TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/1 98/18/0200

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Veröffentlicht am 01.03.2001
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §59 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z3;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der am 4. Juni 1969 geborenen V Z in Wien, vertreten durch Dr. Marcella Zauner-Grois und Dr. Christof Dunst, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. April 1998, Zl. SD 231/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. April 1998 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei ebenso wie ihr Gatte im Jahr 1992 nach Österreich gekommen und habe einen Sichtvermerk bis 30. September 1993 erhalten. In der Folge sei ihr offenbar ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht als bosnischer Kriegsflüchtling zugekommen.

Die Beschwerdeführerin sei ebenso wie ihr Ehegatte am 11. Dezember 1997 vom Landesgericht für Strafsachen Wien "wegen Schmuggels" rechtskräftig verurteilt worden, wobei über sie eine Geldstrafe von S 300.000,-- und eine Wertersatzstrafe von S 276.000,-- verhängt worden sei.

Dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung gefährde und anderen Interessen zuwiderlaufe und damit die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und vor allem zum Schutz des wirtschaftlichen Wohles des Landes, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen, dringend geboten und dass damit auch ein Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Sinn des § 37 FrG iVm Art. 8 Abs. 1 EMRK zulässig sei, bedürfe keiner weiteren Erörterung. Angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin bisher nur zum vorübergehenden Aufenthalt als Kriegsflüchtling im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei, komme auch der damit verbundenen vorübergehenden Integration der Beschwerdeführerin und ihrer Familie keine schwer wiegende Bedeutung zu. Angesichts des vorliegenden Sachverhaltes könnten die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, auch wenn die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehegatten - dieser sei, wie bereits ausgeführt, ebenso wie sie "wegen Schmuggels", und zwar zu einer Geldstrafe von S 5 Mio und einer Wertersatzstrafe von über S 6 Mio rechtskräftig verurteilt worden - und ihrem Kind, das hier bereits in die Schule gehe, im Bundesgebiet lebe, nicht in Kauf genommen werden. Die Probleme, die sich mit einer Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihre Heimat verbänden, seien nicht zu berücksichtigen gewesen. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes erscheine mit Rücksicht auf den offensichtlichen Umfang des Schmuggels gerechtfertigt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 3 FrG verwirklicht habe, unbekämpft. Auf Grund der unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilung vom 11. Dezember 1997 "wegen Schmuggels" besteht gegen diese Ansicht kein Einwand.

1.2. Bei der Beurteilung der Frage, ob die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass ein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dabei ist - anders als bei der Frage, ob der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 3 FrG erfüllt ist -

nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Fremden abzustellen.

Die belangte Behörde hat zwar § 36 Abs. 1 FrG im Spruch des angefochtenen Bescheides zitiert, es aber - wie die insoweit eindeutige Bescheidbegründung zeigt - gänzlich unterlassen zu prüfen, ob im Beschwerdefall die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, es vielmehr dabei bewenden lassen, die Erfüllung der Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. zu bejahen. Ungeachtet dessen, dass sie damit die Rechtslage verkannt hat (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 98/18/0272), führt dies im vorliegenden Fall nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides:

Die Beschwerdeführerin hat nach dem insoweit bindenden Strafurteil (vgl. zum Umfang der Bindung eines rechtskräftigen Schuldspruches das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133, mwN) in der Zeit von März 1995 bis Februar 1996 gewerbsmäßig Zigaretten, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen worden ist, an sich gebracht, Gewinn bringend weiterverkauft bzw. dies versucht, und zwar jeweils 100.000 Stück zweier näher bezeichneter Zigarettenmarken (Spruchpunkt A.) und zugleich durch diese Taten Monopolgegenstände, nämlich die angeführten Zigaretten, hinsichtlich welcher in Monopolrechte eingegriffen worden ist, an sich gebracht, Gewinn bringend weiterverkauft bzw. dies versucht (Spruchpunkt B.), und dadurch das Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach den §§ 37 Abs. 1 lit. a, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG (zu A.) und das Finanzvergehen der Monopolhehlerei nach dem § 46 Abs. 1 lit. a FinStrG (zu B.) begangen.

Die Annahme, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die öffentliche Ordnung und das wirtschaftliche Wohl des Landes gefährde (§ 36 Abs. 1 FrG), liegt - und insofern ist der vorliegende Beschwerdefall anders gelagert als der dem vorgenannten Erkenntnis vom 31. Mai 2000 zu Grunde liegende - im Hinblick auf das dargestellte gravierende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin auf der Hand. An dieser Beurteilung vermag auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, der Tatzeitraum liege mittlerweile zweieinhalb Jahre und länger zurück und sie habe auf Grund des abgeführten Verfahrens sowie der Verurteilung die Unrechtmäßigkeit ihres Verhaltens eingesehen, nichts zu ändern, ist doch der seit der Begehung der Straftaten verstrichene Zeitraum noch zu kurz, als dass die Beschwerdeführerin einen Wegfall oder doch eine wesentliche Minderung der von ihr ausgehenden Gefahr für die bezeichneten maßgeblichen öffentlichen Interessen hätte unter Beweis stellen können.

2.1. Mit dem gegen die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 FrG gerichteten Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

2.2. Den Aufenthalt ihres - ebenfalls mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11. Dezember 1997 rechtskräftig "wegen Schmuggels" verurteilten - Gatten und des gemeinsamen Kindes im Bundesgebiet hat die belangte Behörde berücksichtigt und daher - zutreffend - einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin angenommen.

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die Beschwerdeführerin gewerbsmäßig, somit in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), Zigaretten, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen worden ist, an sich gebracht und Gewinn bringend weiterverkauft bzw. dies versucht hat. Da sie durch dieses Verhalten das aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Abgabenwesens), der Verhinderung strafbarer Handlungen und der Wahrung des wirtschaftlichen Wohl des Landes (Art. 8 Abs. 2 EMRK) große öffentliche Interesse an der Einhaltung von abgabenrechtlichen Vorschriften (vgl. das Erkenntnis vom 30. Jänner 2001, Zl. 2000/18/0001) in gravierender Weise beeinträchtigt hat, bestehen weder gegen die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, noch gegen das für die Beschwerdeführerin negative Ergebnis der Abwägung gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. Bedenken.

3. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte, zumal weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid besondere, nicht bereits im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG berücksichtigte Umstände ersichtlich sind, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. Mai 2000, Zl. 99/18/0291, mwN) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin mit zehn Jahren und damit in derselben Höhe wie im Fall ihres Ehegatten (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/18/0201) vermag der Verwaltungsgerichtshof jedoch im Hinblick auf dessen zweimalige Verurteilung, das ungleich gewichtigere strafbare Verhalten und die daraus resultierende beträchtlich unterschiedliche Höhe der verhängten Strafe nicht zu teilen. Die belangte Behörde hat somit bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des über die Beschwerdeführerin verhängten Aufenthaltsverbotes die Rechtslage verkannt und damit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

5. Der angefochtene Bescheid - bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes handelt es sich nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 99/18/0398) um einen vom übrigen Bescheidinhalt nicht trennbaren Abspruch - war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick

darauf abzuweisen, dass neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Ersatz weiterer Kosten unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.

Wien, am 1. März 2001

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998180200.X00

Im RIS seit

26.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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