TE UVS Steiermark 2010/11/11 30.22-51/2010

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Veröffentlicht am 11.11.2010
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Mag. Manuela Ganster über die Berufung des Herrn F M, K, H-P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 06.07.2010, GZ: BHFB-15.1-4648/2009, wie folgt entschieden:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung hinsichtlich Spruchpunkt 1.) Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis zu diesem Spruchpunkt behoben.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt 2.) wird der Berufung ebenfalls Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem im Spruch näher bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 06.07.2010 wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 03.07.2009 um 11.50 Uhr in der Gemeinde Zerlach auf der L 202 im Bereich StrKm 7,950 in Maxendorfberg aus Richtung Kirchberg/R. kommend, als Lenker des LKW mit dem amtlichen Kennzeichen nachstehende Verwaltungsübertretungen begangen:

 

Spruchpunkt 1.):

Er sei mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt.

 

Wegen Verletzung des § 4 Abs 5 Straßenverkehrsordnung (im Folgenden StVO) wurde gemäß § 99 Abs 3 lit. b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von ? 150,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit 4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

 

Spruchpunkt 2.):

Er habe die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen angepasst, wobei er einen Verkehrsunfall verursacht habe, da er mit dem von ihm gelenkten LKW samt Anhänger, welcher Betonteile geladen hatte, im Straßenbankett des Tatortbereiches eine bis zu einem halben Meter tiefe Fahrspur hinterlassen habe. Er sei zu diesem Zeitpunkt für diesen Straßenabschnitt jedenfalls zu schnell unterwegs gewesen und habe telefoniert und konnte durch ein gutes Lenkverhalten verhindern, dass der Anhänger samt Ladung umgekippt sei, nachdem er auf das Straßenbankett geraten sei.

 

Wegen Verletzung des § 20 Abs 1 StVO wurde gemäß § 99 Abs 3a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von ? 80,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit 30 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

 

Ferner wurde der Berufungswerber verpflichtet, gemäß § 64 Abs 2 VStG als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens einen Betrag in der Höhe von insgesamt ? 23,00 zu bezahlen.

 

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Berufungswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, er bekämpfe das Straferkenntnis sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Er sei nicht schneller als 30 km/h gefahren und habe zum Tatzeitpunkt nicht telefoniert. Er habe zwar bemerkt, dass der Hänger leicht geschwanzelt habe, er habe aber nicht bemerkt, dass dadurch ein Schaden am Bankett entstanden sei.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark stellt hiezu Nachfolgendes fest:

 

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine ? 2.000,00 übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.

 

Gemäß der Bestimmung des § 66 Abs 4 AVG, welche gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Am 27.10.2010 fand eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung statt, im Zuge welcher der Berufungswerber als Partei sowie Herr Fz T und Herr C Ti als Zeugen einvernommen wurden. Dem Verfahren wurde der kfz-technische Sachverständige Univ.-Prof. Dr. Hermann Steffan beigezogen.

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens geht die Berufungsbehörde von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Berufungswerber lenkte am 03.07.2009 um 11.50 Uhr in der Gemeinde Zerlach auf der L 202 bei StrKm 7,950 in Maxendorfberg den LKW mit dem amtlichen Kennzeichen aus Richtung Kirchberg an der Raab kommend. An der Tatörtlichkeit verläuft die Landesstraße in Fahrtrichtung des LKWs zunächst in einer ganz leichten Rechtskurve, die später in eine leichte Linkskurve übergeht. Vor der leichten Linkskurve befand sich zum Tatzeitpunkt eine Baustelle. Der Zustand der Fahrbahn war gut. Die Breite des asphaltierten Teiles der Fahrbahn betrug an der Unfallörtlichkeit ca. 6 m, wobei aufgrund von Grabungsarbeiten Erdreich im Bereich der Fahrbahn abgelegt war, sodass zum Tatzeitpunkt die zu befahrende Fahrbahn etwa 4 m breit war. Die Sichtweite in Fahrtrichtung des LKWs betrug mindestens 150 m. Beim vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeug handelt es sich um einen Lkw-Zug der Marke IVECO mit einer Gesamtlänge von ca. 18,45 Meter und einer Breite von ca. 2,55 Meter. Der Zug war zum Vorfallszeitpunkt annähernd voll beladen und hatte damit ein Gesamtgewicht von ca. 38 Tonnen. Im Baustellenbereich kam der Anhänger des Berufungswerbers (nicht jedoch das Zugfahrzeug selbst) von der Fahrbahn in den Bankettbereich ab, wodurch am rechten Fahrbahnrand das Bankett so beschädigt wurde, dass eine ca. einen halben Meter tiefe Fahrrille entstand, die eine Länge von etwas weniger als 30 m aufwies. Zum Tatzeitpunkt hielt der Berufungswerber eine Geschwindigkeit von maximal 40 km/h, wahrscheinlich jedoch von 30 km/h ein. Es herrschte kein Gegenverkehr. Aufgrund der Gegebenheiten der Tatörtlichkeit ist ein Durchfahren der Engstelle bei der Baustelle ohne Gegenverkehr auch mit 30 km/h bis 40 km/h unproblematisch. Durch das Abkommen des Anhängers auf das Bankett kam es zu keiner signifikanten Ruckbewegung und war im LKW auch keine allenfalls etwas höhere Geräuschentwicklung wahrnehmbar. Das Abkommen war für den Berufungswerber lediglich etwa zwei Sekunden lang im rechten Außenspiegel bemerkbar, während das Zugfahrzeug sich in einer normalen Vorwärtsbewegung befand. Der am Bankett entstandene Schaden wurde von der Straßenmeisterei mittlerweile behoben. Nach Einvernahme des Zeugen Fz T durch die Bezirkshauptmannschaft Weiz im Rechtshilfeweg wurde dem Berufungswerber mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 24.11.2009 hinsichtlich Spruchpunkt 1.) mitgeteilt, dass das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG 1991 eingestellt wurde, da die dem Berufungswerber zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet. Dies unter Hinweis auf das Ermittlungsergebnis (gemeint offenbar die Zeugenaussage des Herrn T). Dieses Schreiben wurde dem Berufungswerber am 26.11.2009 zugestellt.

 

Beweiswürdigung:

 

Die getroffenen Feststellungen gründen sich im Wesentlichen auf das schlüssige und logisch nachvollziehbare Gutachten des kfz-technischen Sachverständigen. Dieser kommt zum Ergebnis, dass der Berufungswerber zum Tatzeitpunkt an der Tatörtlichkeit eine Geschwindigkeit von 30 km/h bis 40 km/h eingehalten hat, wobei er eine Geschwindigkeit von 30 km/h als wahrscheinlicher ansieht. Eine Geschwindigkeit von 50 km/h oder gar 60 km/h schließt der Sachverständige aus technischer Hinsicht praktisch aus. Damit konnte den diesbezüglichen Schätzungen der Zeugen T und Ti hinsichtlich der vom Berufungswerber zur Tatzeit eingehaltenen Geschwindigkeit nicht gefolgt werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Zeugen T und Ti hinsichtlich der Geschwindigkeit einem Irrtum unterlagen, zumal es sich bei diesen um keine geschulten Straßenaufsichtsorgane handelt und sie daher keine ausreichende Erfahrung im Einschätzen von Geschwindigkeiten haben. Abgesehen von diesem Detail waren jedoch beide Zeugenaussagen durchaus glaubwürdig. Insbesondere war den Zeugen dahingehend zu glauben, dass zur Tatzeit am Tatort kein Gegenverkehr herrschte. Hier dürfte offenbar der Berufungswerber, der das auf der Gegenfahrbahn befindliche Fahrzeug als einziger gesehen haben will, seinerseits einem Irrtum unterlegen sein. Auch die Feststellungen hinsichtlich der Tatörtlichkeit, der Bemerkbarkeit des Verkehrsunfalls und die Feststellung, dass das Durchfahren der Baustelle mit 30 km/h bis 40 km/h als unproblematisch anzusehen ist beruhen auf dem widerspruchsfreien und logisch nachvollziehbaren Sachverständigengutachten. Dass der Berufungswerber zur Tatzeit telefoniert hätte, hat sich im gesamten Verfahren nicht herausgestellt.

 

Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchpunkt 1.):

Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es der Behörde verwehrt, wenn in einer Sache, das heißt über eine Tat, eine rechtskräftige Entscheidung, (wozu auch die Einstellung des Verwaltungsverfahrens zählt) ergangen ist, in derselben Sache eine weitere Entscheidung zu fällen (VwGH vom 21.01.1988, 87/02/0157 ua). Die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hat zur Folge, dass eine Bestrafung wegen derselben Tat den Grundsatz ne bis in idem verletzt und deshalb inhaltlich rechtswidrig ist (VwGH vom 10.10.2006, 2002/03/0240 ua). Aus der Einstellung des Verfahrens erwächst die Rechtswirkung, dass von der Durchführung des Strafverfahrens nach einer erfolgten Einstellung in der Folge abgesehen werden muss, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im Sinne des § 52 VStG innerhalb der Frist des § 31 Abs 2 leg. cit. die Wiederaufnahme dieses durch Einstellung abgeschlossenen Strafverfahrens verfügt worden ist. Ein nach der Einstellung des Strafverfahrens dennoch erlassenes erstinstanzliches Straferkenntnis ist von der Rechtsmittelbehörde ersatzlos aufzuheben (Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens6, E 22 zu § 45 VStG). Einem Schreiben, mit welchem einem Beschuldigten mitgeteilt wird, dass ein gegen ihn gelaufenes Strafverfahren eingestellt wurde, kommt Bescheidcharakter zu (VwGH 24.02.1977, Slg. 9260A).

 

Gemäß den getroffenen Feststellungen wurde dem Berufungswerber mit Schreiben vom 24.11.2009 mitgeteilt, dass das Verfahren zu Spruchpunkt 1.) gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt wurde. Dieses Schreiben wurde dem Berufungswerber nachweislich zugestellt. Diese Verfahrenseinstellung ist unmissverständlich und für die Rechtsmittelbehörde rechtsverbindlich, wenngleich sie weder mit der Aussage des Zeugen T erklärbar noch in rechtlicher Hinsicht nachvollziehbar ist. Immerhin handelt es sich beim Straßenbankett nicht um eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs im Sinne des § 31 Abs 1 StVO, da es sich beim Straßenbankett gemäß § 2 Abs 1 Z 6 StVO um einen Teil der Straße selbst handelt und nicht um eine zusätzliche Einrichtung, die der Regelung und Sicherung des Verkehrs dient. Somit war dem Berufungswerber richtigerweise ein Verstoß gegen die allgemeine Meldeverpflichtung des § 4 Abs 5 StVO vorgeworfen worden.

 

Da die Verwaltungsübertretung zu Spruchpunkt 1.) von der Erstbehörde eingestellt wurde, hat die Erstbehörde durch Bestrafung des Berufungswerbers in derselben Sache zusammenfassend den Grundsatz nebis in idem verletzt und war das Straferkenntnis erster Instanz zu diesem Spruchpunkt ersatzlos zu beheben.

 

Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass auch gemäß den Ausführungen des kfz-technischen Sachverständigen in rechtlicher Hinsicht der Schluss zu ziehen gewesen wäre, dass der Berufungswerber eine Übertretung des § 4 Abs 5 StVO mangels ausreichender Bemerkbarkeit des Verkehrsunfalles des Anhängers nicht zu verantworten gehabt hätte.

 

Zu Spruchpunkt 2.):

Gemäß § 20 Abs 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Er darf auch nicht so schnell fahren, dass er andere Straßenbenützer oder an der Straße gelegene Sachen beschmutzt oder Vieh verletzt, wenn dies vermeidbar ist. Er darf auch nicht ohne zwingenden Grund so langsam fahren, dass er den übrigen Verkehr behindert.

 

Da gemäß den getroffenen Feststellungen am Tatort zur Tatzeit kein Gegenverkehr herrschte und die Tatörtlichkeit vom Berufungswerber mit 30 km/h bis 40 km/h prinzipiell unproblematisch durchfahren werden konnte, hat der Berufungswerber beim Durchfahren sehr wohl eine angepasste Geschwindigkeit eingehalten. Es führte daher keine unangepasste Fahrgeschwindigkeit, sondern offenbar andere Umstände dazu, dass der Anhänger kurzfristig von der Fahrbahn abkam. Daher hat der Berufungswerber die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Bankett; Straßenbankett; Einrichtung; Straße; Landfläche; Meldepflicht; Einstellung; Mitteilung; Bindungswirkung
Zuletzt aktualisiert am
04.03.2011
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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