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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Aufhebung der Topographieverordnung-Kärnten sowie von Bestimmungen instraßenpolizeilichen Ortstafelverordnungen wegen Widerspruchs zumMinderheitenschutz im Staatsvertrag von WienRechtssatz
Präjudizialität der Verordnungsbestimmungen in den Anlassfällen betr Verwaltungsstrafen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen im Ortsgebiet; Verordnungsbestimmungen teils bereits Gegenstand früherer Verfahren, Feststellung von deren Gesetzwidrigkeit bis zum In-Kraft-Treten der TopographieV-Kärnten, BGBl II 245/2006, seither (jedoch) wieder in Geltung.
Anbringen topographischer Bezeichnungen in slowenischer Sprache für bestimmte Ortschaften durch Regelungen der TopographieV-Kärnten teilweise ausgeschlossen; durch Wegfall solcher Regelungen in einigen Fällen unbrauchbarer Torso, sodass in diesen Fällen die TopographieV-Kärnten zur Gänze in Prüfung zu ziehen war.
Aufhebung der TopographieV-Kärnten, BGBl II 245/2006, und von Verordnungen der Bezirkshauptmannschaften Villach und Völkermarkt hinsichtlich der Ortsbezeichnungen Eberndorf, Sittersdorf, Hart, Frög, Gösselsdorf, Lauchenholz, Gablern, St. Primus-Nageltschach, Bad Eisenkappel und Loibach sowie der Ortsgebiete Edling und Mökriach.
Kein Abgehen von der Vorjudikatur (vgl VfSlg 16404/2001, 18478/2008), insbesondere zum Begriff des Verwaltungsbezirkes mit gemischter Bevölkerung iSd Art7 Z3 StV Wien 1955; Abstellen auf statistische Erhebungen (betr die Zahl österreichischer Staatsbürger mit slowenischer Umgangssprache bzw slowenisch Sprechenden) im Rahmen der Volkszählungen.
Einheitliches Verständnis des Begriffes "gemischte[r] Bevölkerung" in Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien im Verhältnis zu jenem im ersten Satz; jedoch verschiedenes Verständnis des Begriffs "Verwaltungsbezirk" im ersten und zweiten Satz dieser Bestimmung.
Beim Begriff "Verwaltungsbezirk" gemäß Art7 Z3 erster Satz StV Wien Orientierung an den tatsächlichen, dh gemeindebezogenen, Siedlungsschwerpunkten der Volksgruppen. Darüber hinaus Zulassung der Minderheitensprache als Amtssprache auch vor Bezirksverwaltungsbehörden bei Erreichen bestimmter Prozentsätze geboten. Beim Begriff "Verwaltungsbezirk" gemäß Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien Orientierung an den tatsächlichen, dh ortschaftsbezogenen, Siedlungsschwerpunkten der betreffenden Volksgruppe. Ortschaften demnach als Verwaltungsbezirke zu verstehen.
Eine "Kombination" dieser beiden - jeweils an verschiedenen Tatbeständen und Normzwecken orientierten - unterschiedlichen Auslegungen des Begriffs "Verwaltungsbezirk" im Sinne einer Kumulation von ortschaftsbezogenen und gemeindebezogenen Siedlungsschwerpunkten ist nicht zulässig.
Statistische Erhebungen im Rahmen der Volkszählungen geeignet zur Feststellung "gemischter Bevölkerung". Aktuell vorliegende Daten einer Sonderauswertung der Statistik Austria ("Volkszählungen 1971-2001, Umgangssprache Kärnten, Gemeinden und Ortschaften, Wien, Jänner 2011") entnommen; kein Zweifel an deren Richtigkeit.
Die genannten Ortschaften weisen - über einen längeren Zeitraum betrachtet - einen Minderheitenprozentsatz von jedenfalls mehr als 10% auf; sie sind daher als Verwaltungsbezirke mit gemischter Bevölkerung iSd Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien zu qualifizieren.
Daher Verstoß der TopographieV-Kärnten, die für andere als die dort genannten Ortschaften die Anbringung zweisprachiger topographischer Aufschriften (geradezu) ausschließt, gegen §2 Abs2 VolksgruppenG (Hinweis auf die Vorjudikatur).
In Prüfung gezogene Bestimmungen der Verordnungen der BH Villach und Völkermarkt auf Grund der Aufhebung der TopographieV-Kärnten an der (wieder) unmittelbar anwendbaren Bestimmung des Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien zu messen und daher rechtswidrig.
Setzung einer Frist für das In-Kraft-Treten der Aufhebungen (30.09.11), um den in Betracht kommenden Verordnungsgebern die Erlassung von (Ersatz-)Regelungen zu ermöglichen. Unangreifbarkeit vergleichbarer Verordnungen, die Ortschaften betreffen, die dem Begriff des Verwaltungsbezirkes mit gemischter Bevölkerung unterfallen, auf Dauer dieser Frist.
Anlassfälle B1647/08 ua, B2011/08 ua, B268/09 ua, B735/09 ua, B1212/09, B522/10, alle E v 25.02.11: Abweisung der Beschwerden unter Hinweis auf das E v 13.12.01, B2075/99 (VfSlg 16403/2001); weiters B1088/09 und B567/10, beide E v 25.02.11: Aufhebung der angefochtenen Bescheide infolge Anlassfallwirkung der Aufhebung der gesamten Regelungen betr die Ortsgebiete Edling und Mökriach.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Volksgruppen, Minderheiten, Ortstafeln, Straßenpolizei,Straßenverkehrszeichen, VfGH / Präjudizialität, VfGH /Prüfungsumfang, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Fristsetzung,Geltungsbereich (zeitlicher) einer VerordnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2011:V124.2010Zuletzt aktualisiert am
21.05.2012