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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des SD, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Dezember 2007, Zl. E1/24993/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 86 Abs. 1, 87 und 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sich im Juni 2004 von seiner Ehefrau D scheiden lassen. Maßgeblich dafür sei gewesen, dass sowohl er als auch seine frühere Ehefrau beabsichtigt hätten, durch Eingehen von Scheinehen "in Österreich Fuß fassen zu können". Beide hätten sich jeweils ein "griechisches Visum" ausstellen lassen; jenes des Beschwerdeführers sei von 21. Mai 2004 bis 21. Mai 2005 gültig gewesen. Damit seien sie wenig später - der Beschwerdeführer am 19. Juni 2004 - rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist.
Die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers habe am 7. Dezember 2004 den österreichischen Staatsbürger S, der Beschwerdeführer am 17. Jänner 2005 die österreichische Staatsbürgerin J geheiratet. In Wahrheit hätten aber S und J seit dem Jahr 2003 bis dato zusammengelebt. Aus dieser Beziehung stamme auch der gemeinsame Sohn M von S und J.
Am 25. Jänner 2005 habe der Beschwerdeführer (nach den damaligen Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 - FrG) einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö., § 49 Abs. 1 FrG" gestellt. Diesem Antrag, den der Beschwerdeführer mit der Ehe mit J begründet habe, sei stattgegeben worden. In weiterer Folge habe die erstinstanzliche Behörde jedoch Erhebungen vorgenommen, weil Bedenken dahingehend entstanden seien, dass eine Scheinehe vorliege.
Während J im Zuge der Erhebungen ursprünglich angegeben habe, S nicht zu kennen und S sei auch nicht der Vater ihres Sohnes M, habe im Zuge einer Erhebung in einer näher genannten Wohnung in W - jener Wohnung, die von S bewohnt werde - festgestellt werden können, dass S im selben Zimmer wie das Kind M geschlafen habe. Zu dieser Zeit habe S eingeräumt, vermutlich der Vater von M zu sein. In einer späteren Vernehmung habe S demgegenüber ausgeführt, keinen Kontakt mit J gehabt zu haben und auch nicht der Vater ihres Kindes M zu sein. Bei einer später nochmals erfolgten Erhebung an der Adresse in W seien allerdings wiederum das Kind M und nunmehr auch J im Zimmer des S schlafend angetroffen worden. Darüber hinaus habe im Wohnzimmer (der Wohnung des S in W) ein Bild "von Mutter und Kind" gehangen. J habe daraufhin zugestanden, in dieser Unterkunft zu wohnen.
Da nunmehr für die erstinstanzliche Behörde evident gewesen sei, dass J früher eine falsche Zeugenaussage abgelegt hätte, sei sie deswegen bei der Staatsanwaltschaft Wien zur Anzeige gebracht worden. Im Rahmen der vom Strafgericht daraufhin angeordneten ergänzenden Erhebungen habe J schließlich gestanden, in einer früher genannten Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Wien zur Frage des Eingehens einer Scheinehe mit dem Beschwerdeführer falsch ausgesagt zu haben. Sie habe eingeräumt, in Wahrheit seit 2003 mit S zusammen zu sein; aus dieser Beziehung entstamme auch das Kind M. Die Scheinehe sei sie nur "aus Freundschaft" zum Beschwerdeführer eingegangen; sie habe "nichts dafür bekommen". Die Falschaussage habe sie deswegen getätigt, weil sie "damals Angst" vor dem Beschwerdeführer, den sie nicht gut gekannt habe, gehabt hätte.
Es sei sohin von einer Scheinehe auszugehen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer in einer Geburtsurkunde als Vater der am 23. Juni 2007 von J geborenen Tochter M aufscheine, resultiere dies doch allein aus der gesetzlich vermuteten Vaterschaft infolge der formell als aufrecht registrierten Ehe. Auch sei das Eingeständnis der J am 18. September 2007 - also nach der Geburt ihrer Tochter - erfolgt.
Gestützt auf diese Beweisergebnisse führte die belangte Behörde in ihren rechtlichen Erwägungen aus, der Beschwerdeführer sei eine Scheinehe zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile eingegangen. Dies stelle ein Verhalten dar, das den öffentlichen Interessen zuwiderlaufe und eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet des geordneten Ehe- und Fremdenwesens, darstelle. Im Eingehen einer Aufenthaltsehe liege ein Verhalten, welches mit der Täuschung staatlicher Organe über den wahren Ehewillen beginne und sich bis zum dadurch versuchten Erschleichen staatlicher Berechtigungen und Befugnisse fortsetze. Sohin stelle dieses Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Das Vorliegen einer Gefährdung im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG sei daher zu bejahen.
Zur Interessenabwägung führte die belangte Behörde aus, es seien der etwa zweieinhalbjährige (richtig: dreieinhalbjährige) Aufenthalt des Beschwerdeführers sowie berufliche und "gewisse familiäre" Bindungen im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Die durch den Aufenthalt erzielte Integration werde aber durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer die bevorzugte Stellung, die ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestattet habe, nur durch die Aufenthaltsehe mit einer Österreicherin habe erreichen können, in ihrem Gewicht entscheidend gemindert. Die Beziehungen zur Ehefrau seien nur als rein formal anzusehen. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich stehe gegenüber, dass er durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe und die Berufung darauf im Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK erheblich beeinträchtigt habe. Die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele dringend geboten. Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen auch nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit J Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (unionsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, Zl. 2007/21/0416, mwN).
Der Beschwerdeführer richtet sich nicht gegen die in diesem Sinn vorgenommene rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, sondern in erster Linie gegen die von ihr vorgenommene Beweiswürdigung. In diesem Zusammenhang wird in der Beschwerde vorgebracht, die Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers sei in sich widersprüchlich, weil sie zum einen angegeben habe, die Scheinehe aus Freundschaft eingegangen zu sein, andererseits ihre erste Falschaussage mit Angst vor dem Beschwerdeführer begründet habe. Es sei unverständlich, wenn sie einerseits angebe, Angst vor ihm zu haben, andererseits die Scheinehe aus Freundschaft eingegangen zu sein.
Dem ist entgegenzuhalten, dass sich bereits aus den im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers unmissverständlich ergibt, dass sie dabei auf verschiedene Zeitpunkte, nämlich einerseits auf den Zeitpunkt des Eingehens der Scheinehe, andererseits auf den Zeitpunkt ihrer ersten Aussage gegenüber der erstinstanzlichen Behörde abgestellt hat. Zudem ist den Angaben von J zu entnehmen, dass sie sich bei ihren Ausführungen, die Scheinehe "aus Freundschaft" eingegangen zu sein, zweifelsfrei auf ihr Bestreiten, die Ehe gegen Entgelt geschlossen haben, bezogen hat. Dass J die Ehe aus freundschaftlicher Verbundenheit mit dem Beschwerdeführer, den sie laut eigener Aussage nicht gut gekannt habe, geschlossen hätte, ist daraus aber nicht ableitbar. Ein dieser Aussage anhaftender Widerspruch, der die behördliche Beweiswürdigung erfolgreich als unschlüssig darstellen könnte, ist sohin nicht zu erkennen.
Des Weiteren führt der Beschwerdeführer ins Treffen, dass seine Ehefrau bereits gegenüber anderen Behörden angegeben hätte, die Ehe mit dem Beschwerdeführer aus "normalen Beweggründen" geschlossen zu haben. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers wird aber auch dadurch eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung nicht aufgezeigt. Die belangte Behörde verwies in ihren Überlegungen darauf, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers erstmals am 18. September 2007 - unter dem Druck eines gegen sie eingeleiteten strafgerichtlichen Verfahrens wegen des Verdachts der falschen Zeugenaussage - die Unrichtigkeit ihrer bisherigen Angaben eingestanden habe. Insofern stellt es sich als mit dem Verfahrensergebnis im Einklang dar, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers in ihren früher gegenüber Behörden getätigten Angaben - einschließlich gegenüber der Personenstandsbehörde, die infolgedessen den Beschwerdeführer in einer Geburtsurkunde als Vater der von J geborenen Tochter M verzeichnete - das Eingehen einer Scheinehe nicht eingeräumt hatte.
Darüber hinaus durfte die belangte Behörde aber auch das Ergebnis diverser Erhebungen, die sie vor Ort, insbesondere in der Wohnung des S pflegte, in ihrer Beweiswürdigung verwerten, wobei sich die dabei präsentierenden Umstände mit sonstigen Beweisergebnissen in ein nachvollziehbares Gesamtbild fügten.
Zusammengefasst gelingt es sohin dem Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung, wonach ein gemeinsames Familienleben zwischen dem Beschwerdeführer und J nie stattgefunden habe, aufzuzeigen.
Es ist aber auch die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung nicht zu beanstanden. Insoweit wird dem vom Beschwerdeführer auch nichts Substantiiertes entgegnet. Mit dem Hinweis, die belangte Behörde sei angehalten, sämtliche Argumente, die für und gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprechen, gegenüberzustellen, legt der Beschwerdeführer in keiner Weise dar, weshalb im Rahmen der Interessenabwägung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen gewesen wäre. Im Hinblick darauf, dass die vom Beschwerdeführer erlangte Integration - was die belangte Behörde zu Recht ins Treffen geführt hat - lediglich durch das Eingehen einer Scheinehe erlangt wurde, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, die - durch den etwa dreieinhalb Jahre währenden bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet und der Berufstätigkeit konkretisierten - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet könnten im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen.
Da dem angefochtenen Bescheid sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 22. März 2011
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2011:2008180092.X00Im RIS seit
14.04.2011Zuletzt aktualisiert am
20.05.2011