RS Vfgh 2011/3/9 G60/10, V80/10

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Veröffentlicht am 09.03.2011
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Index

L4 Innere Verwaltung
L4610 Tierschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
VfGG §62 Abs1
Wr TierhalteG §5a, §11, §13, §14, §15
Verordnung der Wr Landesregierung über die Festlegung von hundeführscheinpflichtigen Hunden §1

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des WienerTierhaltegesetzes über die Haltung hundeführscheinpflichtiger Hunde;kein Verstoß der Verordnungsermächtigung gegen dasDeterminierungsgebot im Hinblick auf das Ziel des Schutzes vonMenschen vor Gefahren durch die Tierhaltung; Einstufung derHunderasse American Staffordshire Terrier alshundeführscheinpflichtig nicht gesetzwidrig; im Übrigen Zurückweisungder Individualanträge

Rechtssatz

Zulässigkeit und Abweisung der Individualanträge auf Aufhebung des §5a Abs1 und Abs2 Wr TierhalteG, LGBl 39/1987 idF LGBl 29/2010, sowie des Wortes "American Staffordshire Terrier" in §1 der Verordnung der Wiener Landesregierung über die Festlegung von hundeführscheinpflichtigen Hunden, LGBl 33/2010. Im Übrigen Zurückweisung der Anträge.

Unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des antragstellenden Halters und Verwahrers eines American Staffordshire Terriers durch §5a Abs1 und Abs2 Wr TierhalteG iVm §1 der Verordnung (betr führscheinpflichtige Kampfhunde); Verpflichtung zur Erbringung eines Sachkundenachweises bis längstens 30.06.11; Provozierung eines Verwaltungsstrafverfahrens nicht zumutbar.

Aktuelle Betroffenheit auch von der Verordnungsermächtigung des §5a Abs2 Wr TierhalteG; Zuwarten bis zum Auslaufen der Übergangsbestimmung nicht zumutbar; sicheres Eintreten der Rechtsfolgen, nämlich Verpflichtung zur positiven Absolvierung der Hundeführscheinprüfung bzw Verlust der Berechtigung zur Tierhaltung; spezielles Verfahren zum Erwerb der Kenntnisse für die Haltung des Hundes einzuhalten; Antragsteller daher schon zum jetzigen Zeitpunkt gezwungen, Vorkehrungen zu treffen.

Keine Darlegung von Bedenken "im einzelnen" iSd §62 Abs1 VfGG hins §5a Abs3 bis Abs12 Wr TierhalteG sowie der angefochtenen Teile des §13 leg cit; weiters kein untrennbarer Zusammenhang der Bestimmungen über den Verfall (§14 Abs1 und Abs2) sowie der Übergangsbestimmungen betr Abschluss einer Haftpflichtversicherung (§15 Abs1) und konkrete zeitliche Modalitäten der Erbringung des Sachkundenachweises (§15 Abs3) mit §5a Abs1 und Abs2 leg cit; keine Darlegung der unmittelbaren Betroffenheit.

(Mit-)Anfechtung der Verordnungsermächtigung zulässig, wenn die - unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifende - Verordnung bereits erlassen wurde. Gesetz ab Kundmachung Bestandteil der Rechtsordnung; Geltung des Gesetzes unabhängig vom zeitlichen Anwendungsbereich.

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen gesetzliche Regelungen, mit denen die Zulässigkeit der Haltung von Tieren, von denen potenziell eine Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen (insbesondere auch Kindern) ausgeht, an die Bedingung geknüpft wird, dass sich die Halter dieser Tiere zuvor über ihr Alltagswissen hinaus mit den besonderen Gefahren dieser Tiere und wie diesen durch eine sachgerechte Haltung begegnet werden kann, vertraut machen.

Verwaltungsbehördliches Handeln insofern determiniert, als der Verordnungsgeber unter Berücksichtigung der übrigen Bestimmungen des Gesetzes das in §1 leg cit formulierte Ziel, den Schutz von Menschen vor Gefahren, die sich aus der Tierhaltung ergeben, bestmöglich zu erreichen hat.

Hundeführscheinpflicht für jene Hunderassen vorgesehen, bei denen angesichts ihrer Größe und/oder ihrer Beißkraft sowie der sonst erwiesenen Gefährlichkeit für die Gesundheit von Menschen (und insbesondere auch von Kindern) davon auszugehen ist, dass das bei einem durchschnittlichen Hundebesitzer vorauszusetzende Alltagswissen nicht ausreicht, um eine für andere Menschen gefahrlose Haltung und Führung eines solchen Hundes bestmöglich sicherzustellen. Gesetzliche Vorgaben, zu denen von der Landesregierung erhobene sachverständige Grundlagen hinzutreten, unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als Parameter ausreichend.

Keine Gleichheitswidrigkeit; rechtspolitischer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zur Erreichung des zulässigen Ziels der Vermeidung einer Gefährdung bzw unzumutbaren Belästigung von Menschen und Beschädigung fremder Sachen; zulässige Abstufung der damit zusammenhängenden persönlichen Anforderungen an einen Tierhalter danach, ob von den gehaltenen Tieren ein höheres oder niedrigeres Gefährdungspotenzial ausgeht.

Keine Gesetzwidrigkeit der Einstufung der Hunderasse American Staffordshire Terrier - neben 11 anderen - als hundeführscheinpflichtig infolge Verursachung von 12 % aller Hundebisse in Wien im Jahr 2009.

Entscheidungstexte

  • G 60/10,V 80/10
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 09.03.2011 G 60/10,V 80/10

Schlagworte

Tierhaltung, Hunde, Determinierungsgebot, Legalitätsprinzip,Übergangsbestimmung, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes,VfGH / Individualantrag, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:G60.2010

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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