Index
41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gleichheitswidrigkeit von Bestimmungen über Mindeststrafen imFremdenpolizeigesetz; keine hinreichende Differenzierung zwischenVerstößen unterschiedlicher Gravität, keine Berücksichtigung vonUnterschieden möglichRechtssatz
Aufhebung der Wortfolge "von 1 000 Euro" in Abs1 und der Wendung "1," in Abs4 des §120 FremdenpolizeiG 2005 idF BGBl I 122/2009 wegen Verletzung des Sachlichkeitsgebots durch die Festlegung von Mindeststrafen iHv € 1000,-- bzw € 5000,--.
Zulässigkeit der Anträge des UVS Vorarlberg und des UVS Steiermark; denkmögliche Präjudizialität des §120 Abs1 FremdenpolizeiG bzw des §120 Abs4 und somit auch der angefochtenen Verweisung auf Abs1 in Abs4 leg cit in den Anlassverfahren.
Zusammenfassung mehrerer Verwaltungsstraftaten unter der Überschrift "Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt" durch die am 01.01.10 in Kraft getretene Novelle BGBl I 122/2009 zum FremdenpolizeiG; neuer Strafrahmen des §120 Abs1 FremdenpolizeiG aus Sicht des Gesetzgebers "auf Grund des Unrechtsgehalts dieser Tat und in Bezug auf die Systematisierung der Verwaltungsstrafen im Fremdenrecht" geboten.
Begrenzung des gesetzgeberischen Spielraums bei der Festlegung von Sanktionen für rechtswidriges Verhalten durch das Sachlichkeitsgebot (Unzulässigkeit der Unabhängigkeit absoluter Strafdrohungen vom Grad des Verschuldens und von der Höhe des durch eine Gesetzesübertretung bewirkten Schadens sowie eines exzessiven Missverhältnisses zwischen dem unter Strafsanktion gestellten Verhalten und der als primäre Rechtsfolge vorgesehenen Geldstrafe).
Mindeststrafe von € 1000,-- in §120 Abs1 FremdenpolizeiG unsachlich; Tatbestände der rechtswidrigen Einreise und des rechtswidrigen Aufenthalts auf eine Vielzahl unterschiedlicher Sachverhalte (Betretung in Österreich ohne Reisepass [wenn dieser im Niederlassungsstaat vergessen wurde] ebenso wie beharrlicher unrechtmäßiger Aufenthalt über mehrere Jahre) anzuwenden; Verstöße ganz unterschiedlicher Gravität erfasst, ohne dabei hinreichend die Berücksichtigung dieser Unterschiede zu ermöglichen.
Möglichkeit der (begünstigenden) Rücksichtnahme auf die Umstände des konkreten Falles durch §20 und §21 VStG keine Rechtfertigung für die Unterlassung der (notwendigen) Differenzierung im Gesetz hinsichtlich des Unrechtsgehalts.
Keine Differenzierung der (Mindest-)Strafdrohung nach Verschuldensgrad im Gegensatz zu Abs2 (Erschleichung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels) und Abs3 (Beihilfe zu rechtswidriger Einreise oder unbefugtem Aufenthalt) des §120 FremdenpolizeiG, die jeweils die verstärkte Vorsatzform der Wissentlichkeit voraussetzen.
Keine sachgerechte Bewertung der von §120 Abs1 FremdenpolizeiG erfassten Verhaltensweisen möglich.
Unsachlichkeit auch der fünffachen Erhöhung der Mindeststrafe im Wiederholungsfall durch Abs4 leg cit.
(Quasi-Anlassfall B1694/10, E v 02.05.11, B246/11, E v 15.06.11, ua).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Fremdenrecht, Verwaltungsstrafrecht, Strafe, Mindeststrafe,Geldstrafe, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2011:G53.2010Zuletzt aktualisiert am
21.05.2012