TE OGH 2011/4/14 11Os38/11i

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Veröffentlicht am 14.04.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat am 14. April 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Simon H***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. November 2010, GZ 041 Hv 115/10w-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Simon H***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (A) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 3 SMG (B/I) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (B/II) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

(A) im Frühjahr 2009 Nina N***** durch die Aufforderung, „für 6.000 Euro“ ein Kilogramm Kokain aus Brasilien nach Spanien zu schmuggeln, dazu bestimmt, Ende Juni 2009 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar ein Kilogramm Kokain mit einer Reinsubstanz von 25 % von Brasilien in die Schweiz zu bringen und dann von dort aus- und nach Spanien einzuführen;

(B) vorschriftswidrig Suchtgift

I) (zu ergänzen:) gewerbsmäßig (US 7) in einer das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, (zu ergänzen:) wobei er schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist (US 5), nämlich Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 5,8 % THC, und zwar

1) zwischen Anfang November 2005 und Mitte August 2009 insgesamt 300 Gramm an Markus W*****;

2) zwischen Anfang April 2009 und Mitte September 2009 insgesamt 2,1 Kilogramm an Marcel S*****;

3) zwischen Dezember 2005 und Ende April 2008 und zwischen März 2009 und Ende Juni 2009 insgesamt 4,04 Kilogramm an Nina N*****;

II) für den persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar am 5. Juli 2010 0,4 Gramm.

Der dagegen aus Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 26. Jänner 2010, GZ 5 Hv 155/09z-58 (ON 31), zu A) 1) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG schuldig erkannt, weil er im Zeitraum von März 2009 bis 24. September 2009 in Wien vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich „mindestens 520 Gramm Cannabiskraut (mindestens 30 Gramm Reinsubstanz THC)“ an den abgesondert verfolgten Michael Nu***** und weitere, „nicht ausgemittelte“ Abnehmer im Zuge einer Vielzahl von Übergaben gewinnbringend überlassen habe.

Die in diesem Zusammenhang Feststellungsmängel reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet einen Verstoß gegen Art 4 des 7. ZPMRK (vgl auch § 17 StPO) und bringt gegen den Schuldspruch B) I) vor, das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 26. Jänner 2010 zum AZ 5 Hv 155/09z stehe der neuerlichen Verurteilung des Angeklagten wegen Suchtgifthandels mit Cannabiskraut im Tatzeitraum März 2009 bis 24. September 2009 entgegen, weil die dort zu A) 1) festgestellte Mindestmenge nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht als maximale Gewichtsangabe für den verurteilten Suchtgifthandel verstanden werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand einer Rechtsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810). Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch durch Vorkommen in der Hauptverhandlung indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal einen Ausnahmesatz (Z 9 lit a bis c) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580). Es darf dabei kein konstatierter Umstand übergangen oder bestritten werden.

Diese Kriterien prozessordnungsgemäßer Darstellung missachtet die Rechtsrüge, indem sie zwar Tatidentität behauptet, aber die - unter dem Aspekt der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO unangefochten gelassenen - (wenngleich disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffenen) Urteilsannahmen übergeht, wonach es sich bei den an W*****, S***** oder N***** verkauften Suchtgiftmengen gerade nicht um jene, vom Schuldspruch A) I) des Landesgerichts für Strafsachen Graz umfasste, an „nicht ausgemittelte Abnehmer“ übergebene Cannabismengen handelt (US 12).

Ausgehend von den der Annahme von Tatidentität entgegenstehenden Feststellungen legt das ausschließlich auf das Vorurteil abstellende Vorbringen der Rechtsrüge auch nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb - bei verschiedenen Abnehmern - ein Schuldspruch wegen eines Verbrechens nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG hinsichtlich des Tatzeitraums März 2009 bis 24. September 2009 einer Verfolgung und Verurteilung wegen der Überlassung einer etwa das 18-fache der Grenzmenge entsprechenden Suchtgiftmenge im Tatzeitraum November 2005 bis Mitte September 2009 entgegen stehe und entzieht sich damit einer meritorischen Erwiderung.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass nur die festgestellte Mindestmenge als Tatsachensubstrat der rechtlichen Subsumtion unterliegt (RIS-Justiz RS0098485).

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall) releviert zu B) I) 1) eine allfällige Sperrwirkung und „vorsichtshalber“ auch die Urteilsannahmen zum Tatzeitraum ab 2005 als nicht oder nur unzureichend begründet, spricht aber damit einerseits - wie bereits dargelegt - mangels Tatidentität keine für den Ausspruch über die Schuld oder die Subsumtion entscheidende Tatsache an. Ist andererseits die Tat sonst hinlänglich individualisiert, kommt der Tatzeit - es sei denn, sie wäre ausnahmsweise rechtlich entscheidend (zB für die Frage der Verjährung) - keine Bedeutung zu (Lendl, WK-StPO § 260 Rz 14; RIS-Justiz RS0098557; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 290).

Soweit der Beschwerdeführer das ganze Urteil anficht und damit auch die Aufhebung der Schuldsprüche zu A) und B) II) anstrebt, unterlässt er es, Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz, § 285a Z 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E96988

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0110OS00038.11I.0414.000

Im RIS seit

03.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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