TE UVS Burgenland 2010/11/19 166/14/10013

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Veröffentlicht am 19.11.2010
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Dr. Schwarz über die Beschwerde gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG der Frau ***, geboren am ***, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch Herrn ***, Rechtsanwalt in ***, vom 21.05.2010, wegen behaupteter Rechtswidrigkeit der Abschiebung nach Nigeria am 09.04.2010 und der Übergabe von Frau *** an die nigerianische Flughafenpolizei durch die sie begleitenden österreichischen Polizisten im Verantwortungsbereich der Bezirkshauptmannschaft ***, zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 67c Abs. 3 AVG wird der Beschwerde Folge gegeben und die Abschiebung von Frau *** nach Nigeria am 09.04.2010 für rechtswidrig erklärt.

 

Gemäß § 79a AVG hat der Bund (Bundesministerin für Inneres) dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 737,60 Euro Schriftsatzaufwand und von 922,-- Euro für Verhandlungsaufwand  sowie von 16,80 Euro für Gebühren zu ersetzen; das darüber hinausgehende Begehren auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Text

Mit der gegenständlichen Beschwerde vom 21.05.2010 wurde wie aus dem Vorspruch ersichtlich beantragt und im Wesentlichen vorgebracht:

 

Die Abschiebung habe nach Ansicht der Beschwerdeführerin im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Eisenstadt ihren Ausgang genommen, sodass angenommen werde, der UVS Burgenland sei zur Behandlung dieser Maßnahmebeschwerde zuständig. Sicherheitshalber werde eine inhaltsgleiche Beschwerde auch vor dem UVS Niederösterreich erhoben.

 

Bei der Abschiebung selbst sei die Beschwerdeführerin von drei Polizisten begleitet worden, die sie nach der Ankunft in Lagos der nigerianischen Flughafenpolizei übergeben hätten. Die nigerianischen Polizisten hätten die Beschwerdeführerin als Schwerverbrecherin angesehen. Sie sei von diesen mehrere Stunden lang festgehalten, ihrer gesamten Barschaft in Höhe von 600 Euro beraubt, geschlagen und nur deshalb nicht auch vergewaltigt worden, weil sie einen blutenden Ausfluss habe vorweisen können. Die Beschwerdeführerin verfüge über einen gültigen nigerianischen Reisepass. Die österreichischen Beamten hätten sie auch unauffällig durch die Passkontrolle durchlaufen lassen können und müssen, weil den österreichischen Behörden bekannt sei, dass nach Nigeria Abgeschobene dort durch die Flughafenpolizei regelmäßig festgehalten, misshandelt und ihres Geldes beraubt würden. In dem nicht die Beschwerdeführerin betreffenden BAA-Bescheid vom 14.10.2009, Zl. 09 12.003, sei in einer Stellungnahme des ?Mag. ***, BM.I, Abt. II/3? auszugsweise festgehalten, dass aus Österreich nach Nigeria Abgeschobene dort nach Ankunft ausnahmslos angehalten und befragt werden würden, wobei zumeist Schmiergelder an die Beamten geleistet werden müssten. Dass speziell Frauen in nigerianischem Polizeigewahrsam Gewalt und sexuelle Übergriffe erdulden müssten, sei den österreichischen Behörden ebenfalls bekannt. Übergriffe dieser Art seien etwa vom UN-Sonderberichterstatter *** bereits im März 2007 publiziert und in Österreich bereits wahrgenommen worden und habe sich daran nichts geändert. Die die Beschwerdeführerin begleitenden Polizisten hätten fehl gehandelt und Art. 3 MRK verletzt, indem sie die Beschwerdeführerin einer folternden und raubenden nigerianischen Flughafenpolizei übergeben hätten obwohl hiezu keine Notwendigkeit bestanden hätte. Die Beschwerdeführerin  hätte mit ihrem Reisepass, auch für sie wesentlich weniger gefährlich, als normaler Flugpassagier einreisen können, weshalb das ?Rechtswidrig-Übergeben? auch als eigener Beschwerdepunkt geltend gemacht werde. Es werde die Erstattung der Stempelgebühren, des pauschalierten Schriftsatzaufwandes und des Verhandlungsaufwandes für zwei Beschwerden beantragt.

 

Die Bezirkshauptmannschaft *** (im Folgenden ?BH?) teilte mit Schreiben vom 27.09.2010 mit, dass sich gemäß § 6 Abs. 4 FPG die örtliche Zuständigkeit zur Abschiebung nach dem Aufenthalt richtet. Gemäß Erlass des Bundesministeriums für Inneres vom 29.12.2005, Zl. BMI-FX1440/Rechtliche Angelegenheiten/0041-II/3/2005, habe sich um die rechtliche und faktische Ermöglichung der Abschiebung jene Behörde zu bemühen, die die Aufenthaltsbeendigung in erster Instanz verfügt hat. Die Behörde des Aufenthaltes führe die unmittelbare Abschiebung durch. Im vorliegenden Fall habe die BH alle rechtlichen Prüfungen für die Abschiebung sowie die organisatorischen Maßnahmen durchgeführt. Aufgrund der Mitteilungen der Bundespolizeidirektion *** (im Folgenden ?Bundespolizeidirektion  ***?) über das Verhalten der Person sei die Begleitung von Sicherheitsorganen als notwendig erachtet und auch organisiert worden. Die begleitenden Sicherheitsorgane seien Beamte des Sicherheitspolizeikommandos *** (SPK ***) gewesen. Die BH sei der Ansicht, dass die Durchführung der Abschiebung der BPD *** zuzurechnen sei, da diese auch für die abschließende Untersuchung der Flugtauglichkeit zuständig sei.

 

Die Beschwerdeführerin brachte hiezu vor, dass richtig sei, dass § 6 Abs. 4 FPG zur örtlichen Zuständigkeit festhalte, dass sich diese zur Verhängung der Schubhaft und zur Abschiebung nach dem Aufenthalt richte. Auch § 6 Abs. 6 FPG spreche davon, dass für Maßnahmen zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Einreise, des Aufenthaltes und der Ausreise die Fremdenpolizeibehörde zuständig sei, in deren Sprengel sich der Fremde aufhält oder über deren Sprengel der Fremde nach Österreich ein- oder ausreisen will. Die Beschwerdeführerin sei am 11.03.2010 über Kittsee aus der Slowakei nach Österreich abgeschoben worden, von daher habe die BH ihre Zuständigkeit im Sinne § 6 Abs. 4 und 6 FPG zu Recht in Anspruch genommen. Insbesondere § 6 Abs. 6 FPG deute darauf hin, dass die BH ihre Zuständigkeit zur Abschiebung ? als Maßnahme zur Ausreise verstanden ? nicht verloren habe. Aber auch § 6 Abs. 4 FPG meine mit der Wendung ?der Aufenthalt? nicht den aktuellen Ort der Inschubhaftnahme, sondern den Aufenthaltsort, an dem die Fremde fremdenpolizeilich beamtshandelt wurde, dies sei eben in Kittsee gewesen. Wäre aber tatsächlich die BH zur Vornahme der Abschiebung unzuständig gewesen, was bestritten werde, hätte eine unzuständige Behörde das Ticket gebucht, die Polizeibegleitung organisiert, die Mitteilung nach § 67 Abs. 4 FPG übermittelt und demnach insgesamt die Abschiebung veranlasst. Aufgrund dieser von der BH gesetzten Schritte sei in diesem Beschwerdeverfahren sicherlich nicht eine unzuständige Behörde belangt worden, allenfalls wäre die Maßnahme auch deswegen mit Rechtswidrigkeit behaftet, weil sie von einer unzuständigen Behörde veranlasst worden wäre.

 

Die BPD *** teilte mit Schreiben vom 11.10.2010 mit, dass grundsätzlich alle angehaltenen Personen laufend einer polizeiärztlichen Kontrolle unterzogen würden. Wie bereits die BH ausgeführt habe, seien im vorliegenden Fall alle rechtlichen Prüfungen für die Abschiebung und die organisatorischen Maßnahmen (Beschaffung des Flugtickets, Prüfung der Notwendigkeit der Begleitung und deren Anordnung, Abschiebung) durchgeführt worden. Die BPD *** sei mit Schreiben der BH vom 24.03.2010 von der beabsichtigten Abschiebung informiert und ersucht worden, der Beschwerdeführerin die beabsichtigte Abschiebung gemäß § 67 Abs. 3 FPG zu Kenntnis zu bringen, was am selben Tag erfolgt sei. Weiters sei von der BPD *** die mit Erlass des Bundesministeriums für Inneres vom 28.05.1999, Zl. 19.250/42-GC/99, angeordnete Untersuchung durch den polizeiärztlichen Dienst der BPD über die Flugtauglichkeit der Fremden veranlasst und die dementsprechende Amtsbescheinigung ausgestellt worden.

 

Aufgrund des Beschwerdevorbringens, des Fremdenpolizeiaktes der BH zur Zahl 11/6-153653-2010, der UVS-Akten zu den Zahlen E 166/14/2010.005 und E 166/14/2010.007 und der am 12.10.2010 durchgeführten mündlichen Verhandlung ergibt sich folgender Sachverhalt:

 

Die Beschwerdeführerin, geborene ***, ist nigerianische Staatsangehörige und am *** geboren. Gemäß ihren Angaben ist die Beschwerdeführerin im September 2004 illegal nach Österreich eingereist und stellte im September 2004 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Asylantrag wurde in zweiter Instanz vom Unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 14.06.2006, Zl. 253.918/0-XI/38/04, abgewiesen und die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria festgestellt und die Ausweisung nach Nigeria ausgesprochen.

 

Am 20.02.2010 heiratete die Beschwerdeführerin den österreichischen Staatsbürger, Herrn ***, in der Slowakischen Republik. Nachdem die Beschwerdeführerin in der Slowakei festgenommen wurde, wurde sie am 11.03.2010 nach Österreich rücküberstellt und bei Kittsee von österreichischen Beamten festgenommen.

Mit Bescheid vom 11.03.2010, Zl. 11/6-153653/7-2010, ordnete die BH gemäß § 76 Abs. 1 und 3 FPG die Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft an, um ihre Abschiebung zu sichern. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass von der Bundespolizeidirektion *** mit Bescheid vom 13.07.2006 ein Rückkehrverbot wegen Prostitution, gültig bis 10.05.2012, erlassen wurde, die Beschwerdeführerin am 11.03.2010 von den slowakischen Behörden, nachdem sie zuvor illegal in die Slowakei eingereist sei, nach Österreich zurückgeschoben wurde und sich ihrer für 21.01.2010 geplanten Abschiebung offensichtlich entzogen habe. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 11.03.2010 um 14.03 Uhr ausgefolgt und in Vollzug gesetzt. Die Beschwerdeführerin wurde im PAZ Eisenstadt in Schubhaft angehalten.

 

Mit Bescheid des UVS Burgenland vom 18.03.2010, Zl. E 166/14/2010.005/004, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen im Zeitpunkt dieser Entscheidung vorliegen. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25.03.2010, Zl.: 2010/21/0097-3, abgelehnt.

 

Eine weitere Schubhaftbeschwerde vom 01.04.2010, in der u. A. vorgebracht wurde, dass die Beschwerdeführerin schwanger sei, wurde vom UVS Burgenland mit Entscheidung vom 08.04.2010, Zl. E 166/14/2010.007/001, abgewiesen und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen im Zeitpunkt dieser Entscheidung vorliegen.

 

Am 18.03.2010 teilte die BH dem Bundesministerium für Inneres die beabsichtigte Abschiebung der Beschwerdeführerin mit und ersuchte um Begleitung von Frau *** durch drei Sicherheitsbeamte. Am 22.03.2010 wurde der BH die Buchungsbestätigung für 09.04.2010 übermittelt.

 

Mit Schreiben vom 24.03.2010 wurde der BPD *** mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Beschwerdeführerin am 09.04.2010 um 06.40 Uhr via Frankfurt nach Lagos Nigeria abzuschieben. Es werde ersucht, die Genannte von der beabsichtigten Abschiebung ?gemäß § 67 Abs. 3 FPG? in Kenntnis zu setzen. Diesem Schreiben war ein ?Abschiebeauftrag? angeschlossen, der lautete, dass die Beschwerdeführerin, im PAZ Eisenstadt in Schubhaft zur Verfügung der BH, zum Schubtermin 09.04.2010, 06.40 Uhr am Luftweg (Wien-Schwechat via Frankfurt nach Lagos Nigeria) Flug-Nr. Flug 3543/LH 564, abzuschieben sei. Die BPD *** informierte am 24.03.2010 die Beschwerdeführerin über den festgelegten Abschiebetermin und teilte dies der BH mit Schreiben vom 24.03.2010 mit.

 

Am 25.03.2010 teilte das Bundesministerium für Inneres der BH mit, dass für die vorgesehene Flugbegleitung drei namentlich angeführte Beamte des LPK für Niederösterreich eingesetzt werden. Der Schubhäftling werde von den Begleitbeamten vom PAZ Eisenstadt abgeholt und zum Flughafen gebracht. Der Abschiebeauftrag für die Begleitbeamten sei mit den übrigen Dokumenten im PAZ Eisenstadt zu hinterlegen. Am 26.03.2010 teilte das BMI der BH die Zustimmung der deutschen Behörden zur Durchführung der Abschiebung der Beschwerdeführerin ?zur weiteren Veranlassung? mit.

 

Mit Schreiben vom 06.04.2010 ersuchte die BH die BPD *** bezugnehmend auf die Abschiebung der Fremden am 09.04.2010 das ?Zehrgeld? in der Höhe von 50 Euro auszufolgen.

 

Mit Bericht vom 08.04.2010 wurde von der BPD *** das ?Zehrgeld? an die BH retourniert und mitgeteilt, dass die Auszahlung nicht erforderlich gewesen sei, da die Beschwerdeführerin am 08.04.2010, um 21.00 Uhr, von Herrn *** einen Geldbetrag in Höhe von 600 Euro erhalten habe.

 

Am 12.04.2010 wurde der BPD Eisenstadt vom PAZ Eisenstadt per Telefax mitgeteilt, dass am 09.04.2010, um 03.00 Uhr, die Angehaltene der BH über Auftrag der Bundespolizeidirektion *** entlassen worden und von den Begleitbeamten übernommen worden sei.

 

Von der BH wurde die Abschiebung der Beschwerdeführerin organisiert und durchgeführt.

 

Die Abschiebung von Frau *** erfolgte via Flugzeug in Begleitung von GI ***, RI *** und RI *** vom Stadtpolizeikommando ***. Die drei Polizeibeamten holten die Beschwerdeführerin am 09.04.2010 um 02.20 Uhr vom PAZ Eisenstadt ab und verbrachten sie zum Flughafen Wien Schwechat. Um 06.40 Uhr erfolgte der Abflug in Wien Schwechat und über Frankfurt kamen sie um 22.05 Uhr (Lokalzeit) in Lagos an. Unmittelbar nach der Landung in Lagos verblieben die Polizeibeamten mit der Beschwerdeführerin im Flugzeug bis die übrigen Passagiere ausgestiegen waren und übergaben ihr während dieser Wartezeit ihre persönlichen Gegenstände. Danach verließen sie mit der Beschwerdeführerin das Flugzeug, wobei sie unmittelbar beim Ausstieg aus dem Flugzeug und somit noch vor der Grenzkontrolle ein nigerianischer Polizist erwartete. Frau *** wurde von dem nigerianischen Beamten übernommen. Der Reisepass von Frau *** wurde diesem von den österreichischen Beamten übergeben.

 

Die Feststellungen betreffend die bisherigen asylrechtlichen und fremdenrechtlichen Verfahren ergeben sich aus den angeführten Akten im Zusammenhalt mit den Angaben der Beschwerdeführerin.

 

Zu den Feststellungen betreffend die Durchführung der Abschiebung:

 

Die BH hat somit zweifellos die Abschiebung organisiert. Allerdings hat sie diese auch veranlasst und ist ihr die Durchführung zuzurechnen. Die BH erteilte den Auftrag zur Abschiebung und es wurden ihr, auf ihr Ersuchen hin, vom BMI drei Begleitbeamten zur Verfügung gestellt. Die Begleitbeamten, die die Abschiebung vornahmen, waren daher für die BH tätig.

 

Im Bericht betreffend die erfolgte Abschiebung vom 10.04.2010 an die BH ist als abschiebende Behörde die BH angeführt.

 

In der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2010 sagte die für die Abschiebung von Frau *** zuständige Referentin der BH, Frau ***, im Wesentlichen aus:

 

?Die Bezirkshauptmannschaft *** hat die organisatorische Maßnahme der Abschiebung durchgeführt. Die Abschiebung selbst haben wir nicht durchgeführt. Wir haben der Bundespolizeidirektion *** die beabsichtigte Abschiebung zur Kenntnis gebracht. Auf Anregen der Bundespolizeidirektion haben wir dann auch noch die Begleitung organisiert. Die Abschiebung selbst wurde von den begleitenden Beamten durchgeführt. Wir haben keine Dienstzuteilungsregelung der Beamten erhalten. Ich weiß nicht mehr, wann wir alles der Bundespolizeidirektion *** zur Kenntnis gebracht haben. Es war etwa ein bis zwei Wochen vor der geplanten Abschiebung. Ich meine damit das Schreiben vom 24.03.2010 an die Bundespolizeidirektion ***, mit dem Ersuchen, die beabsichtigte Abschiebung gemäß § 67 Abs. 3 FPG mitzuteilen. Der Abschiebeauftrag ergeht an das BMI. Vom Innenministerium wird dann koordiniert, wer die Abschiebung durchführt. Ich weiß nicht, wer die Abschiebung durchführt bzw. wem die Abschiebung zuzurechnen ist. Auch wenn im Abschiebebericht vom 10.04.2010 als abschiebende Behörde die Bezirkshauptmannschaft *** angeführt ist, gebe ich an, dass diese Abschiebung nicht der Bezirkshauptmannschaft *** zuzurechnen ist. Wem sie allerdings zuzurechnen ist, kann ich auch nicht angeben. Wir haben keine Dienstzuteilung für die begleitenden Polizeibeamten erhalten. Der von mir titulierte ?Abschiebeauftrag? ist auf Grund eines Erlasses des Bundesministeriums notwendig. Der Polizeibericht betreffend die Abschiebung wird dann zum Akt gelegt und es werden keine weiteren Veranlassungen getroffen.

 

Ich habe überprüft, ob die Voraussetzungen für die Abschiebung gegeben sind. Ich habe keine Informationen über Probleme in Lagos erhalten. Die drei Beamten wurden vom Bundesministerium für Inneres organisiert.?

 

Frau *** von der BPD *** sagte in dieser Verhandlung als Zeugin einvernommen aus:

 

?Es ist so, dass sowohl die Inschubhaft als auch das Verfahren zur Abschiebung von der Bezirkshauptmannschaft *** durchgeführt wurden. Da die Bezirkshauptmannschaft keine Möglichkeit zur Inschubhaftnahme hat, ist die Beschwerdeführerin im PAZ I im Wirkungsbereich der Bundespolizeidirektion *** angehalten worden. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft vom 24.03.2010 wurde die Bundespolizeidirektion *** beauftragt, die Beschwerdeführerin von der beabsichtigten Abschiebung in Kenntnis zu setzen. Dies wurde von der Bundespolizeidirektion auch mittels Formular durchgeführt. Die Unterschrift auf dieses Formular wurde von der Beschwerdeführerin verweigert. Dies haben wir der Bezirkshauptmannschaft mitgeteilt. Gemäß einem Erlass des Bundesministeriums ist es vorgesehen, dass in den letzten 24 Stunden vor der Abschiebung eine amtsärztliche Untersuchung auf Flugtauglichkeit hin zu erfolgen hat. Diese wurde von einem Amtsarzt der Bundespolizeidirektion *** auch durchgeführt. Über die Flugtauglichkeit ist eine Amtsbescheinigung auszustellen. Diese wurde von der Bundespolizeidirektion *** ausgestellt. Danach wurde die Beschwerdeführerin von drei Polizeibeamten im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft *** abgeholt und abgeschoben. Die Entlassung aus dem Polizeianhaltezentrum (PAZ) macht die Bundespolizeidirektion ***. Auch eine Entlassung aus der Schubhaft, sofern die schubhaftverhängende Behörde eine Bezirkshauptmannschaft ist, würde so durchgeführt werden, dass die Bezirkshauptmannschaft die Anordnung über die Bundespolizeidirektion erteilt. Die Bundespolizeidirektion gibt dann die Anweisung der Entlassung an das PAZ.

 

Gemäß einem Erlass des Bundesministeriums für Inneres wird Folgendes geregelt:

 

Bei Landabschiebungen hat die schubhaftverhängende Behörde die organisatorischen Maßnahmen für die Abschiebung vorzubereiten. Die tatsächliche Durchführung der Maßnahme erfolgt dann durch die Behörde, bei der der Fremde auch angehalten wird.

Bei Flugabschiebungen werden die Fremden alle nach Wien gebracht und von dort wird die Abschiebung vorgenommen. Die Abschiebung wird dann der Behörde zugerechnet, die die Anmeldung zu der Abschiebung in Wien vorgenommen hat. Flugabschiebungen, die in Begleitung von Polizeibeamten durchgeführt werden, erfolgen so, dass der Behörde, die die Vorbereitung der Abschiebung durchgeführt hat, auch die Abschiebung selbst zugerechnet wird. In einem solchen Fall erfolgt die Abschiebung nicht auf Anordnung der Bundespolizeidirektion bzw. der Behörde, bei der der Fremde angehalten wird.

 

Der Bericht über die Flugtauglichkeitsuntersuchung wird der Bezirkshauptmannschaft nicht übermittelt. Lediglich eine Fluguntauglichkeitsmeldung wird erstattet.?

 

Die BH hat den sogenannten ?Abschiebeauftrag? erteilt und es wurden ihr vom BMI ? in Entsprechung ihres Ersuchens vom 18.03.2010 ? lediglich für Flugabschiebungen besonders geschulte Beamten zugeteilt. Auch wenn keine formelle Dienstzuteilung erfolgte, vollzogen diese Polizeibeamten die Abschiebung im Auftrag der BH und waren für diese tätig. Dass die Untersuchung zur Flugtauglichkeit und die Entlassung der Beschwerdeführerin durch die BPD *** durchgeführt wurden, steht dem nicht entgegen. Die Untersuchung eines Häftlings auf dessen Gesundheit und die Entlassung obliegen der BPD *** als organisatorisch zuständige Behörde für Angehaltene in deren Sprengel dem das PAZ Eisenstadt zugehört. Diese Zuständigkeit ist allerdings nicht relevant für die Beurteilung der Frage, welche Behörde für eine Abschiebung verantwortlich ist. Die BH hat die BPD Eisenstadt ersucht, die Mitteilung nach ?§ 67 Abs. 3 FPG? (gemeint wohl: ?§ 67 Abs. 4?) FPG vorzunehmen. Die BPD *** wurde somit im Auftrag der BH tätig und es entfaltet diese Informationsverpflichtung im Hinblick auf die Bestimmungen des FPG keine normative Wirkung, sondern stellt vielmehr eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 12a Abs. 3 AsylG 2005 dar. Die BH überprüfte die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen, setzte den Termin zur Abschiebung fest, organisierte den Flug und veranlasste die Abschiebung der Beschwerdeführerin. Aus den angeführten Gründen ist daher davon auszugehen, dass der BH die Abschiebung von Frau *** zuzurechnen ist.

 

Zur Übergabe der Beschwerdeführerin an einen nigerianischen Polizisten in Lagos durch die begleitenden österreichischen Beamten ist auszuführen:

 

Im Bericht betreffend die erfolgte Abschiebung vom 10.04.2010 ist unter Anderem festgehalten:

 

?Abschiebende Behörde: BH-***

[...]

Am 09.04.2010, um 01.00 Uhr wurde der Dienst angetreten. In weiterer Folge wurde die Fahrt zum PAZ Eisenstadt durchgeführt.

 

Nach der Übernahme der *** um 02.20 Uhr wurden die Visitierung und Durchsuchung der Kleidung und mitgeführten Gegenstände durch RevInsp. *** mit Unterstützung einer weiblichen Beamtin des PAZ durchgeführt. Dabei konnten keine sicherheitsgefährdende Gegenstände vorgefunden werden. Da sich *** wiederum ruhig und gelassen verhielt, kooperativ war und auch weiterhin keinerlei Widerstand gegenüber der bevorstehenden Abschiebung zeigte, wurde um 03.00 Uhr die Fahrt zum Flughafen / SPK-Schwechat / Objekt 800 / Sondertransit (SOT) ungefesselt durchgeführt.

[...]

In Lagos  gegen 18.20  Uhr (lokal)  angekommen, wurden *** ihre persönlichen Gegenstände, sowie der Bargeldbetrag in der Höhe von ? 660,-- formlos übergeben, bzw. ausgefolgt.

Auch während dieses Fluges, bzw. über den gesamten Zeitraum der Abschiebung, verhielt sich *** stets ruhig, gelassen und machte keinerlei Probleme.

 

Nach der Landung wurde das Abschiebeteam mit *** direkt an der Abstellposition des Luftfahrzeuges von einem Beamten der nigerianischen Behörden erwartet, worauf in weiterer Folge die Übergabe der *** um 18.35 Uhr erfolgte. Bei der Übernahme kam es zu keinen Vorfällen.

[...]?

 

Die als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten GI *** und RI *** sagten übereinstimmend aus, dass sie nach ihrer Ankunft in Lagos mit der Beschwerdeführerin einige Zeit im Flugzeug verblieben sind, bis die übrigen Passagiere das Flugzeug verlassen haben und erst danach ausgestiegen sind. Unmittelbar bei der Ausstiegsstelle habe sie ein nigerianischer Polizist erwartet und sie hätten diesem Frau *** übergeben. Gemäß den Angaben im Abschiebebericht vom 10.04.2010 waren von der Landung in Lagos ?gegen 18.20 Uhr? bis zur Übergabe der Beschwerdeführerin um 18.35 Uhr, etwa 15 Minuten vergangen. GI *** sagte aus, dass die Übergabe der abzuschiebenden Person im Zielland an die dortige Behörde im Rahmen der Abschiebung vorgesehen sei. Die Beschwerdeführerin führte in der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2010 ? entgegen den Angaben der Polizeibeamten ? aus, dass ihr die österreichischen Polizisten im Flughafenbereich in Lagos trotz diesbezüglicher Anfrage nicht ihren Reisepass zum Passieren der Grenzkontrolle gegeben hätten und sie von den österreichischen Polizeibeamten etwa eine halbe Stunde angehalten worden sei, bis ein nigerianischer Flughafenpolizist gekommen sei. Dass die Beschwerdeführerin nicht direkt beim Flugzeug, sondern erst nach einer Wartezeit von einer halben Stunde am Flughafen von einem nigerianischem Beamten übernommen wurde, konnte nicht festgestellt werden. Die einvernommenen Polizeibeamten konnten sich noch gut an die von ihnen durchgeführte Abschiebung erinnern und sie gaben übereinstimmend an, dass die Übergabe von Frau *** an einen nigerianischen Beamten unmittelbar bei der Ausstiegsstelle des Flugzeuges erfolgte. Die Polizeibeamten standen bei ihren Aussagen unter Wahrheitspflicht und es bestand kein Anlass für die Annahme einer Falschaussage bzw. einer vorherigen Absprache der Zeugenaussagen. Darüber hinaus ist dieses Beschwerdevorbringen für die gegenständliche Entscheidung nicht relevant. Das vorgebrachte Nichtaushändigen des Reisepasses trotz diesbezüglichem Ersuchen der Beschwerdeführerin und ihre Anhaltung am Flughafen von Lagos durch die Begleitbeamten zur Übergabe der Beschwerdeführerin an nigerianische Behörden, wäre im Rahmen der gegenständlich zu beurteilenden fremdenpolizeilichen Maßnahme, nämlich der Abschiebung, zu beurteilen.

 

Rechtlich folgt daraus:

 

§ 6 Abs. 2, Abs. 4 und Abs. 6, § 46 Abs. 1 bis 3, § 67 Abs. 3 und Abs. 4 FPG lauten:

 

§ 6 FPG:

?(1) [?]

(2) Hat der Fremde keinen Wohnsitz im Bundesgebiet, richtet sich die Zuständigkeit nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens nach diesem Bundesgesetz.

(3) [...]

(4) Die örtliche Zuständigkeit zur Ungültigerklärung eines Visums, zum Widerruf einer Bewilligung zur Wiedereinreise während der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes und zum Widerruf einer besonderen Bewilligung während achtzehn Monaten nach einer Zurückweisung, einer Zurückschiebung oder nach Ausreise auf Grund einer Ausweisung sowie zur Verhängung der Schubhaft und zur Abschiebung richtet sich nach dem Aufenthalt.

(4a) [?]

(6) Für keinen Aufschub duldende Maßnahmen und Maßnahmen zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Einreise, des Aufenthalts und der Ausreise ist die Fremdenpolizeibehörde zuständig, in deren Sprengel sich der Fremde aufhält oder über deren Sprengel der Fremde nach Österreich ein- oder ausreisen will.

(7) [?]?

§ 46 FPG:

?(1) Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung (§§ 53, 54 und § 10 AsylG 2005) durchsetzbar ist, können von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

1.

die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint oder

2.

sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise (§ 67, § 10 AsylG 2005) nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder

3.

auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen oder

4.

sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat die Behörde bei der für ihn zuständigen Vertretungsbehörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt.

(3) Die Behörde hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.

(4) [...]?

 

§ 67 FPG:

?(1) [?]

(3) Die Behörde hat Fremde, gegen die eine durchsetzbare Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 erlassen wurde, über ihre Pflicht zur unverzüglichen Ausreise zu informieren. Dabei ist insbesondere auf die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr und der Rückkehrhilfe (§ 67 AsylG 2005) und auf fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46) hinzuweisen.

(4) Darüber hinaus hat die Behörde Fremde, gegen die eine durchsetzbare Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 erlassen wurde, ehestmöglich ab Vorliegen der dafür erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nachweislich über den bereits festgelegten Abschiebetermin zu informieren und davon auch das Bundesasylamt in Kenntnis zu setzen.

(5) [?]?

 

Gemäß dem festgestellten Sachverhalt wurde die Beschwerdeführerin am 09.04.2010 im Auftrag der BH abgeschoben. Der BH ist die fremdenpolizeiliche Maßnahme der Abschiebung zuzurechnen. Sie ist daher belangte Behörde im Sinne des § 67c Abs. 2 Z. 2 AVG.

 

Für Beschwerden gegen Abschiebungen ist derjenige UVS zuständig, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich die Zurückschiebung tatsächlich begonnen hat. Die Abschiebung begann mit der Abholung der Beschwerdeführerin aus dem PAZ in Eisenstadt, woraus sich die Zuständigkeit des UVS Burgenland ergibt.

 

Die Beschwerdeführerin wurde, nachdem sie von slowakischen Behörden am 11.03.2010 nach Österreich rücküberstellt wurde, am gleichen Tag über Anordnung der BH zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1 FPG in Schubhaft genommen, wobei diese Anhaltung im PAZ Eisenstadt vollzogen wurde. Zum Zeitpunkt der Einreise und der Verhängung der Schubhaft befand sich die Beschwerdeführerin im örtlichen Wirkungsbereich der BH. Die Anhaltung in Schubhaft erfolgte im Sprengel der BPD ***.

 

Der Gesetzgeber legt in § 46 Abs. 1 FPG ausdrücklich fest, dass eine Abschiebung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Fremdenpolizeibehörde durchzuführen ist und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 13 Abs. 3 leg. cit. ermächtigt sind, die ihnen von Fremdenpolizeibehörden erteilten Aufträge mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Den Organen ist bei der Auswahl der Mittel zur Durchführung des behördlichen Auftrages zur Abschiebung weitereichendes Ermessen eingeräumt. Die Abschiebung ist als selbständige Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen, und daher mit Beschwerde nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG bekämpfbar.

 

Nach § 6 Abs. 4 FPG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Abschiebung nach dem Aufenthalt des Fremden. Hiezu ist in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (952 BlgNR 22. GP) zum Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, angemerkt, dass die für die örtliche Zuständigkeit im Inland getroffene Regelung weitgehend der bisherigen Rechtslage entspricht. In der Regierungsvorlage zum Fremdengesetz 1997 (685 BlgNR 20. GP) ist zur inhaltlich im Wesentlichen gleich lautenden Regelung des § 91 Abs. 2 FrG lediglich ausgeführt, dass in Abs. 2 klargestellt werde, dass sich auch die Zuständigkeit zur Abschiebung nach dem Aufenthalt des Betroffenen richtet. Dies spricht für die Auslegung, dass sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung die örtliche Zuständigkeit zur Abschiebung nach dem (tatsächlichen) Aufenthaltsort des Fremden richtet und dies unabhängig davon zu beurteilen ist, wer für die Verhängung der Schubhaft zuständig gewesen ist. Für die fremdenpolizeiliche Maßnahme der ?Abschiebung?, die zu unterscheiden ist von der Maßnahme der ?Verhängung der Schubhaft?, wäre aufgrund des tatsächlichen Aufenthaltes der Fremden in Schubhaft im Sprengel der BPD Eisenstadt, diese zuständig gewesen.

Dem steht auch § 6 Abs. 6 FPG nicht entgegen, da diese Bestimmung gemäß den Erläuternden Bemerkungen zur o. a. Regierungsvorlage zum Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, korrespondierend zu den übrigen Bestimmungen, die die Zuständigkeit bei ?ad hoc Situationen? festlegen, zu sehen ist. Für die Abschiebung besteht in § 6 Abs. 4 FPG eine Zuständigkeitsregelung, sodass § 6 Abs. 6 leg. cit. nicht anzuwenden ist.

 

Der Ansicht der Beschwerdeführerin, dass § 6 Abs. 4 FPG mit der Wendung ?dem Aufenthalt? nicht den aktuellen Ort der Inschubhaftnahme, sondern den Aufenthaltsort, an dem die Fremde fremdenpolizeilich beamtshandelt wurde, meine, wird nicht gefolgt. Diese Auslegung hätte zur Folge, dass sich die Zuständigkeit für weitere fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach dem Aufenthalt des Fremden zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens richten würde, wie es in § 6 Abs. 2 FPG vorgesehen ist. Demnach hätte die ausdrückliche Anordnung der örtlichen Zuständigkeit nach dem (nunmehrigen) Aufenthalt für die Abschiebung in § 6 Abs. 4 FPG keine rechtliche Wirkung.

 

Da somit die belangte Behörde zur Abschiebung der Fremden nicht berechtigt war, war die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zur ?Übergabe an die nigerianische Flughafenpolizei? ist auszuführen:

 

Die Abschiebung, die als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen ist, ist als Einheit aufzufassen, die auf den Endzweck gerichtet ist, den Fremden zum Verlassen des Bundesgebietes zu veranlassen, gleichgültig wo sich Einzelelemente ereignen. Diese gehen alle auf den Willen der die Abschiebung veranlassenden Fremdenpolizeibehörde zurück. Das Verhalten zur Ausreise beginnt am tatsächlichen Aufenthaltsort des Fremden, im gegenständlichen Fall im PAZ Eisenstadt, wo auch der behördliche Zwang einsetzte und umfasst auch die Beförderung per Flugzeug. Die tatsächliche Übergabe der Beschwerdeführerin nach der Landung des Flugzeuges in Lagos an die nigerianische Flughafenpolizei vor Passieren der Grenzkontrolle erfolgte als Modalität der Abschiebung, sodass diese im Rahmen der Beschwerde betreffend die Abschiebung zu behandeln war. Aber auch wenn man dem Beschwerdevorbringen folgt, dass die Übergabe der Beschwerdeführerin erst nach einer halbstündigen Anhaltung durch österreichische Beamte nach der Landung in Lagos, erfolgt sei, läge kein eigenständiger Verwaltungsakt vor. Die vorgebrachte Anhaltung wäre zur Übergabe und zur Beendigung der Abschiebung erfolgt, sodass dieser der selbständige Charakter einer Maßnahme im Sinne des § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG fehlte. Es handelte sich hiebei nicht um eine von der Abschiebung losgelöste selbstständige Maßnahme. Dieser Beschwerdepunkt war daher im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebung zu beurteilen, nicht aber als (partieller) Gegenstand einer eigenen Beschwerde. Diese Prüfung ergab die örtliche Unzuständigkeit der BH zur erfolgten Abschiebung der Beschwerdeführerin, sodass bereits aus diesem Grund die Abschiebung für rechtswidrig zu erklären war; auf das weitere Beschwerdevorbringen, war daher nicht einzugehen.

 

Gemäß § 79a AVG steht der Partei, die in Fällen einer Beschwerde obsiegt, der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu. Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Die Entscheidung betreffend die Zuerkennung und die Höhe der Kosten gründen sich auf den diesbezüglichen Antrag der obsiegenden Partei, auf die angeführte Gesetzesstelle sowie auf die UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008. Da gemäß den obigen Ausführungen die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Übergabe der Beschwerdeführerin an die nigerianische Flughafenpolizei im Rahmen der Überprüfung der Abschiebung vorzunehmen war, war jedoch der Kostenersatz nur für eine Beschwerde zuzusprechen und der darüber hinausgehende Antrag auf Kostenersatz spruchgemäß abzuweisen.

Schlagworte
Örtliche Zuständigkeit, Aufenthaltsort, Übergabe an Flughafenpolizei
Zuletzt aktualisiert am
02.12.2010
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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