TE AsylGH Erkenntnis 2011/03/31 E11 400583-2/2010

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Veröffentlicht am 31.03.2011
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Spruch

E11 400583-2/2010/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. KINZLBAUER, LL.M als Vorsitzenden und die Richterin Dr. ZOPF als Beisitzerin über die Beschwerde der XXXX, StA. von Armenien, vertreten durch RA Dr. Georg Bürstmayer, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.03.2010, Zl. 09 05.098-BAT, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idgF als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

Verfahrensgang

 

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden auch BF genannt), eine Staatsangehörige von Armenien reiste unter Umgehung der Grenzkontrolle ins Bundesgebiet ein und stellte erstmals am 19.04.2008 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Anlässlich ihres ersten Asylantrages brachte die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass sie aufgrund der Ausreise ihres Gatten im Jahr 2005 mehrfach von unbekannten Personen belästigt und bedroht worden sei. Die unbekannten Personen hätten auf diese Weise den Aufenthaltsort des Gatten erfahren wollen. Auch sei mit der Entführung des Sohnes der BF gedroht worden.

 

Dieser erste Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 24.6.2008, FZ. 08 03.484-BAT, gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

 

2. Am 30.04.2009 brachte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz beim BAA ein. Dazu wurde sie erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für die Stellung des zweiten Asylantrages brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie ihre Angaben bezüglich des Antrages im ersten Verfahren weiterhin aufrecht erhalte. Die Beschwerdeführerin fügte weiters hinzu, dass sich ihr Gatte von November 2008 bis März 2009 in Armenien aufgehalten habe und er wiederum flüchten habe müssen. Es bestehe sogar ein Suchbefehl gegen den Gatten in Armenien. Der Gatte sei in Armenien schlecht behandelt worden, jedoch konnte die BF keine konkreten Angaben darüber machen.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 18.03.2010, FZ. 09 05.098-BAT, gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin so wie bereits im ersten Verfahren für unglaubwürdig und stützte seine Begründung auf die Ausführungen im Erstverfahren. Soweit sich das weitere Vorbringen auf die neuen Fluchtgründe des Gatten beziehen würden, so wurde auf die negativen Feststellungen im Akt des Gatten verwiesen und dargelegt, dass auch dieses Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert worden sei. Die Angaben der BF zu ihren ausreiserelevaten Gründen konnten somit nicht der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt werden, da die BF keinesfalls in der Lage war, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus den in der GFK genannten Gründen glaubhaft zu machen.

 

Im Rahmen der Refoulementprüfung führte das BAA begründend aus, dass im Falle der BF - aus näher dargelegten, auch die "real risk"-Judikatur des EGMR und VwGH mit einbeziehenden Gründen - keine konkreten Anhaltspunkte vorlägen, die dafür sprechen würden, dass die BF bei einer Rückkehr nach Armenien, einerseits Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, oder andererseits in eine derart extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Artikel 3 EMRK darstellen würde.

 

Die Ausweisungsentscheidung wurde damit begründet, dass sämtliche Familienmitglieder von der Ausweisung betroffen seien und weder ein Familienbezug zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden noch eine besondere Integration in Österreich vorliege.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 13.04.2010 innerhalb offener Frist Beschwerde durch den rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin, RA Dr. Georg Bürstmayer, erhoben. Hinsichtlich des detaillierten Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen. In der Beschwerdeschrift wird im Wesentlichen die Mangelhaftigkeit des Verfahrens durch das BAA gerügt, da sich die Argumentation des BAA trotz konkreter Angaben sowie Vorlage mehrerer Bescheinigungs- und Beweismittel einer schlüssigen Nachvollziehbarkeit entziehen würde. Insbesondere wurden in der Beschwerdeschrift die Ergebnisse und Methoden des vom BAA zur Überprüfung der Angaben des Gatten der BF hinzugezogenen Ländersachverständigen kritisiert und stark angezweifelt. Nach kurzer Darstellung der fluchtauslösenden Ereignisse - nämlich Rückkehr und brutale Misshandlung des Gatten der BF in Armenien - wurde in der Beschwerdeschrift resümiert, dass das Verfahren mit schweren Mängeln belastet sei und bei rechtsrichtiger Verfahrensführung für die BF ein günstigeres Ergebnis die Folge gewesen wäre.

 

Mit Schreiben vom 29.06.2010 langte eine schriftliche Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters der BF beim Asylgerichtshof ein. Unter Anführung von mehreren Gründen wurde in dieser Stellungnahme der vom BAA beigezogene Sachverständige abgelehnt. Unter anderem habe eine Internetrecherche ergeben, dass der betreffende Sachverständige von 2001 bis 2002 zweiter armenischer Botschafter in Großbritannien gewesen sei und daher aufgrund seines Naheverhältnisses zu politischen Entscheidungsträgern als befangen gelte. Weiters wurden mit diesem Schriftsatz auch Kopien von Fotos des zerstörten Hauses des Gatten der BF vorgelegt.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens

 

Beweisaufnahme

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

 

Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1/1) beinhaltend den Asylantrag vom 30.04.2009 (AS 3), die Erstbefragung der BF am 30.04.2009 (AS 7-15), die niederschriftlichen Einvernahmen der Beschwerdeführerin vor dem BAA am 12.05.2009 (AS 47-59) und vom 02.10.2009 (AS 71-83) sowie vom 19.01.2010 (AS 129-135), der Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen vom 18.03.2010, FZ. 09 05.098-BAT (AS 171-229), die Beschwerdeschrift vom 13.04.2010 (AS 235-239), die Stellungnahme vom 29.06.2010 (OZ 3).

 

Kopie der armenischen Heiratsurkunde Nr. XXXX samt beglaubigter Übersetzung

 

Anfragebeantwortung des Ländersachverständigen für Armenien Dr. V.A. vom 13.08.2009

 

Einsicht in folgende Länderdokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat und die Herkunftsregion der Beschwerdeführerin:

 

Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien des Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland (AA, Stand Oktober 2009)

 

KfW Entwicklungsbank: Landesinformation Armenien, Mai 2009

 

Bundesministerium für europäische und internationale

Angelegenheiten: Armenien, 19.5.2009

 

BAA - Bundesasylamt: Bericht zur Fact Finding Mission - Armenien, Georgien, Aserbaidschan, 1.11.2007)

 

HRW - Human Rights Watch: World Report 2008: Armenia, 31.1.2008

 

IOM - International Organisation for Migration:

Länderinformationsblatt Armenien 2009, letztes Update 30.11.2009)

 

US DOS - U.S. Department of State: Country Reports on Human Rights

Practices 2009: Armenia, 11.3.2010

 

Europäische Kommission: ENP Progress Report:Armenia, 12.05.2010

 

FH- Freedom House: Nations in Transit 2010, 29.6.2010

 

Ermittlungsergebnis

 

Der Asylgerichtshof geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem Sachverhalt aus:

 

Zur Person der Beschwerdeführerin

 

Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX, ist am XXXX geboren und Staatsangehörige von Armenien. Sie ist in der Stadt Jerewan geboren und lebte auch bis zu ihrer Ausreise dort. Sie hat in Jerewan von 1988 bis 1998 die Grundschule und von 1998 bis 2002 die Universität besucht. Die Beschwerdeführerin kümmerte sich dann um ihr Kind und den Haushalt. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes besteht kein Grund, die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Identität der Person sowie der Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin in Zweifel zu ziehen; diesbezüglich ist auf das als glaubhaft qualifizierte Vorbringen sowie auf das als echt qualifizierte vorgelegte Dokument der Beschwerdeführerin (Heiratsurkunde) zu verweisen.

 

Festgestellt werden konnte, dass die Beschwerdeführerin unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist ist und erstmals am 19.04.2008 einen Asylantrag beim BAA eingebracht hatte. Dieses Asylverfahren wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes am 05.12.2008 negativ beendet.

 

Festgestellt werden konnte, dass sich die BF zwischenzeitlich illegal im Bundesgebiet aufgehalten hat.

 

Festgestellt werden konnte, dass die BF am 30.04.2009 ihren zweiten Asylantrag beim BAA eingebracht hat.

 

Festgestellt werden konnte, dass sich auch der Ehegatte sowie zwei minderjährige Kinder der Beschwerdeführerin in Österreich als Asylwerber aufhalten, wobei der jüngste Sohn in Österreich geboren ist.

 

Festgestellt werden konnte, dass auch das erste Verfahren des Gatten mit Bescheid vom UBAS am 28.03.2008 rechtskräftig negativ beendet, wobei auch der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt hatte.

 

Festgestellt werden konnte, dass die BF derzeit in einer Asylwerberunterkunft der Caritas in XXXX wohnt und von der Grundversorgung lebt.

 

Nicht festgestellt werden konnte, dass die Beschwerdeführerin in Armenien asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder im Falle ihrer Rückkehr eine solche zu befürchten hätte.

 

Zur Lage in Armenien

 

Der Asylgerichtshof trifft aufgrund der in das Verfahren eingeführten aktuellen Quellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführerins:

 

Allgemein/Bevölkerung

 

Armenien hat 29.800 km² und rund 3,2 Millionen (tatsächlich wohl weniger) Einwohner, davon 96% Armenier, sowie Russen, Kurden, Jesiden, Griechen.

 

Der Zusammenbruch der früheren Sowjetunion, verbunden mit schlechteren Lebensbedingungen, und der Krieg mit Aserbaidschan haben abermals dazu geführt, dass Hunderttausende aus Armenien auswanderten. Nach offiziellen Angaben von 2006 leben derzeit circa 3,1 Millionen Menschen in Armenien, hinzu kommen etwa fünf Millionen Armenier, die zeitweilig oder permanent im Ausland leben. Als Folge des "Exodus" verringerte sich zunächst die Geburtenrate; erst seit 2001 steigt diese wieder leicht an. Im Zuge der Emigration wanderten aber auch etwa 25 Prozent der Erwerbstätigen vor allem nach Russland ab, von denen seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise aufgrund der ebenso verschlechterten Arbeitsbedingungen in Russland nun viele wieder zurückkehren.

 

Der überwiegende Teil der Bewohner Armeniens sind ethnische Armenier (95 Prozent), gefolgt von Kurden und Russen (jeweils zwei Prozent) und anderen Gruppen (ein Prozent). Etwa zwei Drittel der Bevölkerung lebt in den urbanen Zentren Armeniens, die Hälfte davon in der Hauptstadt Eriwan (1,1 Millionen Einwohner).

 

Allgemeine Lage/Sicherheitslage

 

An der Grenze zu Aserbaidschan (besonders im nordöstlichen Abschnitt) kommt es noch vereinzelt zu Auseinandersetzungen oder Schusswechseln. In Teilen der Grenzgebiete droht Minengefahr.

 

Armenien verfolgt eine Außenpolitik der Komplementarität: enge strategische Partnerschaft mit Russland einerseits, gute Beziehungen zum Westen (USA, EU, NATO) andererseits. Armenien bemüht sich um eine Annäherung an europäische/internationale Strukturen; die Aufnahme in die Europäische Nachbarschaftspolitik erfolgte im Juni 2004. Im November 2006 trat der Aktionsplan mit der EU in Kraft. Im Verhältnis zur NATO arbeitet Armenien an der Umsetzung des Ende 2004 verabschiedeten Individual Partnership Action Plan (IPAP).

 

Kernproblem der armenischen Außenpolitik bleibt der Konflikt um Berg-Karabach und die in diesem Zusammenhang geschlossenen Grenzen zu Aserbaidschan und der Türkei. Trotz Vermittlungsbemühungen der drei Ko-Vorsitzenden der OSZE-Minsk-Gruppe (USA, Russland, Frankreich) und wiederholter Treffen der Präsidenten von Armenien und Aserbaidschan steht eine Lösung weiterhin aus. Die Beziehungen zu Iran sind gut.

 

Armenien ist trotz einiger Reibungsfelder weiterhin um gute nachbarschaftliche Beziehungen zu Georgien bemüht.

 

Sicherheitsbehörden

 

Die nationale Polizei ist für die innere Sicherheit verantwortlich, während der Nationale Sicherheitsdienst (NSD) für die nationale Sicherheit, nachrichtendienstliche Aktivitäten und Grenzkontrollen zuständig ist. Die Leitungspositionen in beiden Organisationen werden vom Präsidenten ernannt. Der Polizei und dem NSD mangelt es an Ausbildung, Ressourcen und an etablierten Strukturen zur Umsetzung von Reformen oder zur Vorbeugung von Misshandlungsfällen. Gefangene berichteten, dass Exekutivbehörden wenig unternahmen, um bei Anschuldigungen von Misshandlungen zu ermitteln. Infolgedessen blieb Straffreiheit ein ernstzunehmendes Problem.

 

Die Polizei ist ebenso wie der Nationale Sicherheitsdienst (NSD) direkt der Regierung unterstellt, aber der Präsident ernennt die Behördenleiter. Für die Wahrung der nationalen Sicherheit, Nachrichtendienst und Grenzschutz ist der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch Verhaftungen durchführen dürfen. Es besteht eine klare Trennung zwischen beiden Organen. Hin und wieder treten aber Kompetenzstreitigkeiten auf, z. B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird.

 

Das OSZE Büro in Eriwan unterstützte die armenische Regierung bei der Verstärkung der Maßnahmen gegen Menschenhandel, unter anderem durch Vorschläge, gesetzliche Vorkehrungen für den Schutz von Opfern von Menschenhandel, die als Zeugen aussagen, oder in einem weiteren Sinn Zeugenstatus genießen, einzuführen.

 

Im März 2007 veröffentlichte das OSZE Büro in Eriwan eine Studie mit dem Titel "Trafficking in Human Beings in the Republic of Armenia:

An Assessment of current Responses" von Hana Snajdrova und Blanka Hancilova. Die Studie betonte, dass im Sommer 2006 die Regierung von der Nationalversammlung die Koordination ihrer Bestrebungen mit dem Justizministerium forderte, das früher der Nationalversammlung die Adaptierung der Strafprozessordnung vorlegte, unter anderem mit Änderungen zu Opfer- und Zeugenschutz. Diese wurden mit Unterstützung des OSZE Büros in Eriwan entwickelt. Das Paket wurde im Mai 2006 adaptiert.

 

Die Studie bezieht sich auf Kapitel 12, Art. 98 und 98.1 der Zivilprozessordnung als Teil des Pakets, das in Kooperation mit dem OSZE Büro in Eriwan konzipiert wurde. Ungeachtet dieser Änderungen führt die Studie die folgenden großen Mängel bezüglich Zeugenschutzes aus: Die aktuelle Version der Strafprozessordnung beschränkt den Schutz nur auf Opfer, auf Zeugen, die im Strafprozess involviert sind und deren enge Verwandten, doch dehnt sich der Schutz nicht auf andere Personen aus, die am Strafprozess teilnehmen. Momentan verlangt die Strafprozessordnung, dass die Behörden anfangs mit einer offiziellen Warnung auf die Bedrohung von Opfern oder Zeugen antworten, eine Maßnahme, die wenig dazu tut, derartige Drohungen zu beenden, während die Sicherheit der Opfer und Zeugen untergraben wird.

 

Artikel 98 und 98.1 wurden in die Strafprozessordnung als einzige Vorkehrungen in den armenischen Gesetzen zum Thema Zeugenschutz eingeführt. Besonders Artikel 98 gewährt den Schutz des Zeugen und der Mitglieder seiner/ihrer Familie, wenn der Zeuge einen schriftlichen Antrag einbringt und dem Antrag durch die Institution, die den Strafprozess durchführt, stattgegeben wird. Artikel 98.1 gewährt die Mittel des Schutzes, wie Warnung der Person, die den Zeugen bedroht, Datenschutz, Änderung des Arbeitsplatzes des Zeugen, Anhörungen hinter verschlossenen Türen, Aufzeichnung der Anrufe der Person, die den Zeugen bedroht usw.

 

Folglich ist es möglich, zwei Leistungen des OSZE Büros in Eriwan herauszuheben:

 

1) Die oben erwähnte Studie, in der das Thema Menschenhandel und Zeugenschutz mit einer Reihe von Empfehlungen vorangebracht wurde, um von den armenischen Behörden berücksichtigt zu werden;

 

2) Änderungen der Strafprozessordnung, die Zeugenschutz vorsehen.

 

Nichtsdestotrotz sollte man mit der OSZE Schlussfolgerung einverstanden sein, dass der relevante Artikel nur beschränkte Auswirkung hat und möglicherweise sogar kontraproduktiv ist. Dies ist der erste Mangel. Der zweite ernstzunehmende Mangel ist, dass das Gesetz in der Praxis sehr beschränkt durchgeführt wird. Um gemäß den Anforderungen des Gesetzes zu leben, sind finanzielle und materielle Mittel nötig, die die armenische Regierung in Anbetracht der akuten sozioökonomischen Probleme, die als erste Priorität bekämpft werden müssen, kaum zur Verfügung hat.

 

Zusammenfassend sollte gesagt werden, dass nach der Änderung der Strafprozessordnung zum Zeugenschutz im Jahr 2006 keine weitere gesetzliche Verbesserung in diesem Bereich stattgefunden hat. Die weitere OSZE Beteiligung zu diesem Thema deckt Empfehlungen zu Gesetzesänderungen aus Sicht der Opfer des Menschenhandels.

 

Polizeigewalt / Folter

 

Die Verfassung verbietet die Anwendung von Folter. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass auf dem Gebiet der Republik Armenien landesweit systematisch Folter praktiziert wird.

Menschenrechtsorganisationen berichten aber immer wieder von Fällen, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu Folterungen gekommen sein soll. Diese Praktiken sind jedoch im Vergleich mit der Zeit kurz nach der Unabhängigkeit Armeniens stark zurückgegangen. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen. Abgesehen davon gibt es allerdings keinen Mechanismus, Folterverdachtsfälle gegenüber Beamten zu untersuchen, da beispielsweise Dienstaufsichtsbeschwerden nicht vorgesehen sind.

 

Fälle von Folter und Misshandlung in Gefängnissen und durch die Polizei wurden auch 2009 berichtet, vor allem in Verbindung mit den Ausschreitungen vom März 2008 [damalige Präsidentschaftswahl], gegenüber Wehrpflichtigen, in Hafteinrichtungen und in Polizeistationen. Es gibt keine verfügbaren Daten in Bezug auf Folter und Misshandlung und die wenigen Untersuchungen von Misshandlungsvorwürfen bleiben Grund zur Sorge. Armenien unternahm weiter Schritte in Richtung der Implementierung des optionalen Protokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT). Armenien legte einen ersten Bericht zur Implementierung von OPCAT im Dezember 2009 vor.

 

Obwohl Folter und unmenschliche Behandlung gesetzlich verboten sind, wird von Sicherheitskräften immer wieder Gewalt angewandt, v. a. bei Verhaftungen und Verhören während der Haft Haft. Die meisten der Fälle werden aus Angst vor Vergeltung nicht offiziell gemeldet.

 

Korruption

 

Wichtige Schritte wurden in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen im Bereich der Anti-Korruption getätigt. Eine Anti-Korruptionsstrategie 2009-2012 mit zugehörigem Aktionsplan wurde im Oktober 2009 angenommen, inbegriffen ist ein Monitoring- und Evaluierungssystem. Die Strategie fasst auch das Errichten eines Anti-Korruptionssekretariates ins Auge, um die Durchführung des Aktionsplanes zu beobachten. In diesen Prozess wurden sowohl zivilgesellschaftliche, als auch wichtige internationale Organisationen integriert. Im Jahr 2009 wurde Armenien Vertragsstaat der "Astana Declaration on Good Governance and Fighting Corruption" der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Das Büro des Ministerpräsidenten hat ein Konzept in Hinblick auf die Transparenz der politischen Aktivitäten, auf die Schlichtung von Interessenskonflikten und auf die Errichtung einer Datenbank, deren Inhalt das Einkommen, der Besitz und ebenso Beteiligungen von hochrangigen Beamten und deren nahe Verwandten umschließen, ausgearbeitet. Im Bereich der Schulung von öffentlich Bediensteten in Bezug auf Anti-Korruption wurden Fortschritte gemacht, jedoch ist trotz des Fortschrittes in der Legislative die wahrgenommene Korruption laut internationalen Berichten nicht wirklich weniger geworden - insofern müssen noch weitere Schritte unternommen werden.

 

Korruption stellt vor allem im Justizbereich, bei der Polizei, bei den Sicherheitskräften und in Gefängnissen ein Problem dar, das unter anderem auf niedrige Gehälter zurückzuführen ist. Das Gesetz sieht Strafen für Korruption vor, doch die Regierung setzte dieses Gesetz nicht effektiv um. So blieben korrupte Beamte oft ungestraft. Korruption war auf allen Ebenen und in allen Sektoren verbreitet. Die Korruption ist ein ernstzunehmendes Problem.

 

Regierungsprogramme, die die Korruption eindämmen sollen, lieferten nur wenig greifbare Resultate. Lokale Beobachter sind der Anti-Korruptionsstrategie 2009-2012 gegenüber skeptisch eingestellt, ob die neuen Strategien auch wirklich greifen.

 

Menschenrechtsorganisationen

 

In Armenien gibt es eine Vielzahl von nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen, deren Tätigkeit keinerlei Einschränkungen durch staatliche Organe unterliegt. Nationale und ethnische Minderheiten sind integriert und im Rat der Nationalen Minderheiten organisiert.

 

Im armenischen Parlament wurde Anfang Juni 2007 das "Standing Committee on Protection of Human Rights and Public Affairs" eingerichtet. Das Komitee hat formell umfassende Aufgaben in Hinblick auf allfällige Menschenrechtsverstöße in Armenien. Dazu gehören die Recherchen zu bestimmten Einzelfällen wie Folter und Misshandlungen, Anwaltsdienstleistungen, Notariat, Minderheiten- und Kinderrechte, etc. Das Komitee hat in regelmäßigen Abständen dem Parlament über seine Aktivitäten zu berichten. Das Komitee hat bislang 150 Beschwerden von Bürgern angenommen, wobei der Großteil soziale Fragen und Ermittlungsverfahren betraf. Jedem Bürger steht es frei sich einerseits an den Ombudsmann oder das Komitee zu wenden, da die beiden Einrichtungen miteinander kooperieren.

 

Es gibt auch eine Reihe von Nichtregierungsorgansiationen, die Rechtschutz bieten können. So hat etwa der "Fund against violation of Law" ein spezielles Programm für Folteropfer eingerichtet. In diesem Rahmen besuchen die Mitarbeiter des FAVL die betroffenen Familien, bzw. werden Juristen für die weitere Rechtsvertretung gestellt.

 

Ombudsmann

 

Der derzeitige Ombudsmann und seine Vorgängerin haben sich das Vertrauen der Bevölkerung erworben und zur Verbesserung der Menschenrechtslage beigetragen. In den ersten sechs Monaten 2007 hat der Ombudsmann 1353 Beschwerden, hauptsächlich gegen Stadtverwaltungen und die Polizei, erhalten. In seinem Report von 2006 beschreibt er den Schutz der Menschenrechte in Armenien als ungenügend.

 

Armeniens Ombudsmann Armen Harutyunyan erhielt im ersten Halbjahr 2007 1,353 Beschwerden, vor allem gegen Stadtbehörden und Polizisten. In seinem Jahresbericht 2006 beschreibt er den Schutz der Menschenrechte in Armenien als "unbefriedigend". Er verzeichnete übermäßiges Verhängen von Untersuchungshaft, Gewalt gegen Journalisten, Einschränkungen der Redefreiheit und die Notwendigkeit einer unabhängigeren Justiz.

 

Die in Armenien eingerichtete Ombudsmanninstitution ist am Gesetzgebungsprozess beteiligt und kann zu Gesetzesentwürfen Stellung nehmen. Hierbei wird eine intensive Kooperation mit dem Parlament und der Regierung durchgeführt. Der Ombudsmann ist in ganz Armenien tätig und verfügt über Außenstellen in anderen Landesteilen. Die Behörden in Armenien sind jedenfalls verpflichtet dem Ombudsmann Auskunft zu bestimmten Fällen zu erteilen. Es sind bisher keine Fälle bekannt geworden wonach eine Beschwerde aufgrund Drucks von Außen zurückgezogen wurde.

 

Der Großteil der Beschwerden von Bürgern an den Ombudsmann betreffen "gerechte Verfahren" und Eigentumsrechte, die einen immer größeren Raum in der Arbeit des Ombudsmanns einnehmen. Eine Vielzahl an Beschwerden richtet sich auch gegen soziale Ungerechtigkeiten. 2007 wurden bis 01.09.2007 3.500 Beschwerden eingebracht. Im Jahr 2006 waren es 6.500. Der Ombudsmann ist schriftlich und mündlich erreichbar und es wurde ein eigene Hotline eingerichtet, die 24 Stunden besetzt ist über die sich jeder Bürger mit dem Ombudsmann in Verbindung setzen kann.

 

Grundversorgung/Wirtschaft

 

Seit 1994 wächst die armenische Wirtschaft ohne Unterbrechungen, in den Jahren 2001 bis 2007 durchschnittlich 13% pro Jahr, erreichte allerdings erst im Jahre 2004 wieder den Stand von 1990.

 

Erste Auswirkungen der Finanzkrise führten zu einer Verminderung des BIP-Wachstums im Jahre 2008 auf 6,8%, nach einer vorsichtigen Schätzung des IWF könnte die armenische Wirtschaft 2009 um 1,5% schrumpfen.

 

Bereits im ersten Quartal 2009 führte das gleichzeitige und signifikante Abfallen von Exporten, Rücküberweisungen, Direktinvestitionen und privaten Kapitalzuflüssen zu einem akuten und hohen Zahlungsbilanzdefizit Armeniens. Die erforderlich gewordene Freigabe des Wechselkurses des Dram führte Anfang März zu einer Abwertung von gut 20%. Kredite durch IWF, Weltbank und Russland über zusammen ca. 1,6 Mrd. Euro wurden bereits bewilligt.

 

Nachdem die Finanzkrise in Armenien zunächst wenig Auswirkungen gezeigt hatte, sind nun die Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise deutlich spürbar. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts fiel im Jahre 2008 auf 6,8% (nach sieben Jahren zweistelligen Wachstums, 2007 noch 13,8%). In den ersten zwei Monaten diesen Jahres schrumpfte die armenische Wirtschaft um 3,5% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Ausblick für 2009 ist düster, nach Schätzung des IWF könnte die Wirtschaft um 1,5% schrumpfen.

 

Die durchschnittliche Inflationsrate betrug 2008 9% (2007: 4,4%). Die Arbeitslosenquote lag 2008 offiziell bei ca. 6,3%. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit ist jedoch erheblich höher. Es sind sehr viele Menschen im informellen Sektor tätig, Einkommen werden oft nicht versteuert. Für 2009 wird aufgrund der Finanzkrise mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen gerechnet.

 

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zu Verbesserung der Lebenssituation bei. Die Gas- und Stromversorgung ist gewährleistet. Immer mehr Haushalte werden an die Gasversorgung angeschlossen. Leitungswasser steht dagegen, insbesondere in den Sommermonaten in manchen Gegenden, auch in einigen Vierteln der Hauptstadt, nur stundenweise zur Verfügung. Die Wasserversorgung wird jedoch laufend verbessert.

 

Ein nicht geringer Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Ansonsten überwinden viele auch durch die traditionellen Familienbande Versorgungsschwierigkeiten. Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen durch Verwandte im Ausland unterstützt.

 

Das gesetzlich festgeschriebene Existenzminimum beträgt in Armenien (wie auch in Berg- Karabach) 25.000 Dram (derzeit ca. 52 Euro) im Monat. Das durchschnittliche Familieneinkommen ist mangels zuverlässiger Daten nur schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten, dazu privaten Geschäften und Gelegenheitsjobs nach.

 

Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass viele Armenier das Land verlassen wollen. Der Migrationsdruck hält an, da ein Angleichen des Lebensstandards an westeuropäisches Niveau trotz hoher Wirtschaftswachstumsraten in Kürze nicht zu erwarten ist.

 

Behandlung nach Rückkehr

 

Rückkehrer werden nach Ankunft in Armenien in die Gesellschaft integriert und nutzen häufig die erworbenen Deutschkenntnisse bzw. ihre in Deutschland geknüpften Kontakte. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen (auch Staatsdienst). Sie haben überdurchschnittliche Chancen, Arbeit zu finden. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt. Staatliche Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige bestehen nicht, es gibt jedoch zahlreiche Waisenhäuser, die durch Spenden aus dem Ausland z. T. einen guten Unterbringungs- und Betreuungsstandard gewährleisten können.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, 18.6.2008)

 

Personen, die im Ausland um Asyl angesucht haben, haben in Armenien alleine aufgrund der Asylantragstellung mit keinen Sanktionen zu rechnen. Es gibt jedenfalls keinen entsprechenden Straftatbestand im armenischen Strafgesetzbuch.

 

Für Rückkehrer nach Armenien besteht Unterstützung durch einige Organisationen, die psychologische und rechtliche Konsultationen anbieten. GRINGO ist ein Netzwerk aller Organisationen die Rückkehrer in Armenien unterstützen, welches vom "Danish Refugee Council" betreut wird. Rückkehrer haben sich mehrfach an NGOs gewandt, wobei in erster Linie um soziale Unterstützung angesucht wurde. Probleme mit Behörden wurden keine gemeldet.

 

Schutzbedürftige Personen: Dazu zählen Frauen und Mütter, die alleine zurückkehren (Gender Projects). Das armenische Rote Kreuz führt ein Projekt zur Schulung von Flüchtlingsfrauen durch. Ziel dieses Projekts ist es, Schulungen/Seminare für 30 Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren in Englisch, Computerkenntnissen und Buchhaltung anzubieten, um diesen Frauen bei der Suche nach einer Arbeitstelle zu helfen.

 

Die soziale Absicherung behinderter Menschen in der Republik Armenien wird durch das armenische Gesetz über den Sozialschutz behinderter Mitmenschen in der Republik Armenien und eine Reihe von Regierungserlassen geregelt. Bei der Erstellung der Regierungserlasse zur Gewährleistung der Gesetzgebung.

 

Problematisch für viele Rückkehrer bleibt, dass sie vor Ihrer Ausreise fast alles verkauft haben, um sich die Reise nach Europa finanzieren zu können. Daher ist die Quote jener, die nochmals auswandern relativ hoch. Es gibt mit einigen EU Mitgliedstaaten eigene Rückkehrprogramme im Rahmen derer Rückkehrer besonders unterstützt werden, was zu einer Senkung der "Rückfallsquote" geführt hat. Es existieren auch einige Präventionsprogramme gegen Auswanderung. Dazu gehört ein spezielles Programm von IOM.

 

Die Armut in Armenien ist noch immer groß. Geschätzte 37% der Armenier leben unter der Armutsgrenze. Dies betrifft auch häufig Rückkehrer aus Europa. Dennoch treffen die sozialen Probleme alle Armenier gleich, unabhängig von ihrer Ethnie und Herkunft. Es gibt Unterstützungsprogramme seitens des Staates und NGOs, wobei die staatlichen Programme mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden sind.

 

Medizinische Versorgung

 

Großstädtische Regionen und insbesondere Eriwan verfügen über spezielle Polikliniken für Pädiatrie und Frauenkrankheiten (Geburtshilfe und Gynäkologie) zusätzlich zu den "allgemeinen" Polikliniken. Diese größeren Behandlungszentren können auch sekundäre medizinische Versorgungsleistungen bieten.

 

Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Eriwan vorbehalten ist. Darüber hinaus finden sich in der Hauptstadt sechs Kinder-und Mutterschaftskrankenhäuser. Die meisten Krankenhäuser sind staatlich.

 

Derzeit bestehen vier private Krankenhäuser und ein teilweise privates Hospital. Des Weiteren gibt es ein privates Diagnosezentrum in Eriwan, das zu 80 % im privaten Sektor aktiv ist.

 

Die Regierung hat eine Neuausrichtung des Systems zur primären Gesundheitsversorgung als zentrale Komponente der Gesundheitsreform ausgemacht. Um die präventive und heilende Behandlung zu fördern und eine bessere Verwaltung zu ermöglichen, wurden Projekte zur Eindämmung von Magen-und Darmerkrankungen, akuter Atemwegsinfektionen und zum Schutz der Schwangerschaft in ein Projekt zur Reform der primären Gesundheitsversorgung integriert.

 

Die medizinische Versorgung ist in Armenien flächendeckend gewährleistet. Ein Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung im Gesundheitswesen besteht. Das Gesetz regelt den Umfang der kostenlosen ambulanten oder stationären Behandlung bei bestimmten Krankheiten und Medikamenten sowie zusätzlich für bestimmte sozial bedürftige Gruppen (inkl. Kinder, Flüchtlinge, Invaliden u. a.) und gilt ausschließlich für armenische Staatsangehörige und Flüchtlinge.

 

Die Einzelheiten werden jedes Jahr per Gesetz festgelegt. Im Staatshaushalt sind für die medizinische Versorgung Mittel vorhanden, die auch kontinuierlich aufgestockt werden. Die Beträge, die den Kliniken zur Verfügung gestellt werden, reichen für deren Betrieb und die Ausgabe von Medikamenten gleichwohl nicht aus. Daher sind die Kliniken gezwungen, von den Patienten Geld zu nehmen. Da dies ungesetzlich ist, erhalten die Patienten jedoch keine Rechnungen.

 

Es ist in der Bevölkerung bisher nicht allgemein bekannt, in welchen Fällen das Recht auf kostenlose Behandlung besteht. Die entsprechenden Vorschriften werden de facto unter Verschluss gehalten. Sie sind zwar im Prinzip öffentlich, aber schwierig zu erhalten. Auch die

 

Kliniken erhalten jeweils nur Auszüge aus den Vorschriften. In letzter Zeit erschienen aber in

 

der Presse Artikel mit Informationen über die kostenlose Behandlung, und immer mehr Patienten bestehen erfolgreich auf diesem Recht.

 

Es besteht zwar die Möglichkeit, private Krankenversicherungen abzuschließen, aber der Großteil der Bevölkerung macht hiervon keinen Gebrauch, weil das Vertrauen fehlt. Nur wenige, in der Regel ausländische, Arbeitgeber schließen für ihre Mitarbeiter Krankenversicherungen ab. Trotz Krankenversicherung sind noch inoffizielle Zuzahlungen seitens der Patienten erforderlich.

 

Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der Krankenhäuser und das technische Gerät sind zwar zum Teil mangelhaft, aber eine medizinische Grundversorgung ist gleichwohl gewährleistet. Es stehen in einzelnen klinischen Einrichtungen auch moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie sowie Computer- und Kernspintomographie zur Verfügung. Diese Geräte stammen in der Regel aus Spenden humanitärer Organisationen bzw. der Auslandsbevölkerung (Diaspora) oder befinden sich in Privatkliniken.

 

In der Republik Armenien gibt es psychiatrische Abteilungen in den Krankenhäusern. Fachpersonal steht zur Verfügung.

 

Insulinabgabe an Diabetiker und Dialysebehandlung erfolgen im Prinzip kostenlos. Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist zwar beschränkt, aber gegen Zahlung ist eine Behandlung aber jederzeit möglich. Die Dialysebehandlung kostet ca. US$ 50 pro Sitzung. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen.

 

Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist in Armenien auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. Problematisch ist die Verfügbarkeit der Medikamente: Es sind nicht immer alle Präparate vorhanden. Gängige Medikamente sind in privaten und staatlichen Apotheken gegen entsprechende Bezahlung erhältlich. Für die Einfuhr von Medikamenten ist eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich. Viele Medikamente werden in Armenien in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland geforderten Preise verkauft. Importierte Medikamente, z. B. von Pharmafirmen wie Bayer (Deutschland), Gedeon Richter

 

(Ungarn) oder Solvay (Belgien) sind überall erhältlich. Diese sind immer noch wesentlich billiger als identische Produkte derselben Hersteller in Deutschland.

 

In Armenien sind grundsätzlich alle gängigen Erkrankungen behandelbar. Ausgenommen hiervon sind schwierigere Transplantationen und auch Operationen nach einer Dialysebehandlung sind teils nicht möglich. Es gibt einige NGOs, die spezielle Programme für eine kostenlose Gesundheitsversorgung von Bedürftigen anbieten. Medikamentenkosten können auch teilweise vom Staat refundiert werden. Dies ist jedoch ein höchst bürokratischer und langwieriger Prozess. Letztlich hängt der tatsächliche Zugang zur medizinischen Versorgung von den finanziellen Möglichkeiten des Patienten ab.

 

Beweiswürdigung

 

Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

 

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem der Berufungsbehörde vorliegenden Verwaltungsakt der Beschwerdeführerin.

 

Vorbringen

 

Die Feststellungen zur Identität und Herkunft des Beschwerdeführers sowie ihrem persönlichen Umfeld im Herkunftsstaat und in Österreich ergeben sich aus den diesbezüglich Angaben der Beschwerdeführerin sowie dem vorgelegten Dokument (Heiratsurkunde) im Verfahren.

 

In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die vom BAA vorgenommene Beweiswürdigung im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Rahmen der freien Beweiswürdigung in sich schlüssig und stimmig ist.

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten, wenn es das ausreisekausale Vorbringen im dargestellten Ausmaß als nicht glaubhaft qualifiziert.

 

Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation der Beschwerdeführerin und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten --z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461)- zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

 

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

 

Auch ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 3 AsylG bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts (1991) 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191) Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524), wie es hier der Fall ist.

 

Der Asylgerichtshof geht - so wie bereits das Bundesasylamt - davon aus, dass das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin, als nicht glaubhaft anzusehen ist. Zum einen stützt die Beschwerdeführerin ihren zweiten Asylantrag auf dieselben Gründe, die sie schon in ihrem ersten Verfahren vorgebracht hatte, jedoch wurden diese Gründe bereits im ersten Verfahren in allen Instanzen für unglaubwürdig befunden. Auch was die sogenannten "neuen" Fluchtgründe der Beschwerdeführerin betrifft, die sich im Wesentlichen auf das Fluchtvorbringen des Gatten der BF beziehen, so erachtet der Asylgerichtshof auch dieses Vorbringen der BF als nicht glaubhaft. Die Schilderungen über die behauptete Verfolgung und Misshandlung durch unbekannte Männer sowie durch KGB-Leute sind mit derartig vielen Widersprüchen und Unplausibilitäten behaftet, sodass man kaum von einem tatsächlichen und glaubwürdigen Geschehen ausgehen könne. Die Beschwerdeführerin war auch nicht im Stande konkrete und detaillierte Schilderungen, speziell über die behaupteten Übergriffe auf ihre Gatten, vorzubringen. Auch die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass es sogar einen Suchbefehl gegen ihren Gatten in Armenien geben würde, erscheint absolut unglaubwürdig, da nicht einmal ihr Gatte selbst von einem derartigen Suchbefehl gegen seine Person berichtet hatte, weshalb der Asylgerichtshof davon ausgeht, dass es einen solchen Suchbefehl tatsächlich auch nicht gibt.

 

Die Beschwerdeführerin stützte ihre Fluchtgründe im Wesentlichen auf die Ausführungen ihres Gatten und der Asylgerichtshof führte zu dessen Angaben Folgendes aus (siehe Erkenntnis des AsylGH GZ.E11

301.155-2/2010): ".......[ ].............

 

Der Beschwerdeführer gab vor dem BAA anlässlich seines zweiten Asylantrages an, dass er im November 2008 eigenmächtig auf dem Landweg von Österreich nach Armenien gefahren sei, um dort die Lage für seine Familie zu sondieren. Die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes würden unter anderem im Zusammenhang mit den Problemen des Vaters des BF stehen. Der BF sei demnach heimgekehrt, um mit jenen Personen sprechen zu wollen, die schon Jahre zuvor den Vater und den BF ständig belästigt und bedroht haben sollen. Die Namen dieser Personen würde der BF nicht kennen, sondern er habe eben warten wollen, bis sie ihn finden, um die Angelegenheit dann zu regeln. Angemerkt wird vom Asylgerichtshof, dass dieses Fluchtvorbringen im ersten Asylverfahren des BF bereits als unglaubwürdig qualifiziert wurde und das Verfahren in allen Instanzen negativ entschieden wurde. Ebenfalls wurde mittlerweile das Verfahren des Vaters des BF rechtskräftig negativ entschieden. Aus der Sicht des Asylgerichtshofes ist daher auch das Vorbringen, soweit es sich auf die bereits früher dargelegten Probleme des Vaters und des BF beziehen, auch in diesem Verfahren keinen Bestand haben und werden daher konsequenterweise ebenfalls als unglaubwürdig betrachtet. Abgesehen davon erscheinen diese Angaben völlig unplausibel, ja sogar absurd, dass der BF zurückgekehrt sei, um auf seine ehemaligen Verfolger zu warten; der BF hätte die Angelegenheit - rein hypothetisch - in diesem Fall auch schon vor seiner ersten Ausreise regeln können.

 

Was das übrige Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft, so ist diesem ebenfalls die Glaubwürdigkeit zu versagen - und zwar auf folgenden Erwägungen: Der Beschwerdeführer gab an, dass er anlässlich eines Termins auf der örtlichen Polizeistation in Ayntap von fünf unbekannten Personen zusammengeschlagen worden sei. Die fünf Männer seien vermutlich die Besitzer jener Fahrzeuge die der Beschwerdeführer in seiner Garage reparieren hätte sollen. Der BF habe jedoch keine Ahnung, was mit den Fahrzeugen passiert sei und gab an, dass diese möglicherweise von unbekannten zerstört worden seien. Als Ersatz für die Fahrzeuge hätten die fünf Personen 150.000.- Dollar vom BF verlangt. Für den Asylgerichtshof erscheinen diese Angaben nicht glaubwürdig, da der BF keinerlei Auskunft über diese Personen geben konnte, wobei er doch behauptet hatte, dass dies die Besitzer der Fahrzeuge gewesen seien, die ihre Fahrzeuge in seiner Werkstatt reparieren lassen wollten. Der BF wäre in diesem Fall wohl in der Lage gewesen, seine ehemaligen Kunden wiederzuerkennen und auch deren Namen zu benennen. Nicht nachvollziehbar für den Asylgerichtshof war auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer von fünf privaten Personen auf einer Polizeistation verprügelt worden sein solle und die Polizisten zuerst nur zugesehen hätten und dann den BF sogar im Keller drei Tage lang gefoltert hätten. Der BF hatte bei seinen ersten Einvernahmen nur erwähnt, dass er von fünf Personen verprügelt worden sei; dass die Polizei zuerst nur zusah und dann sogar selbst gefoltert haben soll, hatte der BF erst in seiner später folgenden Einvernahme vorgebracht. Zusätzlich brachte der BF auch noch vor, dass er auf dem Heimweg von der Polizeistation an einem anderen Termin von fünf Geheimdienstmitarbeitern krankenhausreif geschlagen worden sein soll. Der Beschwerdeführer konnte aber zu keiner Zeit angeben, warum nun plötzlich auch der KGB Interesse an seiner Person haben sollte und er grundlos derart schwer misshandelt worden sein soll. Für den Asylgerichtshof ist hier eindeutig eine eklatante Steigerung des Vorbringens des BF erkennbar. Der BF hätte wohl schon zu Beginn seiner Einvernahmen sämtliche relevanten Vorfälle, insbesondere derart schwere Übergriffe wie sie der BF beschrieben hatte, in seinem Asylverfahren vorgebracht hätte, sofern diese Vorfälle tatsächlich stattgefunden hätten. Ein spätes und derart gesteigertes Vorbringen lässt jedenfalls auf die Unglaubwürdigkeit des Geschehens schließen. Auch machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben bezüglich der Höhe des Geldes, das er den Verfolgern bezahlen hätte sollen. Einmal gab dieser an, er hätte 130.000 Dollar zahlen sollen und an anderer Stelle behauptete der BF, dass er 150.000 Dollar aufbringen hätte sollen. Für den Asylgerichtshof ist auch nicht nachvollziehbar, warum plötzlich auch die Polizei den BF misshandelt ja sogar tagelang im Keller der Polizeistation gefoltert haben soll. Die Angelegenheit hatte ja die fünf Personen und ihre Fahrzeuge betroffen und der BF hatte auch nie behauptet, dass gegen ihn polizeiliche Ermittlungen oder ein gerichtliches Verfahren eingeleitet worden sei. Völlig unplausibel sind auch die Angaben, dass sogar das KGB ein derartiges Interesse am BF haben solle, dass gleich drei Wagen mit insgesamt fünf Geheimdienstleuten in Zivil und zwei Beamten in Uniform auf den BF losgegangen seien und er von den fünf KGB-Leuten auf offener Straße krankenhausreif geschlagen worden sein soll. Der BF konnte dabei nicht einmal angeben, warum das KGB hinter ihm her sein könnte und ein derartiges Interesse an seiner Person haben soll. Unplausibel sind auch die Angaben, dass der BF auf offener Straße quasi von KGB-Leuten überfallen worden sein soll, wobei er doch angegeben hatte, dass er sich jeden Tag auf der Polizeistation melden musste, solange er das Geld nicht aufgetrieben habe. Der Geheimdienst hätte den BF in diesem Fall auch unbemerkt von der Öffentlichkeit von der Polizeistation abholen können oder ihn auch direkt auf der Polizeistation befragen können, was auch eher der Vorgangsweise eines Geheimdienstes entsprechen würde. Auch sei dem BF auch vom KGB nie genannt worden, was ihre Forderungen an ihn seien oder warum sie ein derartiges Interesse an seiner Peron hätten. Es ist nicht plausibel nachvollziehbar, dass der BF vom KGB halbtotgeschlagen wird, ohne auch nur eine Forderung oder sonstiges Begehren an ihn zu stellen. Dass der Übergriff aus einem möglichen Racheakt geschehen wäre, hatte der BF ebenfalls nicht vorgebracht. Der Asylgerichtshof erachtete es zwar als möglich, dass der BF aufgrund seiner Tätigkeit als Kfz-Mechaniker in der Lage ist, bestimmte Kennzeichen, die nur von staatlichen Organen verwendet werden, aufgrund ihrer bestimmten Merkmale, wie zB. eine zweistellige anstelle einer dreistelligen Ziffer am Ende der Kennzeichen, zu erkennen. Das ist jedoch eher auf seine berufsspezifischen Kenntnisse als auf die genannte persönliche Erfahrung mit dem KBG zurückzuführen.

 

Ein weiteres Beispiel für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des BF ist die Tatsache, dass der BF aufgrund seiner angeblich so schweren Verletzungen zuerst im örtlichen Ambulatorium und später drei Wochen lang in einem anderen, dem BF jedoch unbekannten, Krankenhaus behandelt worden sein soll. Dies erscheint insofern unglaubwürdig, als dass die Erhebungen des vom BAA beauftragten Ländersachverständigen Dr. V.A. ergaben, dass der BF niemals im örtlichen Ambulatorium behandelt wurde. An diesem Ergebnis ändert auch die für den Asylgerichtshof vorgelegte zweifelhafte schriftliche Bestätigung der Chefärztin nichts, da die besagte Chefärztin auf Nachfrage angab, dass der BF nie dort behandelt wurde. Folglich muss es sich um eine fingierte Bestätigung handeln der keine Beweiskraft beigemessen wird. Der Versuch in der Beschwerdeschrift, das Leugnen der Behandlung durch die Chefärztin mit der ärztlichen Schweigepflicht zu erklären, überzeugt wenig; die Frage war ja, ob der BF jemals dort behandelt wurde und nicht, warum er behandelt wurde. In diesem Fall hätte auch die Auskunft, dass der BF nicht im Ambulatorium behandelt wurde ergehen dürfen. Nicht nachvollziehbar ist für den Asylgerichtshof auch, dass sich der BF am selben Tag der Einlieferung ins Ambulatorium eine Bestätigung ausstellen ließ, wobei er auch angab, dass er bewusstlos gewesen sei und sich an nichts erinnern könne. Völlig unglaubwürdig sind für den Asylgerichtshof auch die Angaben des BF, dass er keine Auskunft darüber geben konnte, in welchem Krankenhaus er angeblich drei Wochen lang behandelt worden sein soll. Jeder andere Patient hätte sich längst erkundigt, in welchem Krankenhaus er sich befindet und zudem hat der BF angegeben, dass er nach drei Wochen aus dem Krankenhaus geflohen sei und von dort mit dem Taxi nach Hause gefahren sei. Auch zu diesem Zeitpunkt wäre dem BF aufgefallen, wo er sich örtlich aufhält. Es entstand hier für den Asylgerichtshof der Eindruck, dass der BF das Krankenhaus bewusst nicht nennen wollte, um eine eventuelle Überprüfung seines Aufenthaltes zu vermeiden. Der Asylgerichtshof misst auch den vorgelegten schriftlichen Erklärungen von zwei dem BF unbekannten Frauen, die den Überfall auf den BF beobachtet hätten, keine besondere Beweiskraft vor. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich plötzlich zwei unbekannte Personen für den BF einsetzen sollten und sich so auch der Gefahr der Verfolgung oder Repression des Geheimdienstes aussetzen würden. Logischer Weise hätten die beiden Frauen auch eine Anzeige bei der Polizei erstattet, was jedoch weder der Beschwerdeführer noch die dubiosen Zeugen angeführt hatten. Da sowohl der BF als auch dessen Gattin angaben, dass der Schwiegervater ein wohlhabender Mann sei und diese auch finanziell unterstützen konnte, hält es der Asylgerichtshof durchaus für möglich, dass der Schwiegervater bei der Beschaffung der zweifelhaften Bescheinigungsmittel (Bestätigung des Ambulatoriums, Zeugenaussagen) behilflich gewesen sein könnte. Auch hätte der Schwiegervater womöglich die finanziellen Schwierigkeiten des BF bereits vor seiner Ausreise aus Armenien regeln können.

 

Das BAA stützte seine Begründung im angefochtenen Bescheid unter anderem auf das Ergebnis der Anfragebeantwortung durch den Ländersachverständigen Dr.V.A. Der Sachverständige konnte dabei eruieren, dass der Beschwerdeführer auch nicht wie behauptet in den Jahren 2003/2004 im Heimatdorf ein Haus gebaut hatte und dieses Haus während seiner Abwesenheit zerstört worden sei. Der Sachverständige stellte fest, dass dieses Haus bereits vorher gebaut wurde und auch einer anderen Person gehört. Der BF lebte für kurze Zeit mit der Tochter des Hausherrn in diesem Haus und verschwand danach. Der BF legte zwar einen Zahlungsbeleg vor, der beweisen soll, dass der BF eine Baugenehmigung für dieses Grundstück erhalten habe, jedoch habe der BF auch vorgebracht, dass diese Geld (30.000.- Dram) nicht in die Staatskasse geflossen sei, sondern für den Bürgermeister und für Gemeindebedienstete quasi als Schmiergeld verwendet worden sei, damit der BF eine Baugenehmigung erhält. Einerseits ist für den Asylgerichtshof nicht glaubwürdig, dass der BF für die Bezahlung von Bestechungsgeld sogar eine offizielle Kassenbestätigung der Gemeinde erhalten hatte und andererseits stimmte auch die am Zahlungsbeleg angeführte Summe von 70.000.- nicht mit den Angaben des BF überein. Auch ist am Beleg keine Widmung für den Betrag ersichtlich. Zudem konnte auch der Sachverständige feststellen, dass der BF an der besagten Adresse weder ein Haus noch ein Grundstück besessen hatte. An dieser Ansicht des Asylgerichtshofes ändern auch die vorgelegten Fotokopien von einem Grundstück und einer Gebäuderuine nichts, da sich die Fotos mangels erkennbaren und nachvollziehbaren Bezug keinem bestimmten Gebäude oder Grundstück zuordnen lassen. Diese Aufnahmen können irgendwo gemacht worden sein und ein x-beliebiges Grundstück darstellen. Auch aus den vorgelegten kopierten Auszügen von "google-maps" lässt sich nur ableiten, dass das auf den google-Aufnahmen gezeigte unbebaute Grundstück nicht an der David Beckstraße liegt.

 

Was die Anzweiflung und Ablehnung des Ländersachständigen Dr. V.A. durch den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers betrifft, so führt der Asylgerichtshof folgendes dazu aus:

 

Einleitend wird darauf hingewiesen, dass die Feststellungen des erkennenden Gerichts zu einem nicht unerheblichen Teil auf dem Rechercheergebnis des genannten Sachverständigen basieren. Obgleich diesem Rechercheergebnis nicht die Beweiskraft eines Gutachtens zukommt, wird ihm dennoch gewichtige Beweiskraft zugemessen. Einerseits ergibt sich aus dem im Akt ersichtlichen Qualifikationsprofil des Sachverständigen, dass es sich hierbei um eine Person mir hoher fachlicher Reputation handelt, welche in einem Aufgabenfeld tätig ist und war, das eine hohe Fähigkeit zu analytischem Denken und Handeln erfordert, sowie die Fähigkeit verschiedene, auch sich widersprechende Informationen auszuwerten und hieraus Schlüsse zu ziehen, sowie verlässliche Personen und Quellen zur Informationsbeschaffung heranzuziehen.

 

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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