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19/05 Menschenrechte;Norm
EheG §23 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2008/22/0474Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden des M, 1. vertreten durch Mag. Andreas Duensing, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Oktober 2007, Zl. 149.338/2- III/4/07 (registriert unter Zl. 2008/22/0454), und 2. vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Jänner 2008, Zl. 149.338/5-III/4/07 (registriert unter Zl. 2008/22/0474), jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen erstangefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 22. Oktober 2007 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 11. März 2004 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaa. Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 und § 30 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.
(Die Behörde erster Instanz hatte den gegenständlichen Erstantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 27. Februar 2007 mit der Begründung abgewiesen, dass gegen den Beschwerdeführer ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 60 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG bestehe.)
In der fristgerecht eingebrachten Berufung habe der Beschwerdeführer - laut angefochtenem Bescheid - im Wesentlichen eingewendet, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft und dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Auf Grund der im Jahr 2004 geschlossenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin - so dieses Vorbringen weiter - bestehe bereits wegen der Angehörigen- bzw. Begünstigteneigenschaft des Beschwerdeführers ein Aufenthaltsrecht, die Niederlassungsbewilligung bestätige dieses nur.
(Mit hg. Erkenntnis vom 24. September 2009, 2006/18/0304, wurde die Beschwerde betreffend das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot als unbegründet abgewiesen.)
Mit Hinweis auf § 11 Abs. 1 Z. 4 und § 30 Abs. 1 NAG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei im Besitz eines von der Österreichischen Botschaft Ankara ausgestellten Visums C, gültig vom 3. Juni bis 5. Juli 2003, in das Bundesgebiet eingereist und habe am 1. Juli 2003 einen Asylantrag gestellt, den er am 12. März 2004 zurückgezogen habe. Am 2. März 2004 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet.
Erhebungen durch die Bundespolizeidirektion Wien, insbesondere eine niederschriftliche Vernehmung der Ehefrau des Beschwerdeführers am 24. November 2005, hätten ergeben, dass die Ehe durch einen Bekannten vermittelt worden sei, es nie ein Zusammenleben zwischen den Eheleuten gegeben habe bzw. eine eheliche Lebensgemeinschaft auch nie beabsichtigt gewesen sei. Die Ehefrau habe zugegeben, dass beide Ehepartner eine Scheinehe eingegangen seien. Außer gelegentlichen Zuwendungen in Form von Fleischwaren und geringen Geldwerten (EUR 20,-- bis 30,--) habe der Beschwerdeführer den Angaben seiner Ehefrau zufolge nichts zu deren Lebensunterhalt beigetragen. Die Behörde habe im Zuge von Hauserhebungen an der Wohnadresse der Ehefrau festgestellt, dass sich keine persönlichen Gegenstände oder Dokumente des Beschwerdeführers in der Wohnung befänden und der Beschwerdeführer auch von den Hausparteien nicht "erkannt" worden sei.
Am 22. März 2006 sei der Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt worden, dass die Fremdenpolizeibehörde beabsichtige, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Die dazu ergangene Stellungnahme habe die Feststellungen der Behörde nicht zu entkräften vermocht. Angesichts dieses Sachverhaltes komme die belangte Behörde zur Ansicht, dass eine Aufenthaltsehe vorliege, weshalb dem Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG zwingend ein Aufenthaltstitel zu versagen sei. Bei Vorliegen eines zwingenden Versagungsgrundes habe eine Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK zu unterbleiben. Auf Grund der als erwiesen anzunehmenden Aufenthaltsehe sei eine "Prüfung hinsichtlich des Gemeinschaftsrechts" entbehrlich.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Jänner 2008 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 15. Juni 2007 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" wiederum gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 und § 30 Abs. 1 NAG abgewiesen.
Auch diesen Bescheid begründete die belangte Behörde mit dem Vorliegen einer Aufenthaltsehe, weshalb dem Antrag der zwingende Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG entgegenstehe.
Gegen diese Bescheide richten sich die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde die vorliegenden Fälle im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide zutreffend nach dem am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG beurteilt hat (§ 81 Abs. 1, § 82 Abs. 1 NAG).
Zum erstangefochtenen Bescheid bringt die Beschwerde zunächst - unter Hinweis auf die Rechtslage zum Antragszeitpunkt nach dem Fremdengesetz 1997 (FrG) - vor, der Beschwerdeführer sei auf Grund seiner Heirat mit einer österreichischen Staatsbürgerin begünstigter Drittstaatsangehöriger; ihm komme bereits "mit" der Eheschließung ein Aufenthaltsrecht zu.
Im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen nach dem FrG für begünstigte Drittstaatsangehörige hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass nach der (damaligen) Rechtslage des FrG außerhalb des Anwendungsbereiches des Gemeinschaftsrechts dem begünstigten Drittstaatsangehörigen nicht schon auf Grund seiner Eigenschaft als Angehöriger eines Österreichers ein Aufenthaltsrecht zukam. Er bedurfte nach dem FrG für die Rechtmäßigkeit seiner Niederlassung einer (rechtsbegründenden) Niederlassungsbewilligung, wenn sich das Aufenthaltsrecht nicht schon unmittelbar aus gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ergab. Nur in letzterem Fall war die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht als rechtsbegründende Handlung, sondern bloß als deklaratorisch wirkende Urkunde zu betrachten. Dafür, dass im gegenständlichen Fall das Gemeinschaftsrecht wegen der Ehe mit einer Österreicherin unmittelbar ein Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers begründet hätte, gibt es jedoch keine Hinweise. Derartiges wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Vielmehr geht auch die Beschwerde davon aus, dass der Antrag als auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG (in der Stammfassung) gerichtet zu werten war. Somit unterlag der Beschwerdeführer gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 1 FrG der Sichtvermerkspflicht. Da ihm unstrittig bisher kein Aufenthaltstitel erteilt worden war, kam ihm nicht nur ab In-Kraft-Treten des NAG, sondern auch schon vor dem 1. Jänner 2006 kein Aufenthaltsrecht nach dem FrG zu (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. September 2009, 2008/22/0064, mwN). Den im Zusammenhang mit diesem Thema geltend gemachten Verfahrensmängeln kommt somit keine Berechtigung zu.
Sofern die Beschwerde auf eine Ungleichbehandlung der Ehepartner von österreichischen Staatsbürgern, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen haben, abzielt, ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2009, G 244/09 u.a., zu verweisen, in dem dieser diesbezüglichen gleichheitsrechtlichen Bedenken nicht gefolgt ist.
Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer sowohl vor seiner ersten Antragstellung am 11. März 2004 als auch vor jener am 15. Juni 2007 über kein Aufenthaltsrecht verfügt hat.
Gemäß § 11 Abs. 1 NAG (in der Stammfassung) dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn (Z. 1) gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 60 FPG besteht oder (Z. 4) eine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt.
Gemäß § 30 Abs. 1 NAG dürfen sich Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht führen, für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen.
Anders als die Erstbehörde hat die belangte Behörde im erstangefochtenen Bescheid die Versagung des Aufenthaltstitels - ohne dies zu begründen, aber offenbar im Hinblick darauf, dass der gegen das Aufenthaltsverbot erhobenen Beschwerde mittlerweile vom Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war - nicht auf den Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 1 NAG (Bestehen eines "aufrechten" Aufenthaltsverbotes), sondern im Rahmen des § 66 Abs. 4 AVG auf jenen nach der Z. 4 leg. cit. (Vorliegen einer Aufenthaltsehe) gestützt.
Der Beschwerdeführer bestreitet die Feststellungen im erstangefochtenen Bescheid nicht, wonach sich keine persönlichen Gegenstände oder Dokumente in der Wohnung seiner Ehefrau befunden hätten und er von den Hausparteien auch nicht "erkannt" worden sei. Die Aussage seiner Ehefrau, wonach diese und der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen seien, die Ehe vermittelt worden sei, ein Zusammenleben nie stattgefunden habe und eine eheliche Lebensgemeinschaft auch nie beabsichtigt gewesen sei, weist die Beschwerde nur sehr allgemein mit dem Hinweis darauf, dass die Ehefrau "wegen des raschen Scheiterns der Ehe verbittert" gewesen sei, als unrichtig zurück. Der Beschwerdeführer legt aber nicht dar, zu welchen Feststellungen die belangte Behörde im Fall der Durchführung weiterer Ermittlungen - welche der Beschwerdeführer dabei vor Augen hat, führt er nicht aus - hätte kommen können.
Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher - im Rahmen der ihm insoweit zukommenden Prüfungsbefugnis - keine Bedenken gegen das Ergebnis der Beweiswürdigung der belangten Behörde im erstangefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen sei.
Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid verweist lediglich auf das beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren, mit dem das Aufenthaltsverbot angefochten worden sei; es sei "davon auszugehen, dass eine Scheinehe nicht vorliegt". Ein darüber hinausgehendes Vorbringen, mit dem die Beurteilung der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer mit der mittlerweile geschiedenen Ehe eine Aufenthaltsehe eingegangen sei, bestritten werde, wurde nicht erstattet.
Die Beurteilung der belangten Behörde in beiden angefochtenen Bescheiden, dass der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehe, begegnet daher keinen Bedenken.
Entgegen der in der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht ist es auch unerheblich, dass bisher keine Nichtigerklärung der Ehe gemäß § 23 Abs. 1 EheG erfolgt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2007, 2007/18/0561).
Wie die belangte Behörde in beiden angefochtenen Bescheiden zutreffend ausführt, bestand für eine Bedachtnahme darauf, ob bei Vorliegen dieses Erteilungshindernisses allenfalls ein Eingriff in ein durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht des Beschwerdeführers aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen gerechtfertigt sei, kein Raum, zumal § 11 Abs. 3 NAG eine Bedachtnahme auf Art. 8 EMRK bei Vorliegen des genannten Versagungsgrundes nicht erforderlich macht (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2007, 2007/18/0270, mwN). Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensrügen gehen somit ins Leere.
Schließlich ist auch der weitere Beschwerdevorwurf, der erstangefochtene Bescheid sei mangelhaft begründet, nicht berechtigt, weil aus der Begründung dieses Bescheides mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar ist, welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat und welche Erwägungen für ihre Beurteilung maßgeblich waren.
Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 3. März 2011
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2011:2008220454.X00Im RIS seit
03.04.2011Zuletzt aktualisiert am
08.10.2012