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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §10;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/01/0034 2000/01/0036 2000/01/0167 2000/01/0168Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerden 1. der A M, geboren am 1. März 1969, 2. des D M, geboren am 26. Jänner 1995, und 3. des H M, geboren am 7. Juni 1992, alle in S, alle zu unten lit. a vertreten durch Dr. Gerhard O. Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, sowie zu unten lit. b durch Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Bergstraße 22, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates a) je vom 22. März 2000, Zlen. 211.591/0-V/13/99 (ad 1), 211.592/0-V/13/99 (ad 2), und 211.593/0-V/13/99 (ad 3), und b) vom 22. September 2000, Zl. 211.591/4-V/13/00 (ad 1), sowie je vom 25. September 2000, Zlen. 211.592/4-V/13/00 (ad 2), und 211.593/4-V/13/00 (ad 3), jeweils betreffend Abweisung eines Asylerstreckungsantrages (ad a) und Zurückweisung eines Asylantrages als unzulässig (ad b) (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Die Beschwerdeführer - die erstbeschwerdeführende Partei ist die Mutter der zweit- und der drittbeschwerdeführenden Parteien - sind jugoslawische Staatsbürger und gehören der albanischen Volksgruppe an. Sie sind am 7. Juni 1999 in das Bundesgebiet eingereist und haben in der Folge Asylerstreckungsanträge, bezogen auf ihren Ehegatten bzw. Vater S. M. (im folgenden Hauptasylwerber), gestellt. Mit einheitlichem Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. Juli 1999 wurden diese Asylerstreckungsanträge gemäß § 11 Abs. 2 AsylG abgewiesen. Grund hiefür war, dass der Asylantrag des Hauptasylwerbers mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. Juli 1999 gemäß § 4 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen worden war.
Gegen den letztgenannten Bescheid erhob der Hauptasylwerber Berufung mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass sich diese Berufung "ex lege auf die negativen Asylerstreckungsbescheide" betreffend die hier beschwerdeführenden Parteien erstrecke. Nach Vorlage dieser Berufung an den unabhängigen Bundesasylsenat (die belangte Behörde) langte am 19. August 1999 beim Bundesasylamt eine Mitteilung nach § 57 Abs. 7 Fremdengesetz 1997 der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 18. August 1999 ein, wonach eine Zurückschiebung "der o.a. Fremden" (Hauptasylwerber und die drei beschwerdeführenden Parteien) nicht möglich sei. Die belangte Behörde hielt daraufhin in einem Aktenvermerk vom 3. September 1999 fest, dass das Berufungsverfahren betreffend den Hauptasylwerber gemäß § 4 Abs. 5 AsylG als gegenstandslos eingestellt werde. Bezüglich der Beschwerdeführer unterblieb dagegen zunächst eine weitere Verfahrenshandlung.
Der nunmehr meritorisch zu behandelnde Asylantrag des Hauptasylwerbers wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Februar 2000 gemäß § 7 AsylG abgewiesen. (Diesbezüglich ist zur hg. Zl. 2000/01/0082 eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.) Unter Hinweis darauf, dass demnach die in § 10 Abs. 1 AsylG geforderte Voraussetzung der Asylgewährung an einen Angehörigen im Sinn des § 10 Abs. 2 leg. cit. nicht vorliege, wies die belangte Behörde daraufhin mit Bescheiden vom 22. März 2000 die "Berufungen" der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. Juli 1999 gemäß §§ 10, 11 AsylG ab.
2. Am 7. April 2000 stellten die Beschwerdeführer in der Folge selbständige Asylanträge. Diese wies das Bundesasylamt mit Bescheiden je vom 16. Juni 2000 gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet ab (Spruchpunkt I.); zugleich sprach es jeweils aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer in die Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kosovo, gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Über die dagegen erhobenen Berufungen entschied die belangte Behörde mit Bescheiden vom 22. bzw. 25. September 2000 jeweils wie folgt:
"In Erledigung der Berufung von ... gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.6.2000 ... wird der angefochtene Bescheid
dahingehend abgeändert, dass der Spruch zu lauten hat wie folgt:
'Ihr Antrag auf Gewährung von Asyl vom 7.4.2000 wird gemäß § 11 Abs. 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen'."
Diese Entscheidungen begründete die belangte Behörde damit, dass die Beschwerdeführer auf die Umwandlung dieser Erstreckungsanträge in Asylanträge verzichtet und ausdrücklich zur Kenntnis genommen hätten, dass sohin innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft des den Asylerstreckungsantrag abweisenden Bescheides die Stellung eines Asylantrages unzulässig sei. Dessen ungeachtet seien die Asylanträge innerhalb der 30- tägigen Sperrfrist eingebracht worden.
II.
Über die gegen die Bescheide vom 22. März 2000 und vom
22. bzw. 25. September 2000 erhobenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof, im Hinblick auf den persönlichen und sachlichen Zusammenhang nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung, erwogen:
1. Zu den Beschwerden gegen die Bescheide vom 22. März 2000:
Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen des AsylG lauten:
"Unzulässige Asylanträge wegen Drittstaatsicherheit
§ 4. ...
(5) Können Fremde, deren Asylantrag nach Abs. 1 als unzulässig zurückgewiesen wurde, nicht in einen sicheren Drittstaat zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden, so tritt der Bescheid, mit dem der Asylantrag zurückgewiesen wurde, mit dem Zeitpunkt des Einlangens der Mitteilung nach § 57 Abs. 7 FrG außer Kraft. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG von neuem zu laufen; ein anhängiges Berufungsverfahren ist als gegenstandslos einzustellen.
...
Asylerstreckungsantrag
§ 10. (1) Fremde begehren mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem Angehörigen auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyl.
(2) Asylerstreckungsanträge können frühestens zur selben Zeit wie der der Sache nach damit verbundene Asylantrag eingebracht werden. Sie sind nur für Eltern eines Minderjährigen oder für Ehegatten und minderjährige unverheiratete Kinder zulässig; für Ehegatten überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den Asylantrag eingebracht hat.
Asylerstreckung
§ 11. (1) Die Behörde hat auf Grund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren, wenn dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten EMRK, BGBl. Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.
(2) Fremde, die einen Asylerstreckungsantrag eingebracht haben, können im Verfahren über den Asylantrag ihres Angehörigen aus eigenem alles vorbringen, was ihnen für dieses Verfahren maßgeblich erscheint. Wird der Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen oder als offensichtlich unbegründet abgewiesen, so gelten die der Sache nach damit verbundenen Asylerstreckungsanträge, sofern der Betroffene nach Belehrung über die Folgen nicht ausdrücklich darauf verzichtet, als Asylanträge. Die Behörde hat über diese Anträge unverzüglich zu entscheiden; im Falle eines Verzichtes sind Asylanträge dieser Fremden innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft der die Asylerstreckungsanträge abweisenden Entscheidung unzulässig.
(3) ...
(4) ...
...
Abgekürztes Berufungsverfahren
§ 32. (1) Gegen Bescheide, mit denen Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder aus den Gründen der §§ 4 oder 5 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen worden sind, kann nur binnen zehn Tagen Berufung erhoben werden. Fällt innerhalb eines solchen abgekürzten Berufungsverfahrens die jeweilige Berufungsfrist in die Sicherung einer Zurückweisung, so ist diese jedenfalls während des ungenützten Ablaufes dieser Frist zulässig. Eine abgesonderte Berufung gegen eine Feststellung gemäß § 8 ist in solchen Fällen nur insoweit möglich, als das Bestehen einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 FrG behauptet wird. Eine abgesonderte Berufung gegen Bescheide, mit denen in diesen Fällen der Asylerstreckungsantrag Angehöriger als unbegründet abgewiesen wurde, ist nicht zulässig, doch gelten solche Bescheide durch eine Berufung gegen die Entscheidung über den Asylantrag als im selben Umfang angefochten.
(2) Der Berufung ist stattzugeben, wenn die Feststellung der Behörde, der Antrag sei offensichtlich unbegründet oder es bestehe aus den Gründen der §§ 4 oder 5 Unzuständigkeit, nicht zutrifft. In diesen Fällen hat die Berufungsbehörde die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und zur Erlassung eines Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen; Feststellungen gemäß § 8 gelten jedenfalls als aufgehoben. Zugehörige Asylerstreckungsbescheide sind gleichzeitig als überholt aufzuheben. Wird ein Bescheid, mit dem der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde, von der Berufungsbehörde bestätigt, so hat sie ihrerseits jedenfalls eine Feststellung gemäß § 8 zu treffen.
(3) ... ."
Mit den Bescheiden vom 22. März 2000 hat die belangte Behörde die Asylerstreckungsanträge der Beschwerdeführer abgewiesen. Diese Asylerstreckungsanträge waren auf den Ehegatten/Vater der Beschwerdeführer bezogen, dessen Asylantrag zunächst gemäß § 4 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen worden ist. Die von ihm gegen diese Entscheidung erhobene Berufung unterlag daher den Sondervorschriften des § 32 AsylG über das "abgekürzte Berufungsverfahren". Dieses "abgekürzte Berufungsverfahren" soll in den von ihm erfassten Fällen (erstinstanzliche Bescheide nach den §§ 4 bis 6 AsylG) - im folgenden die Regierungsvorlage (686 BlgNR 20. GP 28) wörtlich - "rasche fremdenpolizeiliche Reaktionen ermöglichen. Um dies auch in der Konstellation Asyl/Asylerstreckung zu ermöglichen, war hinsichtlich der Möglichkeit einer Berufung eine Verzahnung vorzusehen."
Der von der Regierungsvorlage angesprochenen "Verzahnung" wurde wie folgt Rechnung getragen: Hat der Erstreckungswerber gemäß § 11 Abs. 2 zweiter Satz AsylG auf die Umdeutung seines Erstreckungsantrages in einen Asylantrag verzichtet (nur dann gibt es eine Abweisung des Erstreckungsantrages), so kann er gegen die Abweisung des Erstreckungsantrages keine "abgesonderte" Berufung erheben. Sein Bescheid "gilt" durch eine Berufung gegen die Entscheidung über den Hauptantrag "als im selben Umfang angefochten" (§ 32 Abs. 1 letzter Satz AsylG). Wird dieser Berufung Folge gegeben, so sind die von der Berufungsfiktion erfassten "zugehörigen Asylerstreckungsbescheide" gleichzeitig "als überholt aufzuheben" (§ 32 Abs. 2 dritter Satz leg. cit.).
Die dargestellte Konstruktion des § 32 AsylG bezweckt eine parallele Führung des Erstreckungsverfahrens mit dem Hauptverfahren (siehe dazu schon das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1998, Zl. 98/20/0311). Insbesondere ist vorgesehen - wenn die Berufung des Hauptantragstellers erfolgreich ist -, den Erstreckungsantrag zusammen mit dem Hauptantrag in die erste Instanz zurückzuführen, um dergestalt vor dem Bundesasylamt (erneut) einen Gleichklang des Verfahrensablaufes zu ermöglichen. Entspricht es demnach der klaren Zielvorstellung des Gesetzgebers, Erstreckungsverfahren und Hauptverfahren in den jeweiligen Instanzen parallel verlaufen zu lassen, so muss das auf den - in § 32 AsylG nicht geregelten - Fall durchschlagen, dass der erstinstanzliche Bescheid über den Hauptantrag wie hier mit Einlangen der Mitteilung nach § 57 Abs. 7 Fremdengesetz 1997 beim Bundesasylamt mit 19. August 1999 gemäß § 4 Abs. 5 AsylG außer Kraft getreten ist. Auch in einer solchen Konstellation sind "zugehörige Asylerstreckungsbescheide" daher "gleichzeitig als überholt aufzuheben", was in einem Fall wie dem vorliegenden schon deshalb unmittelbar einsichtig ist, weil andernfalls die nach § 32 Abs. 1 letzter Satz AsylG bloß fingierten Berufungen - die Beschwerdeführer haben keine eigenen Berufungen erhoben - ohne ihren Bezugspunkt "in der Luft" hingen.
Die belangte Behörde hat demgegenüber die nach dem Gesagten gebotene Parallelbehandlung von Erstreckungsverfahren einerseits und Verfahren über den Hauptantrag andererseits nicht beachtet. Diese Rechtswidrigkeit wurde nicht dadurch saniert, dass das Asylverfahren des Hauptasylwerbers in einer späteren Phase wieder in das Berufungsstadium getreten ist, zumal es sich dabei nicht um ein "abgekürztes Berufungsverfahren" im Sinn des § 32 AsylG sondern um ein "normales" Berufungsverfahren (der Asylantrag war nunmehr vom Bundesasylamt gemäß § 7 AsylG abgewiesen worden) handelte, sodass insbesondere die Berufungsfiktion des § 32 Abs. 1 letzter Satz AsylG nicht mehr zur Anwendung kommen konnte. Die die Asylerstreckungsanträge im Instanzenzug abweisenden Bescheide der belangten Behörde vom 22. März 2000 waren daher - schon deshalb, weil der belangten Behörde auf Basis der fingierten Berufungen der Beschwerdeführer im Hinblick auf die obigen Ausführungen keine Befugnis zu einer anderen Erledigung als der Aufhebung der erstinstanzlichen Bescheide "als überholt" zur meritorischen Entscheidung zukam - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
2. Zu den Beschwerden gegen die Bescheide vom 22. bzw. 25. September 2000:
Im Hinblick auf das Ergebnis zu II. 1. und die der Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof zukommende "ex tunc"-Wirkung (§ 42 Abs. 3 VwGG) ist bei Beurteilung der Bescheide vom 22. bzw. 25. September 2000 davon auszugehen, dass eine rechtskräftige Erledigung der ursprünglichen Asylerstreckungsanträge noch gar nicht vorlag. Die erstinstanzlichen Erledigungen der Asylerstreckungsanträge konnten wie gezeigt bei richtiger rechtlicher Betrachtung auch nicht mehr von der belangten Behörde bestätigt werden, weil sie nach dem Außerkrafttreten des auf § 4 AsylG gestützten Zurückweisungsbescheides, wie schon ausgeführt, "als überholt aufzuheben" waren. Dies hat zur Folge, dass der Einbringung selbständiger Asylanträge seitens der Beschwerdeführer die "Sperrfrist" des § 11 Abs. 2 letzter Satz AsylG nicht entgegenstand. Auch die Bescheide vom 22. bzw. 25. September 2000 erweisen sich damit als inhaltlich rechtswidrig, weshalb sie gleichfalls gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.
3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 6. März 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000010166.X00Im RIS seit
24.04.2001