TE Vwgh Erkenntnis 2011/3/4 2007/02/0378

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.2011
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
KFG 1967 §1 Abs1;
KFG 1967 §36 lite;
KFG 1967 §57a Abs5;
KFG 1967 §57a Abs6;
KFG 1967 §57a;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des A S in W, vertreten durch Dr. Ludwig Draxler & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Reichsratsstraße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 29. Oktober 2007, Zl. UVS- 03/P/32/7491/2007-9, betreffend Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. Oktober 2007 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach näher bestimmen Kraftfahrzeuges nicht dafür gesorgt, dass dieses Kraftfahrzeug iSd § 57a Abs. 1 KFG 1967 rechtzeitig der wiederkehrende Begutachtung zugeführt worden sei, weil sich das Kraftfahrzeug am 4. Juni 2007 um 9.20 Uhr an einem näher bezeichneten Ort mit der Begutachtungsplakette Nr. ….. (Lochung: 12/06) auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr befunden habe und zu diesem Zeitpunkt der vierte auf den in der Begutachtungsplakette eingelochten Zeitpunkt für die wiederkehrende Begutachtung folgende Monat bereits abgelaufen gewesen sei.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 1 iVm § 57a Abs. 1 KFG 1967 begangen; über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 70,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 70 Stunden) verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, das Tatfahrzeug sei zur Tatzeit unbestrittenermaßen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr abgestellt gewesen und auf dem Fahrzeug habe sich die Begutachtungsplakette Nr. ….... mit der Lochung 12/06 befunden. Somit hätte das Fahrzeug spätestens bis Ende April 2007 der wiederkehrenden Begutachtung zugeführt werden müssen. Die am Fahrzeug befindliche Begutachtungsplakette sei zur Tatzeit somit schon mehr als zwei Monate "abgelaufen" gewesen. Der Beschwerdeführer sei Zulassungsbesitzer des Tatfahrzeuges. Somit träfen ihn auch die Pflichten eines Zulassungsbesitzers im Sinne des § 103 Abs. 1 KFG 1967, und zwar auch dann, wenn - wie im gegenständlichen Fall - das Fahrzeug auf Dauer dem Sohn des Beschwerdeführers überlassen worden sei und ausschließlich von seinem Sohn gelenkt werde. Im Sinne des § 103 Abs. 1 KFG 1967 in Verbindung mit § 57a Abs. 1 KFG 1967 sei der Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer des Tatfahrzeuges rechtlich dafür verantwortlich, dass bei seinem Fahrzeug, sofern es auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr Verwendung finde, die wiederkehrende Begutachtung des Fahrzeuges rechtzeitig vorgenommen werde. Erfolge die gesetzlich vorgesehene wiederkehrende Begutachtung des Kraftfahrzeuges nicht oder nicht rechtzeitig, so habe der Zulassungsbesitzer seine gesetzlichen Pflichten verletzt und sei zu bestrafen. Im gegenständlichen Fall erfolge die Bestrafung des Beschwerdeführers nicht als "Verwender", sondern als Zulassungsbesitzer des gegenständlichen Kraftfahrzeuges.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 36 lit. e KFG 1967 dürfen Kraftfahrzeuge unbeschadet weiterer Bestimmungen über die Verwendung von Kraftfahrzeugen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn bei den der wiederkehrenden Begutachtung (§ 57a) unterliegenden zum Verkehr zugelassenen Fahrzeugen, soweit sie nicht unter § 57a Abs. 1b fallen, eine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette (§ 57a Abs. 5 und 6) am Fahrzeug angebracht ist.

Gemäß § 57 a Abs. 1 KFG 1967 hat der Zulassungsbesitzer eines Fahrzeuges der in den Z. 1 bis 4 angeführten Arten dieses zu den im Abs. 3 erster Satz festgesetzten Zeitpunkten von einem hiezu gemäß Abs. 2 Ermächtigten wiederkehrend begutachten zu lassen, ob es den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit entspricht und, bei Kraftfahrzeugen, ob mit dem Fahrzeug nicht übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden können; hiebei braucht jedoch die Messung des Nahfeldpegels nicht zu erfolgen, wenn keine Bedenken hinsichtlich einer Abänderung der Auspuffanlage bestehen oder das Fahrzeug nicht als lärmarmes Fahrzeug gekennzeichnet ist. Abs. 3 dieses Paragraphen besagt, dass die wiederkehrende Begutachtung bei Kraftfahrzeugen jährlich, jeweils zum Jahrestag der ersten Zulassung, auch wenn diese im Ausland erfolgte, oder zum Jahrestag des von der Behörde festgelegten Zeitpunktes vorzunehmen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 26. Juni 1978, Zl. 2485/77 (VwSlg 9603/A) zu einer vergleichbaren Rechtslage ausgeführt, dass sich aus der Gegenüberstellung dieser beiden Gesetzesbestimmungen unter Bedachtnahme auf § 1 Abs. 1 KFG 1967, wonach die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf Kraftfahrzeuge und Anhänger, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 verwendet werden, und auf den Verkehr mit diesen Fahrzeugen auf solchen Straßen anzuwenden ist, ergibt, dass der bloße Verstoß gegen die Vorschriften des § 57 a KFG 1967, ohne dass das Fahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet wird, nicht unter Strafsanktion steht. Enthielte nämlich § 57 a KFG 1967 schon eine diesbezügliche Strafsanktion, so wäre es unverständlich, warum § 36 lit. e unter Hinzufügung des

Kriteriums "dürfen ... auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur

verwendet werden ….." abermals dieselbe Strafsanktion androhen sollte.

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, u.a. (Z. 2) die Verwaltungsvorschrift zu enthalten, die durch die Tat verletzt worden ist. Ein Strafbescheid ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, wenn im Spruch ein Sachverhalt einem Straftatbestand unterstellt wird, der durch die Tat nicht verletzt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2002, Zl. 2000/21/0195, mwN).

Bei einem Verstoß gegen § 57a KFG 1967 ist nach der ständigen hg. Rechtsprechung § 36 lit. e leg. cit. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1980, Zl. 0249/80). Die Strafnorm des § 36 lit. e KFG 1967 richtet sich gegen den jeweiligen Verwender des Kraftfahrzeuges (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1994, Zl. 93/03/0219). Ausgehend von den Feststellungen des angefochtenen Bescheides hat aber nicht der Beschwerdeführer, sondern ausschließlich dessen Sohn das gegenständliche Kraftfahrzeug "verwendet", sodass die belangte Behörde im Rahmen der ihr nach § 66 Abs. 4 AVG grundsätzlich zustehenden Entscheidungsbefugnis den Spruch des dort angefochtenen Straferkenntnisses berichtigt und als verletzte Verwaltungsvorschrift § 57a iVm § 103 Abs. 1 KFG 1967 herangezogen hat; dies jedoch - wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht - in offensichtlicher Verkennung der Rechtslage.

Das belastet den angefochtenen Bescheid nach dem Vorgesagten mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 4. März 2011

Schlagworte

Sachverhalt SachverhaltsfeststellungBesondere RechtsgebieteAuslegung Diverses VwRallg3/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2011:2007020378.X00

Im RIS seit

03.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten