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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Kein Entzug des gesetzlichen Richters durch Zurückweisung desneuerlichen Antrags auf grundverkehrsbehördliche Genehmigung einesKaufvertrags wegen entschiedener Sache; keine wesentliche Änderungder Sach- oder Rechtslage gegenüber einem in Rechtskraft erwachsenenBescheidSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführer beantragten bei der
Bezirkshauptmannschaft Baden als Grundverkehrsbehörde erster Instanz die Genehmigung des Kaufvertrages vom 19./26. Mai 2008 über eine benachbarte landwirtschaftliche Liegenschaft bestehend aus den Grundstücken 365/1, 376/1 in EZ 1050, KG K.
1.1. Einem zwischen den Beschwerdeführern und der mitbeteiligten Partei - sohin mit denselben Vertragsparteien - über dieselbe Liegenschaft abgeschlossenen Kaufvertrag aus dem Jahr 2005 war mit dem im Instanzenzug ergangenen rechtskräftigen Bescheid vom 17. Jänner 2008 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung bereits versagt worden, da die Beschwerdeführer nicht hätten darlegen können, dass sie ausreichende eigene Kenntnisse und Fähigkeiten für die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes hätten, um daraus aktuell ihren Lebensunterhalt erheblich bestreiten zu können.
1.2. Die Grundverkehrsbezirkskommission wies den neuerlichen Antrag wegen entschiedener Sache gem. §68 Abs1 AVG 1991 zurück. Zunächst verweist sie darauf, dass das im Jänner 2008 abgeschlossene Verfahren auf den Bestimmungen des Niederösterreichischen Grundverkehrsgesetzes 1989 (im Folgenden: NÖ GVG 1989) basiert habe und nunmehr das Niederösterreichische Grundverkehrsgesetz 2007 (im Folgenden: NÖ GVG 2007) anzuwenden sei. Im neuen Grundverkehrsgesetz seien die Genehmigungsvoraussetzungen im §6 NÖ GVG 2007 geregelt. Nach dem Grundverkehrsgesetz 1989 befanden sich die Bestimmungen bezüglich der Prüfung der Genehmigungen im §3 NÖ GVG. §6 Abs2 NÖ GVG 2007 entspreche inhaltlich §3 Abs1 und 2 des NÖ GVG 1989. Die in §6 Abs2 NÖ GVG 2007 enthaltene Generalklausel werde durch demonstrative Beispiele näher umschrieben. Die Begriffsbestimmungen der Landwirteigenschaft sei im NÖ GVG 2007 in §3 Abs2 wortgleich der Bestimmung des §1 Z2 NÖ GVG 1989 geregelt. Auch die agrarpolitischen Ziele, die dem Motivenbericht zum neuen Grundverkehrsgesetz zu entnehmen seien, würden auf keine Änderung der Rechtslage diesbezüglich hindeuten. Es könne daher nicht von einer neuen Rechtslage ausgegangen werden. Bei gleich bleibender Rechtslage müssten sich daher die zugrunde liegenden Tatsachen verändert haben.
Die Beschwerdeführer hätten im Zuge des Verfahrens keine wesentlichen Änderungen dargelegt. Die Erhöhung des Kaufpreises von € 14.000,-- auf € 14.705,-- sei keine entscheidungsrelevante Tatsache. Die Beschwerdeführer hätten keinerlei Beweis dafür vorgelegt, dass sie nunmehr entweder über eine geeignete Befähigung zum Betrieb einer Landwirtschaft und damit zum Bestreiten des Lebensunterhaltes zu einem wesentlichen Teil in der Lage wären, noch sei ein konkretes Bewirtschaftungskonzept übermittelt worden.
Die Beschwerdeführer seien ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes im materiellrechtlichen Verfahren nicht nachgekommen, sondern hätten nur auf die "lapidare" Begründung ihres Antrages verwiesen. Daraus ergebe sich jedoch keinerlei Änderung der Beurteilungsgrundlage.
Der Beweis dafür, dass eine neue Sache vorliege, wäre von den Antragstellern zu erbringen gewesen; hier gelte eine Beweislastumkehr.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung.
2. Die Grundverkehrslandeskommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung (im Folgenden: GVLK) wies mit Bescheid vom 14. Mai 2009 die Berufung der Beschwerdeführer ab und versagte dem Kaufvertrag vom 19./26. Mai 2008 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.
Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass es sich aus grundverkehrsrechtlicher Sicht bei diesem Rechtsgeschäft um dasselbe Rechtsgeschäft wie jenes vom 5. August 2005 handle. Die erste Instanz habe daher den Antrag zu Recht wegen entschiedener Sache gem. §68 Abs1 AVG 1991 zurückgewiesen. Der vorgelegte Vertrag weise hinsichtlich seines Inhaltes und seiner Vertragspartner keine Änderung zum ehemals vorgelegten Kaufvertrag auf, dem mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 17. Jänner 2008 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt worden war. Die Genehmigungsvoraussetzungen für die Kaufverträge seien dieselben. Auch die Zielsetzungen und die demonstrativ aufgezählten Versagungsgründe (§3 Abs1 iVm Abs2 NÖ GVG 1989 bzw. §6 Abs1 iVm Abs2 NÖ GVG 2007 mit dem Wort "insbesondere") seien gleich.
Zur Begründung des Begehrens, dass der neuerliche Antrag zulässig sei und nicht entschiedene Sache vorliege, reiche die "lapidare" Behauptung, dass nunmehr ausschließlich Palmkätzchen gezüchtet werden sollten, keinesfalls aus. Die Partei habe von sich aus initiativ und nachvollziehbar darzulegen, warum sie vermeint, dass nun das Rechtsgeschäft grundverkehrsrechtlich genehmigungsfähig sei.
3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die Beschwerdeführer erachten sich im verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Verweigerung einer Sachentscheidung verletzt. Der Zurückweisungsgrund der entschiedenen Sache liege nicht vor. Sowohl der Sachverhalt als auch die anzuwendende Rechtsnorm unterscheide sich von der Entscheidung im ersten grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsverfahren.
1.1. Das Bewirtschaftungskonzept habe völlig anders ausgesehen als im ersten Verfahren, nach dem Palmkätzchen kultiviert und Damwildzucht betrieben werden sollte. Nunmehr solle die gesamte Fläche - für die nach Ansicht der Behörde wesentlich ertragreichere - "Palmkätzchenzucht" verwendet werden. Es sei unmittelbar einsichtig, dass dieses Bewirtschaftungskonzept einen wesentlich höheren Ertrag verspreche und die Beschwerdeführer somit das Kriterium des wesentlichen Beitrags der Einkünfte aus der Landwirtschaft erfüllen könnten.
Ein vollständiges Betriebskonzept sei von den Antragstellern, die nicht Landwirte seien, erst vorzulegen, wenn "zumindest ein Interessent oder eine Interessentin vorhanden ist" (§6 Abs2 Z1 NÖ GVG 2007).
Ob bei antragsbedürftigen Verfahren dem Antrag Berechtigung zukomme, sei erst im Verfahren zu beurteilen. Daher genüge es zunächst nur zu behaupten, diesmal von einem völlig anderen Bewirtschaftungskonzept auszugehen. Bereits damit sei ein anderer Verfahrensgegenstand als im ersten Verfahren festgelegt.
1.2. Dem Bescheid vom 17. Jänner 2008 sei das NÖ GVG 1989 zugrunde gelegen; der angefochtene Bescheid sei hingegen nach dem NÖ GVG 2007 zu beurteilen gewesen. Der Verfahrensgegenstand werde immer auch durch die angewandte Norm bestimmt. Die "Sache" habe sich daher durch das In-Kraft-treten des NÖ GVG 2007 geändert.
1.3. Dem ersten Verfahren sei der Kaufvertrag vom 5. August 2005 zugrunde gelegen, dem zweiten Antrag der Kaufvertrag vom 2. Juni 2008. Daher sei auch das Objekt, dessen Genehmigung beantragt wurde, ein anderes.
2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
2.1. Die Beschwerdeführer machen geltend, der angefochtene Bescheid verletze sie deshalb im verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil die Behörde zu Unrecht angenommen habe, dass eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage und des maßgeblichen Sachverhaltes nicht eingetreten sei. Sie habe den Beschwerdeführern eine Sachentscheidung verweigert.
2.2. Die Grundverkehrsbehörde erster Instanz hat den Antrag der Beschwerdeführer auf grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Kaufvertrages vom 19./26. Mai 2008 gemäß §68 Abs1 AVG 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde von der GVLK als unbegründet abgewiesen und somit die Zurückweisung der Erstinstanz bestätigt.
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren war lediglich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, mit dem der Antrag der Beschwerdeführer vom 2. Juni 2008 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden war, und nicht auch die Rechtmäßigkeit des Bescheides der GVLK vom 17. Jänner 2008 zu prüfen. Formell rechtskräftige Bescheide können nämlich außer in den Fällen der §§69 und 71 AVG 1991 nur unter der Voraussetzung der Abs2 bis 4 des §68 leg.cit. aufgehoben, abgeändert oder für nichtig erklärt werden. Insoweit diese Voraussetzungen nicht zutreffen, sind die Behörden an Bescheide, allenfalls auch ungeachtet der Gesetzwidrigkeit ihres Inhaltes, gebunden, und ist ein dennoch gestellter Antrag gemäß §68 Abs1 AVG 1991 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 10.240/1984, VwGH 19.11.1979, Z16/79). Die Wirkung der Rechtskraft eines Bescheides erstreckt sich jedoch nicht auf nach Erlassung des Bescheides geänderte Sachverhalte (eine solche Änderung des Sachverhaltes wird von der Beschwerde behauptet), es sei denn, dass sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesenen Begehren nur dadurch unterscheidet, dass es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist (VwGH 19.11.1979, Z16/79 und die dort zitierte Vorjudikatur). Es können daher nur solche Änderungen des Sachverhaltes zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulassen, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die negative Sachentscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten können (VwSlg. 7762 A/1970, s. auch VfSlg. 12.514/1990).
Wie sich aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ergibt (s. VfSlg. 12.514/1990, 11.688/1988 und 10.240/1984 mwH) ist dann, wenn sich die zuständige Behörde zu Recht mit der Frage beschäftigt hat, ob nach Rechtskraft einer Entscheidung eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eine neue Entscheidung rechtfertigt und diese Frage verneint wurde, auch bei einer allfälligen Unrichtigkeit ihres Urteils nicht von einer Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auszugehen.
2.3.1. Die belangte Behörde hat sich mit der Frage, ob sich durch die Ablösung des NÖ GVG 1989 durch das NÖ GVG 2007 die Rechtslage wesentlich geändert hat, auseinander gesetzt und vertretbar eine wesentliche Änderung der Rechtslage verneint.
2.3.2. Mit ihrer Argumentation weisen die Beschwerdeführer aber auch nicht nach, dass die Behörde zu Unrecht angenommen habe, es liege hier keine wesentliche Änderung des Sachverhalts vor.
Der belangten Behörde ist vielmehr aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, wenn sie den Abschluss des neuen Kaufvertrages, der gegenüber dem seinerzeitigen Kaufvertrag nur in solchen Umständen geändert wurde, die für die rechtskräftig ausgesprochene Versagung der Genehmigung unwesentlich waren, nicht als eine wesentliche Änderung der Sachlage beurteilt hat.
2.4. Liegt also keine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage gegenüber dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vor, dann ist die Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführer durch den erstinstanzlichen Bescheid und dessen Bestätigung durch den angefochtenen Bescheid aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
2.5. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter hat durch den angefochtenen Bescheid somit nicht stattgefunden.
3. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wären.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
4. Diese Entscheidung konnte gem. §19 Abs4 1. Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Verwaltungsverfahren, Bescheid Rechtskraft, resiudicataEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2010:B747.2009Zuletzt aktualisiert am
21.11.2011