TE Vfgh Beschluss 2011/3/4 B46/09

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Veröffentlicht am 04.03.2011
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Index

43 Wehrrecht
43/01 Wehrrecht allgemein

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
AuslandseinsatzG 2001 §6 Z1
HeeresdisziplinarG 2002 §63, §83, §84, §85

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde eines Soldaten gegen die Verhängungeiner Disziplinarstrafe während eines Auslandseinsatzes wegenNichterschöpfung des Instanzenzugs; Antrag auf Überprüfung derDisziplinarentscheidung durch die Disziplinarkommission nachBeendigung des Einsatzes als Rechtsmittel imHeeresdisziplinargesetz 2002 vorgesehen

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer steht als Militärperson der Verwendungsgruppe M BO 2 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Mit mündlich verkündeter Entscheidung des Kommandanten des "Regionalen Koordinierungszentrums 4" AUCON/EUFOR (in der Folge: Einheitskommandant) vom 10. Oktober 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer während dessen Teilnahme an einem Auslandseinsatz des Bundesheeres wegen während des Einsatzes begangener Pflichtverletzung gemäß §2 Abs1 Heeresdisziplinargesetz 2002 - HDG 2002, BGBl. I 167 (WV), die Disziplinarstrafe der Geldbuße gemäß §83 Abs1 Z2 HDG 2002 in der Höhe von € 600,-- verhängt; als Milderungsgrund wurde dabei ein teilweises Schuldeingeständnis des Beschwerdeführers angeführt. In der Rechtsmittelbelehrung führte der Einheitskommandant aus, dass der Beschwerdeführer "gegen dieses Disziplinarerkenntnis" binnen einer Woche mündlich oder schriftlich Berufung einbringen könne.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Entscheidung mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 "gem. §65 HDG idgF der Sache und der Höhe nach Einspruch".

1.2. In weiterer Folge erging ein an den Beschwerdeführer adressierter, mit 27. November 2008 datierter Bescheid des Kontingentskommandanten AUCON/EUFOR/ALTHEA "als Disziplinarvorgesetzte[n]" folgenden Inhaltes:

"Berufungsentscheidung

Ihrer Berufung gegen das mündliche Disziplinarerkenntnis des Kommandanten des RCC4, Obstlt S, vom 10 10 08 wird gemäß §35 Abs2 Heeresdisziplinargesetz 2002 (HDG 2002) … teilweise Folge gegeben und die verhängte Geldbuße in der Höhe von € 600.-- auf € 250.-- herabgesetzt."

In der Rechtsmittelbelehrung heißt es:

"Gegen diese Berufungsentscheidung ist gemäß §35 Abs2 HDG 2002 keine weitere Berufung zulässig."

Schließlich enthält der Bescheid den folgenden Hinweis:

"Sie werden auf die Möglichkeit hingewiesen, binnen sechs Wochen nach Zustellung dieser Berufungsentscheidung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. …"

2. Gegen diesen Bescheid des Kontingentskommandanten AUCON/EUFOR/ALTHEA richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und einer verfassungswidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, "für den Fall der Abweisung oder Ablehnung" die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird. Der Beschwerdeführer bringt zur behaupteten Grundrechtsverletzung durch den bekämpften Bescheid u. a. vor, dass gegen die erstinstanzliche Disziplinarverfügung (um eine solche müsse es sich bei der erstbehördlichen Entscheidung wegen Unterlassens eines Ermittlungsverfahrens handeln) ein Einspruch zulässig, dieses vom Beschwerdeführer erhobene Rechtsmittel jedoch in eine Berufung umgedeutet und ein zweitinstanzliches Verfahren abgeführt worden sei; richtiger Weise hätte die Disziplinarverfügung auf Grund des Einspruches außer Kraft treten und ein ordentliches, erstinstanzliches Verfahren durchgeführt werden müssen.

Zur Zulässigkeit der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer Folgendes vor:

"Die gegenständliche Beschwerde ist … zulässig, weil kein weiteres Rechtsmittel mehr gegen die 'Berufungsentscheidung' zulässig ist. Der Instanzenzug ist somit ausgeschöpft."

Der Kontingentskommandant AUCON/EUFOR/ALTHEA als die im verfassungsgerichtlichen Verfahren belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Darin führt er zu der in der Beschwerde behaupteten Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes durch den bekämpften Bescheid u.a. aus, dass

"§85 Abs5 HDG 2002 in Verbindung mit §6 des Auslandseinsatzgesetzes 2001 … unter anderem eine Überprüfung einer rechtskräftig verhängten Geldbuße durch einen Antrag bei der Disziplinarkommission innerhalb von vier Wochen nach Beendigung des Einsatzes normiert."

Der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport erstattete über Einladung des Verfassungsgerichtshofes mit Schreiben vom 18. Jänner 2011 eine Stellungnahme zum Instanzenzug und zur Frage, wie die (soeben wiedergegebenen) Ausführungen in der Gegenschrift im Lichte des angefochtenen Bescheides, insbesondere dessen Rechtsmittelbelehrung, zu beurteilen sind. Er führt u.a. Folgendes aus:

"Nach §85 Abs5 und 6 des Heeresdisziplinargesetzes 2002 … ist eine nur im Einsatz zulässige, rechtskräftig verhängte Disziplinarstrafe gegen Berufssoldaten, deren Verhängung in zweiter Instanz nicht dem Einsatzstraforgan obliegt, auf Antrag des Bestraften nach Beendigung des Einsatzes durch die Disziplinarkommission zu überprüfen. Die Antragsfrist von zwei Wochen wird durch die spezifische Bestimmung des §6 Z1 letzter Satz des Auslandseinsatzgesetzes 2001 … auf vier Wochen modifiziert.

Wie in den Erläuterungen zum 1. Hauptstück des Schlussteiles (Disziplinarrecht im Einsatz) des Heeresdisziplinargesetzes 1994 … ausgeführt wird, wurde durch diese Bestimmung dem besonderen Rechtsschutzinteresse der während eines Einsatzes bestraften Soldaten Rechnung getragen. Es ist als eigenständiges Überprüfungsverfahren konstruiert.

Da dieses Überprüfungsverfahren auf die Rechtskraft der verhängten Disziplinarstrafe abstellt, handelt es sich um ein außerordentliches Rechtsmittel, vergleichbar mit der Vorstellung im Gemeinderecht (vgl. hiezu Hans Neuhofer, Gemeinderecht2, S. 344). In der Rechtsmittelbelehrung nach §61 AVG sind jedoch nur jene ordentlichen Rechtsmittel zu berücksichtigen, die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen selbst geregelt sind (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, §61 FN 1 und 2).

Der wesentliche Unterschied zwischen dem in Rede stehenden eigenständigen Überprüfungsverfahren nach dem Heeresdisziplinargesetz 2002 und der Vorstellung im Gemeinderecht besteht darin, dass die Disziplinarkommission reformatorisch entscheidet. …

Eine gesetzliche Grundlage, die eine Pflicht zur Überprüfungsbelehrung vorsieht, findet sich im Heeresdisziplinargesetz 2002 … nicht (vgl. auch hiezu Neuhofer aaO.). Eine generelle Adaption des Hinweises der einschlägigen Bescheide wird im Lichte der ho. getätigten Ausführungen veranlasst."

II. Rechtslage

1. §1 Z1 lita bis litc des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland - KSE-BVG, BGBl. I 38/1997 in der Fassung BGBl. I 35/1998, lautet wie folgt:

"§1. Einheiten und einzelne Personen können in das Ausland entsendet werden

1. zur solidarischen Teilnahme an

a) Maßnahmen der Friedenssicherung einschließlich der Förderung der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Menschenrechte im Rahmen einer internationalen Organisation oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder in Durchführung von Beschlüssen der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oder

b) Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe oder

c) Maßnahmen der Such- und Rettungsdienste …"

2. Die §§1 und 6 des Auslandseinsatzgesetzes 2001 - AuslEG 2001, BGBl. I 55 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I 18/2008, lauten - auszugsweise - wie folgt:

"Anwendungsbereich

§1. (1) Dieses Bundesgesetz ist, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt wird, auf Soldaten anzuwenden, die in das Ausland entsendet werden nach §1 Z1 lita bis c des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG), BGBl. I Nr. 38/1997. …

…"

"Disziplinarrecht

§6. Pflichtverletzungen, die von Soldaten in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Dienstverwendung nach §1 Z1 lita bis c KSE-BVG begangen werden, sind nach dem Heeresdisziplinargesetz 2002 (HDG 2002), BGBl. I Nr. 167, zu ahnden. Dabei gelten folgende Maßgaben:

1. Das 1. Hauptstück des Schlussteiles des Heeresdisziplinargesetzes 2002 betreffend das Disziplinarrecht im Einsatz ist anzuwenden. … Der Antrag auf Überprüfung einer Entscheidung nach §85 Abs5 HDG 2002 ist auch nach jeder rechtskräftigen Verhängung einer Geldbuße und eines Ausgangsverbotes zulässig. Die Antragsfrist für die nachträgliche Überprüfung einer Entscheidung nach §85 Abs6 HDG 2002 beträgt vier Wochen.

…"

3.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des HDG 2002 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I 17/2008 lauten - auszugsweise - wie folgt:

"Allgemeiner Teil

1. Hauptstück

Allgemeine Bestimmungen

Pflichtverletzungen

§2. (1) Soldaten sind disziplinär zur Verantwortung zu ziehen wegen

1. Verletzung der ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten

2. Hauptstück

Organisatorische Bestimmungen

Disziplinarbehörden

§11. (1) Disziplinarbehörden sind

1.

die Einheitskommandanten,

2.

die Disziplinarvorgesetzten,

3.

die Kommissionen im Disziplinarverfahren als

a)

Disziplinarkommission und

b)

Disziplinaroberkommission

und

              4.              die Einsatzstraforgane.

Einheitskommandanten

§12. (1) Einheitskommandanten sind die Offiziere, denen der Befehl über eine Einheit übertragen ist, sowie die ihnen auf Grund der militärischen Organisation Gleichgestellten. Sie sind Disziplinarbehörde gegenüber den ihrer Befehlsgewalt unterstellten Soldaten. …

Disziplinarvorgesetzte

§13. (1) Disziplinarvorgesetzte gegenüber Soldaten sind

1. die Kommandanten von Bataillonen und die ihnen auf Grund der militärischen Organisation Gleichgestellten gegenüber den ihrer jeweiligen Befehlsgewalt unterstellten Soldaten,

3. Hauptstück

Allgemeine Verfahrensbestimmungen

Verfahrensarten

§21. Ein Disziplinarverfahren ist durchzuführen als

1.

Kommandantenverfahren oder

2.

Kommissionsverfahren.

Anwendung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991

§23. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind folgende Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, anzuwenden:

1. im Kommandanten und im Kommissionsverfahren

        §§58 bis 61,             (Inhalt und Form

        §61a und                 der Bescheide),

        §62 Abs4

Ordentliche Rechtsmittel

§35. (1) Ein Einspruch oder eine Berufung ist von der Partei schriftlich oder mündlich bei der Disziplinarbehörde einzubringen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. …

(2) Die Berufungsbehörde hat, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen oder die Sache wegen wesentlicher Mängel des Verfahrens an die Disziplinarbehörde erster Instanz zurückzuverweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Die Berufungsentscheidung ist zu begründen. Gegen die Berufungsentscheidung ist keine weitere Berufung zulässig.

Besonderer Teil

2. Hauptstück

Besondere Verfahrensbestimmungen

1. Abschnitt

Kommandantenverfahren

Disziplinarerkenntnis

§62. (1) Disziplinarerkenntnisse können mündlich oder schriftlich ergehen. …

...

Abgekürztes Verfahren und Disziplinarverfügung

§63. (1) Die für den Beschuldigten zuständige Disziplinarbehörde erster Instanz darf in einem bei ihr anhängigen Disziplinarverfahren ohne Ermittlungsverfahren eine Disziplinarverfügung erlassen (abgekürztes Verfahren), sofern

1. ein Beschuldigter

a) vor einem Vorgesetzten, der zumindest Einheitskommandant ist, eine Pflichtverletzung gestanden hat oder

b) wegen des der Pflichtverletzung zugrunde liegenden Tatbestandes rechtskräftig durch ein Strafgericht verurteilt oder durch eine Verwaltungsbehörde bestraft wurde und

2. keine strengere Disziplinarstrafe als die Geldbuße erforderlich ist.

...

(3) Disziplinarverfügungen können mündlich oder schriftlich ergehen. ...

Berufung

§64. (1) Die Berufungsfrist beträgt eine Woche. Gehört der Beschuldigte in jenem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung der ersten Instanz gefällt wird, dem Miliz oder Reservestand an, so beträgt die Berufungsfrist zwei Wochen.

...

Einspruch gegen Disziplinarverfügungen

§65. (1) Der Beschuldigte kann gegen eine Disziplinarverfügung innerhalb der für die Berufung jeweils eingeräumten Fristen nach §64 Abs1 von einer Woche oder zwei Wochen Einspruch erheben. Dieser bedarf keiner Begründung. Der rechtzeitige Einspruch setzt die Disziplinarverfügung außer Kraft, er bewirkt jedoch nicht die Einstellung des Verfahrens. Das Disziplinarverfahren ist von der Behörde, die die Disziplinarverfügung erlassen hat, als ordentliches Verfahren fortzuführen und abzuschließen.

(2) Im weiteren Verfahren hat die Disziplinarbehörde auf den Inhalt der außer Kraft getretenen Disziplinarverfügung keine Rücksicht zu nehmen und darf auch eine andere Strafe aussprechen.

(3) Wird in einem Einspruch ausdrücklich nur die Art oder die Höhe der verhängten Strafe bekämpft, so gilt er als Berufung und ist der nach §59 jeweils zuständigen Disziplinarbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.

Schlussteil

1. Hauptstück

Disziplinarrecht im Einsatz

Anwendungsbereich

§81. (1) Dieses Hauptstück ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, auf jene Pflichtverletzungen anzuwenden, die während eines Einsatzes begangen werden.

(2) Als Einsatz nach diesem Hauptstück gilt die Heranziehung eines Soldaten zu einem Einsatz des Bundesheeres nach §2 Abs1 lita oder b WG 2001 oder zur unmittelbaren Vorbereitung eines solchen Einsatzes. Als Beginn der unmittelbaren Vorbereitung eines Einsatzes gilt die Alarmierung zur sofortigen Herstellung der Bereitschaft der Truppe zum Einsatz.

Einsatzstraforgane

§82. (1) Der Bundesminister für Landesverteidigung hat aus dem Kreis der Soldaten und Wehrpflichtigen des Miliz- und Reservestandes die erforderliche Anzahl von Einsatzstraforganen zu bestellen. Diese Organe müssen über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen im militärischen Disziplinarwesen verfügen. Sie sind mit Wirkung vom 1. Jänner eines Kalenderjahres für die Dauer von sechs Jahren zu bestellen. ...

...

(3) Die Einsatzstraforgane sind in Ausübung ihrer Aufgaben nach diesem Bundesgesetz selbständig und unabhängig.

(4) Personen, die als Einsatzstraforgan bestellt sind, dürfen im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Landesverteidigung nur mit ihrer Zustimmung versetzt werden. Sie dürfen im Bundesheer nur zu solchen anderen Tätigkeiten herangezogen werden, bei deren Ausübung sie selbständig und unabhängig sind. Die Ausübung anderer Tätigkeiten außerhalb des Bundesheeres darf nicht die Möglichkeit einer Einflussnahme auf ihre Tätigkeit als Einsatzstraforgan bieten.

...

Disziplinarstrafen

§83. (1) Disziplinarstrafen für alle Soldaten sind

1.

der Verweis,

2.

die Geldbuße,

3.

das Ausgangsverbot,

4.

die Disziplinarhaft,

5.

der Disziplinararrest und

6.

die Unfähigkeit zur Beförderung und die Degradierung.

(2) ...

2. Die Unfähigkeit zur Beförderung und die Degradierung bewirken zusätzlich …

a) für Beamte die Entlassung aus dem Dienstverhältnis sowie den Entfall einer Abfertigung,

Verfahren

§84. (1) Über die Pflichtverletzungen aller Soldaten ist im Kommandantenverfahren zu entscheiden. Zur Entscheidung sind zuständig

1. in erster Instanz der Einheitskommandant und

2. in zweiter Instanz

a) der Disziplinarvorgesetzte oder,

b) sofern in erster Instanz eine strengere Disziplinarstrafe als ein Ausgangsverbot verhängt wurde, das Einsatzstraforgan.

...

(6) Im abgekürzten Verfahren darf über die Disziplinarstrafe des Verweises und der Geldbuße hinaus auch ein Ausgangsverbot bis zu sieben Tagen verhängt werden.

...

Übergangsbestimmungen

§85. (1) Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ist während eines Einsatzes nicht zulässig hinsichtlich einer Pflichtverletzung, die der Soldat vor diesem Einsatz begangen hat. Hinsichtlich solcher Pflichtverletzungen wird der Lauf der Verjährungsfristen nach §3 für den Zeitraum des Einsatzes gehemmt.

(2) Disziplinarverfahren, die vor Beginn eines Einsatzes eingeleitet, jedoch nicht rechtskräftig abgeschlossen wurden, gelten bis zur Beendigung des Einsatzes als unterbrochen. Diese Verfahren sind nach Beendigung des Einsatzes fortzuführen.

(3) Sofern ein Disziplinarverfahren hinsichtlich einer während eines Einsatzes begangenen Pflichtverletzung

1. erst nach Beendigung dieses Einsatzes eingeleitet wird oder

2. bis zur Beendigung dieses Einsatzes eingeleitet, jedoch nicht eingestellt oder rechtskräftig abgeschlossen wurde,

ist dieses Hauptstück auf dieses Verfahren nicht mehr anzuwenden. Im Falle der Z2 ist das Verfahren von der unmittelbar nach Beendigung des Einsatzes für Pflichtverletzungen des Beschuldigten in der jeweiligen Instanz zuständigen Disziplinarbehörde fortzuführen.

(4) Wurde während eines Einsatzes ein gegen den Bestraften nur im Einsatz zulässiges Ausgangsverbot oder eine Disziplinarhaft oder ein Disziplinararrest verhängt, jedoch bis zur Beendigung des Einsatzes nicht oder nicht zur Gänze vollstreckt, so tritt an die Stelle dieser Disziplinarstrafen auch dann die jeweilige Ersatzgeldstrafe nach §83, wenn der Bestrafte nach Beendigung des Einsatzes weiterhin einen Wehrdienst leistet.

(5) Wurde während eines Einsatzes

1. eine gegen den Bestraften nur im Einsatz zulässige Disziplinarstrafe, deren Verhängung in zweiter Instanz nicht dem Einsatzstraforgan obliegt, oder

2. die Disziplinarstrafe der Unfähigkeit zur Beförderung oder der Degradierung gegen einen Soldaten, der dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehört,

rechtskräftig verhängt, so ist diese Entscheidung auf Antrag des Bestraften nach Beendigung des Einsatzes zu überprüfen. Diese Überprüfung obliegt dem Disziplinarvorgesetzten des Bestraften oder bei Soldaten, die dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehören oder angehört haben, der Disziplinarkommission. Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung.

(6) Der Antrag auf Überprüfung nach Abs5 ist binnen zwei Wochen nach Beendigung des Einsatzes bei der zur Entscheidung zuständigen Behörde einzubringen. Das Verfahren ist durchzuführen nach den Bestimmungen über die Berufung im Kommandantenverfahren oder, sofern die Disziplinarkommission zu entscheiden hat, nach jenen über das Verfahren vor der Disziplinaroberkommission. Sofern der Antrag nicht als verspätet zurückzuweisen ist, hat die Behörde

1. den Überprüfungsantrag als unbegründet abzuweisen oder

2. die rechtskräftig verhängte Disziplinarstrafe unter Anwendung der außerhalb eines Einsatzes geltenden Bestimmungen abzuändern oder aufzuheben.

Die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung oder der Unfähigkeit zur Beförderung oder der Degradierung ist jedoch nur zulässig, sofern eine dieser Strafen schon während des Einsatzes verhängt wurde. Die Entscheidung hat in jedem Fall schriftlich zu ergehen.

(7) Ein ordentliches Rechtsmittel ist gegen die Entscheidung nach Abs6 nicht zulässig. Der Disziplinaranwalt ist berechtigt, gegen derartige Entscheidungen, sofern sie von der Disziplinarkommission getroffen wurden, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Wird der Überprüfungsantrag nicht als unbegründet abgewiesen, so sind die Folgen der Bestrafung, insbesondere aus einer teilweisen oder vollständigen Vollstreckung, wieder gutzumachen. Soweit dies nicht möglich ist, hat der Bestrafte einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz (StEG), BGBl. Nr. 270/1969.

(8) Nach dem Tod der Bestraften dürfen, sofern die Disziplinarstrafe der Unfähigkeit zur Beförderung oder der Degradierung verhängt wurde, deren Ehegatten und Verwandte in auf- und absteigender Linie eine Überprüfung nach Abs5 beantragen. Dabei sind die Abs5 bis 7 mit folgenden Maßgaben anzuwenden:

1. Eine Überprüfung ist nur zulässig, sofern die Bestraften während oder spätestens drei Monate nach Beendigung des Einsatzes verstorben sind.

2. Die Einbringungsfrist endet sechs Monate nach dem Tod der Bestraften.

3. Ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz besteht nicht.

(9) Wurde während eines Einsatzes ein gegen den Bestraften nur im Einsatz zulässiges Ausgangsverbot oder eine Disziplinarhaft oder ein Disziplinararrest verhängt, so ist im Falle einer Berufungsentscheidung oder einer sonstigen Abänderung nach Beendigung des Einsatzes die jeweilige Ersatzgeldstrafe nach §83 als Vergleichsmaßstab heranzuziehen.

(10) Der rückwirkende Vollzug einer vorbehaltenen Ernennung nach §8 Abs3 BDG 1979 ist auch dann zulässig, wenn während des Einsatzes die Disziplinarstrafe des Ausgangsverbotes verhängt wurde.

(11) Sämtliche Verfahren betreffend eine Dienstenthebung sind auch während eines Einsatzes fortzuführen.

(12) §25 Abs1 Z1 über die Verbindung von Disziplinarverfahren ist nicht anzuwenden, wenn sonst Verfahren betreffend Pflichtverletzungen während eines Einsatzes mit solchen außerhalb eines Einsatzes verbunden würden."

3.2. Die Vorgängerbestimmung des §85 HDG 2002 war §84 des Heeresdisziplinargesetzes 1994 - HDG 1994, BGBl. 522, welches Gesetz mit dem HDG 2002 wiederverlautbart wurde. Zufolge der dem - dem §85 HDG 2002 im Wesentlichen gleichlautenden - §84 HDG 1994 zu Grunde liegenden Gesetzesmaterialien (Erläut. zur RV des HDG 1994, 1294 BlgNR 18. GP, 57) ist

"im Hinblick auf die … Gestaltung der Überprüfung [Anm.:

gemäß §84 Abs5 ff. HDG 1994, nunmehr gemäß §85 Abs5 ff. HDG 2002] als eigenständiges Verfahren … eine ausdrückliche Normierung der jeweiligen Behördenzuständigkeit sowie des diesbezüglichen Verfahrensrechtes erforderlich; dabei soll sowohl dem Erfordernis einer sparsamen und zweckmäßigen Verwaltung als auch den rechtlichen Interessen der bestraften Soldaten Rechnung getragen werden. … Im Hinblick auf die materielle Vergleichbarkeit des nachträglichen Überprüfungsverfahrens mit einer Berufung sollen grundsätzlich die für das Berufungsverfahren jeweils geltenden Verfahrensregelungen anzuwenden sein; damit ist insbesondere auch klargestellt, daß die Entscheidung im Überprüfungsverfahren in jedem Fall auf Grund eines Ermittlungsverfahrens im Wege eines Erkenntnisses zu ergehen hat. …

Aus der Formulierung ergibt sich, daß in allen Überprüfungsverfahren vor einer Kommission der §73 Abs2 und 3 AVG betreffend den Übergang der Entscheidungspflicht nicht anzuwenden ist. Dies erscheint insbesondere im Hinblick auf den Umstand geboten, daß alle derartigen Verfahren - wie eine Berufung - zu einer im ordentlichen Rechtsweg nicht anfechtbaren Entscheidung führen … . … Findet die überprüfende Disziplinarbehörde keinen Anlaß für eine Abänderung oder Aufhebung der während des Einsatzes rechtskräftig verhängten Disziplinarstrafe, so wird sie den Überprüfungsantrag als unbegründet abzuweisen haben. Das im Berufungsverfahren normierte Verbot der reformatio in peius gilt auch im Überprüfungsverfahren. Die Verhängung einer anderen als im Einsatz ausgesprochenen Disziplinarstrafe ist damit jedoch nicht ausgeschlossen; aus rechtsstaatlichen Erwägungen soll dies jedoch nicht hinsichtlich der Verhängung der jeweils strengsten Disziplinarstrafen (Entlassung, Unfähigkeit zur Beförderung oder Degradierung) gelten. Eine aufhebende oder abändernde Überprüfungsentscheidung wird - wie eine Entscheidung in einem wiederaufgenommenen Verfahren - ex tunc an die Stelle der im Einsatz verhängten Strafe treten. Aus Gründen der Rechtssicherheit soll die im Rechtsmittelweg nicht bekämpfbare Entscheidung im Überprüfungsverfahren in jedem Fall schriftlich ergehen."

III. Erwägungen

Die Beschwerde ist nicht zulässig:

Gemäß Art144 Abs1 B-VG iVm §82 Abs1 VfGG kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges - falls ein solcher in Betracht kommt - erhoben werden. Die Beschwerde ist daher nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer den Instanzenzug ausgeschöpft hat. Die Nichterschöpfung des Instanzenzuges hingegen hat die Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Folge (vgl. VfSlg. 13.242/1992, 15.254/1998, 15.728/2000, 15.806/2000 ua.).

Gegen über dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehörende Soldaten während eines Auslandseinsatzes rechtskräftig verhängte Disziplinarstrafen der Geldbuße wegen im Einsatz begangener Pflichtverletzungen (§85 Abs3 HDG 2002) sieht §6 Z1 AuslEG 2001 iVm §85 Abs5 Z1, §83 Abs1 Z2 und §84 Abs1 Z2 HDG 2002 das Rechtsmittel des Antrages auf Überprüfung der Disziplinarentscheidung durch die Disziplinarkommission nach Beendigung des Einsatzes vor, die über diesen Antrag zu entscheiden hat. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die angewendeten Bestimmungen, insbesondere gegen §85 Abs5 HDG 2002, vor dem Hintergrund des vorliegenden Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Gegen den angefochtenen Bescheid stand daher der Rechtszug an die Disziplinarkommission - u.a. zur Beurteilung der Frage, ob die belangte Behörde zur Entscheidung zuständig war oder ob sie den Einspruch des Beschwerdeführers gegen die erstinstanzliche Entscheidung zu Unrecht in eine Berufung umgedeutet hat, weil auf Grund des teilweisen Schuldeingeständnisses des Beschwerdeführers und der verhängten Disziplinarstrafe der Geldbuße gemäß §84 Abs1 iVm §63 Abs1 HDG 2002 ein abgekürztes Verfahren mit der durch den "der Sache und der Höhe nach" erhobenen Einspruch gemäß §84 Abs1 iVm §65 HDG 2002 bewirkten Folge der Fortführung des Disziplinarverfahrens durch die erstinstanzliche Behörde durchzuführen war - offen. Mangels eines solchen Überprüfungsantrages an die Disziplinarkommission ist der Instanzenzug im vorliegenden Fall nicht erschöpft (vgl. auch zur Eröffnung des Instanzenzuges iSd Art144 Abs1 B-VG durch die Vorstellung gemäß Art119a Abs5 B-VG VfSlg. 5352/1966, 5505/1967, 6073/1969, 6792/1972 und durch die Anrufung des sachlich zuständigen Bundesministers in Fällen des Art12 Abs3 B-VG VfSlg. 8798/1980, 11.127/1986, 12.373/1990, 12.441/1990, 13.865/1994). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der angefochtene Bescheid zu Unrecht einen "Hinweis" auf die Zulässigkeit einer Beschwerdeerhebung u. a. an den Verfassungsgerichtshof enthält (vgl. auch VfSlg. 9984/1984; vgl. auch zur Unmaßgeblichkeit einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung für die Frage der Erschöpfung des Instanzenzuges VfSlg. 13.378/1993, 14.750/1997, 17.544/2005).

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

Die Beschwerde war daher zufolge Nichterschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen. Ob im Hinblick auf die Rechtsmittelbelehrung und den unrichtigen "Hinweis" im angefochtenen Bescheid eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist gemäß §85 Abs6 HDG 2002 iVm §6 Z1 AuslEG 2001 in Betracht kommt, hat gegebenenfalls die Behörde zu beurteilen.

Da die Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes offenbar ist, wurde dieser Beschluss gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst.

Schlagworte

Militärrecht, Heeresdisziplinarrecht, Bescheid Rechtsmittelbelehrung,Instanzenzug, VfGH / Instanzenzugserschöpfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:B46.2009

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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