Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch eine aus den Senatsmitgliedern Mag. Eva Schermann, Dr. Klaus Stühlinger und Dr. Monika Merli gebildete Kammer über die Berufung der S GmbH, vertreten durch D P, Rechtsanwälte GmbH, B, G, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 03.11.2008, GZ.: BMSK-90350/0310-III/2/2008, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) wird die Berufung abgewiesen.
Auf Grundlage des dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark als gemäß § 18 Abs 2 Produktsicherheitsgesetz 2004 (PSG 2004) sachlich und örtlich zuständiger Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz als Behörde erster Instanz in Verbindung mit der am 23.11.2009 und 27.09.2010 durchgeführten Berufungsverhandlung ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit dem im Spruch dieses Bescheides näher bezeichneten Bescheid vom 03.11.2008 hat der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz die Fa. S GmbH in H, F, gemäß § 11 Abs 1 Z 9 und Z 10 sowie § 11 Abs 2 Produktsicherheitsgesetz 2004 zur Rücknahme von 25 kg Säcken asbesthaltigen Streu- und Pflastersplitts 2 - 4 mm, welcher von Februar 2006 bis August 2008 in Verkehr gebracht worden ist sowie zur Durchführung eines unverzüglichen und effizienten Rückrufes der bereits in Verkehr gebrachten Produkte verpflichtet. Dieser Bescheid wird im Wesentlichen damit begründet, die in seinem Spruch näher bezeichneten Produkte würden gefährliche Asbestfasern enthalten und somit nicht den Sicherheitsanforderungen des Produktsicherheitsgesetzes 2004 entsprechen, weshalb sie als gefährlich im Sinne des § 4 Abs 2 PSG einzustufen wären. Dies vor allem auch deshalb, da Streusplitt bestimmungsgemäß in die Umwelt eingebracht werde und durch mechanische Einflüsse (z. B. durch Kfz-Reifen) zermahlen würde, wodurch zu erwarten wäre, dass gefährliche und krebserregende Asbestfasern in die Atemluft gelangten. Hinsichtlich der Beurteilung der Gefährlichkeit wird im Bescheid auf eine Publikation der Europäischen Kommission für die Asbestkampagne 2006, einen praxisbezogenen Leitfaden, die Grenzwerteverordnung und Regelungen des Gesetzgebers für Asbest in unterschiedlichen Bereichen (Deponieverordnung, Abfallwirtschaftsgesetz, ArbeitnehmerInnengesetz, Chemikalienverbotsordnung) verwiesen.
Dieser Bescheid stützt sich auf das Gutachten 0809/333 des Bundesumweltamtes vom 19.09.2008, demzufolge bei den fünf gezogenen Proben fasrige Teile erkennbar gewesen wären, bei welchen es sich um Aktinolith aus der Amphibolgruppe gehandelt hätte.
Weiters liegt dem Bescheid des Bundesministers zugrunde der Prüfbericht Nr. 0808/307, welcher vom Amt der Salzburger Landesregierung in Auftrag gegeben wurde sowie das Schreiben der Salzburger Landesregierung an den Bundesminister vom 19.08.2009.
Weiters liegt dem Bescheid des Bundesministers vom 03.11.2008 zugrunde eine Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 28.10.2008, welche sich auf eine Überwachung des Serpentinsteinbruches Po gemäß § 175 MinROG bezieht und aus welchem sich ergibt, dass dieser Steinbruch am 15.09.2008 durch einen Sachverständigen für Tagebau-, Steinbruch- und Sprengtechnik begutachtet worden wäre, wobei dieser zum Ergebnis gekommen wäre, dass in diesem Steinbruch die Bildung von Amphibolasbest bzw. Aktinolith nicht möglich wäre.
In rechtlicher Hinsicht wird der Bescheid des Ministers vom 03.11.2008 damit begründet, Asbest gelte allgemein als gesundheitsgefährdend und krebserregend, beim untersuchten Streu- und Pflastersplitt handelte es sich um ein Verbraucherprodukt, welches gefährliche Asbestfasern enthalte und somit nicht den Sicherheitsanforderungen des § 4 Abs 1 und 2 PSG 2004 entspreche, weshalb die In-Verkehr-Bringerin zur Zurücknahme des Produktes aus der Vertriebskette und zur Durchführung eines unverzüglichen und effizienten Rückrufes der bereits in Verkehr gebrachten Produkte zu verpflichten wäre.
Gegen diesen Bescheid des Bundesministers vom 03.11.2008 hat die S GmbH durch ihre bevollmächtigten Vertreter fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung erhoben und zunächst bestätigt, dass die S GmbH als In-Verkehr-Bringerin im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes anzusehen und das in Verkehr gebrachte Produkt im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes zu beurteilen wäre. Unstrittig sei weiters das Analyseergebnis von fünf Proben, wie es sich aus dem Prüfbericht des Umweltbundesamtes Nr. 0809/333 ergäbe. Bemängelt wird in der Berufung jedoch, die Behörde erster Instanz hätte es verabsäumt, die gezogenen Proben auf ihre tatsächliche Asbestkonzentration hin zu überprüfen, auch ergäbe sich aus der EU-Richtlinie 2003/18/EG (Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdungen durch Asbest am Arbeitsplatz), dass die Exposition von Arbeitnehmern für alle Arten von Asbest von 0,1 Fasern/ml nicht überschritten werden dürfe. Es sei zwar richtig, dass die untersuchten Produkte asbesthältig gewesen wären, der Wert liege jedoch unter 0,1 Masseprozent und es gelte sohin dieses Produkt als nicht asbesthältig; da Arbeitnehmer keiner Gefährdung ausgesetzt würden, könne es keinesfalls zu einer Gefährdung von Konsumenten kommen.
Da dieser Grenzwert der angeführten arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen nicht beachtet worden sei, so wird in der Berufung weiters ausgeführt, sei das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben, weshalb die Vorschreibung zur Rücknahme bzw. Durchführung des Rückrufes rechtswidrig erfolgt sei und daher beantragt würde, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid zu beheben.
Zu diesem Berufungsvorbringen wurde von der Berufungsbehörde zunächst eine ergänzende Stellungnahme der Gutachterin des Bundesumweltamtes eingeholt, diese hat ausgeführt, es sei nur darum gegangen, zu überprüfen, ob die gezogenen Proben asbesthältig gewesen wären oder nicht. Auch sei bei den fünf untersuchten Streusplittproben eindeutig Aktinolith, ein Asbest der Amphibolasbestgruppe, nachgewiesen worden.
Weiters wurde durch die Berufungsbehörde ein Gutachten eines abfalltechnischen Amtssachverständigen eingeholt, dieser kommt auf Grundlage des Prüfberichtes des Umweltbundesamtes Nr. 0809/333 ebenfalls zum Schluss, in den untersuchten Proben wären Asbestfasern (Aktinolithe) festgestellt worden, in wie weit diese als gefährlich im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes 2004 einzustufen wären, könne jedoch nur von einem medizinischen Sachverständigen beurteilt werden.
In weiterer Folge wurde von Seiten des zuständigen Ministeriums das Schreiben des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 26.08.2008 an das Bundesministerium übermittelt, welches Grundlage für die Einleitung des gegenständlichen Verfahrens ist.
Sodann wurde durch die Berufungsbehörde mit Kundmachung vom 12.10.2009 die durchzuführende Berufungsverhandlung für 23.11.2009 angeordnet und im Beisein des Geschäftsführers der S GmbH, dessen Rechtsvertreters, zweier Vertreter der belangten Behörde sowie einer medizinischen und eines abfalltechnischen Amtssachverständigen durchgeführt. In dieser Verhandlung erklärte Herr M S als Geschäftsführer der S GmbH nach ausführlicher Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufes durch die Verhandlungsleiterin und Kammervorsitzende sein Unternehmen hätte das verfahrensgegenständliche Produkt bereits in entsprechender Form und Größe vom Steinbruch Po bezogen, der Splitt würde zum Teil lose, zum Teil abgepackt in 1.000 kg-, 25 kg- und 7 kg-Säcken verkauft, Abnehmer wären österreichweit verschiedene Baumarktketten, gewerbliche Wiederverkäufer und auch private Kunden. Der Splitt würde hauptsächlich als Streumittel im Winter sowie als Unterbett für Pflastersteine verwendet. Sofern das Produkt als Streusplitt verwendet würde, könne man keine Angaben bezüglich der Gebrauchsdauer machen, da dies davon abhänge, ob die jeweils zuständige Straßenverwaltung nach Ende der Wintersaison den Splitt aufkehrt oder aufsaugt oder sonst wie von der Straße wegbringt.
Die Vertreter der belangten Behörde erklärten in der Berufungsverhandlung, es sei bereits seit den 80er-Jahren bekannt, dass Asbest notorisch als kanzerogener Stoff einzustufen sei. Seit damals würde die Verwendung von Asbest generell verboten wie beispielsweise auch für die Herstellung von Autobremsbelägen. Es wären komplizierte Entsorgungsverfahren notwendig gewesen, eine Grenzwertfestlegung sei deshalb nicht erfolgt, da bei erwiesenermaßen kanzerogenen Stoffen schon kleinste Partikelchen Krebs auslösen könnten. Man gehe im Ministerium davon aus, dass ein asbestenthaltendes Produkt grundsätzlich als gefährliches Produkt zu qualifizieren wäre. Die Ziele des Verbraucherschutzes erforderten daher in diesem Zusammenhang ein Null-Gebot, dies sei somit völlig anders zu bewerten als immer wieder durchgeführte Vergleiche mit jenen Bereichen, die die Arbeitssicherheit regelten, da es beispielsweise im Bereich des Arbeitnehmerschutzes Mindestzeiten und Schutzausrüstungen gäbe. Dies sei, bezogen auf den Verbraucherschutz, nicht vergleichbar. Auch komme es vor, dass Splitt im Bereich von Wohnsiedlungen auf Wege aufgebracht und nach der kalten Jahreszeit gesammelt und zur Wiederverwertung im nächsten Winter aufbewahrt würde. Bei diesen Arbeitsvorgängen gäbe es keinerlei Schutzausrüstungen, der jeweils die Aufkehrarbeiten durchführende Mensch sei konkret gefährdet, entsprechend gefährliche Partikelchen durch Staubbildung einzuatmen.
Der im konkreten Verfahren festgestellte Asbest in Form von Aktinolith sei, so erklärten die Vertreter des Bundesministeriums, eine kanzerogene Substanz, wenn davon auch nur eine einzige Faser in die Lunge gelange, könne dies die Bildung eines Tumors auslösen.
Wie aus dem Gutachten des Bundesumweltamtes hervorgehe, seien im konkreten Fall Asbeststückchen in Körnern sichtbar vorgefunden worden und auf den Fotos erkennbar. Aufgrund dieser Tatsache sei die Feststellung bzw. die Erhebung des Masseanteiles für entbehrlich erachtet worden, da sich die vorgefundenen Körner nicht im Mikrogrammbereich befänden, eine solche Erhebung des Masseanteiles wäre im Übrigen äußerst aufwendig gewesen.
Auch sei die Lungengängigkeit dieser konkreten Asbestfasern nicht festgestellt worden, weil keine europäische oder österreichische Norm auf Lungengängigkeit abstelle. Diesbezüglich wurde auch auf eine WHO-Empfehlung verwiesen, wonach alle Asbestarten als gleichartig im Hinblick auf die Gefahren, die von Asbest auf die Gesundheit ausgingen, eingestuft würden. Auch stufe die Grenzwerteverordnung im Rahmen des Arbeitnehmerschutzes Aktinolith ohne weitere Einschränkung als krebserzeugend ausgewiesenen Arbeitsstoff bzw. als Stoff, der für den Menschen erfahrungsgemäß bösartige Geschwülste zu verursachen vermag, ein.
Der Geschäftsführer der Fa. S GmbH gab dazu ergänzend an, die vorgeschriebenen Maßnahmen seien sofort umgesetzt worden, sein Unternehmen hätte durch die Rückholaktion schweren wirtschaftlichen Schaden erlitten. Andere Mitbewerber wären von der Aktion nicht betroffen und er wisse vom Betreiber des Steinbruches Po, dass der gleiche Splitt weiterhin anderswo verkauft würde.
Der Rechtsvertreter der Berufungswerberin verwies darauf, dass die K GmbH seit Jahren Arbeitnehmer im Steinbruch einsetze, die ohne Schutzausrüstung 8 Stunden täglich im Steinbruch arbeiteten. Er verwies auch auf das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 28.10.2008, welches sich im Akt befindet, wonach keine Gefährdung durch asbesthaltige Arbeitsstoffe für Arbeitnehmer in diesem Steinbruch bestünde, weiters wies er darauf hin, dass diesem Schreiben eine Begutachtung des Arbeitsinspektorates Eisenstadt vom 17.09.2008 zugrunde liege, wonach der verwendete Arbeitsstoff im Steinbruch als nicht asbesthaltig bewertet würde.
Der Amtssachverständige für Abfalltechnik gab in der Verhandlung vom 23.11.2009 folgende Stellungnahme ab:
Es wird auf das Merkblatt M 367 der AUVA über Asbest verwiesen, welches von der österreichischen Staub- Silikose (Bekämpfungsstelle in Leoben) erstellt wurde. In diesem Merkblatt werden die einzelnen Asbestarten beschrieben, wobei der gegenständliche Aktinolith als Amphibolasbest ebenfalls angeführt ist. Eine Unterscheidung, ob Asbestfasern lungengängig sind oder nicht, wird in diesem Merkblatt nicht getroffen, der Verfasser geht grundsätzlich von einer Gesundheitsgefährdung aus. Aufgrund der vorliegenden Fotodokumentation und Untersuchungen des Umweltbundesamtes über den gegenständlichen Streusplitt kann aus fachlicher Sicht keine gesicherte Aussage über die Lungengängigkeit der Asbestfasern getroffen werden. Es wird festgestellt, dass die Asbestmineralien nicht in einheitlicher Größe vorliegen werden und bei einer entsprechenden mechanischen Beanspruchung (zB durch Straßenverkehr) jedenfalls zerkleinert werden und dann die Entstehung von lungengängigen Asbestfasern durchaus zu erwarten ist; dies beispielsweise insbesondere dann, wenn beim Reversieren eines LKW im Stand die Vorderräder eingeschlagen werden, wodurch es zu einem Zermalmen kommen kann.
Die medizinische Amtssachverständige gab folgende Stellungnahme ab:
Asbest ist eine Sammelbezeichnung für die in der Natur vorkommenden faserförmigen Silikate. Es zerfällt rasch in dünne Fasern und diese können, sofern sie eingeatmet werden, bösartigen Brustfell- und Bauchfellkrebs (Mesotheliom), Lungenkrebs und die Lungenkrankheit (Asbestose) verursachen. Bei einer mechanischen Beanspruchung unter anderem durch Vibrationen, Erschütterungen, Schwingungen, Luftzug asbesthaltiger Materialien - entwickelt sich im trockenen Milieu Asbeststaub. Atembarer Staub, von dem die Gesundheitsgefährdung ausgeht, enthält Fasern mit den sogenannten kritischen Faserabmessungen, Länge über 5 µm und Breite unter 3 µm.
(Quelle: Bundesamt für Gesundheit - Asbest im Haus, Schweizerische Eidgenossenschaft)
Die Berufungswerberin macht geltend, dass die Grenzwerteverordnung, die zum ArbeitnehmerInnenschutz erlassen wurde, im Umkehrschluss im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes für den normalen Verbraucher gelten müsse. Dazu ist zu sagen, dass ein Vergleich von Grenzwerten für den Arbeitsplatz mit Vorsorgewerten für den Endverbraucher nicht zulässig ist. Als Beispiel kann das Immissionsschutzgesetz herangezogen werden, bei dem Werte zum dauerhaften Schutz der Gesundheit des Menschen im µg-Bereich liegen und die maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK) für Staubarbeitsplätze 15 mg/m3 beträgt.
Abgesehen von den Grenzwerten, die im ArbeitnehmerInnenschutz gelten, ist in der Umweltmedizin davon auszugehen, dass bei kanzerogenen Wirkungen kein Schwellenwert existiert. Auch die WHO fordert, dass auf Asbest generell verzichtet werden soll, da auch sehr niedrige Expositionen zu höheren Krebsraten führen können. Bei Mesotheliom waren Einzelfälle möglich, die eine Erkrankung selbst nach sehr niedrigen Belastungen zeigen. Beispiele hiefür sind seltene berufliche Expositionen, wie beim Dachdecker oder Mechaniker oder so genannte Bystander-Expositionen: Hierbei erkrankte die Ehegattin eines Arbeiters eines asbestverarbeitenden Betriebes, die nur über die nach Hause in der Kleidung mitgebrachte Fasern exponiert war. Ausschlaggebend ist vor allem die Beständigkeit von Asbest im Lungengewebe. Da es keinen Schwellenwert gibt, ist auch die Unbedenklichkeit von einer Faser nicht erfasst.
Auf Befragen des Rechtsvertreters der Berufungswerberin gab die medizinische Amtssachverständige an, dass ihr Asbesterkrankungen nur im beruflichen Umfeld bekannt sind. Hinsichtlich privater Erkrankungen könne sie keine Angaben machen.
Zur Klärung der konkreten Eigenschaften der im Prüfbericht Nr. 0809/333 abgebildeten Asbestfasern (Lungengängigkeit) wurde die Berufungsverhandlung nach Abgabe dieser Äußerungen am 23.11.2009 unterbrochen und von der Berufungsbehörde der international erfahrene und anerkannte Fachmann für alle Angelegenheiten in Zusammenhang mit Asbest, Herr Univ. Prof. Dr. Manfred Neuberger vom Institut für Umwelthygiene der Universität Wien zum nichtamtlichen Sachverständigen bestellt und beauftragt, ein Gutachten zu diesem Fragenkomplex abzugeben.
Dieser hat am 23.03.2010 ein entsprechendes Gutachten an die Berufungsbehörde übermittelt.
Dieses Gutachten wurde sodann den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht, worauf die Berufungswerberin mit Antrag vom 09.06.2010 eine Stellungnahme von Herrn Univ. Prof. Dr. Oskar Thalhammer von der Montanuniversität Leoben vorlegte, aus welcher sich ihrer Ansicht nach ergäbe, im konkreten Fall wäre kein Aktinolith-Asbest nachgewiesen worden und das zurückgerufene Produkt könne daher als ungefährliches Material eingestuft werden. Weiters würde die Identifizierung des Asbestmaterials im Gutachten des Bundesumweltamtes Nr. 0809/333 angezweifelt, da auf keiner Abbildung die Spießigkeit des Materials erkennbar wäre. Diese gutachterliche Stellungnahme von Univ. Prof. Dr. Oskar Thalhammer hat folgenden Wortlaut:
Einleitung
Das Gutachten von Prof. Neuberger vom 23.03.2010 bezieht sich auf den Prüfbericht Nr. 0809/333 des Umweltbundesamtes vom 19.09.2008. In diesem Prüfbericht wurden fünf Proben von Streu- und Pflastersplittmaterial mit der Körnung 2 - 4 mm aus 25 kg Säcken der S GmbH auf das Vorhandensein von Asbestmineralen untersucht. In allen fünf Proben wurde mittels Mikroskopie und REM (BSE-Aufnahmen und EDS-Elementspektrum) der Amphibolasbest Aktinolith nachgewiesen.
Diesem Prüfbricht Nr. 0809/333 des Umweltbundesamtes vom 19.09.2008 ging ein Prüfbericht Nr. 0808/307 vom Amt der Salzburger Landesregierung, Landessanitätsdirektion in Auftrag gegeben, vom 22.08.2008, voraus, in dem ebenfalls in einem 25 kg Sack von Streu- und Pflasterprobe der Körnung 2 - 4 mm der S GmbH, aus dem Steinbruch Po bei Rumpersdorf der K Basaltwerke GmbH stammend. Amphibolasbest Aktinolith nachgewiesen wurde.
Bezug nehmend auf den Prüfbericht Nr. 0808/307 vom Amt der Salzburger Landesregierung, Landessanitätsdirektion in Auftrag gegeben, vom 22.08.2008, wurde von mir, datiert mit 29.09.2008, eine mineralogisch-petrographische, mikroanalytische, röntgenographische und chemische Untersuchung an zwei je 25 kg Säcken von Streu- und Pflastersplittmaterial mit der Körnung 2 - 4 mm und 4 - 8 mm durchgeführt. In den untersuchten Säcken von Streu- und Pflastersplittmaterial konnten Serpentin-Asbestfasern (Chrysotil), jedoch kein Aktinolith-Asbest nachgewiesen werden.
Am 24.10.2008 fand eine Probenahme (im Beisein von Herrn Mag. rer. Nat. Ku St, sowie dem Betriebsleiter des Steinbruch Po, Herrn Po) im Steinbruch Po, R, statt, nachdem eine Vielzahl (mehr als 3 Tonnen) von meist zu 25 kg Säcken verpackten Streusplittmaterial der Körnung 2 - 4 und 4 - 8 mm der S GmbH zum Steinbruch Po zurückgeholt werden mussten. An einem 25 kg Sack an Streu-und Pflastersplittmaterial der Körnung 2 - 4 mm von dem eingeholten Streusplittmaterial (damit als repräsentativ für das eingeholte Material einzustufen) wurde eine detaillierte mineralogische und röntgenographische Untersuchung durchgeführt (datiert Dezember 2008). Das Ergebnis dieser Untersuchung lässt sich folgend zusammenfassen:
1.
Die durchgeführten Untersuchungen an einem 25 kg Sack von Streusplittmaterial der Körnung 4 - 8 m, stellt die erste semiquantitative Berechnung der Menge an Serpentin- bzw. Amphibol-Asbest dar.
2.
Aus den mikroskopischen und mikroanalytischen Untersuchungen lässt sich im 25 kg Streusplittmaterial ein Gehalt an Serpentin-Asbest von 0.018 Modal% und ein Gehalt an Tremolit-Asbest von 0.013 Modal% errechnen.
3.
Bezugnehmend auf die Stellungnahme des Amtes der Burgenländischen Landesregierung, Abteilung 9, vom 13.11.2008 (Zahl 9-W-1136/672-2008), die mir von der K Basaltwerke GmbH & Co KG zur Einsicht zur Verfügung gestellt worden ist, lässt sich Folgendes festhalten:
Die Gehalte an Asbest (= Stoff mit krebserzeugenden Eigenschaften an der Kategorie I, Chemikaliengesetz 1996, BGBl. I 53/1997) im untersuchten Streusplittmaterial liegt weit unter dem angegebenen Grenzwert von 0,1 %! Damit weist das Material keine gefahrenrelevanten Eigenschaften auf und kann als ungefährliches Material eingestuft werden.
Stellungnahme zum Gutachten von Prof. M. Neuberger
Die Identifizierung des Asbestmaterials im Prüfbericht Nr. 0809/333 des Umweltbundesamtes vom 19.09.2008 als Aktinolith-Asbest ist auf der Basis der durchgeführten Untersuchungen (mikroskopisch und mittels BSE-Aufnahmen und EDS-Elementspektrum) anzuzweifeln. Der Tremolit (Ca2MG5((OH.F)Si4011)) stellt das nahezu reine Mg-Endglied der Mischreihe Tremolit-Ferroaktinolith dar. Der Aktinolith (Ca2(Fe, Mg)5((OH.F)Si4011)) weist einen Fe-Gehalt von 9 - 10 Gew.% auf, stellt damit ein Mischglied zwischen Tremolit und Ferroaktinolith dar. Eine Unterscheidung von Tremolit und Aktinolith erscheint von signifikanter Bedeutung, da auch von Prof. Neuberger in seinem Gutachten erwähnt wird, dass die Gefährlichkeit von Aktinolith im Vergleich zum Tremolit, wegen seines höheren Fe-Gehaltes, höher einzustufen ist. In meiner detaillierten mineralogischen und röntgenographischen Untersuchung vom Dezember 2008 wurde Tremolit, nicht Aktinolith identifiziert (siehe Einleitung). Eine eindeutige Unterscheidung zwischen Tremolit und Aktinolith kann ausschließlich mittels Röntgendiffraktometrie und/oder auf der Basis einer quantitativen Analyse mittels Elektronenstrahl-Mikrosonde (wie in meiner detaillierten mineralogischen und röntgenographischen Untersuchung vom Dezember 2008 angewendet) durchgeführt werden. Eine Unterscheidung auf der Basis eines EDS Elementspektrums, wie im Prüfbericht Nr. 0809/333 des Umweltbundesamtes vom 19.09.2008, entspricht in keiner Weise einer stichhaltigen Identifizierung.
2.
Prof. M. Neuberger erwähnt, bezugnehmend auf den Prüfbericht des Umweltamtes, dass auf Abbildung 3 des Prüfberichtes die langfaserige, spießige Form dieser Asbestart gut zu erkennen ist. Eine mechanische Eigenschaft eines Minerals, nämlich die Spießigkeit, die auf das Kristallgitter und auf das Kristallwachstum zurückzuführen ist, kann nicht auf einer Abbildung (SEM Foto) gut erkennbar sein.
3.
Bezüglich der Häufigkeit des Auftretens von Aktinolith im Steinbruch Po bezieht sich Prof. Neuberger in seinem Gutachten auf Angaben der K Basaltwerke von unter der Nachweisgrenze von 0,1 % Masse. Eine Angabe einer Häufigkeit unter der Nachweisgrenze, egal welche Grenze der Nachweisbarkeit angegeben wird, ist keine konkrete Zahl. Im vorliegenden Fall kann das 0,09 %, 0,01%, 0,001 % oder auch darunter liegen. Es ist daher irrelevant, auf der Basis einer nicht konkret vorhandenen Zahl eine Schlussfolgerung bezüglich einer Gefährdung der Allgemeinbevölkerung anzuschließen.
Das Ergebnis meiner detaillierten mineralogischen und röntgenographischen Untersuchung vom Dezember 2008 liefert hier, wenn auch als semiquantitativ einzustufen, ein konkretes Ergebnis bezüglich der Häufigkeit des Auftretens von Amphibolasbest (jedoch nicht Aktinolith, sondern Tremolit!). In einem 25 Sack von Streu- und Pflastersplittmaterial der Körnung 2 - 4 mm wurden 0,013 Modal% Tremolitasbest nachgewiesen. Interpoliert man diese Menge an Tremolit auf den gesamten Abbaubereich des Steinbruchs Po (eine umfangreiche geologische Begehung des Steinbruches mit anschließenden mineralogischen und mikroanalytischen Untersuchungen wurde von mir im September 2008, im Beisein von Herrn Mag. rer. Nat. Ku St, durchgeführt), so käme man auf eine noch viel signifikanter geringere Menge, da der Tremolitasbest in feinen Gängchen als akzessorischer Mineralgemengteil neben Serpentin, Calcit, Talk und Sericit auftritt.
4. Prof. M. Neuberger schreibt im letzten Absatz seines Gutachtens, wie auch schon davor, dass das Abschätzen einer gesundheitsgefährdenden Auswirkung oder eines gesundheitlichen Risikos nur mittels einer Luftstaubuntersuchung unter Praxisbedingungen möglich sei bzw., wie im letzten Absatz ausgedrückt, dass die Kenntnis der Faserkonzentration in der Luft bekannt sein müsste. Beides liegt nicht vor, weil, und dies ist meine Interpretation, nicht messbar, da viel zu unwahrscheinlich und zu gering!
Von Seiten der Berufungsbehörde wurde sodann mit Verständigung vom 13.07.2010 die Fortsetzung der Berufungsverhandlung für 27.09.2010 angeordnet und im Beisein von Herrn Univ. Prof. Dr. Manfred Neuberger und Herrn Univ. Prof. Dr. Oskar Thalhammer durchgeführt.
Nach Eröffnung der Verhandlung wurde folgende Verhandlungsschrift aufgenommen:
Die Verhandlungsleiterin legt den Verhandlungsgegenstand wie folgt dar:
Nach der Verhandlung am 23.11.2009 wurde Univ.-Prof. Dr. Manfred Neuberger mit der Erstattung des medizinischen Gutachtens hinsichtlich der Gefährlichkeit des verfahrensgegenständlichen Produktes beauftragt. Dieses Gutachten, datiert mit 23.03.2010, wurde den Verfahrensparteien in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Von der Berufungswerberin wurde in der Folge unter gleichzeitiger Vorlage einer Stellungnahme des Univ. Prof. Dr. Thalhammer vom 22.05.2010 zum Gutachten Univ.-Prof. Dr. Manfred Neuberger beantragt, diese dem bestellten Univ.-Prof. Dr. Manfred Neuberger zur Stellungnahme zu übermitteln. Aus der Stellungnahme Thalhammer ergibt sich, dass nunmehr offensichtlich bestritten wird, dass im verfahrensgegenständlichen Produkt das Asbest Aktinolith vorhanden war bzw. ist.
Es wird daher Aufgabe der heutigen Verhandlung sein, zu klären, ob das von Thalhammer befundete Asbest Tremolit hinsichtlich der Gefährlichkeit vergleichbar mit jener von Aktinolith ist und gegebenenfalls neuerlich das verfahrensgegenständliche Material hinsichtlich der vorhandenen Asbeste untersuchen zu lassen.
Herr Univ. Prof. Dr. Oskar Thalhammer gibt dazu an:
Beginnend mit der Fragestellung, welche Methoden es zu einer eindeutigen Identifizierung einer kristallinen Mineralphase gibt: Es gibt einerseits die Methode der Röntgendifraktometrie, das ist die einzig exakte Methode, ein Mineral eindeutig zu identifizieren. Die zweite Methode, wohl bemerkt als eine Annährung ein Mineral zu identifizieren, ist jene auf der Basis seiner chemischen Zusammensetzung. Die chemische Zusammensetzung eines Minerals lässt sich mit Hilfe der Elektronenstrahlmikrosonde quantitativ durchführen. Diese Methode habe ich in diesem Zusammenhang angewendet. Die im Prüfbericht Nr. 0809/333 des Umweltbundesamtes vom 19.09.2008 angeführte Identifizierung der Asbestmineralphasen als Aktinolith (aus der Amphibolasbestgruppe) wurde mit Hilfe einer qualitativen Rasterelektronenmikroskopaufnahme durchgeführt. Diese Methode lässt die eindeutige Identifizierung einer Mineralphase nicht zu. Daher ist das in diesem Prüfbericht aufscheinende Ergebnis, dass es sich bei den Asbestmineralphasen um Aktinolith handle, nach meiner Auffassung nicht gerechtfertigt.
Generell unterscheidet man zwischen zwei Gruppen von Asbestmineralien: Die eine Gruppe sind Serpentinasbestminerale, die eine biegsame Röllchenstruktur aufweisen, daher wie aus vielen auch medizinischen Artikeln oder Stellungnahmen bekannt ist, ein viel geringeres Gefährdungspotential besitzen als Asbestminerale aus der Amphibolgruppe. Weiters sind Serpentinasbestiminerale in ihrer chemischen Zusammensetzung in erster Linie durch die beiden Elemente Magnesium und Silizium charakterisiert. Die zweite Asbestmineralgruppe sind Amphibolasbeste. Hier unterscheidet man unter anderem bei den Calcium-Amphibolen zwischen Aktinolith (eisenreiches Endglied) und Tremolit (Magnesiumendglied). Asbestminerale aus der Amphibolgruppe sind durch eine nadelige Wachstumsform gekennzeichnet. Sie haben daher aus einer Vielzahl von auch aus der Medizin kommenden Stellungnahmen oder Untersuchungen ein weit höheres Gefahrenpotential als Asbestminerale aus der Serpentingruppe. Generell vom Auftreten her sind Asbestminerale aus der Amphibolguppe bei weitem seltener als jene aus der Serpentinmineralgruppe.
Bezüglich des vorliegenden Falles habe ich die ersten Untersuchungen im Steinbruch Po bzw. an Streusplittmaterial der Körnung 2 bis 4 mm bzw. 4 bis 8 mm bereits im August 2008 durchgeführt. Die erste Untersuchung befasste sich mit zwei Säcken, ein Sack 25 kg der Körnung 2 bis 4 mm, ein Sack 25 kg mit der Körnung 4 bis 8 mm aus dem Steinbruch Po, Material welches als Streusplittmaterial für die Firma S bestimmt war. Die Untersuchung fand unmittelbar nach dem Auftauchen des Prüfberichtes Nr. 0809/333 des Umweltbundesamtes vom 19.09.2008 statt. Als wesentliches Ergebnis auf der Basis von mikroskopischen, mikroanalytischen, röntgenografischen und geochemischen Untersuchungen konnte kein Hinweis auf das Vorhandensein von Amphibolasbest gefunden werden. Sehr wohl konnten in geringen Mengen Asbestminerale der Serpentingruppe nachgewiesen werden.
Es befand sich also weder Aktinolith noch Tremolit in den untersuchten Proben.
Die zweite wesentliche Untersuchung fand im November/Dezember 2008 statt nach der Rückholaktion von mehr als drei Tonnen Streusplittmaterial durch die Firma S. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden insgesamt sieben Streusplittproben von verschiedenen eingeholten Säcken der Körnung 2 bis 4 mm bzw. 4 bis 8 mm durchgeführt. Hervorzuheben in dieser Untersuchung ist das Studium eines gesamten 25 Kilo Sackes von Streumaterial der Körnung 4 bis 8 mm, woraus sämtliche asbestmineralverdächtige Komponente selektiert worden sind. All diese verdächtigen Komponenten wurden einer mikroskopischen und mikroanalytischen (Elektronenstrahlmikrosonde) wie auch röntgenografischen Untersuchung unterworfen. Als Ergebnis dieser Untersuchung konnte, kalkuliert auf das Ausgangsmaterial von 25 Kilogramm, insgesamt ein Serpentinasbestgehalt von annähernd 0,018 Modalprozent und ein Gehalt an Tremolitasbest von 0,013 Modalprozent errechnet werden. Das Vorhandensein von Aktinolithasbest konnte nicht nachgewiesen werden.
Hr. Mag. Pz stellt dazu fest, die von Frau. Dr. T untersuchten Proben wären amtlich gezogen worden an fünf verschiedenen Stellen. Festzustellen sei, dass das Gesetz bezüglich der unterschiedlichen Arten von Asbest keine Unterscheidung vorsieht und die Prüfmethode laut Prüfbericht 0809/333 nach VDI 3866 Blatt 5 erfolgt ist.
Herr Dr. Thalhammer gibt dazu an, er habe im Herbst 2008 mehrmals versucht, Kontakt mit der Gutachterin aufzunehmen, vor allem auch um zu eruieren, welches Prüfverfahren angewendet worden wäre. Diesbezüglich habe er trotz mehrmaliger Versuche keine Auskunft erhalten. Auch eine diesbezügliche schriftliche Anfrage von Hrn. Mag. St habe kein Ergebnis gebracht. Sofern es sich um identes Ausgangsmaterial handelt, sei es bezogen auf die von ihm durchgeführten Untersuchungen unerheblich, ob die Körnung 4 bis 8 oder 2 bis 4 mm gewesen ist.
Hr. Mag. Pz erklärt zusätzlich, die rückgeholten Proben gäbe es noch, diese lagern im Umweltbundesamt.
Im Einzelnen führte er aus:
Unmittelbar nach dem Vorliegen der Prüfberichte hat die Rückholaktion eingesetzt, die im wesentlichen Ende 2008 abgeschlossen war. Von der Rückholaktion betroffen waren das gesamte Material, das die Firma S ausgeliefert hat und das noch zur Verfügung gestanden ist. Dieses Material wurde ausschließlich von der Firma Po bezogen. So gesehen wurde der Verpflichtung aus dem Bescheid vom 03.11.2008 Streu- und Pflastersplitt 2 bis 4 mm, 25 Kilo PE-Sack, Zeitraum des Inverkehrbringens von Feber 2006 bis August 2008 zum Großteil schon vor Erlassung des Bescheides zum kleineren Teil nach Erlassung des Bescheides Folge geleistet.
Hr. S liest das Schreiben, datiert vom 28.08.2008 an seine Kunden vor. Dieses Schreiben wird als Kopie zum Akt genommen.
Hr. Mag. Pz gibt an, dass er mit der Gutachterin des UBA Fr. Dr. T in dieser Sache kurz gesprochen hat und hält sie an ihren Ausführungen in den Prüfberichten fest.
Dr. Thalhammer gibt bekannt, dass er die Untersuchungen im Auftrag des Steinbruchbetreibers durchgeführt hat.
Univ.-Prof. Dr. Manfred Neuberger gibt an:
Zunächst verweise ich kurz darauf, dass ich, wie aus den zusätzlich vorgelegten Unterlagen ersichtlich ist, auch international als Experte für medizinische Fragen in Zusammenhang mit der Asbestproblematik bekannt bin.
Es wurden bei mehreren Untersuchungen insgesamt drei verschiedene Asbestarten gefunden, zwei davon konnte auch Prof. Thalhammer finden, eine davon war ein Amphibolasbest. Die Gefährlichkeit von Amphibolasbesten übertrifft die von Chrysotilasbest vor allem im Hinblick auf das Mesotheliomrisiko (Rippenfellkrebs, Bauchfellkrebs). Entscheidend für die Beurteilung ist vor allem die Art der Probeziehung, die möglichst anwendungsorientiert nach dem Zufallsprinzip erfolgen sollte. Deshalb sind die aus insgesamt sechs Bundesländern vorliegenden Proben besonders aussagekräftig, die amtlich gezogen wurden. Dass Prof. Thalhammer in zwei Proben, die er über einen Dritten aus dem Steinbruch seines Auftraggebers bezog, nur Chrysotilasbest fand, schließt das Vorkommen von Amphibolasbesten in anderen Proben nicht aus. Der Nachweis, dass Amphibolasbest in einem ausgelieferten Material auftrat, wurde von Prof. Thalhammer selbst geliefert, indem er Tremolitasbest nachwies. Zu Tremolitasbest liegen zwar weniger wissenschaftliche Studien vor als zu anderen Amphibolasbesten, wie Krokydolith, Amosit, Anthophylith, jedoch zeigen die vorliegenden Studien, dass Tremolitasbest in seiner langfaserigen Form Mesotheliome auslöst. Langfaseriger Tremolit ist sogar gefährlicher als kurzfasrige Amphibolasbeste anderer chemischer Zusammensetzungen. Bei der widmungsgemäßen Verwendung dieses asbesthältigen Streusplitts ist aufgrund der relativ geringen Abriebfestigkeit der Begleitminerale mit einem Verstaubungsverhalten bei Beanspruchung zu rechnen, das ein Gesundheitsrisiko für Anwender und ganz besonders für Kinder, die bei der Anwendung anwesend sind, darstellt. Die Faserzahl nimmt durch Längsspaltung bei Beanspruchung noch zu und bestimmt das Gesundheitsrisiko sehr viel stärker als die von Prof. Thalhammer abgeschätzte Masse. Außerdem erscheinen mir die Aussagen widersprüchlich, dass Prof. Thalhammer einerseits selektiv in einem 25 Kilo Sack nach faserigem Material gesucht hätte, aber dann den Tremolitgehalt auf die gesamten 25 Kilogramm hochgerechnet hat.
Herr Dr. O gibt an:
Als Umweltmediziner des Landes Salzburg war ich der Auslöser dieses Verfahrens, da ich bemerkt habe, dass von meiner Frau gekaufter und in unserem Hof aufgebrachter Streusplitt schon nach wenigen Fahrbewegungen eine Konsistenz aufgewiesen hat, die mir aufgefallen ist. Anhand von mir selbst angefertigter Fotos zeige ich die Beschaffenheit dieses Streusplitts, unter anderem auch, dass mit freiem Auge erkennbar eine weiße Faserung feststellbar war. Aufgrund meiner Fachkenntnis habe ich sofort eine entsprechende Probenziehung veranlasst und die amtliche Probe zur Analyse an das Bundesumweltamt geschickt. In weiterer Folge erfolgte die Begutachtung und Erlassung des Bescheides.
Diese Fotos werden der Verhandlungsschrift angeschlossen.
Auf Befragen durch die Verhandlungsleiterin gibt Univ.-Prof. Dr. Manfred Neuberger an:
Die Gefährlichkeit wird besonders durch die Form des Asbestes bestimmt, je langfasriger desto gefährlicher. Bei den verfahrensgegenständlichen Feststellungen im Prüfbericht Nr. 0809/333 ist ein sehr langfasriger und dünner Amphibolasbest dargestellt, bei dem bereits eine kleine und kurze Expositionszeit ausreicht, um längerfristig (jahrzehntelange Latenzzeit) Krebs auszulösen. Es handelt sich dabei um Rippenfell- und Bauchfellkrebs, der in aller Regel inoperabel ist.
Dr. Thalhammer gibt dazu an:
Nach Definition für eine Asbestfaser kann diese eine maximale Länge von 1 cm und einen max. Durchmesser von 10 bis 120 µm aufweisen. Aufgrund bloß bildlicher (fotografischer) Darstellung kann die Langfasrigkeit nicht festgestellt werden.
Die Aussagekraft der REM-Aufnahme im Prüfbericht 0809/333 Abbildung 11 ist jedoch sehr wohl aussagekräftig.
Wenn ich auf den Prüfbericht 0809/333 angesprochen werde, steht jedenfalls außer Streit, dass es sich bei dem untersuchten Probenmaterial um einen Asbest aus der Amphibolgruppe handelt, wobei die einzelne Asbestfaster sehr lang ist und das Verhältnis zum Durchmesser als gesundheitlich problematisch bezeichnet werden kann.
Univ.-Prof. Dr. Manfred Neuberger führt dazu aus:
Lange dicke Fasern sind deshalb weniger gefährlich, weil sie nicht in die Tiefe der Lunge inhaliert werden können. Kurze dünne Fasern sind deshalb weniger gefährlich, weil sie in der Tiefe der Lunge von Fresszellen aufgenommen und abtransportiert werden können. Kritisch sind Fasern anzusehen, deren Dicke (kleiner als 3 µm) ein Eindringen in die Tiefe der Lunge noch erlaubt und deren Länge eine vollständige Aufnahme durch Fresszellen nicht mehr ermöglicht. Diese lungenunlöslichen Fasern lösen aufgrund ihrer Oberflächenchemie chronisch entzündliche Vorgänge aus, die letztlich zum Krebs führen.
Die Aussage in meinem Gutachten vom 23.03.2010 bleibt auch dann aufrecht, wenn es sich bei den aufgenommenen Fasern nicht um Aktinolith-, sondern um Tremolitasbest handelt.
Auf Befragen durch den Vertreter der Berufungswerberin, inwieweit bezogen auf die von ihm beurteilte Problemstellung die Grenzwerteverordnung für Arbeitnehmer heranziehbar ist, gibt Univ.-Prof. Dr. Manfred Neuberger an:
Diese Verordnung kann ausschließlich auf Arbeitnehmer angewendet werden, die überdies besonderen Eignungsuntersuchungen unterzogen werden müssen. Speziell bei krebsfördernden Stoffen sind die Unterschiede zwischen den Grenzwerten am Arbeitsplatz und den Grenzwerten zum Schutz der Allgemeinbevölkerung in der Umwelt extrem groß. Das liegt zum Teil an der höheren Empfindlichkeit von Kindern und der Beobachtung, dass mit abnehmender Dosis zwar die Latenzzeiten bis zum Auftreten einer Erkrankung zunehmen, aber diese Krankheiten nach früher Exposition trotzdem noch erlebt werden, auch wenn diese frühe Exposition nur kurzzeitig bestand. Bezüglich der Dosis gibt es nur Abschätzungen, aber es ist bei Amphibolasbesten davon auszugehen, dass bereits sehr geringe Dosen ein Mesotheliom auszulösen imstande sind, da diese Erkrankung auch ohne berufliche Exposition nachgewiesen wurde. Dazu gibt es sowohl Studien über Mesotheliome bei Frauen durch mit der Kleidung ihres Mannes in die Wohnung eingeschleppte Asbestfasern, als auch Studien über Mesotheliomhäufungen bei reiner Umweltexposition gegenüber langfasrigen Tremolit-asbestarten. Auf die Frage, ob es sich bei dem hier zu beurteilenden Produkt um ein Produkt handelt, das sicher ist bzw keine oder auch nur geringe mit seiner Verwendung zu vereinbarenden und unter Wahrung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit und Sicherheit von Personen vertretbare Gefahren birgt, im Hinblick auf die geringen Dosen, die offenbar hier zu beurteilen sind, wird aus medizinischer Sicht folgende Stellungnahme abgegeben:
Da es sich bei diesem Risiko um eine sehr bösartige Krebserkrankung handelt, für die bislang keine Auslöseschwelle nachweisbar war, sind auch die im vorliegenden Fall anzunehmenden geringen Dosen als gefährlich einzustufen, jedenfalls für Personen, die dem Abrieb dieses Materials öfter oder schon in sehr jungen Jahren ausgesetzt sind. Dieses Gefahrenpotenzial ist nach meiner Beurteilung aus medizinischer Sicht für die genannten Gruppen inakzeptabel. Bei Vorliegen einer Luftstaubuntersuchung wäre dieses Risiko konkreter abzuschätzen.
Auf die Frage, worauf ich meine Aussage beziehe, dass die hier zu beurteilende unstrittigerweise geringe Menge ausreicht, um das von mir geschilderte Szenario zu bewirken, gebe ich an: Es wurden in allen in sechs Bundesländern gezogenen Proben langfaserige Amphibolasbeste nachgewiesen, die in den aufgenommenen Teilen einen sehr hohen Anteil an gefährlichen Fasern erkennen lassen. Dabei beziehe ich mich insbesondere auf die Abb. 3, Abb. 7, Abb. 11 und Abb. 15 im Prüfbericht Nr. 0809/333. Das Risiko liegt im näheren Bereich von 1:15.000 (Hausnummer) als zu 1:1.000.000. Diesbezüglich gibt es keine konkret auf Österreich bezogenen Studien, weil hier in Österreich es kaum solche langfaserige Tremolitvorkommen gibt wie in anderen Ländern. Auf Grund der im Rahmen von epidemologischen Studien zu umweltbedingten Mesotheliomen vorliegenden Befunden kann das Risiko durchaus als in einer vergleichbaren Größenordnung eingestuft werden. Das schließe ich aus den im vorliegenden Fall in allen Proben reichlich nachgewiesenen Amphibolasbestarten in ihrer langfasrigen Ausprägungsform. Mir sind auch Abriebquantifizierungsuntersuchungen bekannt, aus denen bezogen auf Streusplitt erhebliche Feinstaubbelastungen abzuleiten waren.
Herr Mag. Pz verweist in diesem Zusammenhang zusätzlich auf das in § 11 PSG normierte Vorsorgegesetz.
Der Vertreter der Berufungswerberin beantragt die Durchführung einer Luftstaubanalyse zur Abschätzung des gesundheitlichen Risikos.
Hinsichtlich der Abgrenzung des Arbeitnehmerschutzes gegenüber dem Schutz der Allgemeinbevölkerung im Zusammenhang mit Asbest gibt Univ.-Prof. Dr. Manfred Neuberger an:
Es ist richtig, dass Arbeitnehmerschutz nicht darauf ausgelegt ist - und dies sei auch im Hinblick auf die Grenzwerteverordnung gesagt - gänzlich ein Krebsrisiko auszuschließen. Arbeitnehmer sollen nicht nur bestimmten Konzentrationen ausgesetzt werden, die jedenfalls zu Krebs führen würden und technisch vermeidbar sind. Hinzu kommt, dass Arbeitnehmer einer besonderen Überwachung und Vorsorge unterliegen.
Ziel des Schutzes der Allgemeinbevölkerung ist es hingegen, bereits ein erkennbares konkretes Gefährdungspotential auszuschließen. So - und hier stimme ich Mag. Pz zu - ist auch das Vorsorgeprinzip des Produktsicherheitsgesetzes zu verstehen, das greifen muss, wenn ein überdurchschnittliches Gefährdungspotential für ein gewisses Produkt erkennbar ist.
Hinsichtlich des Gefährdungspotentials muss darauf abgestellt werden, dass, auch wenn es nur eine geringe Wahrscheinlichkeit des Eintrittes gibt, dies auf Grund der massiven Folgen im Einzelfall nicht in Kauf genommen werden darf.
Nach einer kurzen Unterbrechung der Verhandlung erklärte die Verhandlungsleiterin bzw. Kammervorsitzende nach Neueröffnung derselben, der zu klärende Sachverhalt sei entsprechend erhoben worden, die nachträgliche Durchführung der beantragten Luftstaubanalyse sei daher nicht erforderlich.
Herr Univ. Prof. Dr. Manfred Neuberger wurde noch ersucht, die von ihm erwähnten Studien, auf welche sich sein Gutachten stützt, zu zitieren. Er weist diesbezüglich auf jene Unterlagen hin, die er am Beginn der Verhandlung vorgelegt hat, weiters gibt er an, in den nächsten Tagen die zusätzlich von ihm erwähnten Studien zu zitieren.
Der Geschäftsführer der Berufungswerberin gibt an, dass er sich im gegenständlichen Verfahren durch die Vorgangsweise der Behörde schlecht behandelt fühlt. Er verweist auf einen vorliegenden Prüfbericht aus dem Jahr 2004, wonach festgestellt worden sei, dass das Material aus dem Steinbruch Po asbestfrei sei, ebenso eine Stellungnahme des Arbeitsinspektorates Eisenstadt mit gleichem Inhalt aus dem Jahr 2008 und Ausführungen vom Oktober 2008 seitens der Bezirkshauptmannschaft Oberwart mit der ausdrücklichen Feststellung, dass für die Arbeitnehmer des Steinbruches keine Gefahr durch Asbest bestehe. Er sei selbst mehrmals beim Steinbruch gewesen und könne angeben, dass die Arbeiter dort extrem belastet seien, ohne Mundschutz und dergleichen arbeiten würden. Von Vorfällen im Hinblick auf Erkrankungen habe er noch nie etwas gehört.
Für das Unternehmen sei es zu einem erheblichen Umweltschaden gekommen, dazu kämen die durch die Rücknahme bedingten Kosten, das Material liege nach wie vor beim Unternehmen des Berufungswerbers und es stelle sich nun die Frage, was damit geschehen soll. Er wisse nicht mehr was er tun solle. Darüber hinaus gibt er zu bedenken, dass es völlig unklar sei, weshalb im Burgenland weitergearbeitet werden dürfe, während in der Steiermark eine Gesundheitsgefährdung durch Material aus dem Steinbruch Po festgestellt werde. Material aus diesem Steinbruch werde in der Steiermark weiterhin verkauft und im Ö Ha verwendet.
Der im Sinne des § 67 a zweiter Satz AVG für die Entscheidung über die vorliegende Berufung als Kammer zuständige Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (vgl. Hengstschläger-Leeb, Manz-Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, dritter Teilband, Wien 2007, Seite 1037) ist bei seiner Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:
Dieser Entscheidung sind folgende gesetzliche Bestimmungen des Produktsicherheitsgesetzes zugrunde zu legen:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
§ 1 Produktsicherheitsgesetz 2004 (PSG):
Dieses Bundesgesetz regelt Sicherheitsanforderungen an Produkte, Verpflichtungen für In-Verkehr-Bringer/innen sowie behördliche Maßnahmen mit dem Ziel, insbesondere Leben und Gesundheit von Menschen vor Gefährdungen durch gefährliche Produkte zu schützen.
§ 3 Z 1 PSG 2004:
Im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten folgende Begriffsbestimmungen:
Produkt ist jede bewegliche Sache einschließlich Energie, auch wenn sie Teil einer anderen beweglichen Sache oder mit einer unbeweglichen Sache verbunden worden ist, die - auch im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung - für Verbraucher/innen bestimmt ist oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen von diesen benutzt werden könnte, selbst wenn sie nicht für diese bestimmt ist. Das Produkt muss im Rahmen einer Geschäftstätigkeit geliefert oder zur Verfügung gestellt werden, wobei unerheblich ist, ob dies entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt und ob es neu, gebraucht oder wiederaufgearbeitet ist. Keine Produkte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Antiquitäten und solche Produkte, die vor ihrer Verwendung instandgesetzt oder wiederaufbereitet werden müssen, sofern dies der/die In-Verkehr-Bringer/in der von ihm/ihr belieferten Person nachweislich mitteilt.
Z 4 a:
Hersteller/in ist wer seinen Sitz in der Europäischen Gemeinschaft hat und ein Produkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit hervorbringt sowie jede andere Person, die als Hersteller/in auftritt, indem sie auf dem Produkt ihren Namen, ihr Markenzeichen oder ein anderes Unterscheidungszeichen anbringt oder das Produkt wiederaufarbeitet;
Z 8:
In-Verkehr-Bringen ist das Feilhalten, Verkaufen, Einführen, unentgeltliche Abgeben oder Verteilen eines Produktes sowie seine Anwendung oder Überlassung im Rahmen einer Dienstleistung.
Z 9:
Rückruf ist jede Maßnahme, die auf Erwirkung der Rückgabe eines den Verbrauchern und Verbraucherinnen von dem/der In-Verkehr-Bringer/in bereits gelieferten oder zur Verfügung gestellten gefährlichen Produkts abzielt.
Z 10:
Rücknahme ist jede Maßnahme, mit der verhindert werden soll, dass ein gefährliches Produkt vertrieben, ausgestellt oder den Verbrauchern und Verbraucherinnen angeboten wird.
§ 4 Abs 1 und Abs 2 PSG 2004:
Ein Produkt ist sicher, wenn es bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung keine oder nur geringe, mit seiner Verwendung zu vereinbarende und unter Wahrung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit und Sicherheit von Personen vertretbare Gefahren birgt. Die Verwendung schließt auch die Gebrauchsdauer sowie gegebenenfalls Inbetriebnahme, Installation und Wartungsanforderungen ein. Bei der Beurteilung der Sicherheit ist vor allem Bedacht zu nehmen:
1.
auf Verbraucher/innen (Verbrauchergruppen), wie zB Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen, die durch das Produkt bei einer vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendung einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind;
2.
auf die Eigenschaften des Produktes, insbesondere seine Zusammensetzung, seine Ausführung, seine Verpackung, die Bedingungen für seinen Zusammenbau und sein Verhalten bei der Wartung, Lagerung und beim Transport;
3.
auf seine Einwirkung auf andere Produkte, wenn eine gemeinsame Verwendung mit anderen Produkten vernünftigerweise vorhersehbar ist;
4.
auf seine Aufmachung, seine Präsentation, seine Etikettierung, gegebenenfalls seine Gebrauchs- und Bedienungsanleitung, Anweisungen für seine Wartung, Lagerung und Beseitigung sowie alle sonstigen Angaben oder Informationen seitens des Herstellers/der Herstellerin oder des Importeurs/der Importeurin.
Als gefährlich ist ein Produkt dann anzusehen, wenn es nicht den Anforderungen des Abs 1 entspricht. Die Möglichkeit, einen höheren Sicherheitsgrad zu erreichen, oder die Verfügbarkeit anderer Produkte, von denen eine geringere Gefährdung ausgeht, ist hingegen kein ausreichender Grund, um ein Produkt als gefährlich anzusehen.
§ 6 PSG 2004:
Hersteller/innen und Importeure/Importeurinnen dürfen nur sichere Produkte in den Verkehr bringen. Sofern dieses Bundesgesetz nur auf bestimmte Aspekte, Risken oder Risikokategorien von Produkten anzuwenden ist (§ 2 Abs 2), dürfen sie aufgrund dieses Gesetzes nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie bezüglich dieser Aspekte, Risken oder Risikokategorien den Sicherheitsanforderungen des § 4 Abs 1 entsprechen.
§ 11 Abs 1 Z 9 und Z 10 PSG 2004:
Sofern den Sicherheitsanforderungen (§§ 4 und 5) durch die In-Verkehr-Bringer/innen nicht entsprochen worden ist sowie zur Gewährleistung eines hohen Gesundheitsschutz- und Sicherheitsniveaus für die Verbraucher/innen hat der/die gemäß § 32 zuständige Bundesminister/in unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips behördliche Maßnahmen zu ergreifen, die sich an die In-Verkehr-Bringer/innen oder, falls zur Gefahrenabwehr erforderlich, an jede andere Person richten können. Diese Maßnahmen umfassen insbesondere:
9.
die Verpflichtung zur unverzüglichen Rücknahme eines bereits in Verkehr gebrachten Produktes oder Produktpostens aus der Vertriebskette und nötigenfalls dessen Vernichtung unter geeigneten Bedingungen;
10.
die Verpflichtung zur Durchführung eines unverzüglichen und effizienten Rückrufes eines bereits in Verkehr gebrachten Produktes oder Produktpostens von den Verbraucher/innen, gegebenenfalls die Veröffentlichung dieses Rückrufes in den für die betroffenen Verkehrskreise geeigneten Medien sowie nötigenfalls die Vernichtung des Produktes oder Produktpostens unter geeigneten Bedingungen.
§ 11 Abs 2 PSG 2004:
Maßnahmen gemäß Abs. 1 sind - mehrere Maßnahmen in Verbindung untereinander oder eine Maßnahme für sich allein - von dem/r gemäß § 32 zuständigen Bundesminister/in mit Verordnung oder - falls die Maßnahmen sich an individuell bestimmte Personen richten - mit Bescheid zu treffen. Dabei ist jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Mittel anzuwenden. Sofern angemessene Maßnahmen zur Gefahrenabwehr auf freiwilliger Basis herbeigeführt werden können, ist diesen der Vorzug zu geben.
§ 14 Abs 1 und 2 PSG 2004:
Die Aufsichtsorgane gemäß § 13 Abs 1 und 3 und die von den zuständigen Behörden berufenen Sachverständigen sind befugt und ermächtigt, überall dort wo Produkte in den Verkehr gebracht werden, Nachschau zu halten und hierbei für die Risikobewertung erforderliche Proben zu ziehen. Nachschau und Probenziehung sind, wenn nicht Gefahr in Verzug ist, während der üblichen Geschäfts- und Betriebsstunden durchzuführen. Störungen und Behinderungen des Betriebes sowie jedes Aufsehen sind tunlichst zu vermeiden. Betriebsinhaber/innen oder seine/ihre Stellvertreter/innen sind von der Behörde spätestens beim Betreten des Betriebes oder der Lagerräume zu verständigen.
Die entnommene Probe ist zweckentsprechend zu verpacken, amtlich zu verschließen und mit einem Dienstsiegel unverwechselbar zu kennzeichnen. Sind noch augenscheinlich gleiche Produkteinheiten vorhanden, so ist auf Verlangen des Betriebsinhabers oder der Betriebsinhaberin eine von diesen ebenso zu behandeln und zu Beweiszwecken im Betrieb zurückzulassen (Gegenprobe).
§ 18 Abs 2 PSG 2004:
Gegen Bescheide gemäß § 11 steht binnen zwei Wochen das Rechtsmittel der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel der Geschäftssitz des Bescheidadressaten liegt.
§ 32 Abs 1 PSG 2004:
Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist - sofern nichts anderes bestimmt ist - der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betraut.
Die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ergibt auf Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmungen Folgendes:
Im durchgeführten Berufungsverfahren kam die medizinische Amtssachverständige bereits in der Verhandlung vom 23.11.2009 auf Grundlage des dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Gutachtens des Bundesumweltamtes im Prüfbericht Nr. 0809/333 sowie der Ausführungen des abfalltechnischen Amtssachverständigen im Wesentlichen zum Schluss, es solle, wie von der WHO gefordert, generell auf Asbest verzichtet werden, da bezüglich asbesthaltiger Materialien bereits sehr niedrige Expositionen zu höheren Krebsraten führen könnten, aus diesem Grund sei bei kanzerogenen Wirkungen auch kein Schwellenwert normiert.
Die Berufungsverhandlung, die am 23.11.2009 zur Einholung weiterer Gutachten unterbrochen wurde und sodann am 27.09.2010 fortgesetzt worden ist, hat, wie aus den gutachterlichen Ausführungen des Univ. Prof. Dr. Manfred Neuberger hervorgeht, in unzweifelhafter Weise zum Ergebnis geführt, auch bei geringstmöglicher Konzentration sei für Personen, die dem Abrieb des eingesetzten und überprüften Materials ausgesetzt sind, von einem konkreten Risiko, in ursächlicher Weise an Krebs zu erkranken, gegeben. Aus diesem Gutachten ergibt sich auch, dass zwar dieses Risiko konkreter abzuschätzen wäre, läge das Ergebnis einer Luftstaubuntersuchung vor, das Nichtvorliegen einer solchen Untersuchung nicht jedoch dazu führen könne, die gezogenen und überprüften Proben als nicht gefährlich bzw. sicher im Sinne des § 4 Abs 1 PSG 200