TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/13 2000/18/0097

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Veröffentlicht am 13.03.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §38 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des A D in Wien, geboren am 10. April 1978, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz und Dr. Gabriele Vana-Kowarzik, Rechtsanwältinnen in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Juli 1998, Zl. SD 490/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. Juli 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei in der Zeit zwischen 1994 und 1998 wie folgt rechtskräftig verurteilt worden:

Im Jahr 1994 wegen schweren Raubes und Nötigung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten;

Am 11. September 1997 wegen gefährlicher Drohung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, davon sechs Monate unter bedingter Strafnachsicht;

Am 17. März 1998 wegen gefährlicher Drohung und Nötigung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten.

Es bestehe kein Zweifel, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, weil der Beschwerdeführer nicht nur zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monate sondern auch mehr als einmal wegen strafbarer Handlungen, die auf der gleichen schädlichen Neidung beruhen, verurteilt worden sei. Da bei solchen Verurteilungen der Aufenthalt eines Fremden jedenfalls die öffentliche Sicherheit gefährde, seien die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 FrG gegeben. Der Eingriff in das Privat und Familienleben eines solchen Fremden sei im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK iVm § 37 Abs. 1 FrG zum Schutz der Gesundheit, der Freiheit und der Rechte anderer sowie zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen dringend geboten.

Der Beschwerdeführer sei in Wien geboren und habe sich bis zum Jahr 1984, also bis zu seinem sechsten Lebensjahr, in Österreich aufgehalten. Danach habe er Österreich mit seiner Mutter und seiner Schwester verlassen und in Mazedonien die Schule besucht. Erst im Jahr 1992, also im Alter von 14 Jahren, sei er wieder mit seinen Angehörigen nach Österreich gekommen und habe hier zunächst Sichtvermerke und dann eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer nicht von klein auf im Bundesgebiet aufgewachsen sei.

Der Beschwerdeführer habe durch wiederholte, gleichartige strafbare Handlungen, die schon nach verhältnismäßig kurzem Aufenthalt begonnen hätten und nunmehr sogar eskaliert seien, sehr deutlich gezeigt, dass er nicht gewillt sei, die zum Schutz anderer bestehenden strafgesetzlichen Bestimmungen zu beachten. Er habe sich auch durch rechtskräftige Verurteilungen nicht davon abhalten lassen, diese Bestimmungen immer wieder zu übertreten. Die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien so beträchtlich, dass dem gegenüber die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung abgetretene (Beschluss vom 15. März 2000, B 1640/98) Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die - unbedenkliche - Ansicht der belangten Behörde, es sei vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht, unbekämpft.

2. Obwohl an sich erforderliche Feststellungen zu den Straftaten des Beschwerdeführers fehlen, kann auf Grund der Art (u.a. schwerer Raub) und Häufigkeit (drei einschlägige Verurteilungen binnen vier Jahren) der Delikte im Zusammenhang mit den verhängten Strafen auch die - ebenfalls nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, es sei vorliegend die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde berücksichtigt, dass der in Wien geborene Beschwerdeführer bis zu seinem sechsten Lebensjahr und nunmehr durchgehend seit seinem vierzehnten Lebensjahr in Österreich gelebt hat. Aus der Formulierung im angefochtenen Bescheid, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1992 "mit seinen Angehörigen" nach Österreich gekommen sei, ist zu schließen, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer auch den inländischen Aufenthalt von nicht näher festgestellten "Angehörigen" zugute gehalten hat.

Im Verwaltungsverfahren hat der Beschwerdeführer dazu ausgeführt, dass sich beide Eltern und seine Schwester im Bundesgebiet aufhielten. Er habe hier eine Lehre abgeschlossen; dazu hat der Beschwerdeführer entsprechende Zeugnisse und eine Stellungnahme seines Lehrherrns vorgelegt, aus der sich ergibt, dass dieser mit der Arbeitsleistung des Beschwerdeführers sehr zufrieden ist. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt.

Den - unter Berücksichtigung des dargestellten Vorbringens im Verwaltungsverfahren sehr gewichtigen - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet ist im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG die Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen durch den weiteren Aufenthalt in Österreich gegenüber zu stellen. Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilungen, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen.

Die fehlende Auseinandersetzung der belangten Behörde mit dem dargestellten Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine familiäre und berufliche Situation bewirkt, dass die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), für den Verwaltungsgerichtshof nicht überprüfbar ist, zumal nicht bereits aus der Art und Häufigkeit der Delikte im Zusammenhang mit den verhängten Strafen von vornherein ersichtlich ist, dass die Abwägung jedenfalls zu Lasten des Beschwerdeführers ausfallen müsste.

4. Hinzugefügt sei, dass das Aufenthaltsverbot nicht gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG unzulässig ist, weil sich der Beschwerdeführer von seinem sechsten bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr in seiner Heimat aufgehalten hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1999, Zl. 99/18/0112, mwN).

5. Aus den oben 3. dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. März 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000180097.X00

Im RIS seit

14.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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