TE Vfgh Erkenntnis 2011/2/24 B254/10

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Veröffentlicht am 24.02.2011
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
ASVG §133, §342, §344

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchAbweisung von Anträgen eines Vertragsarztes wegen Limitierung undQuartalsdeckelung des Honorars für ärztliche Koordinierungstätigkeitund therapeutische Aussprache; keine Bedenken gegen dieRechtsgrundlagen, insbesondere gegen den zu Grunde liegendenGesamtvertrag; keine Sitten- bzw Grundrechtswidrigkeit

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

II. Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt und Verfahrensgeschehen

1.1. Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin und steht in einem kurativen Einzelvertragsverhältnis u.a. zur mitbeteiligten Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter. Mit Bescheidantrag an die Paritätische Schiedskommission für Niederösterreich vom 25. April 2008 stellte der Beschwerdeführer nachstehende Anträge (in der in der Folge modifizierten Fassung):

"1.) Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang den Betrag von EUR 5.572,36 samt unternehmerischer Zinsen seit 1.1.2008 zu bezahlen.

2a.) Zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin wird festgestellt, dass die Limitierungsbeschränkung bei Pos J1 und die Quartalsdeckelung bei Position TA sittenwidrig und nichtig sind.

in eventu:

2b.) Zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin wird festgestellt, dass der Antragsteller die Position J1 unlimitiert und die Position TA ungedeckelt zu verrechnen berechtigt ist.

in eventu:

2c.) Zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, die vom Antragsteller verrechneten Positionen J1 bezogen auf bestimmte Fallzahlen und die Position TA bezogen auf eine Quartalsdeckelung zu kürzen.

3.) Die Antragsgegnerin ist weiter schuldig, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu ersetzen."

1.2. Mit der Honorarabrechnung 01/08 sei dem Antragsteller von seinen Honoraransprüchen ein Betrag von € 5.572,36 mit der Begründung abgezogen worden, dass die nachträgliche Berechnung von Limitierungen und Quartalsdeckelungen bei den Honorarpositionen J1 und TA diesen Betrag ergebe. Diese Limitierungsbestimmungen seien jedoch unsachlich und sittenwidrig, weshalb dem Antragsteller die Auszahlung des einbehaltenen Betrages gebühre. Auch habe er ein Interesse an der diesbezüglichen Feststellung, dass die Limitierungen bei den Honorarpositionen J1 und TA im Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der mitbeteiligten Partei unwirksam seien.

2. Da im Verfahren vor der Paritätischen Schiedskommission für Niederösterreich wegen Stimmengleichheit keine Entscheidung zustande gekommen war, rief der nunmehrige Beschwerdeführer mit Devolutionsantrag die belangte Behörde an. Diese holte von ihm eine zusammenfassende Stellungnahme ein, hörte die mitbeteiligte Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter und führte sodann eine mündliche Verhandlung durch, in der sie beschloss, von der Aufnahme von Beweisen Abstand zu nehmen. Sodann wies sie die Anträge des Beschwerdeführers mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid ab.

2.1. Die belangte Behörde traf dazu folgende Feststellungen:

"Der im vorliegenden Verfahren anwendbare Gesamtvertrag wurde in seiner Stammfassung am 31.5.1957 zwischen der Österreichischen Ärztekammer (unter anderem für die Ärztekammer für Niederösterreich) und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (für die BVA) nach eingehenden Verhandlungen abgeschlossen. Auch die mittlerweile erfolgten einvernehmlichen Änderungen des Gesamtvertrages und seiner Honorarordnung sind das Ergebnis langwieriger Verhandlungen. Die Honorarordnung in der derzeit gültigen Fassung ist unter www.bva.at nach Verfolgen der Links 'Service', 'Für Vertragspartner' und schließlich 'Honorarordnung' im Internet abrufbar. Die Honorarordnung regelt die Verrechenbarkeit der ärztlichen Koordinierungstätigkeit gegenüber der Antragsgegnerin auf den Seiten 11 f wie folgt:

'J. Koordination

J1 Ärztliche Koordinierungstätigkeit durch den behandlungsführenden Arzt

                     ab 1.2.2007       ab 1.1.2008

................     ... € 11,5136     € 11,7784

Verechenbar von Ärzten für Allgemeinmedizin und Fachärzten (ausgenommen Fachärzte für Radiologie und Fachärzte für nichtklinische Medizin) einmal pro Fall und Monat in jenen Fällen, die einer intensiven Koordination mit anderen Ärzten, Einrichtungen und sonstigen Leistungserbringern bedürfen, insgesamt in höchstens 3 % der Fälle pro Jahr. Die Koordinierungstätigkeit ist zu dokumentieren.

Erläuterungen zum Positionstext:

1. Koordinierung der Heilmittelverschreibung bei multimorbiden Patienten.

2. Koordination des ambulanten und stationären Versorgungsmanagements.

3. Telefonische und persönliche Kontaktaufnahme zu anderen Leistungserbringern im Gesundheitsbereich zur Abstimmung der Patientenbetreuung.

4. Dokumentationszusammenführung des Krankheitsverlaufes.

5. Organisation von Pflegemaßnahmen, Spezialbehandlungen und Rehabilitation.

6. Erkundung bzw. Organisation von besonderen Behandlungsformen im Ausland.'

Maßgeblich für die vom Antragsteller bekämpfte Honorarkürzung der Position J1 sind vor allem die Worte 'einmal pro Fall und Monat' und 'insgesamt in höchstens 3 % der Fälle pro Jahr'.

Die Verrechenbarkeit der ausführlichen diagnostisch-therapeutischen Aussprache (im Folgenden auch 'TA') wird in der Honorarordnung auf den Seiten 12 f wie folgt geregelt:

'TA Ausführliche diagnostisch-therapeutische Aussprache zwischen Arzt und Patient als integrierter Therapiebestandteil

ab 1.10.2003........................€ 11,1100

Die vorstehende Leistung ist unter folgenden Bedingungen verrechenbar:

a) Mit der 'Ausführlichen therapeutischen Aussprache' soll grundsätzlich eine Erweiterung und Vertiefung der Therapie erreicht werden; darunter fällt jedenfalls nicht die Anamnese.

b) Zur Verrechnung sind die Vertragsärzte für Allgemeinmedizin, die Vertragsfachärzte, mit Ausnahme der Vertragsfachärzte für Labormedizin, Radiologie und für physikalische Medizin, berechtigt.

c) Der Arzt hat die 'Ausführliche therapeutische Aussprache' persönlich zu führen, die Verwendung medialer Hilfsmittel (z.B. Video) oder die 'Ausführliche therapeutische Aussprache' mit mehreren Patienten gleichzeitig ist unzulässig. Die Gesprächsführung mit Eltern von Kindern bzw. mit Angehörigen von geistig eingeschränkten Patienten (Apoplexiepatienten) ist zulässig.

d) Die 'Ausführliche therapeutische Aussprache' hat im Allgemeinen zwischen 10 und 15 Minuten zu dauern.

e) Die 'Ausführliche therapeutische Aussprache' ist grundsätzlich in der Ordination zu führen. In medizinisch begründeten Fällen ist die 'Ausführliche therapeutische Aussprache' auch im Rahmen einer Visite zulässig.

f) Die 'Ausführliche therapeutische Aussprache' ist von den Vertragsärzten für Allgemeinmedizin, Vertragsfachärzten für Innere Medizin und Vertragsfachärzten für Kinderheilkunde in höchstens 18 % der Behandlungsfälle pro Quartal, von den übrigen Vertragsärzten (ausgenommen Vertragsfachärzte für Labormedizin, Radiologie und physikalische Medizin) in höchstens 11 % der Behandlungsfälle pro Quartal verrechenbar.

g) Die 'Ausführliche therapeutische Aussprache' ist grundsätzlich nur bei eigenen Patienten verrechenbar. Eine Zuweisung zum Zweck einer 'Ausführlichen therapeutischen Aussprache' ist unzulässig. Bei zugewiesenen Patienten kann die 'Ausführliche therapeutische Aussprache' nur dann verrechnet werden, wenn dies im Zuge der weiteren Behandlung medizinisch notwendig ist. Vertragsfachärzte für Neurologie und Psychiatrie können bei zugewiesenen Patienten keine 'Ausführliche therapeutische Aussprache' verrechnen.

h) Die gleichzeitige Verrechnung der 'Ausführlichen therapeutischen Aussprache' mit den Pos. Nrn. 36d, 36e und 36f für Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie ist bei eigenen Patienten innerhalb eines Quartals nur mit Begründung möglich. Die gleichzeitige Verrechnung der 'Ausführlichen therapeutischen Aussprache' mit der Pos. Nr. 34h innerhalb eines Quartals bzw. mit der Pos. Nr. 36a innerhalb eines Monats ist nicht möglich, es sei denn unter Angabe einer weiteren neuen Diagnose. Die gleichzeitige Verrechnung der 'Ausführlichen therapeutischen Aussprache' mit einer Basisuntersuchung im Rahmen des Vorsorgeuntersuchungs-Gesamtvertrages innerhalb eines Abrechnungsmonates ist ausgeschlossen.'

Für die vom Antragsteller bekämpfte Honorarkürzung der Position TA ist vor allem die Wortfolge 'in höchstens 18 % der Behandlungsfälle pro Quartal' wesentlich (siehe litf dieser Position).

Die Honorierung des Antragstellers für die von ihm verrechneten Positionen J1 im Jahr 2007 erfolgte folgendermaßen: Für die Monate Jänner bis Dezember 2007 überwies die Antragsgegnerin dem Antragsteller vorläufig jene Beträge, die er monatlich für die Position J1 geltend machte. Eine Überschreitung des monatlichen Verrechnungslimits ('einmal pro Fall und Monat') konnte dabei nicht festgestellt werden.

Naturgemäß kann erst nach Vorliegen der Abrechnungen für das gesamte Jahr festgestellt werden, ob die Grenze 'höchstens 3 % der Fälle pro Jahr' überschritten wurde. Der Antragsteller verrechnete seine Leistungen vom Dezember 2007 mit Honorarabrechnung vom Jänner 2008. Dabei zeigt sich, dass der Antragsteller im Jahr 2007 insgesamt 595 Behandlungsfälle hatte und daher in 17,85 Fällen (3 % von 595) zur Verrechnung der Position J1 berechtigt war. Der Antragsteller verrechnete die Position J1 im Jahr 2007 allerdings in 499 Fällen; damit überschritt er das Verrechnungslimit um 481 Fälle. Da die Antragsgegnerin dem Antragsteller im Laufe des Jahres 2007 somit 481 Positionen J1 zu einem durchschnittlichen Tarif von EUR 11,4834 (EUR 11,0708 bis 31.1.2007 und EUR 11,5136 ab 1.2.2007), insgesamt also EUR 5.525,25, zu viel überwiesen hatte, zog sie diesen Betrag bei Begleichung des Honorars für die Leistungen des Antragstellers vom Jänner 2008 ab.

Ähnlich erfolgte die Honorierung des Antragstellers für die Position TA im 4. Quartal des Jahres 2007. Die Antragsgegnerin überwies dem Antragsteller monatlich zunächst die von ihm geltend gemachten Beträge. Wie sich schließlich aus der Honorarabrechnung für Dezember 2007 ergab, hatte der Antragsteller im 4. Quartal insgesamt 82 Behandlungsfälle, wovon er der Antragsgegnerin in 19 Fällen die Position TA a EUR 11,11 in Rechnung stellte. Aufgrund der Limitierung auf 'höchstens 18 % der Behandlungsfälle' wäre der Antragsteller aber nur in 14,76 Fällen zur Verrechnung der Position TA berechtigt gewesen. Die Antragsgegnerin zog daher den daraus resultierenden Differenzbetrag von EUR 47,11 (4,24 x EUR 11,11) zusätzlich zum Betrag von EUR 5.525,25 vom Honorar des Antragstellers für Jänner 2008 ab.

Nach der Statistik über die Verrechnung der Position J1 machten im Jahr 2007 nur 2.250 von insgesamt 7.406 grundsätzlich verrechnungsbefugten Vertragsärzten die Position J1 gegenüber der Antragsgegnerin geltend. Nur bei 533 Vertragsärzten - also lediglich 7 % aller verrechnungsbefugten Vertragsärzte - kam es tatsächlich zu einer Überschreitung des jährlichen Limits. Mit einer Verrechnung der Position J1 in nahezu 84 % (!) seiner Behandlungsfälle ist der Antragsteller überdies mit Abstand der Spitzenreiter unter den Vertragsärzten der BVA. Im Jahr 2008 verrechnete der Antragsteller bereits weit weniger als die Hälfte der von ihm im Vorjahr geltend gemachten Positionen J1.

Das zulässige Verrechnungslimit für die Position TA überschritt der Antragsteller im 4. Quartal des Jahres 2007 bloß geringfügig um 5 Prozentpunkte. In den übrigen Quartalen des Jahres 2007 verrechnete der Antragsteller 45 Positionen TA bei insgesamt 228 Behandlungsfällen und überschritt damit das Limit nur um durchschnittlich 1,7 Prozentpunkte. Im Jahr 2008 kam es beim Antragsteller lediglich im 2. Quartal zu einer Überschreitung des Limits um 0,8 Prozentpunkte; in den übrigen Quartalen schöpfte er das Verrechnungslimit hingegen nicht aus. Mit 31 verrechneten Positionen TA von insgesamt 277 Behandlungsfällen unterschritt er das Limit im Jahr 2008 sogar um durchschnittlich 6,8 Prozentpunkte."

2.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Folgendes aus:

"Zum Vorbringen des Antragstellers, eine Unsachlichkeit der Limitierung ließe sich auch aus dem Umstand ableiten, dass die Positionen J1 und TA in den verschiedenen Gesamtverträgen unterschiedlich limitiert seien, wird Folgendes festgestellt:

Die Koordinationstätigkeit ist und war schon immer Bestandteil der vertragsärztlichen Tätigkeit und als solche mit der Grundleistungs- und Ordinationsvergütung abgegolten, also keinesfalls eine Leistung, die dem außervertraglichen Bereich zuzuordnen ist. Die Positionen J1 und TA wurden auf Wunsch der Ärztekammer eingeführt, um den Vertragsärzten eine zusätzliche Honorierung für intensivere Betreuungsmaßnahmen zu gewähren. Die Positionen J1 und TA bewirken daher gegenüber der vormaligen Honorierung eine Mehrvergütung seitens der BVA. Nicht alle Honorarordnungen der österreichischen Krankenversicherungsträger sehen eine gesonderte Vergütung der Koordinierungstätigkeit oder diagnostisch-therapeutischen Aussprache vor. So gewähren etwa die Honorarordnungen der WGKK und der NÖGKK kein Zusatzhonorar für die Erbringung der Koordinierungstätigkeit.

Wenn die einzelnen Gesamtverträge verschieden hohe Vergütungen für die Positionen J1 und TA vorsehen, so ist das darauf zurückzuführen, dass die Vergütung einer Leistung immer auch als Teil des Gesamtgefüges der Honorarordnung zu verstehen ist, weshalb unterschiedlich gewichtete Honorarordnungen auch unterschiedliche Honorierungen vorsehen können.

Da das ASVG keinen Abschlusszwang vorsieht, sind der Gesamtvertrag und dessen Honorarordnung das Ergebnis eines freien Spiels der Kräfte unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben. Es bleibt den Vertragsparteien überlassen, das Honorar der Vertragsärzte zu bestimmen, wobei von einem weiten Gestaltungsspielraum auszugehen ist (VfGH 24.9.2002, B1658/01, VfSlg 16.607/2002). Die Honorarordnung bringt den Interessenausgleich zwischen den Gesamtvertragsparteien zum Ausdruck und hat daher die Vermutung der Angemessenheit der zu erbringenden Leistungen und des für diese Leistungen geschuldeten Entgelts für sich (VfGH 16.12.1999, B3077/97, B1819/98, VfSlg 15.698/1999; ebenso VfGH 24.9.2002, B1658/01, [VfSlg.] 16.607/2002). Den Gesamtverträgen und Honorarordnungen kommt folglich eine sehr weitgehende Richtigkeitsgewähr zu, was dadurch gerechtfertigt ist, dass sie ja nur aufgrund der Zustimmung der gesetzlichen Interessenvertretung der Ärzte überhaupt zustande kommen konnten (Mosler in Jabornegg/ Resch/Seewald, Ökonomie und Krankenversicherung 151; Selb/Schrammel in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 5.3.3.2.5, 587). Dementsprechend unterliegen der Gesamtvertrag und die Honorarordnung auch nur einer Plausibilitätskontrolle durch die staatlichen Behörden.

Auch der hier gegenständliche Gesamtvertrag und seine Honorarordnung sind das Ergebnis von Verhandlungen zwischen der Interessenvertretung der Ärzte und der Sozialversicherung und es ist daher von deren Angemessenheit auszugehen.

Limitierungen und die degressive Honorargestaltung sind wirksame Steuerungselemente, um eine zu häufige - also das Maß des Notwendigen übersteigende - Leistungserbringung hintanzuhalten. Auch nach ständiger Rechtsprechung des OGH und der Bundesschiedskommission bestehen gegen Honorardeckelungen grundsätzlich keine Bedenken (OGH 30.3.1999, 10 Obs 403/98g). Die Zulässigkeit gesamtvertraglicher Verrechnungsbeschränkungen wird damit begründet, dass solche Beschränkungen dazu dienen, die flächendeckende medizinische Versorgung im Hinblick auf Qualität und Wirtschaftlichkeit zu steuern. Auch der VfGH und die herrschende Lehre kommen zum Ergebnis, dass Honorarlimitierungen im Lichte des allgemeinen Sachlichkeitsgebotes unproblematisch sind (VfGH 24.9.2002, B1658/01[,] VfSlg 16.607/2002; VfGH 2.3.2002, B1538/01, VfSlg 16.463/2001; Stöger, Überlegungen zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Honorardeckelungen in ärztlichen Gesamtverträgen, Soziale Sicherheit 13 mwN). Das trifft auch auf die hier zu beurteilende Limitierung der Positionen J1 und TA zu.

Die Sachlichkeit einer Honorardeckelungsregelung in einem Gesamtvertrag ist primär danach zu beurteilen, ob die Regelung einen unzulässigen Eingriff in die Erwerbsfreiheit der Vertragsärzte bewirkt. Nach der vom VfGH entwickelten Prüfungsformel ist ein Eingriff in die Erwerbsfreiheit dann gerechtfertigt, wenn das damit verfolgte Ziel im öffentlichen Interesse liegt und der Eingriff zur Erreichung des Ziels geeignet, adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt ist. Dazu im Einzelnen:

Die Limitierung der Positionen J1 und TA dient dem öffentlichen Interesse an der Begrenzung von finanziellen Belastungen der Antragsgegnerin und damit letztlich der Sicherstellung einer finanziell tragbaren medizinischen Behandlung und Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Krankenversicherungssystems. Sowohl der OGH als auch der VfGH haben das öffentliche Interesse an einer solchen Kostenkontrolle durch Honorardeckelungen anerkannt. Danach können die Sozialversicherungsträger auch vom Instrumentarium einer degressiven Honorierung Gebrauch machen, wenn dies im Interesse ihrer Hauptaufgabe - der Vollziehung der Sozialversicherungsgesetze im Hinblick auf den einzelnen Versicherten - erforderlich ist (OGH 16.12.1992, 2 Ob 20/92, VfGH 24.9.2002, B1658/01). Dass die Limitierungsbestimmung ein geeignetes Mittel zur Begrenzung der Kosten der Antragsgegnerin ist, kann wohl nicht in Zweifel gezogen werden.

Die Limitierung der Positionen J1 und TA erweist sich außerdem aus folgenden Gründen als erforderlich: Die Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung sind begrenzt und stammen zu einem beträchtlichen Teil aus Versicherungsbeiträgen, die ihrerseits gesetzlich festgesetzt sind. Da die Krankenversicherungsträger im Bereich der Finanzierung niedergelassener Vertragsärzte keine staatliche finanzielle Unterstützung erhalten, die mit jener des stationären Bereichs vergleichbar wäre, können sie ihre Einnahmensituation nur begrenzt beeinflussen. Insoweit ist eine Ausgabenkontrolle durch Deckelungsregelungen zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Krankenversicherungsträger (sowie des Sozialversicherungssystems insgesamt) jedenfalls erforderlich, damit die Krankenversicherungsträger auch weiterhin ärztliche Leistungen für ihre Versicherten bereitstellen können, ohne zahlungsunfähig zu werden. Darüber hinaus sichert die solcherart gewährleistete Funktionsfähigkeit der Krankenversicherungsträger nicht zuletzt auch den Ärztestand selbst, weil jedem Vertragsarzt aus den insgesamt zur Verteilung gelangenden Honoraren zumindest ein Grundeinkommen zufließt. Dadurch können die Vertragsärzte ihrerseits wirtschaftlich überleben und dem Sozialversicherungssystem auch zukünftig zur Verfügung stehen. Die Erforderlichkeit von Deckelungsregelungen findet außerdem in §342 Abs2, 3. Satz ASVG ihren Niederschlag, wonach Gesamtverträge eine Begrenzung der Ausgaben der Krankenversicherungsträger enthalten sollen.

Der Rechtsansicht des Antragstellers, dass Vertragsärzte nicht nur insgesamt, sondern für jede einzelne Leistung kostendeckend honoriert werden müssten, kann nicht beigetreten werden. Bereits die in §342 Abs2 ASVG ausdrücklich vorgesehene Kombination von Einzelleistungsvergütung und Gesamtausgabenbegrenzung führt letztlich dazu, dass das infolge des Einzelleistungssystems erhöhte Risiko der Kosten einer vermehrten Leistungserbringung von den Ärzten selbst zu tragen ist. Dies entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des VfGH: In seiner Entscheidung vom 24.9.2002, B1658/01, VfSlg 16.607/2002, mit der der VfGH den vom Antragsteller zitierten Bescheid der Landesberufungskommission für NÖ zu LBK 1/95 aufgehoben hat, hatte er eine Deckelungsregelung zu beurteilen, die die gemeinsame Verrechenbarkeit von (in Gruppen zusammengefassten) Positionen mit einer bestimmten Anzahl limitierte. Darüber hinausgehende Leistungen innerhalb derselben Gruppe wurden - ähnlich wie bei den hier zu beurteilenden Positionen J1 und TA - nicht gesondert abgegolten. Eine solche Gesamtbetrachtung hat zur Folge, dass eine allfällige Unsachlichkeit einer Limitierung nicht daraus abgeleitet werden kann, ob eine jeweils kostendeckende Honorierung der einzelnen Leistung erfolgt. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die dem Vertragsarzt insgesamt gewährten Vergütungen seinen Aufwand decken. Dass dies beim Antragsteller nicht der Fall wäre, hat er aber nicht einmal behauptet.

Zu dem Schluss, dass die Kostendeckung einer Einzelleistung für die Sachlichkeit ihrer Limitierung nicht entscheidend sein kann, gelangt man auch, wenn man bedenkt, auf welche Weise typischerweise ein zweiseitiger Vertrag ausverhandelt wird: Billigt ein Verhandlungspartner die höhere Honorierung einer bestimmten Leistungsposition, so ist er (verständlicherweise) bemüht, andere Leistungspositionen geringer zu vergüten. So könnte das Verhandlungsergebnis, also der Vertrag, zulässigerweise einzelne Bestimmungen enthalten, die - für sich betrachtet - möglicherweise nachteilig sind, aber unter Berücksichtigung der übrigen Bestimmungen ein ausgewogenes Ganzes ergeben. Zu Recht betont die Rechtsprechung daher die Vermutung der Angemessenheit von Gesamtverträgen und deren Honorarordnungen.

Es ist nicht unsachlich, wenn aufgrund einer Durchschnittsbetrachtung feststeht, dass bestimmte Behandlungen nur in einem bestimmten Ausmaß notwendig sind und die Honorierung darauf begrenzt wird. Die Limitierung erfüllt in diesem Fall die Funktion einer Pauschale. Hat der einzelne Arzt in einer Abrechnungsperiode mehr Leistungen als den Durchschnittswert zu erbringen, so ist die Mehrleistung durch die Pauschale gedeckt.

Solche Durchschnittsbetrachtungen liegen den Limitierungen der Positionen J1 und TA auch zugrunde: Wie zwischen den Parteien unstrittig ist, überschritten im Behandlungsjahr 2007 gerade einmal 7 % der Vertragsärzte das Limit für die Verrechnung der Position J1. Das angeordnete Verrechnungslimit hält daher zweifellos einer Durchschnittsbetrachtung Stand. Die Unbedenklichkeit jenes Durchschnittswertes, der der Limitierung für die Position TA zugrunde liegt, belegt bereits das Verrechnungsverhalten des Antragstellers, zumal er das Limit im 4. Quartal des Jahres 2007 um lediglich 5 Prozentpunkte überschritt, die übrigen Quartale hingegen durchschnittlich um bloß 1,7 Prozentpunkte. Im Jahr 2008 unterschritt der Antragsteller das Verrechnungslimit sogar um durchschnittlich 6,8 Prozentpunkte.

Krejci hat zutreffend betont, dass die Gesamtvertragsparteien nicht von speziellen Gegebenheiten eines einzelnen Vertragsarztes ausgehen können, sondern eine generelle Gesamtlösung anstreben müssen, die sich nur an typischen und durchschnittlichen Daten orientieren kann. Anders wäre ein - für das Funktionieren des österreichischen Sozialversicherungssystems erforderliches - einheitliches Honorierungssystem nicht möglich. Daher kann es bei der Frage, ob eine Honorarordnung Kostendeckung bietet, keinesfalls darum gehen, die individuelle Situation eines einzelnen Vertragsarztes zum Beurteilungsmaßstab zu erheben. Eine Honorarordnung ist somit nicht unzulässig, wenn sie auf die individuellen, atypischen Besonderheiten einer einzelnen Vertragsarztordination nicht passt und daher keine Kostendeckung erreichen sollte. In solchen Fällen muss sich der

Vertragsarzt - so Krejci - entweder den sonst üblichen Gegebenheiten

anpassen oder eben aus dem auf seine Situation offenbar nicht passenden Vertragsarztsystem ausscheiden (Krejci, Vierteljahresschrift Sozialrecht 1991, 99 f; derselbe in Festschrift Schwarz 416 f). Die atypisch hohe Verrechnung der Position J1 durch den Antragsteller im Jahr 2007 vermag daher keine Unsachlichkeit der Limitierung zu begründen.

Das bloß geringfügige Abweichen der vom Antragsteller verrechneten Anzahl an TA im 4. Quartal des Jahres 2007 vom dafür bestehenden Verrechnungslimit begegnet - schon unter Zugrundelegung der Rechtsmeinung des Antragstellers - keinerlei Bedenken. Wie der Antragsteller nämlich in den Punkten 6, 9 und 11 seines vorbereitenden Schriftsatzes vom 28.8.2008 ausführt, läge selbst nach seiner Ansicht eine Unsachlichkeit der Limitierung nur dann vor, wenn der Arzt in einem 'weit höheren Maß' als dem typisierten Regelfall zum Einsatz der limitierten Behandlungsleistung verpflichtet wäre bzw 'beträchtlich mehr Leistungen' erbringen müsste und die Honorare daher in 'erheblichem Maße' nicht ausreichen würden. Eine derartige 'Erheblichkeit' liegt bei Überschreiten des Limits um gerade einmal 5 Prozentpunkte und dem daraus resultierenden Abzug von EUR 47,11 aber eindeutig nicht vor. Auch das Verrechnungsverhalten des Antragstellers in den übrigen Quartalen des Jahres 2007 zeigt kein 'erhebliches' Überschreiten der Limitierung auf, sondern bestätigt vielmehr die Richtigkeit des ihr zugrunde liegenden Durchschnittswertes. Auch die Unterschreitung des Limits durch den Antragsteller im Jahr 2008 spricht deutlich für die Unbedenklichkeit des Limits. Die vom Antragsteller behauptete Unsachlichkeit der Limitierung ist daher nicht gegeben.

Ebenso erweist sich die Argumentation des Antragstellers als verfehlt, er könne aufgrund seiner Leistungspflicht sein Angebotsverhalten nicht steuern. Diese Auffassung geht davon aus, dass der Vertragsarzt einer unbeschränkten Leistungspflicht unterliegt. Das ist aber nicht der Fall. Weder der Gesamt- noch der Einzelvertrag enthalten eine solche Pflicht, sondern sehen lediglich die Einhaltung bestimmter Ordinationszeiten vor.

Dass ein Vertragsarzt bei deutlichen freiwilligen Mehrleistungen einer stärkeren Degression unterliegt, ist zudem systemkonform: Das Vertragsärztesystem des ASVG beruht auf einer Stellenplanung mit dem Ziel einer möglichst gleichmäßigen Aufteilung der Patienten auf die Vertragsärzte zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung. Dies führt eben dazu, dass der einzelne Vertragsarzt umso weniger erhält, je mehr Vertragsärzte und Wahlärzte tätig sind und je mehr Leistungen diese zu erbringen haben. Ein Systemwiderspruch liegt daher nicht vor.

Schließlich führt auch die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Krankenversicherungsträger und der Einkommenseinbuße einzelner weniger Vertragsärzte zum Ergebnis, dass die Limitierung der Positionen J1 und TA gerechtfertigt ist. Der Nachteil eines insgesamt geringeren Einkommens wird nicht zuletzt durch den damit verbundenen Vorteil aufgewogen, dass das Vertragsarztsystem aufrechterhalten werden kann und somit das regelmäßige Einkommen der Vertragsärzte gesichert bleibt.

Die vom Antragsteller geäußerten Bedenken gegen die Sachlichkeit der Limitierung der Positionen J1 und TA erweisen sich daher als unbegründet. Die Anträge des Antragstellers auf Leistung und Feststellung waren daher abzuweisen."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ("Recht auf den gesetzlichen Richter, Gleichheitsgebot, rechtsstaatliches Gebot, Recht auf ein Verfahren vor einem unparteiischen und unabhängigen Tribunal").

4. Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vor. Die beteiligte Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter erstattete eine Äußerung.

II. Erwägungen

1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Zwischen dem Beschwerdeführer und der beteiligten Versicherungsanstalt ist strittig, ob die bei den Positionen TA und J1 des Gesamtvertrages vorgesehenen Limitierungen der Honorierung mit einem bestimmten Prozentsatz der Behandlungsfälle pro Quartal bzw. der Behandlungsfälle pro Jahr zulässig (wie dies auch die belangte Behörde beurteilte) oder ob sie sittenwidrig und daher nichtig sind (wie der Beschwerdeführer meint).

1.2. Bei der Position TA handelt es sich unter Bezugnahme auf die Honorarordnung um die "ausführliche diagnostisch-therapeutische Aussprache in der Dauer von 15 Minuten". Bei der Position J1 handelt es sich um die "ärztliche Koordinierungstätigkeit durch den behandlungsführenden Arzt".

1.3. Bei beiden Leistungen handelt es sich also für sich genommen weder um spezifisch diagnostische noch um spezifisch kurative Leistungen, sondern um fallweise anfallende ärztliche Nebenleistungen, die bei bestimmten Therapien oder auf Grund bestimmter, insbesondere multipler Krankheitsbilder medizinisch nützlich oder aber auch erforderlich sind.

1.4. Es obliegt dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger im Einvernehmen mit den Trägern der Krankenversicherung den Behandlungsanspruch der Versicherten aus der gesetzlichen Krankenversicherung hinsichtlich der erforderlichen Krankenbehandlung im Sinne des §342 iVm §133 ASVG durch den Abschluss von Gesamtverträgen mit den Ärzte- und Zahnärztekammern sicherzustellen. Auf der Grundlage dieser Gesamtverträge und der in ihnen enthaltenen Honorarordnungen obliegt es sodann den Krankenversicherungsträgern im Einvernehmen mit der jeweiligen Ärztekammer Einzelverträge mit niedergelassenen Ärzten (oder Gruppenpraxen) abzuschließen. Es ist sodann Aufgabe der Ärzte, die im Gesamtvertrag vereinbarten medizinischen Leistungen unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Sorgfaltspflichten lege artis zu erbringen.

1.4.1. Medizinische (diagnostische und kurative) Leistungen, hinsichtlich derer in der Honorarordnung des Gesamtvertrages ärztliche Honorare vereinbart werden, können aus verschiedenen Handreichungen zusammengesetzt sein und - vor dem Hintergrund des ärztlichen Sorgfaltsmaßstabes - lege artis für den Vertragsarzt jeweils ganz unterschiedliche Neben(Folge-)pflichten auslösen, wie zB die Verschreibung von Medikamenten, die Zuweisung zu einem Facharzt oder zu einer bestimmten Therapie oder aber auch die Einweisung in ein Krankenhaus.

1.4.2. Es liegt im Gestaltungsspielraum der Partner des Gesamtvertrages, entweder die nach medizinisch-sachkundigem Verständnis (also nach der fachlichen Verkehrsauffassung) zusammengehörigen und daher zu einer Einzelleistung zusammengefassten Haupt- und Nebenleistungen unabhängig davon, in welchem Umfang die jeweiligen Leistungsteile in jedem Behandlungsfall schlagend werden und welchen Zeitaufwand sie jeweils im Einzelnen verursachen in Form einer einheitlichen Tarifposition abzugelten (und damit hinsichtlich der jeweils umfänglich ungewissen Nebenleistungen eine gewisse Pauschalierungswirkung zu erzielen).

1.4.3. Die Partner des Gesamtvertrages dürfen aber auch eine solche ärztliche Leistung, die mitunter Nebenleistungen inkludiert, weil diese lege artis und daher auch zum Pauschalhonorar erbracht werden müssen, in einzelne Teil(Haupt- und Neben)leistungen zerlegen und für jede der in Betracht kommenden Teilleistungen einen eigenen Tarif vorsehen, so dass sich für jede Erbringung der Gesamtleistung je nach Art und Ausmaß der erforderlichen Nebenleistungen von Fall zu Fall unterschiedliche Honorare ergeben können.

1.5. Es steht den Partnern des Gesamtvertrages daher aber auch frei, eine bestimmte Nebenleistung zwar gesondert zu honorieren, jedoch die Anzahl der Fälle, in denen dies geschieht, zu begrenzen, mit der Wirkung, dass in allen übrigen Fällen, in denen diese Leistung über die zulässige Quote hinaus erbracht werden muss, diese wieder nur mit dem Honorar für die Gesamtleistung pauschal abgegolten wird; es handelt sich dabei um eine Methode, die Inanspruchnahme von (einerseits zeitlich aufwendigen, andererseits aber auch durch Patient und Arzt in der Regel leicht steuerbaren) Behandlungs(neben)leistungen zwar bewilligungsfrei zu halten und die Indikationsstellung allein dem fachlichen Urteil des Vertragsarztes zu überlassen, dennoch aber die erforderlichen Gesamtkosten der Krankenbehandlung für den Krankenversicherungsträger kalkulierbar zu halten. Auf diese Weise versuchen die Gesamtvertragsparteien einen Ausgleich zwischen dem Interesse der (Vertrags-)Ärzteschaft an einem (hohen) Einkommen aus ihrer Tätigkeit und jenem des beteiligten Krankenversicherungsträgers - letztlich: der betroffenen Versichertengemeinschaft - an einem ausgeglichenen Haushalt herzustellen. Insofern macht der Umstand, dass eine Regelung (hinsichtlich der Bedachtnahme auf die Leistungsfähigkeit der Kassen gedeckt durch §342 Abs2a ASVG) unter Bedachtnahme auf finanzielle Erwägungen getroffen wird, anders als der Beschwerdeführer meint, diese nicht unsachlich (vgl. auch die ausführliche Begründung in VfSlg. 16.463/2002).

1.6. Vor dem oben dargestellten rechtlichen Hintergrund ist der bekämpfte Bescheid der belangten Behörde aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

1.6.1. Die unter dem Gesichtspunkt des Art6 EMRK und unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips erhobenen Bedenken gegen die Normen, welche die Einrichtung und die Zusammensetzung der paritätischen Schiedskommission regeln (vor allem §344 ASVG) gehen schon deshalb fehl, weil die paritätische Schiedskommission im vorliegenden Fall eine Entscheidung gar nicht getroffen hat, sondern die Rechtsache des Beschwerdeführers aufgrund seines Devolutionsantrages nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung von der belangten Behörde entschieden wurde. Der belangten Behörde kommt aber Tribunalqualität im Sinne des Art6 EMRK zu (vgl. zu deren verfassungsrechtlicher Unbedenklichkeit u.a. VfSlg. 17.788/2006). Soweit der Verfassungsgerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken ob der Organisation der paritätischen Schiedskommission hatte (vgl. VfSlg. 11.729/1988), sind diese im Übrigen durch die Einrichtung eines Instanzenzuges an die Landesberufungskommission ausgeräumt worden.

1.6.2. Auch sonst sind aus Anlass der Behandlung der vorliegenden Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof keine Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen entstanden. Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid daher nicht wegen Anwendung verfassungswidriger genereller Normen in seinen Rechten verletzt.

1.7. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

1.8. Der Behörde ist nach dem zur Rechtslage unter 1.1. bis 1.5. Gesagten auch kein in die Verfassungssphäre reichender Vollzugsfehler unterlaufen, wenn sie die für den Anspruch des Klägers maßgebenden Bestimmungen des Gesamtvertrages weder als sittenwidrig noch als sonst mit den Grundrechten in Widerspruch stehend beurteilt hat.

1.8.1. Auch die Angemessenheit des Honorars hat die belangte Behörde in einer aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Weise bejaht. Tarifansätze in Honorarordnungen, wie der hier in Rede stehenden, sind als Resultat von Verhandlungen zwischen Interessenvertretungen, die einander widerstreitende Interessen zu vertreten haben, Ausdruck des zwischen diesen gegenbeteiligten Interessen erzielten Interessenausgleichs und haben insoweit auch die Vermutung der Angemessenheit der zu erbringenden Leistungen und des für diese Leistungen geschuldeten Entgelts für sich (VfSlg. 15.698/1999, 16.463/2002, 16.607/2002).

1.8.2. Konkrete Einwände, aufgrund derer die belangte Behörde an der Angemessenheit der strittigen Honoraransätze (bzw. der nach Ausschöpfung des Kontingents an deren Stelle tretenden Pauschalhonorare für die Ordinationsleistung) zu zweifeln Anlass hätte haben können, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht; er hat sich vielmehr damit begnügt, die Sittenwidrigkeit der Verrechnungsbeschränkungen zu behaupten. Zu deren Beurteilung musste die belangte Behörde - anders als die Beschwerde meint - abgesehen von den aus dem Gesamtvertrag über dessen Wortlaut zu treffenden Feststellungen und dem zwischen den Parteien nicht strittigen Vorbringen über die vom Beschwerdeführer vorgenommenen Verrechnungen keine Beweise aufnehmen, da der Beschwerdeführer der Sache nach ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen hat.

1.9. Schließlich wurde der Beschwerdeführer aber auch nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

1.9.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

1.9.2. Selbst wenn Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides so zu verstehen wären, dass die belangte Behörde die Haupt- und die Eventualbegehren des Beschwerdeführers noch nicht zur Gänze erledigt hätte, dann wäre die belangte Behörde insoweit zwar säumig geworden, die bloße Säumigkeit ist aber von der (ausdrücklichen) Ablehnung einer Sachentscheidung wegen vermeintlicher, tatsächlich aber nicht bestehender Unzuständigkeit der Behörde zu unterscheiden. Gegen die bloße Säumigkeit der Behörde gibt es vor dem Verfassungsgerichtshof keinen Rechtsschutz.

2. Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen somit nicht vor. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt hätte.

3. Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

4. Ob die Behörde das Gesetz in jeder Hinsicht richtig angewendet hat, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie vorliegend - gegen den Bescheid einer sogenannten Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag richtet, der gemäß Art133 Z4 B-VG nicht mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann (zB VfSlg. 3975/1961, 6760/1972, 7121/1973, 7654/1975, 9541/1982 mwN, 17.412/2004 uva).

5. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

Schlagworte

Sozialversicherung, Ärzte, Tribunal

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:B254.2010

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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