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41 Innere AngelegenheitenNorm
AsylG 1997 §7, §8Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinanderdurch Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurück- oderAbschiebung und Ausweisung einer Mutter und ihres minderjährigenSohnes in den HerkunftsstaatSpruch
I. Die Beschwerdeführer sind durch die Entscheidungen, soweit damit die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für zulässig befunden und die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Mongolei ausgesprochen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Die Entscheidungen werden insoweit aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.640,--bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Erstbeschwerdeführerin, eine mongolische
Staatsbürgerin, stellte am 23. Juni 2005 für sich und ihren zu diesem Zeitpunkt minderjährigen Sohn Anträge auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt wies die Anträge mit Bescheiden vom 8. März 2006 gemäß '7 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76/1997 "idgF" (gemeint wohl: idF BGBl. I 101/2003; im Folgenden: AsylG 1997), ab, gleichzeitig wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gemäß §8 Abs1 AsylG 1997 für zulässig befunden und die Beschwerdeführer gemäß §8 Abs2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Mongolei ausgewiesen.
2.1. Die dagegen erhobene Beschwerde der unvertretenen Erstbeschwerdeführerin vom 17. März 2006, mit welcher im Rahmen des Familienverfahrens auch der Bescheid des Zweitbeschwerdeführers bekämpft wurde, die sich explizit gegen die vom Bundesasylamt verwendeten Länderberichte und die darauf basierenden Länderfeststellungen richtet, wurde mit den Entscheidungen des Asylgerichtshofes vom 9. Februar 2010 in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin gemäß §§7, 8 Abs1 AsylG 1997 und §10 Abs1 Z2 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 135/2009 (im Folgenden: AsylG 2005) und in Bezug auf den Zweitbeschwerdeführer gemäß §10 Abs5 AsylG 1997 iVm §§7, 8 AsylG 1997 und §10 Abs1 Z2 AsylG 2005 abgewiesen. Der Asylgerichtshof stützt sich in beiden Entscheidungen ausschließlich auf das Ermittlungsverfahren des Bundesasylamtes aus den Jahren 2005 und 2006, stellt jedoch fest, dass das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin glaubhaft sei. Es sei ihr trotz der Glaubwürdigkeit ihres Vorbringens (vgl. Seite 9 des angefochtenen Erkenntnisses der Erstbeschwerdeführerin) aber nicht gelungen, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen vorzubringen, wenngleich nicht verkannt würde, dass der Schutz der Frau in der Mongolei verbesserungswürdig sei (vgl. Seite 10 des angefochtenen Erkenntnisses der Erstbeschwerdeführerin). Die Krankheiten der Erstbeschwerdeführerin seien in der Mongolei behandelbar, sie sei arbeitsfähig, auch drohe ihr keine Gefahr im Sinne einer Verletzung ihrer Rechte nach Art2 oder 3 EMRK.
2.2. Die Entscheidung des Asylgerichtshofes im Verfahren des Zweitbeschwerdeführers verweist in diesen beiden Spruchpunkten auf das Verfahrensergebnis der Erstbeschwerdeführerin.
2.3. In beiden Entscheidungen führt der Asylgerichtshof zur Ausweisung aus, dass die beiden Beschwerdeführer erst seit 2005 in Österreich wären und ein schützenswertes Privat- oder Familienleben im Verfahren nicht hervorgekommen wäre.
3. In der gegen diese Entscheidungen gemäß Art144a B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte (auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie gemäß Art2 und 3 EMRK) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen beantragt.
4. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand und beantragte, die Beschwerde abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
A. Die Beschwerde ist, soweit sie sich jeweils gegen die Entscheidung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung und die Ausweisungen richtet, begründet:
1. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg. 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie VfGH 7.11.2008, U67/08).
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken.
2. Derartige in die Verfassungssphäre reichende Fehler sind dem Asylgerichtshof unterlaufen:
2.1. Gemäß §8 AsylG 1997 (iVm §57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I 75/1997 idF BGBl. I 134/2002) ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2, 3 EMRK oder der Zusatzprotokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Der Asylgerichtshof erachtet das Vorbringen der Verfolgung durch den Ehemann der Erstbeschwerdeführerin für glaubhaft. Trotz dieser Glaubwürdigkeit der Misshandlungen und des expliziten Beschwerdevorbringens gegen die Bescheide des Bundesasylamts - eine elaborierte Beschwerde gegen die Bescheide des Bundesasylamts ist den Verwaltungsakten des Bundesasylamts zu entnehmen - unterlässt es der Asylgerichtshof jedoch, sich bei der Beurteilung des Vorliegens einer "realen Gefahr einer Verletzung von Art2 oder 3 EMRK" bzw. einer "ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt" mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Erstbeschwerdeführerin eine solche erneute Misshandlung und in weiterer Folge eine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens infolge willkürlicher Gewalt droht. Dies vor allem angesichts der Tatsache, dass die Erstbeschwerdeführerin bereits mehrmals die Polizei um Hilfe gebeten und Anzeige erstattet hat, diese aber nicht tätig geworden ist. Aktuelle Ermittlungen zu entscheidungsrelevanten Sachverhalten hinsichtlich der Refoulementprüfung fehlen - insbesondere aufgrund der Tatsache, dass sich der Asylgerichtshof auf vier Jahre alte Länderfeststellungen stützt und keine eigenen Ermittlungen setzt - zur Gänze (vgl. VfSlg. 18.646/2008).
2.2. Da die Begründung zu Spruchpunkt II. im Erkenntnis des Zweitbeschwerdeführers im Wesentlichen die Begründung im Erkenntnis der Erstbeschwerdeführerin wiedergibt und von der jederzeitigen Rückkehrmöglichkeit der Erstbeschwerdeführerin ausgegangen wird, gilt für diesen das unter 2.1. Gesagte.
3. Die Beschwerdeführer sind somit durch die Entscheidung auf Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Da die Ausweisung aus dem Bundesgebiet u.a. eine Abweisung der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten voraussetzt, sind die Entscheidungen, insoweit sie die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Mongolei und die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Mongolei betreffen, aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen und die mangelnden Ermittlungen diesbezüglich einzugehen war.
B. Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit damit die Abweisung des Asylantrages bekämpft wird, aus folgenden Gründen abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144a B-VG ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144a Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit damit die Abweisung der Beschwerde an den Asylgerichtshof gegen die Abweisung des Asylantrages bekämpft wird, abzusehen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm 88 VfGG. Dabei ist zu beachten, dass im gegenständlichen Fall eine Beschwerde für insgesamt zwei Beschwerdeführer zu zwei gleichartigen Erkenntnissen des Asylgerichtshofs eingebracht wurde. Hiefür gebührt insgesamt nur ein Pauschalsatz in Höhe von € 2.000,--, der alle regelmäßig anfallenden Kosten abdeckt. Ein Streitgenossenzuschlag in der Höhe von € 200,-- ist zusätzlich zu gewähren (vgl. VfSlg 14.788/1997; VfGH 26.6.1998, B259/96 ua; 12.12.2001, B1798/00 ua). Den Beschwerdeführern sind somit Kosten von insgesamt € 2.640,-- zuzusprechen. Die teilweise Erfolglosigkeit der Beschwerde kann dabei außer Betracht bleiben, da dieser Teil keinen zusätzlichen Prozessaufwand verursacht hat (vgl. VfGH 21.9.2009, U1655/09 mwN). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 440,-- enthalten.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG sowie §19 Abs4 erster Satz leg.cit. ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Asylrecht, Ausweisung, Refoulement-Verbot, Ermittlungsverfahren,Bescheid Trennbarkeit, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2010:U658.2010Zuletzt aktualisiert am
21.11.2011