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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §12 Abs3 liti idF 1997/I/139;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):99/03/0328 E 16. Oktober 2002Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der KM in M, vertreten durch Mag. Bernhard Graf, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 27, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 11. Jänner 2000, Zl. LGSV/3/121/2000, betreffend Weiterbildungsgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid vom 11. Jänner 2000 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin "vom 1. November 1999" auf Zuerkennung des Weiterbildungsgeldes abgewiesen.
Die belangte Behörde ging von folgendem Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführerin habe am 18. Oktober 1999 mit ihrem Dienstgeber Verein K eine Bildungskarenz vereinbart. Sie sei seit 3. Juni 1996 bis 30. November 1999 bei diesem Arbeitgeber (voll)beschäftigt gewesen. Unmittelbar anschließend habe sie bei diesem Dienstgeber vom 1. November 1999 bis 30. November 1999 eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt. Die Beschwerdeführerin habe am 27. Oktober 1999 die Zuerkennung des Weiterbildungsgeldes beantragt.
In rechtlicher Hinsicht gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, dass es im konkreten Fall an einer gültigen Vereinbarung über Bildungskarenz gemäß § 11 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz - AVRAG - mangle. Dieses Ergebnis leitete die belangte Behörde aus folgenden Überlegungen ab:
"Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 erster Satz AVRAG vereinbart der Dienstnehmer mit dem Dienstgeber eine Bildungskarenz gegen Entfall des Arbeitsentgeltes.
Aus dem Wortlaut 'gegen Entfall des Arbeitsentgeltes' ist zu entnehmen, dass eine Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung, die mit einem Arbeitsentgelt verbunden ist, unzulässig ist.
Im § 15e Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes wird hingegen ausdrücklich die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung neben einem karenzierten Dienstverhältnis zugelassen; im AVRAG ist eine dementsprechende Bestimmung nicht vorhanden.
Im § 11 Abs. 2 AVRAG wird hinsichtlich der Ansprüche des Dienstnehmers, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten, und hinsichtlich der Sonderzahlungen auf die entsprechenden Bestimmungen des § 15e Abs. 2 und § 15e Abs. 3 des Mutterschutzgesetzes hingewiesen, ohne dass § 15e Abs. 1 Mutterschutzgesetz erwähnt wird, sodass eine Analogie auf alle Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes unzulässig ist.
Somit ist die Vereinbarung einer Bildungskarenz unter gleichzeitiger Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung bei dem Dienstgeber, mit welchem eine Bildungskarenz vereinbart wurde, unzulässig.
Daher kann durch die Berufungswerberin im Sinne des § 26 Abs. 1 Ziffer 1 AlVG mangels des Vorliegens einer gültigen Vereinbarung gemäß § 11 Abs. 1 erster Satz AVRAG ab 1.11.1999 kein Weiterbildungsgeld bezogen werden.
Die Bestimmung des § 26 Abs. 3 AlVG muss in Verbindung mit § 11 Abs. 1 erster Satz AVRAG dahingehend ausgelegt werden, dass die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung bei einem anderen Dienstgeber, mit welchem keine Bildungskarenz vereinbart wurde, neben dem Bezug von Weiterbildungsgeld hingegen möglich ist."
Gegen diesen Bescheid wandte sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 13. Juni 2000, B 332/00-3, ihre Behandlung ab und trat sie sodann dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde auf Grund der in dieser Hinsicht eindeutigen Begründung ausschließlich über den Zeitraum 1. November 1999 bis 30. November 1999 abgesprochen hat. Auf Grund der Zeitraumbezogenheit von Entscheidungen über Geldleistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz - AlVG - (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1999, Zl. 96/08/0171) ist daher im gegenständlichen Fall das im Zeitraum 1. November 1999 bis 30. November 1999 geltende Recht anzuwenden (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens5, Seite 412,
E 105a, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Für die Lösung des gegenständlichen Falles sind folgende Normen in der im genannten Zeitraum geltenden Fassung maßgeblich:
1. AlVG, BGBl. Nr. 609/1977 idF BGBl. I Nr. 148/1998:
"§ 26. (1) Personen, die eine Bildungskarenz gemäß § 11 oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993, in Anspruch nehmen, und die Anwartschaft erfüllen, gebührt für diese Zeit ein Weiterbildungsgeld in der Höhe des Karenzgeldes gemäß § 7 KGG bei Erfüllung der nachstehenden Voraussetzungen:
1. Bei einer Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG muss die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme nachgewiesen werden.
2. Bei einer Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 AVRAG muss die Einstellung einer nicht nur geringfügig beschäftigten Ersatzarbeitskraft, die zuvor Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen hat, nachgewiesen werden.
(2) Zeiten, die für die Beurteilung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld oder Karenzgeld herangezogen wurden, können bei der Beurteilung der Anwartschaft nochmals berücksichtigt werden.
(3) Bei Vorliegen einer Beschäftigung oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit gebührt kein Weiterbildungsgeld, es sei denn, dass § 12 Abs. 6 lit. a, b, c, d oder e (Geringfügigkeit) zutrifft.
(4) Die Lösung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber während der Inanspruchnahme einer Bildungskarenz steht der Gewährung von Weiterbildungsgeld nicht entgegen.
§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.
...
(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:
...
i) wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist."
2. AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 idF BGBl. I Nr. 139/1997:
"§ 11. (1) Sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen drei Jahre gedauert hat, kann zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Bildungskarenz gegen Entfall des Arbeitsentgeltes unter Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitnehmers und auf die Erfordernisse des Betriebes für die Dauer von mindestens sechs Monaten bis zu einem Jahr vereinbart werden. In Betrieben, in denen ein für den Arbeitnehmer zuständiger Betriebsrat errichtet ist, ist dieser auf Verlangen des Arbeitnehmers den Verhandlungen beizuziehen. Eine neuerliche Bildungskarenz kann erst drei Jahre nach Rückkehr aus einer Bildungskarenz vereinbart werden.
(2) Für den Anspruch auf sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (§ 67 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG 1988) und für Rechtsansprüche des Arbeitnehmers, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten, gilt § 15 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes (MSchG), BGBl. Nr. 221/1979, mit Ausnahme des letzten Satzes, für den Urlaubsanspruch gilt § 15 Abs. 3 MSchG mit der Maßgabe, dass anstelle des Begriffes 'Karenzurlaub' der Begriff 'Bildungskarenz' tritt.
(3) Für die Dauer eines in eine Bildungskarenz fallenden Beschäftigungsverbotes nach den §§ 3 oder 5 MSchG, eines Karenzurlaubes nach den §§ 15 oder 15b MSchG oder §§ 2 oder 5 des Eltern-Karenzurlaubsgesetzes (EKUG), BGBl. Nr. 651/1989, oder anderen gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften, eines Präsenzdienstes gemäß § 27 des Wehrgesetzes 1990, BGBl. Nr. 305, oder eines Zivildienstes gemäß § 6a des Zivildienstgesetzes, BGBl. Nr. 679/1986, ist die Vereinbarung über die Bildungskarenz unwirksam.
(4) Wird das Arbeitsverhältnis während einer Bildungskarenz beendet, ist bei der Berechnung einer Abfertigung nach dem Angestelltengesetz (AngG), BGBl. Nr. 292/1921, dem Arbeiter-Abfertigungsgesetz (ArbAbfG), BGBl. Nr. 107/1979, und dem Gutsangestelltengesetz (GAngG), BGBl. Nr. 538/1923, oder der Urlaubsentschädigung oder -abfindung gemäß den §§ 9 und 10 des Urlaubsgesetzes (UrlG), BGBl. Nr. 390/1976, das für den letzten Monat vor Antritt der Bildungskarenz gebührende Entgelt zu Grunde zu legen; bei der Berechnung einer Abfertigung nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG), BGBl. Nr. 414/1972, ist für die Berechnung der Monatsentgelte
§ 13d Abs. 2 BUAG mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf des letzten Monats vor Antritt der Bildungskarenz als beendet gilt."
§ 12 Abs. 3 lit. i AlVG wurde mit BGBl. 201/1996 normiert. Die Erläuterungen (RV 72 BlgNR 20. GP, S. 234) führen aus, dass "vermehrt Fälle aufgetreten" sind, "in denen ein Arbeitnehmer beim selben Arbeitgeber von einem vollversicherten Dienstverhältnis in ein geringfügiges Dienstverhältnis wechselt und daneben Arbeitslosengeld bezieht. Um diese Missbrauchsmöglichkeit hintanzuhalten, soll in einem solchen Fall der Anspruch auf Arbeitslosengeld ausgeschlossen sein. Wenn jedoch zwischen dem Vollarbeitsverhältnis und der geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mehr als einem Monat liegt, soll dennoch Arbeitslosengeld gebühren."
Sowohl § 26 AlVG als auch § 11 AVRAG wurden durch das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 139/1997, neu geschaffen. Die Erläuterungen (886 BlgNR 20. GP, Seite 81) führen aus:
"Bildungskarenzmodell (Bildungskarenz und Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes):
Der vorrangige Zweck der Implementierung des Bildungskarenzmodells liegt in der Schaffung von Arbeitsplätzen für arbeitslose Personen.
Die dabei entstehenden Kosten der Integration einer arbeitslosen Person hängen wesentlich davon ab, wie viele der durch Langzeit- oder Bildungskarenz frei werdenden Arbeitsplätze letztlich mit derzeit Arbeitslosen substituiert werden, wie hoch der Anteil der Bildungskarenzen an allen Karenzen und wie hoch der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen sein wird, die auf diese Weise als Ersatzkräfte Beschäftigung finden können.
Dabei gilt folgender grundsätzlicher Kostenzusammenhang: Je höher die durchschnittliche Substitutionsrate des neuen Maßnahmentyps und je höher der relative Anteil der zweckfreien Karenzen und drittens je höher der Anteil der Arbeitslosen mit Arbeitslosengeldbezug an allen Arbeitslosen, die als Ersatzkräfte Beschäftigung finden, desto niedriger (bis hin zur Kostenneutralität) werden die durchschnittlichen Kosten pro Reintegrationsfall und Jahr für die Arbeitslosenversicherung ausfallen. Umgekehrt werden diese Durchschnittskosten umso höher sein, je geringer die Substitutionsrate ausfällt, je mehr Bildungskarenzen in Anspruch genommen werden und je mehr Langzeitarbeitslose (die derzeit entweder im Notstandshilfebezug stehen oder keine Leistung beziehen) als Ersatzkräfte zum Zug kommen.
Für die Kostenschätzung werden folgende Annahmen getroffen:
Im Jahresschnitt nehmen 1 000 unselbständig Beschäftigte die neugeschaffene Möglichkeit der Karenzierung in Anspruch. In 20 bis 50 % dieser Fälle kommt es während dieses Jahres zur geförderten Teilnahme an Bildungsmaßnahmen von durchschnittlich zwei Monaten Dauer.
Zwischen 40 und 70 % der Karenzierungen werden jahresdurchschnittlich durch Arbeitslose substituiert. In allen Fällen wird vom Arbeitsmarktservice eine betriebliche Eingliederungsbeihilfe gewährt. Zwischen 30 und 50 % dieser Arbeitslosen gehören der Gruppe der Langzeitarbeitslosen an und beziehen derzeit Notstandshilfe.
Unter Zugrundelegung dieser Annahmen ergeben sich für die Arbeitslosenversicherung Kosten zwischen rund 18 Millionen Schilling und 71 Millionen Schilling jährlich bzw., umgelegt auf den einzelnen Fall der Integration einer derzeit arbeitslosen Person, zwischen 26 000 und 177 000 S."
Im Besonderen Teil führen die Erläuterungen (aaO, Seite 93) zu § 11 AVRAG aus:
"In § 11 Abs. 1 ist eine Bildungskarenz gegen Entfall des Arbeitsentgelts für Weiterbildungsmaßnahmen vorgesehen, die sich über einen längeren Zeitraum (mindestens sechs Monate bis zu einem Jahr) erstrecken kann, unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses dem Bande nach.
...
Nach Ende der Bildungskarenz hat der Arbeitnehmer Anspruch - nach Maßgabe seines Arbeitsvertrages (Dienstzettel) - auf einem zumutbaren Arbeitsplatz weiterbeschäftigt zu werden."
Zu u.a. § 26 AlVG enthalten die Erläuterungen (aaO, Seite 96) Folgendes:
"Mit den im folgenden dargestellten Modellen zur Umverteilung der Arbeitszeit werden die gleichen beschäftigungs- und gesellschaftspolitischen Ziele verfolgt:
Sie eröffnen Optionen für die flexiblere Gestaltung der Lebensarbeitszeit, von denen auf freiwilliger Basis Gebrauch gemacht werden kann. Arbeitnehmern wird es ermöglicht, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, damit für das freiwerdende Arbeitsvolumen arbeitslose Personen eingestellt werden. Die Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit reduzieren, erhalten dafür eine finanzielle Abgeltung, die weitgehend aus den Arbeitslosengeldern finanziert wird, die bei den als Ersatzkräfte Beschäftigung findenden arbeitslosen Personen eingespart werden können (beschäftigungspolitisches Ziel). Durch freiwillige Arbeitszeitverkürzung entsteht mehr Zeitsouveränität, die die Lebensqualität erhöht und Freiräume schafft, die gesellschaftlich und volkswirtschaftlich von großem Interesse und Nutzen sind (gesellschaftspolitisches Ziel).
Bildungskarenzmodell
- Das Bildungskarenzmodell versteht sich als ein
Rahmenmodell, das nach individuellen und betrieblichen
Bedürfnissen mit Weiterbildungsmaßnahmen oder Ersatzeinstellungen
kombiniert werden kann.
- Arbeitnehmer sollen für Ausbildungszwecke oder bei
Ersatzeinstellung einen Anspruch auf maximal zwölfmonatige
Karenzierung erhalten. Während dieser Zeit wird als Leistung das
Weiterbildungsgeld - vergleichbar dem österreichischen Karenzgeld -
bezahlt.
- Bei Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen erfolgt für
die Gewährung des Weiterbildungsgeldes eine arbeitsmarktpolitische
Beurteilung durch das Arbeitsmarktservice.
- Karenzierten Beschäftigten, die während der Karenz
an Bildungsmaßnahmen teilnehmen, soll es unter der Bedingung, dass
das Arbeitsmarktservice diese Bildungsmaßnahme nicht nur als
sinnvoll, sondern auch als förderungswürdig erachtet, möglich
sein, auf das Weiterbildungsgeld zu verzichten und dafür vom
Arbeitsmarktservice eine über dem Weiterbildungsgeld liegende
'Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts' zu erhalten.
- Die Ersatzeinstellung arbeitsloser Personen durch
den Betrieb erfolgt auf freiwilliger Basis, ist aber dann
Voraussetzung für das Weiterbildungsgeld, wenn kein
Ausbildungszweck verfolgt wird.
- Betriebliche Einstellungsbeihilfen für Unternehmen,
die arbeitslose Personen als StellvertreterInnen für die
karenzierten Beschäftigten einstellen, sind im Rahmen der üblichen
Förderpraxis des Arbeitsmarktservice grundsätzlich möglich.
- Die karenzierten Beschäftigten haben wie derzeit
schon die Bezieher von Karenzgeld die gesetzliche Garantie zur Rückkehr zu denselben Arbeits- und Lohnbedingungen."
Wenngleich den Erläuterungen keine bindende Wirkung zukommt, stellen sie doch eine Auslegungshilfe zum Verständnis einer Gesetzesstelle dar. Im gegenständlichen Fall stehen die Erläuterungen nicht im Widerspruch zu den Norminhalten der hier interessierenden Gesetzesstellen. Der genannte vorrangige Zweck, nämlich die Schaffung von Arbeitsplätzen für arbeitslose Personen, steht im Fall der Weiterbildung im Zusammenhang mit den individuellen Interessen des Arbeitnehmers (vgl. § 11 Abs. 1 AVRAG "unter Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitnehmers" und obige Erläuterungen). Sohin ist die Bildungskarenz (zumindest auch) eine individuelle Förderungsmaßnahme.
Schon dadurch unterscheidet sie sich von den Bestimmungen zum Arbeitslosengeld. Hinzu kommt, dass § 26 AlVG und § 11 AVRAG nicht auf § 12 Abs. 1 oder 3 AlVG verweisen, sondern § 26 AlVG nur auf § 12 Abs. 6 lit. a bis e AlVG Bezug nimmt, weshalb eine Analogie zu den erstgenannten Bestimmungen schwer zu ziehen ist. Eine solche Analogie verbietet sich jedenfalls aus § 26 Abs. 3 AlVG, aus dem ersichtlich ist, dass Voraussetzung für die Gewährung von Weiterbildungsgeld nicht die Beendigung eines jeden Dienstverhältnisses ist. Zudem sollte die Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. i AlVG Missbrauch verhindern, nämlich die Herbeiführung von Arbeitslosigkeit; bei der Bildungskarenz wird hingegen keine Arbeitslosigkeit begründet, sondern das Dienstverhältnis dem Bande nach aufrechterhalten.
Die belangte Behörde bringt in der Gegenschrift vor, dass die Bestimmungen des AVRAG im gegebenen Zusammenhang "unter einer Gesamtbetrachtung arbeitsrechtlicher Normen zu interpretieren" seien. Zwei oder mehrere Dienstverhältnisse zum selben Dienstgeber seien als "einheitliches Gesamtdienstverhältnis zu betrachten". Werde eine geringfügige Beschäftigung beim selben Dienstgeber während der Karenzierung nach dem AVRAG aufgenommen, habe diese keine rechtliche Eigenständigkeit. Beide Beschäftigungsverhältnisse seien als einheitliches Gesamtdienstverhältnis zu betrachten, das geringfügige Dienstverhältnis sei "karenzurlaubsschädlich". Ein Trennungsprinzip sei ausdrücklich nur bei Karenzierungen aus Anlass der Mutterschaft gemäß § 15e Abs. 1 Mutterschutzgesetz normiert worden. Die belangte Behörde weist in diesem Zusammenhang auf Schrank, ZAS 1990, 145, in "Karenzurlaubserweiterungsgesetz:
Neue Formen der Teilzeitbeschäftigung und ihre Auswirkungen auf die arbeitsrechtlichen Ansprüche", hin.
Sie verkennt dabei, dass eine Gesamtbetrachtung nach der Judikatur des OGH bei solchen Dienstverhältnissen anzunehmen ist, die aus sachlich nicht gerechtfertigten Gründen befristet zwecks Umgehung sozialer Schutzvorschriften aneinandergereiht werden ("Kettenarbeitsverträge", vgl. OGH 27. Mai 1986, 14 Ob 86/86 uva.). Ein solcher Kettenarbeitsvertrag liegt hier nicht vor. Eine "Gesamtbetrachtung" für Fälle wie den vorliegenden wurde in der Rechtsprechung aber nicht angestellt. Aber selbst bei einer "Gesamtbetrachtung" hält das Ergebnis der belangten Behörde einer Überprüfung nicht stand.
Denn sie verkennt auch den im gegebenen Zusammenhang interessierenden Inhalt des Aufsatzes von Schrank, aaO. Dieser führte aus:
"I. Geringfügige Beschäftigung(en) während des Karenzurlaubes beim eigenen Arbeitgeber
A. Besonderheiten
1. Grund und Inhalt der Neuregelung
Bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen war schon bisher klar, dass eine oder mehrere Beschäftigungen bis zu den Geringfügigkeitsbeträgen des § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG dem Anspruch auf Karenzurlaubsgeld nicht im Wege standen (§ 26 Abs. 4 lit. a AlVG). Zu diesen vom Gesetz geforderten sonstigen Voraussetzungen gehörte und gehört, abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen, die Existenz eines arbeitsrechtlichen Karenzurlaubes aus Anlass der Mutterschaft bzw. nach dem Eltern-Karenzurlaubsgesetz. (§ ...) Ob diese Grundvoraussetzung auch erfüllt war, wenn der Karenzurlaub infolge zwar sozialversicherungsrechtlich geringfügiger aber arbeitsrechtlich dennoch erfolgender Beschäftigung beim eigenen Arbeitgeber zu einem bloßen Teilkarenzurlaub wurde, konnte zumindest bezweifelt werden, da Mutterschutzgesetz und Eltern-Karenzurlaubsgesetz explizit nur den vollen Karenzurlaub als 'Urlaub gegen Entfall des Arbeitsentgelts' kannten.
Zwar hätte eine am Normzweck orientierte, den Gleichheitssatz beachtende, die Harmonie mit dem AlVG herstellende Auslegung mE dazu führen müssen, geringfügige Beschäftigungen auch beim eigenen Arbeitgeber als arbeitsrechtlich karenzurlaubsunschädlich zu bewerten (ebenso Knöpfler-Martinek, MuttSchG-Kommentar,
8. Auflage, 206, unter Berufung auf VwGH 27. Jänner 1983, 82/07/0197, und wohl auch Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche (1980), 266), doch scheint der Gesetzgeber des Karenzurlaubserweiterungsgesetzes dieses Vertrauen in die Interpreten nicht gehabt zu haben. Allfällige Zweifel hat er nun durch Einfügung des § 15 Abs. 1a MutterschutzGesetz und § 2 Abs. 3 Eltern-Karenzurlaubsgesetz beseitigt." (Hervorhebungen durch den Verwaltungsgerichtshof)
Den gleichheitsrechtlichen Überlegungen von Schrank, die auch auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt volle Gültigkeit haben, ist zu folgen. Es ist beim Weiterbildungsgeld kein sachlich gerechtfertigter Grund für eine Differenzierung der Art zu ersehen, dass auf dessen Bezug bei der Begründung eines geringfügigen Dienstverhältnisses bei einem anderen Arbeitgeber Anspruch bestünde, beim selben Arbeitgeber jedoch nicht. Ebenso ist kein Grund zu ersehen, dass der Ausdruck des § 11 AVRAG "Bildungskarenz gegen Entfall des Arbeitsentgeltes" eine "Teilkarenz" im Sinne einer geringfügigen Beschäftigung ausschlösse.
Den in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde vorgetragenen Bedenken, der angefochtene Bescheid verletze das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, da die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt habe und der Bescheid völlig willkürlich erscheine, (wobei die Argumentation im Wesentlichen auf einer behaupteten Analogie zu § 15e Mutterschutzgesetz beruhte), hielt der Verfassungsgerichtshof im Beschluss vom 13. Juni 2000 zwar entgegen, die gerügte Rechtsverletzung wäre im vorliegenden Fall ("in Anbetracht der Freiheit des Gesetzgebers, die Weiterbildungskarenz der Arbeitslosigkeit gleichzustellen") nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Damit hat der Verfassungsgerichtshof aber nur ausgedrückt, dass die von der belangten Behörde gezogene Parallele zur Arbeitslosigkeit nicht Willkür ist, sondern allenfalls auf einer einfachen Verkennung des Norminhaltes beruht. Ebenso ist damit klargestellt, dass die hier anzuwendenden Normen einer ua am Gleichheitssatz orientierten Auslegung zugänglich sind.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen. Denn zum Posten "BStM für Bescheidkopie" liegt keine ersatzfähige Auslage vor, weil dies in der Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG inkludiert ist, somit keine andere Gebührenpflicht entstanden ist.
Wien, am 9. März 2001
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000020212.X00Im RIS seit
18.10.2001Zuletzt aktualisiert am
07.05.2014