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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des KM, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. Februar 2007, Zl. SD 1432/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen pakistanischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 18. Jänner 2000 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und habe am 19. Jänner 2000 einen Asylantrag gestellt. Diesem Antrag sei mit Bescheid des Bundesasylamts vom 29. November 2002 keine Folge gegeben worden.
Am 22. Juni 2004 habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin K geheiratet. Anschließend habe er (nach den damals geltenden Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 - FrG) bei der Bundespolizeidirektion Wien einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö., § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht.
Die gegen die in erster Instanz erfolgte Ablehnung seines Asylbegehrens eingebrachte Berufung habe der Beschwerdeführer daraufhin am 6. Oktober 2004 zurückgezogen.
Die Bundespolizeidirektion Wien habe nach Einbringen des Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung Erhebungen durchgeführt. Am 14. Jänner 2005 sei die Ehefrau des Beschwerdeführers vernommen worden. Damals habe sie noch bestritten, eine Scheinehe eingegangen zu sein. Im Zuge weiterer Erhebungen sei allerdings in der Wohnung der Ehefrau in W deren Bruder angetroffen worden. Dieser habe angegeben, die Ehefrau des Beschwerdeführers sei "hauptsächlich bei ihrem Lebensgefährten 'H'" in A adM aufhältig. Mit diesem sei sie bereits "seit einem dreiviertel Jahr zusammen". Weiters sei ihm völlig unbekannt, dass seine Schwester (die Ehefrau des Beschwerdeführers) mit einem pakistanischen Staatsangehörigen verheiratet sei. Auch vor Eingehen der Lebensgemeinschaft mit "H" habe sie schon in jener Unterkunft in W an der sie nunmehr auch gemeldet sei, gewohnt. Eine Erhebung an der Adresse des Beschwerdeführers - die vorgebliche gemeinsame eheliche Wohnung - in W habe ergeben, dass in dieser Wohnung nach Angaben eines Wohnungsnachbarn lediglich ein, möglicherweise auch zwei Inder wohnhaft seien; jedenfalls wohnten dort keine Frau und auch kein Kind.
Am 28. April 2005 sei die Ehefrau des Beschwerdeführers neuerlich von der Bundespolizeidirektion Wien vernommen worden. Nunmehr habe sie eingestanden, dass es sich bei der Ehe mit dem Beschwerdeführer um eine Scheinehe handle. Diese sei von einer Freundin vermittelt worden. Die Freundin habe gewusst, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers damals ein Kind (Vater des Kindes ist den Feststellungen zufolge der österreichische Staatsbürger JS) erwarte und daher Geld benötige. Sie habe am Tag der Eheschließung EUR 4.000,-- von ihrer Freundin für das Eingehen der Ehe erhalten. Mit dem Beschwerdeführer habe sie überhaupt keinen Kontakt und mit ihm auch keinen Tag zusammengelebt. Sie sei die Ehe nur deshalb eingegangen, weil sie dringend Geld benötigt habe.
Der Beschwerdeführer habe zwar die Richtigkeit der Angaben seiner Ehefrau bestritten, jedoch habe die belangte Behörde keinen Anlass, an der Richtigkeit der Aussagen der Ehefrau des Beschwerdeführers zu zweifeln. Sie könnte weder aus dem Fortbestand der Ehe noch aus der Auflösung der Ehe einen Nutzen ziehen. Die Angaben der Ehefrau seien nachvollziehbar und glaubwürdig. Darüber hinaus deuteten auch die Angaben des Bruders der Ehefrau des Beschwerdeführers auf das Vorliegen einer Scheinehe hin. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer ein massives Interesse, das Eingehen der Scheinehe zu bestreiten, schließlich sichere ihm die Ehe den Zugang zum Arbeitsmarkt und verschaffe ihm ein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Es sei sohin davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben.
Der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung - stelle, was auch in § 60 Abs. 2 Z 9 FPG zum Ausdruck komme, eine schwer wiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 86 Abs. 1 FPG rechtfertige.
Bei der nach § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu beachten, dass der Beschwerdeführer seine nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bevorzugte Stellung nur durch die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin habe erlangen und auf diese Weise eine unselbständige Beschäftigung habe aufnehmen können. Durch das Eingehen der Scheinehe sei allerdings die durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet erzielte Integration als wesentlich gemindert anzusehen. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet könnten somit nicht schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.
Des Weiteren legte die belangte Behörde noch ihre Erwägungen dar, weshalb sie das Aufenthaltsverbot mit zehn Jahren befristete.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 2011, Zl. 2008/18/0092, mwN).
Der Beschwerdeführer richtet sich nicht gegen die in diesem Sinn vorgenommene rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, sondern in erster Linie gegen die von ihr vorgenommene Beweiswürdigung und Interessenabwägung.
Soweit der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestreitet und betont, es hätte ihm, nicht aber seiner Ehefrau Glauben geschenkt werden müssen, legt er nicht dar, weshalb die Angaben seiner Ehefrau als unrichtig einzustufen wären und welche Umstände für das Vorhandensein eines Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK gesprochen hätten. Die in der Beschwerde enthaltenen bloß pauschalen und unsubstantiierten Behauptungen vermögen eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung nicht darzutun.
Der Beschwerdeführer wendet sich im Weiteren gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung. Soweit er darauf abstellt, dass ein Eingriff in sein nach Art. 8 Abs. 2 EMRK geschütztes Recht bei Vorliegen einer Scheinehe generell nicht zulässig sei, ist dem schon die Bestimmung des Art. 8 Abs. 2 EMRK entgegenzuhalten. Nach dieser Bestimmung ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts (nach Art. 8 Abs. 1 EMRK) nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Dass aber auch die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK dient, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung bejaht (vgl. insoweit zur Interessenabwägung etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2011, Zl. 2010/18/0446).
Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, er habe die Gesetze unverbrüchlich beachtet, entfernt er sich von den - wie oben dargelegt mängelfrei zustande gekommenen - Feststellungen der belangten Behörde, wonach er zur Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile und zur Erlangung des freien Zuganges zum Arbeitsmarkt eine Aufenthaltsehe eingegangen ist. Die bisherige berufliche Tätigkeit hat die belangte Behörde bei der Interessenabwägung ausreichend berücksichtigt. Zutreffend wies sie aber darauf hin, dass dem Beschwerdeführer die Aufnahme derselben nur infolge des Eingehens der Aufenthaltsehe möglich war. Soweit der Beschwerdeführer noch vorbringt, er habe auch Steuerleistungen erbracht, ist nicht erkennbar, inwieweit dies seine persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet stärken sollte. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Auffassung des Beschwerdeführers, wonach selbst das Eingehen einer Scheinehe letztendlich sachlich gerechtfertigt sei, weil ansonsten keine Möglichkeit bestehe, sich in Österreich integrieren zu können, nicht mit den gesetzlichen Vorschriften im Einklang steht.
Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die von der belangten Behörde gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung vorgenommene Erhöhung der Dauer des Aufenthaltsverbotes (von fünf Jahren) auf zehn Jahre. Entgegen seiner Ansicht kommt im vorliegenden Fall aber ein Verstoß gegen das "Verböserungsverbot" schon deswegen nicht in Betracht, weil es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes um eine administrativ-rechtliche Maßnahme, nicht aber um eine strafrechtliche Sanktion handelt. Dem Administrativverfahren ist aber ein Verbot der reformatio in peius fremd (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 2009, Zl. 2006/18/0460).
Wenn der Beschwerdeführer meint, dass die Dauer eines Aufenthaltsverbotes nur dann ein so hohes Ausmaß erreichen dürfte, wenn es sich um einen Fall "schwerwiegender Kriminalität" handle, so ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach auch im Falle des Eingehens einer Aufenthaltsehe mit Blick auf den dafür maßgeblichen § 63 FPG an sich keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Befristung auf die Dauer von zehn Jahren zu sehen sind (vgl. zu dieser Problematik wiederum das erwähnte Erkenntnis vom 20. Jänner 2009). Warum im gegenständlichen Fall aber von einem früheren Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung ausgegangen werden müsste, wird in der Beschwerde überhaupt nicht dargelegt. Angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, der zudem bis zuletzt tatsachenwidrig das Eingehen einer Aufenthaltsehe bestritten hat, kann die Ansicht der belangten Behörde, ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes könne nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden, nicht als rechtswidrig angesehen werden.
Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 12. April 2011
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2011:2007180176.X00Im RIS seit
05.05.2011Zuletzt aktualisiert am
12.07.2011