TE OGH 2011/3/29 10ObS17/11i

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Veröffentlicht am 29.03.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Krüger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schleinbach (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2010, GZ 7 Rs 157/10z-23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Der am 8. 8. 1969 geborene Kläger hat innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (1. 2. 2009) in der Pflichtversicherung der Pensionsversicherung nach dem ASVG 109 Beitragsmonate als LKW-Fahrer erworben. Ab 2003 war er selbstständig im Bereich Gastgewerbe als Koch und Geschäftsführer einer Pizzeria tätig und erwarb in der Pflichtversicherung nach dem GSVG 59 Beitragsmonate (siehe verdichteter Versicherungsverlauf im Pensionsakt). Er besuchte zwei Jahre lang die Berufsschule für Kraftfahrzeugmechaniker, legte die Lehrabschlussprüfung als Mechaniker aber nicht ab. Als LKW-Fahrer führte er ausschließlich Inlandsfahrten durch. Er nahm keine Reparaturen am Fahrzeug vor und verfügt nicht über den Gefahrengutschein. Am 26. 3. 2005 absolvierte er erfolgreich die Befähigungsprüfung für das Gewerbe „Gastgewerbe“ (Blg /.B). Die davor bei der Wirtschaftskammer absolvierten Ausbildungskurse umfassten 10 oder 12 Wochen (jeweils 6 Tage in der Woche von 8:00-16:00 Uhr).

Das Erstgericht wies das auf Gewährung einer Invaliditätspension gerichtete Klagebegehren ab. Es ging bei seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, dass die Frage der geminderten Arbeitsfähigkeit des Klägers nach § 255 ASVG zu beurteilen sei. Als Koch sei der Kläger ausschließlich selbstständig tätig gewesen, sodass - wenn die Beitragsmonate nach dem GSVG überwiegen würden - eine Erwerbsunfähigkeitspension nach § 133 Abs 1 GSVG in Betracht käme. Der Kläger genieße weder als LKW-Fahrer noch als Koch oder Systemgastronom Berufsschutz. Eine Lehrabschlussprüfung als Berufskraftfahrer habe er nicht abgelegt. Da er nur Inlandsfahrten unternommen habe, scheitere eine Qualifikation als angelernter Berufskraftfahrer schon an der Nichtdurchführung von Auslandsfahrten und Verzollungen. Die Ausbildung zwecks Erlangung eines Befähigungsnachweises für das Gastgewerbe („Konzessionsprüfung“) könne einer dreijährigen Lehre nicht gleichgehalten werden. Zudem sei in einer Pizzeria das Speiseangebot eingeschränkt, sodass auch eine Anlernung als Koch oder Systemgastronom nicht in Betracht komme. Da der Kläger aufgrund seines Leistungskalküls auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch verweisbar sei, sei seine Arbeitsfähigkeit nicht im Sinn der für ihn maßgebenden Bestimmung des § 255 Abs 3 ASVG gemindert.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Der Kläger nimmt in seiner außerordentlichen Revision den Standpunkt ein, seine bei der Wirtschaftskammer absolvierte Ausbildung und die Ablegung des Befähigungsnachweises für das Gastgewerbe sei einer erfolgreich abgeschlossenen Lehrabschlussprüfung in einem gastgewerblichen Beruf gleichzusetzen. Aufgrund dieser Ausbildung habe er einen angelernten Beruf iSd § 255 Abs 1 ASVG ausgeübt. Für die Beurteilung, ob er sich durch seine Tätigkeit in der Pizzeria qualifizierte Kenntnisse als Koch angeeignet habe, könne es nicht darauf ankommen, ob er diese Tätigkeit als selbstständig oder unselbstständig Erwerbstätiger ausgeübt habe. Die dazu gegenteilige Rechtsprechung zu § 255 Abs 2 ASVG sei gleichheitswidrig. Jedenfalls hätte das Erstgericht Feststellungen über seine tatsächliche Qualifikation als Koch treffen müssen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Rechtliche Beurteilung

1. Durch die Bestimmungen über die Wanderversicherung (§ 251a ASVG, § 129 GSVG, § 120 BSVG) hat der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, die eine weitgehende Gleichbehandlung der in verschiedenen Sozialversicherungssystemen erworbenen Versicherungszeiten sicherstellt. Das Wesen der Wanderversicherungsregelung besteht darin, dass alle erworbenen Versicherungszeiten vom zuständigen Träger so behandelt werden, als ob sie bei ihm erworben worden wären. Hat ein Versicherter Versicherungsmonate sowohl nach dem ASVG als auch in der Pensionsversicherung nach dem GSVG erworben, so kommen für ihn gemäß § 251a Abs 1 die Leistungen aus der Pensionsversicherung in Betracht, der er zugehörig ist. Dies ist nach § 251a Abs 3 die Pensionsversicherung, in der er in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag die größere Anzahl von Versicherungsmonaten erworben hat (RIS-Justiz RS0107675). Die Leistungen bestimmen sich dabei nach den Regelungen, die im Bereich der Pensionsversicherung bestehen, die der zuständige Träger zu administrieren hat. Bei Feststellung der Leistungsansprüche hat dieser nur eigenes Recht anzuwenden (10 ObS 54/05x uva).

2. Diesem Grundsatz entspricht die ständige Rechtsprechung, nach der in Fragen des Berufsschutzes Zeiten einer selbstständigen Tätigkeit nach dem GSVG nicht als Zeiten einer überwiegenden Berufsausübung iSd § 255 Abs 2 ASVG angesehen werden können, weil in dieser Gesetzesstelle ausdrücklich nur auf erlernte (angelernte) Berufstätigkeiten abgestellt wird, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach diesem Bundesgesetz (somit dem ASVG) ausgeübt wurden (10 ObS 4/05v = SSV-NF 19/22; 10 ObS 120/95 uva). Nur für den - im vorliegenden Fall nicht gegebenen - Tätigkeitsschutz nach § 255 Abs 4 ASVG ist es ohne Bedeutung, in welchem Versicherungszweig dadurch im Rahmenzeitraum Versicherungszeiten begründet wurden und ist es nicht erforderlich, dass die Tätigkeit ausschließlich als unselbstständig Beschäftigter ausgeübt wurde (10 ObS 4/05v = SSV-NF 19/22).

3. Der Kläger ist unstrittig der Pensionsversicherung nach dem ASVG leistungszugehörig. Wie die Vorinstanzen bereits erkannten, kommt für ihn daher lediglich der Versicherungsfall nach § 255 ASVG, nicht aber jener der Erwerbsunfähigkeit nach § 133 GSVG in Frage, weil dieser Versicherungsfall im Leistungsrecht der Pensionsversicherung nach dem ASVG nicht vorgesehen ist.

4. Dass der Kläger keinen Berufsschutz als Berufskraftfahrer erworben hat, wird im Rechtsmittel nicht mehr in Zweifel gezogen. Der vom Kläger nach § 255 Abs 2 ASVG geltend gemachte Berufsschutz als Koch würde erfordern, dass er überwiegend in einem angelernten Beruf iSd § 255 Abs 2 ASVG tätig gewesen wäre, wobei als „überwiegend“ nach § 255 Abs 2 zweiter Satz ASVG erlernte (angelernte) Berufstätigkeiten gelten, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach diesem Bundesgesetz während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt wurden. Der Kläger müsste also die - allenfalls - angelernte Berufstätigkeit als Koch in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG in der Zeit vom 1. 2. 1994 bis 1. 2. 2009 ausgeübt haben. Nach den Feststellungen zum Versicherungsverlauf wäre diese Voraussetzung aber nicht erfüllt: Der Kläger hätte seinen allenfalls angelernten Beruf als Koch während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag nicht „überwiegend“ iSd § 255 Abs 2 zweiter Satz ASVG ausgeübt, weil nur 59 Beitragsmonate einer Tätigkeit als Koch jenen 109 Beitragsmonaten gegenüberstünden, die auf eine Tätigkeit als LKW-Fahrer entfallen. Die Tätigkeit als Koch ist demnach ungeeignet, zu einem Berufsschutz zu führen. Mangelt es im vorliegenden Fall schon am Erfordernis der überwiegenden Ausübung nach § 255 Abs 2 zweiter Satz ASVG, kann die Frage, ob beim Kläger überhaupt Berufsschutz als Koch vorliegt, dahingestellt bleiben. Dies trifft auch auf die weitere in der Revision aufgeworfene Frage zu, ob es sachlich gerechtfertigt wäre, bei der Ausübung einer angelernten Tätigkeit danach zu differenzieren, ob die notwendigen Kenntnisse im Zuge einer selbstständigen oder einer unselbstständigen Tätigkeit erworben wurden. (Zum erlernten Beruf und zusätzlich erworbenen Kenntnissen zur Führung eines selbstständigen Betriebs siehe 10 ObS 15/01f = SSV-NF 15/31.)

Das für den Kläger offen stehende Verweisungsfeld ist demnach nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen. Dass für ihn noch diverse Verweisungsberufe in Betracht kommen, stellt er in seinem Rechtsmittel nicht mehr in Frage.

Da in der Revision keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt werden, ist sie zurückzuweisen.

Schlagworte

12 Sozialrechtssachen,

Textnummer

E96849

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:010OBS00017.11I.0329.000

Im RIS seit

18.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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