäre er auch geschlagen worden. Bei einer Gelegenheit hätte er eine verbotene Zeitung in seine Schule mitgenommen. In der Folge wäre er dann von der Schule ausgeschlossen worden. Bei der letzten Festnahme wäre er von seinem Onkel freigekauft worden. Der Beschwerdeführer wäre jetzt in Österreich politisch aktiv und würde sich für die Rechte der Kurden einsetzen.

 

3. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 08.03.2011 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß §§ 3, 8 AsylG 2005 idgF abgewiesen, ferner wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Syrien ausgewiesen.

 

Begründend wurde darauf hingewiesen, dass mangels geeigneter vorgelegter Dokumente die Identität des Beschwerdeführers nicht hätte festgestellt werden können. Es sei insbesondere kein Originaldokument (syrischer Personalausweis) vorgelegt worden. Der Beschwerdeführer sei syrischer Staatsangehöriger und gehöre der kurdischen Volksgruppe an. Zur Lage in Syrien wurden Feststellungen getroffen, die auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesasylamtes im Sinne des § 60 AsylG 2005 beruhten. Als Quellen sind insbesondere angeführt der Menschenrechtsbericht des amerikanischen Außenministeriums über Syrien im Jahre 2009, der Country of Origin Information Report des UK Home Office von September 2010, der Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Syrien, ebenso aus September 2010, sowie Texte von Freedom House und der Schweizer Flüchtlingshilfe. Dem Bescheid ist auch eine wortwörtliche Anfragebeantwortung des österreichischen Verbindungsbeamten des Bundesministeriums für Inneres in Jordanien vom 02.03.2011 zu psychischen Krankheiten und deren Behandlungsmöglichkeiten eingefügt. Zu den Themenkomplexen medizinische Versorgung und Rückkehr ist als Quelle ein Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 21.02.2011 zu Zl. C3 227.260-0/2008/12E angeführt/zitiert (da die betreffende Passage aber wiederum auf anderen Quellen beruht, ist eine solche Zitierweise des Bundesasylamtes unzulässig). Den Feststellungen ist insbesondere zu entnehmen, dass in Syrien seit 1963 der Ausnahmezustand existiert, mit dem die rechtsstaatlichen Elemente der Verfassung außer Kraft gesetzt wurden. In der Praxis stelle sich Syrien als ein von Sicherheitsapparaten und Militär geprägtes autoritäres Regime dar. Es gäbe vier große Sicherheitsdienste, deren Befugnisse keinen Beschränkungen unterlägen. Die entsprechenden Gefängnisse und Verhörzentralen seien "rechtsfreie Räume". Von vielen in den letzten Jahren verschwundenen Personen nähme man an, dass sie sich in Langzeithaft befänden oder gestorben seien. Polizei, Justizvollzugsorgane und Sicherheitsdienste würden weiterhin systematisch Gewalt anwenden. Die Gefahr, Folteropfer zu werden, sei in den Verhörzentralen der Sicherheitsdienste am größten. Eine effektive strafrechtliche Verfolgung der Täter fände nicht statt. Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sei in der Praxis nicht gewährleistet. So seien kurdische Demonstrationen in den Jahren 2009 und 2010 gewaltsam aufgelöst worden. Kurdische Menschenrechtsorganisationen verfügten nicht über die erforderliche Genehmigung. Duldungen deren Aktivitäten würden willkürlich gewährt oder entzogen. Es gäbe zahlreiche Repressionen gegen aktive Mitglieder in Menschenrechtsorganisationen, wie Ausreiseverbote, regelmäßige Vorladungen zum Verhör oder Drohungen auch gegen Familienangehörige. Die Grenzen des Erlaubten seien in Syrien nicht mehr eindeutig. Während manche wegen "Präsidentenbeleidigung" im privaten Umfeld für Jahre ins Gefängnis kämen, könnten sich andere innerhalb gewisser enger Grenzen in politischen Untergrundparteien engagieren. Ob diese Situation der Willkür beabsichtigt ist, oder ob sie sich als Konsequenz der Unkoordinierten und konkurrierenden verschiedenen Sicherheitsdienste sei unklar.

 

Die Lage der in Syrien ansässigen Kurden sei schwierig. Es gäbe ein großes Ausmaß von Überwachung und Bespitzelung durch die Sicherheitsdienste. Kurden würden auch in der Pflege ihrer Tradition und Sprache stark eingeschränkt.

 

In den letzten Jahren habe sich die Lage der Menschenrechte, insbesondere die Entwicklung einer Zivilgesellschaft, wieder verschlechtert.

 

Die Gesundheitsversorgung in Syrien sei grundsätzlich gewährleistet. Es existierten ambulante und klinische Behandlungsmöglichkeiten durch Psychiater, Psychologen und Psychotherapie.

 

Zur Frage der Rückkehr wurde ausgeführt, dass rückgeführte Personen bei ihrer Einreise befragt würden. Diese Befragung könne sich über mehrere Stunden hinziehen, dann werde die Einreise in der Regel ohne Schwierigkeiten gestattet, in manchen Fällen würden die Betroffenen aber noch einmal zum Verhör einbestellt. Vereinzelt gäbe es Fälle, in denen aus Deutschland abgeschobene abgelehnte Asylwerber bei der Einreise wegen politischer Aktivität verhaftet worden seien, wobei es sich jedoch um Einzelfälle handle. Abschiebungen nach Syrien würden auch durch andere westliche Staaten erfolgen.

 

Der Beschwerdeführer habe kein glaubwürdiges Vorbringen erstattet. Er habe kein Personaldokument im Original vorgelegt, obwohl das leicht möglich sei. Bei der Erstbefragung hätte der Beschwerdeführer nur von zwei Festnahmen gesprochen, im späteren Verfahren aber von dreien. Wenn der Vater des Beschwerdeführers im Übrigen schon 2004 und danach mehrmals vom syrischen Geheimdienst festgenommen worden sei, sei es unplausibel, dass er weiterhin in Syrien lebe und es ihm gut gehe, wie der Beschwerdeführer aber zu Protokoll gegeben hätte. Der Beschwerdeführer hätte versucht offenbar mit allen ihm zur Verfügung irregulären Mitteln seine Fluchtgründe zu erhärten, dies sei auch daran zu erkennen, dass er klar verspätet eine psychische Erkrankung vorgebracht hätte, die sich aber nicht verifizieren hätte lassen. Ähnliches gelte für die nachgereichte politische Tätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich. Er hätte keine klaren Angaben machen können, warum er eigentlich an der Demonstration, bei welcher er fotografiert worden sei, teilgenommen hätte. Im Übrigen sei die vom Beschwerdeführer angegebene kurdische Partei in Österreich offiziell registriert, wovon sich die Verwaltungsbehörde selbst überzeugt hätte. Mangels Glaubwürdigkeit sei dem Beschwerdeführer Asyl nicht zu gewähren gewesen. Es habe sich auch kein Grund für die Gewährung subsidiären Schutzes ergeben. Ein schützenswertes Privat- und Familienleben bestehe in Österreich gleichfalls nicht.

 

4. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben. Darin wurde einleitend dargelegt, dass der Beschwerdeführer sehr wohl mit der Stellungnahme vom 17.06.2010 einen Personalausweis im Original vorgelegt hätte. Zum Beweis desselbigen könnte die Beraterin des Beschwerdeführers zeugenschaftlich einvernommen werden. Im Übrigen befände sich eine Fotokopie des genannten Dokumentes im Akt, was sich durch eine Akteneinsicht ergeben hätte. Zur Identität des Beschwerdeführers hätte auch dessen Onkel zeugenschaftlich befragt werden können/müssen. Zu den Fluchtgründen wurde dargelegt, dass Grund für die Flucht des Beschwerdeführers insbesondere die Übergriffe durch die syrische Polizei und den syrischen Geheimdienst, welche im klaren Zusammenhang mit der Oppositionstätigkeit des Vaters und den eigenen Tätigkeiten im Herkunftsland gestanden wären, gewesen sei. Die gesamte Familie des Beschwerdeführers hätte offen mit den kurdischen Oppositionsbestrebungen sympathisiert. Der Vater des Beschwerdeführers wäre aktives Mitglied der PDPK-S gewesen. Dies sei schon im Zuge der Stellungnahme vom 17.06.2010 spezifiziert worden. Zum Beleg der Existenz der Partei wurde auch auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung und auf eine andere Internetquelle verwiesen. Diese Partei sei eindeutig verboten. Die Erlebnisse der ersten Verhaftung des Beschwerdeführers unmittelbar nach dem Newrotzfest des Jahres 2006 hätten sich auf ihn traumatisch ausgewirkt. Im März 2009 wäre der Beschwerdeführer für drei Tage verhaftet und gefoltert worden. Auch der Vater wäre verhaftet und schwer misshandelt worden. Die dritte Verhaftung hätte sich dann im Oktober 2009 ereignet, nachdem der Beschwerdeführer eine verbotene kurdische Zeitung in die Schule gebracht hätte und diese mit Mitschülern diskutiert worden sei. Der Direktor hätte ihn dann körperlich misshandelt, dann wäre er von Geheimdienstleuten abgeholt worden und wieder in Haft geblieben. Die Entlassung des Beschwerdeführers aus seiner Schule im zeitlichen Nahebezug dazu sei durch das vorgelegte Beweismittel objektiviert. Dass der Vater des Beschwerdeführers weiter in Syrien aufhältig sei, sei kein Grund den Beschwerdeführer selbst die Asylgewährung zu verweigern. Er hätte eben im Gegensatz zu seinem Vater dem ständigen Druck nicht standhalten können.

 

Es weiters wurde darauf verwiesen, dass (durch das Bundesasylamt, Außenstelle Wien) immer der gleiche Dolmetscher bestellt worden sei, welcher aber aus Marokko stamme und sei es zu Verständigungsproblemen gekommen. Dies zeige sich schon aus den diversen Richtigstellungen zur Einvernahme am 07.04.2010 im Schriftsatz vom 17.06.2010.

 

Der Widerspruch hinsichtlich der Zahl der Verhaftungen sei nicht gegeben, beziehungsweise relevant. In der Erstbefragung hätte der Beschwerdeführer nur kurze Angaben tätigen können. In der Folge wären die drei Verhaftungen von ihm stringent und durchgehend erwähnt worden.

 

Der Beschwerdeführer sei tatsächlich psychisch krank, das Gutachten von Frau Dr. XXXX sei nicht beweiskräftig. Diese hätten in vielen Verfahren als Gutachten bezeichnete Schreiben vorgelegt, deren Inhalt in völligem Widerspruch zu den Befunden hochrangiger ExpertInnen gestanden wären und von diesen falsifiziert worden sei. Dr. XXXX hätte sich auch zu unsachlichen Unterstellungen verstiegen. Diesbezüglich wurde als Beweis eine "beiliegende Darstellung von Beispielen der Untersuchungsmethodik von Dr. XXXX" zum Nachweis ihrer Befangenheit angeführt, welche dem Akt aber nicht zu entnehmen ist.

 

Die exilpolitische Tätigkeit des Beschwerdeführers wurde bekräftigt, hiezu wurde auch auf ein Erkenntnis des Asylgerichtshof vom 15.02.2011 zu GZ A11 312.400-2/2009/6E hingewiesen, daraus lasse sich entnehmen, dass bereits das Engagement, beziehungsweise die Teilnahme an Demonstrationen im Sinn des § 3 AsylG verfolgungsrelevant sein könne.

 

Zuletzt hätte sich der Beschwerdeführer am XXXX an einer Demonstration zum Gedenken an die Opfer der Ausschreitungen vom 12.03.2004 in Syrien beteiligt. Auch hier gäbe es eine fotografische Dokumentation, welche im Internet ersichtlich sei. Ob die Partei, welche der Beschwerdeführer angegeben hätte, in Österreich formell registriert sei, tue letztlich nichts zur Sache. Dem Beschwerdeführer sei daher im Ergebnis Asyl zu gewähren. Der Beschwerde beigelegt sind eine Fotografie, welche den Beschwerdeführer bei einer Demonstration auf der XXXX zeigt. eine Kursbesuchsbestätigung und ein Beleg, wonach der Beschwerdeführer einen Vorbereitungslehrgang für den Hauptschulabschluss bis 31.12.2011 besucht. Schließlich findet sich ein Bericht einer Sozialpädagogin über den Beschwerdeführer vom 14.03.2011, aus dem hervorgeht, dass er sehr gut Deutsch lernt und in seinem derzeitigen sozialen Umfeld überhaupt eine vorbildliche Persönlichkeit mit hohem Engagement sei.

 

5. Die Beschwerdevorlage an den Asylgerichtshof erfolgte am 01.04.2011.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien, zugehörig der Volksgruppe der Kurden und entstammt einer kurdisch-oppositionellen Familie, wobei einzelne Familienmitglieder, etwa aufgrund des politischen Engagements des Vaters des Beschwerdeführers, Verfolgungshandlungen ausgesetzt waren, darunter wiederholte Festnahmen des Vaters. Der Beschwerdeführer selbst wurde 2006 und 2009 (zuletzt im Oktober 2009, nachdem er eine regierungskritische Publikation in seine Schule mitgenommen und dort diskutiert hatte) insgesamt dreimal von Sicherheitsorganen festgenommen und jeweils einige Tage festgehalten, nach seinem Vater befragt und kam es dabei auch zu körperlichen Misshandlungen. Kurze Zeit nach der letzten Freilassung durch Bestechung gelang dem Beschwerdeführer auf irregulärem Weg die Ausreise in die Türkei. Der Beschwerdeführer ist psychisch belastet.

 

1.2. Zur Lage in Syrien

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den entsprechenden Feststellungen des Bundesasylamtes an, wie sie in den hier entscheidungswesentlichen Passagen in der Verfahrenserzählung wiedergegeben worden sind. Es zeigt sich ein vielfach willkürliches Muster von Verfolgungshandlungen durch das syrische Regime. Folter und Misshandlungen durch Sicherheitskräfte sind weit verbreitet.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Die vom Bundesasylamt angenommene Beweiswürdigung erwies sich für sich genommen als offensichtlich nicht überzeugend, dies aus folgenden Erwägungen:

 

2.1.1. Selbst wenn der Personalausweis des Beschwerdeführers nicht im Original vorgelegt worden wäre, so kann dies nicht quasi automatisch dazu führen, dass die Identität des Beschwerdeführers als nicht feststellbar erkannt wird. Die genauen persönlichen Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Lebensumständen, die im Zuge der Einvernahme vom 07.04.2010 vorgelegten Familienfotografien, in Verbindung mit Fotos, die offensichtlich Ausweisdokumente zeigen, in Verbindung mit dem Umstand, dass ein anerkannter Flüchtling des Beschwerdeführers in Österreich dessen Onkel ist, lassen keine hinreichenden Anhaltspunkte erkennen, wonach der Beschwerdeführer nicht die von ihm angegebene Identität hätte. Dazu treten noch die schulischen Dokumente, welche dem Schriftsatz vom 17.06.2010 angeschlossen waren.

 

2.1.2. Sofern das Bundesasylamt dem Umstand großes Gewicht zumisst, dass der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung in Traiskirchen am 19.01.2010 nur von zwei und nicht von drei Festnahmen berichtet hatte, kann diesbezüglich ein Missverständnis, beziehungsweise die vom Beschwerdeführer angegebene Zeitnot bei dieser Erstbefragung als Ursache nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Auch aufgrund dem Asylgerichtshof zugänglicher jüngster Erkenntnisse von UNHCR Wien zu den polizeilichen Erstbefragungen unbegleiteter Minderjähriger in der Erstaufnahmestelle Ost (von März 2011) können Erstbefragungen nur mehr in besonderen Fällen (etwa bei fundamentalen Aussagedifferenzen) als Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit herangezogen werden, da es hierbei offenbar zu systematischen Mängeln kommt, die insbesondere bei Minderjährigen, wie es der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt dieser Erstbefragung noch gewesen war, schlagend sein können.

 

2.1.3. Auch die weiteren Argumente des Bundesasylamtes sind für sich genommen nicht geeignet den Befund der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu tragen. Im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zum Zeitpunkt der Ablegung von Reifeprüfungen handelt es sich um einen Einzelaspekt, wobei die diesbezügliche Erklärung in der Beschwerde überzeugend ist. Insofern die Verwaltungsbehörde ausführt, dass es unplausibel ist, dass der Vater des Beschwerdeführers diesem eine regierungskritische Zeitung für die Schule mitgibt, wenn er doch damit rechnen muss, dass der Sohn damit Probleme bekäme, handelt es sich letztlich um Spekulation, da ja auch nicht von vornherein für jedermann davon ausgegangen werden kann, dass jede oppositionelle Handlung den Sicherheitsorganen bekannt wird.

 

Es bleibt letztlich nur der Umstand, dass der Beschwerdeführer in der letzten Einvernahme vom 16.12.2010 erklärt hatte, drei Mal zu Hause verhaftet worden zu sein, während aus seinem sonstigen Vorbringen und auch aus der Beschwerde hervorgeht, dass die dritte Verhaftung letztlich in der Schule erfolgt war. Aus diesem einen Punkt lässt sich aber auch nicht die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers gesamthaft erkennen.

 

Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass das Bundesasylamt die verschiedenen Stellungnahmen und Präzisierungen des Beschwerdeführers nach den Einvernahmen nicht in seine Beweiswürdigung einfließen hat lassen. Der Asylgerichtshof geht in diesem Kontext zwar nicht davon aus, dass es zu schwerwiegenden Verständigungsproblemen zwischen dem Beschwerdeführer und dem Dolmetscher gekommen ist, da der Beschwerdeführer trotz Vertretung in den Einvernahmen nichts derartiges vorgebracht hat und sich solches auch aus den Protokollen nicht erschließen lässt. Es erscheint aber ohne weiters vorstellbar, dass es fallweise zu Missverständnissen oder Unklarheiten gekommen ist und kann der Umstand, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich im Nachhinein in der Regel schlüssige Präzisierungen vorgenommen hat, ihm nicht automatisch zu seinen Ungunsten angerechnet werden.

 

Angesichts des im Asylverfahren gültigen Maßstabs für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit, vgl nur EGMR 10.07.2007, Rs 34081/05 ACHMADOV, Natalia BAGUROVA: "The Court acknowledges that, due to the special situation in which asylum seekers often find themselves, it is frequently necessary to give them the benefit of the doubt when it comes to assessing the credibility of their statements and the documents submitted in support thereof. However, when information is presented which gives strong reasons to question the veracity of an asylum seeker's submissions, the individual must provide a satisfactory explanation for the alleged inaccuracies in those submissions (see, among others, Collins and Akasiebie v. Sweden (dec.), application no. 23944/05, 8 March 2007 and Matsiukhina and Matsiukhin v. Sweden (dec.), no. 31260/04, 21 June 2005)" ist zusammenfassend also festzuhalten, dass Informationen, welche die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin massiv in Zweifel ziehen könnten, nicht aufgetreten sind.

 

2.2. Insofern das Bundesasylamt ausführt, dass der Umstand, dass nicht der Vater geflohen ist, sondern der Sohn, beziehungsweise auch das Faktum, dass der Vater zur Zeit nicht in Haft befindlich ist, gegen eine individuelle Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers sprechen, verkennt es die Natur willkürlicher Verfolgungsmuster in diktatorischen Staaten wie Syrien. Wie aus der Verfahrenserzählung ersichtlich lässt sich das auch aus den vom Bundesasylamt getroffenen Feststellungen (gerade unter Einschluss des Gesamttextes der angeführten Quellen) ableiten. Das Bundesasylamt wäre in diesem Zusammenhang aber schon gehalten gewesen, die ständige aktuelle Rechtsprechung des Asylgerichtshofes zu dieser Thematik (der willkürlichen Verfolgungsmuster) in Bezug auf Syrien als verbindlich zu beachten; die Verwaltungsbehörde hat sich darüber aber hinweggesetzt (vergleiche nur beispielsweise Asylgerichtshof A2 313.490-1/2008/8E vom 03.03.2011).

 

2.3. Zum medizinischen Zustand des Beschwerdeführers brauchten keine weiteren Feststellungen getroffen werden, als dass er in gewissem Umfang psychisch belastet ist. Letzteres ergibt sich auch aus dem in der Verfahrenserzählung referierten prima facie schlüssig erscheinenden Gutachten Dris XXXX, die ja ebenfalls eine Medikation des Beschwerdeführers empfiehlt. Dass der Beschwerdeführer aktuell an einer schweren existenzbedrohenden (psychischen) Krankheit litte, folgt aus einer Zusammenschau der gesamten Aktenlage dagegen nicht. Insofern in der Beschwerde heftige Kritik an der vom Bundesasylamt bestellten Gutachterin geübt wird, kann dieser in der getätigten Form - ohne Belege für die an Rufschädigung zu grenzen scheinenden Behauptungen - nicht gefolgt werden. Nähere Erwägungen dazu hatten aber durch den erkennenden Gerichtshof hier nicht zu erfolgen, da sie im gegenständlichen Zusammenhang nicht entscheidungsrelevant sind. Dass das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorwirft einen Krankheitszustand quasi zu erfinden, stellt sich schließlich auch als nicht nachvollziehbar dar.

 

2.4. Feststellungen zur allfälligen Gefährdung des Beschwerdeführers wegen seiner irregulären Ausreise oder der Asylantragstellung in Österreich in Verbindung mit seiner hiesigen politischen Aktivität erwiesen sich im vorliegenden Fall einer vorverfolgten Person wie des Beschwerdeführers nicht mehr als entscheidungsmaßgeblich (ob nicht qualifizierte exilpolitische Tätigkeit/ die bloße Asylantragstellung ethnischer Kurden oder auch aller syrischer Staatsangehöriger ohne vorangegangene Verfolgungshandlung in Syrien ausreicht, asylrelevante Verfolgung auszulösen, lässt sich allgemein aus der bestehenden Berichtslage nicht ersehen; vergleiche zuletzt für ethnische Araber verneinend Asylgerichtshof 24.01.2011, C4 253.813-0/2008/19E).

 

2.5. Die Feststellungen zum Herkunftsstaat Syrien gründen sich auf die in der Verfahrenserzählung erwähnte Zusammenfassung der wesentlichen Feststellungen des Bundesasylamtes. Eine Verbesserung der Situation ist nicht ersichtlich und wird dies auch durch die ständige Rechtsprechung des Asylgerichtshofe bestätigt (vergleiche etwa Asylgerichtshof, 21.02.2011, C3 247.103-0/2008/18E). Auch die rezenten Ereignisse ab März 2011 (blutige Niederschlagung einer Demonstration im Süden des Landes mit anschließenden Reformankündigungen der Regierung) lassen zur Zeit noch keinen Schluss auf eine nachhaltige Lageänderung zu.

 

3. Rechtliche Würdigung:

 

Gemäß §§ 73 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 (im Folgenden: "AsylG 2005") ist dieses im vorliegenden Verfahren vollinhaltlich in der geltenden Fassung anzuwenden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz idF BGBL. I Nr. 100/2005 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose.

Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

 

In gegenständlicher Asylsache ergibt sich aus der Aktenlage entgegen der Ansicht des Bundesasylamtes, bei Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers, das Vorliegen einer aktuellen politisch/ethnisch motivierten Verfolgungsgefahr mit Aspekten der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie wegen (unterstellter) staatsfeindlicher Gesinnung, dies unter Berücksichtigung aller zu II.2. getroffenen Ausführungen. Es liegt genau ein Fall vor, in welchem dem Beschwerdeführer wegen individueller Verfolgung gezielte Menschenrechtsverletzungen staatlicher Organe im weiteren Sinn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohen können. Die hinreichende Schwere dieser möglichen Menschenrechtsverletzungen ist durch die vergangenen Verfolgungshandlungen gegen ihn und enge Familienangehörige und die Besonderheiten der Lage in Syrien eindeutig indiziert. Bei der Verfolgungsprognose ist entscheidend auch auf die Art der entsprechenden Vorgangsweise der Sicherheitsorgane Bedacht zu nehmen, hierbei ergibt sich aus den Feststellungen des Bundesasylamtes schon, dass regelmäßig Gewalt eingesetzt wird und Menschenrechte grob missachtet werden. In Verbund mit der festgestellten Willkür der Staatsorgane erweist es sich demzufolge als hinreichend wahrscheinlich, dass der ins Augenmerk der Sicherheitsorgane gekommene Beschwerdeführer als Sohn des oppositionellen Vaters und Neffe eines in Österreich anerkannten Flüchtlings (nunmehr auch selbst aktiv für die kurdische Sache engagiert) in Syrien mit ernsten Verfolgungshandlungen zu rechnen hätte.

 

Bei dieser Sachlage liegt Entscheidungsreife vor. Hinweise auf das Vorliegen von Asylausschlussgründen sind vom Bundesasylamt nicht dargelegt worden

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden. Wegen Entscheidungsreife konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.

Schlagworte
aktuelle Gefahr, asylrechtlich relevante Verfolgung, ethnische Verfolgung, Familienverband, politische Gesinnung, soziale Gruppe, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
04.05.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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