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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §39 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der RE in D, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9/II, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 29. September 1999, Zl. LGSTi/V/1217/3985 31 12 60-707/1999, betreffend Sondernotstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Lienz vom 12. Mai 1999, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Sondernotstandshilfe vom 12. März 1999 gemäß § 39 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes - AlVG abgelehnt worden war, gemäß § 39 AlVG und § 1 der Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 361/1995 idF. BGBl. II Nr. 90/1998, - SNH-VO - keine Folge.
Die belangte Behörde ging von folgendem Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführerin habe am 12. März 1999 beim Arbeitsmarktservice Lienz einen Antrag auf Sondernotstandshilfe gestellt. Laut Bescheinigung der Gemeinde D seien mehrere Unterbringungsmöglichkeiten in D oder Lienz für das Kind Natalie, geboren 1997 geeignet. Hiebei handle es sich gemäß § 39 Abs. 1 Z. 2 AlVG um jenes Kind, dessen Geburt Anlass für die Gewährung von Karenzgeld gewesen sei. Zu diesen Unterbringungsmöglichkeiten habe die Beschwerdeführerin angegeben, dass sie ungeeignet bzw. unzumutbar seien. Gegen den ablehnenden Bescheid des Arbeitsmarktservice Lienz vom 24. Mai 1999 habe die Beschwerdeführerin berufen.
Laut der hiezu ergangenen Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 19. Juli 1999 werde die Unterbringung des Kindes Natalie im Osttiroler Kinderbetreuungszentrum in N als zumutbar erachtet. Die Beschwerdeführerin wohne in einem Eigenheim in G. Die Gehzeit von ihrem Haus zur nächsten Bushaltestelle betrage acht Minuten, die Fahrzeit nach N 15 Minuten, von dort zum Osttiroler Kinderbetreuungszentrum drei Minuten. Die Möglichkeit der Aufnahme von Kindern in Tagespflege sei gegeben. Die Beschwerdeführerin habe zwei weitere Kinder (geboren 1994 und 1995) zu betreuen. Die Gemeinde D habe sich in der Stellungnahme vom 23. Juli 1999 der Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Lienz angeschlossen. Laut Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Lienz vom 25. August 1999 benötige man vom Wohnort (gemeint wohl: Wohnhaus) der Beschwerdeführerin zur nächstgelegenen Bushaltestelle ca. fünf Gehminuten, das öffentliche Verkehrsmittel benötige zehn bzw. 15 Minuten, abhängig davon, ob direkt oder durch die Gemeinde D gefahren werde. Die Gesamtzeit vom Wohnort zum Betreuungszentrum betrage maximal 25 Minuten.
Rechtlich gelangte die belangte Behörde gestützt auf § 1 Abs. 2 lit. b SNH-VO zum Ergebnis, dass die genannte Unterbringungsmöglichkeit geeignet sei. Somit fehle die Anspruchsvoraussetzung gemäß § 39 Abs. 1 Z. 2 AlVG.
Gegen diesen Bescheid wandte sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 13. Juni 2000, B 1818/99-3, ihre Behandlung ab und trat sie sodann dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin rügt als inhaltliche Rechtswidrigkeit, dass sie drei Kleinkinder zu betreuen habe. Es sei in einer teleologischen Interpretation des § 1 Abs. 2 SNH-VO auch der Transport der anderen Kinder vom und zum Kindergarten zu berücksichtigen, sohin insgesamt zu beurteilen, ob eine "Wiedereingliederung" in die Arbeitswelt möglich sei.
Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin den Inhalt des § 39 Abs. 1 Z. 2 AlVG. Danach haben Mütter und Väter unter anderem nur dann Anspruch auf Sondernotstandshilfe, wenn sie wegen Betreuung "ihres Kindes, dessen Geburt Anlass für die Gewährung des Karenzurlaubsgeldes war, keine Beschäftigung annehmen können, weil für dieses Kind keine Unterbringungsmöglichkeit besteht". Der Gesetzeswortlaut bestimmt sohin ausdrücklich, dass nur hinsichtlich dieses konkreten Kindes die Unterbringungsmöglichkeit zu prüfen ist. Da die SNH-VO nur eine Ausführung der in § 39 enthaltenen Grundsätze regelt, darf ihr Inhalt nicht über den Inhalt der übergeordneten gesetzlichen Bestimmung hinausgehend interpretiert werden. Die belangte Behörde hat daher zu Recht lediglich auf das Kind Natalie, dessen Geburt Anlass für die Gewährung von Karenzgeld gewesen war, abgestellt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 97/08/0420).
Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausschließlich auf die Prüfung der Voraussetzung gemäß § 1 Abs. 2 lit. b SNH-VO beschränkt habe. Im Hinblick auf § 1 Abs. 2 lit. a SNH-VO bringt sie vor, die belangte Behörde wäre bei entsprechender Ermittlungstätigkeit zu dem Ergebnis gelangt, dass die auf Grund ihres Berufes "unbedingt erforderliche Übernachtungsmöglichkeit bzw. Wochenendbetreuung für drei Kinder tatsächlich nicht gegeben" sei. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin jedoch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf. Denn gemäß der zitierten Verordnungsstelle haben die Öffnungszeiten der Unterbringungsmöglichkeit "den auf dem Arbeitsmarkt üblichen Arbeitszeiten einschließlich der Zeit, die für die Hinbringung bzw. Abholung des Kindes erforderlich ist, angepasst" zu sein. Die Verordnung nimmt demnach auf abweichende Arbeitszeitanforderungen einzelner Berufsgruppen nicht Rücksicht (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998, Zl. 96/08/0247).
Zum Argument "Betreuung für drei Kinder" weist der Verwaltungsgerichtshof einerseits auf die oben zur behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhalts gemachten Ausführungen, andererseits darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof die von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde an diesen vorgetragenen (verfassungsrechtlichen) Bedenken offenbar nicht geteilt hat.
Im Hinblick auf § 1 Abs. 2 lit. c AlVG behauptet die Beschwerdeführerin lediglich, die Behörde hätte "überprüfen müssen, ob das Entgelt für die mir zugewiesenen Unterbringungsmöglichkeiten" angemessen sei. Sie behauptet aber nicht, dass die - zwar nur im Verwaltungsakt und nicht im angefochtenen Bescheid genannten - Entgelte für die Unterbringung mehr als 25 % über den durchschnittlichen Kosten anderer vergleichbarer Einrichtungen lägen. Damit legt die Beschwerdeführerin auch hier die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. März 2001
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000020208.X00Im RIS seit
18.10.2001