TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/13 2000/18/0105

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Veröffentlicht am 13.03.2001
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E6J;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

61997CJ0340 Ömer Nazli VORAB;
ARB1/80 Art14;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
FrG 1997 §1 Abs9;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
FrG 1997 §48 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des A Y, geboren am 9. April 1980, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. April 2000, Zl. SD 168/00, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. April 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei seinen eigenen Angaben zufolge 1989 nach Österreich eingereist. Von Juli 1990 bis Anfang April 1995 habe er zunächst über Sichtvermerke und im Anschluss daran über einen unbefristeten Aufenthaltstitel zum Zweck der Familiengemeinschaft mit Fremden verfügt.

Am 9. Februar 1996 sei der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Komplizen wegen Verdachtes des Einbruchsdiebstahls festgenommen worden. Der diesbezüglichen Anzeige sei zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer mit einem Freund nach Geschäftsschluss in einem Einkaufszentrum versteckt habe, um dann in einem der Geschäfte diverse Kleidungsstücke zu stehlen. Auf Grund dieser Anzeige sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden.

Von dieser Verurteilung habe sich der Beschwerdeführer nicht abhalten lassen, neuerlich in weit größerem Ausmaß straffällig zu werden. Am 27. August 1999 sei er wegen des Verbrechens des Raubes sowie der Vergehen des teils vollendeten und teils versuchten Diebstahls, der Urkundenunterdrückung und der Amtsanmaßung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten, davon zehn Monate unbedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Der Begründung dieses Urteils zufolge habe der Beschwerdeführer zumindest seit 1995 eine für alle Bereiche unter Sachwalterschaft stehende Frau mehrmals in deren Wohnung aufgesucht, sie bedroht und von ihr Geld oder Essen verlangt. Gelegentlich habe der Beschwerdeführer die geistig behinderte Frau auch geschlagen. Im Herbst 1997 sei er von einem Freund auf die Idee gebracht worden, alte Damen um Wechselgeld zu ersuchen, um ihnen in weiterer Folge die Brieftasche unvermittelt zu entreißen. Mit diesem Trick habe der Beschwerdeführer im Oktober 1997 an drei verschiedenen Tatorten von unbekannt gebliebenen Opfern insgesamt etwa S 1.540,--

erbeutet. Am 17. Oktober 1997 habe der Beschwerdeführer den Schwächeanfall einer Frau nach einem Arztbesuch ausgenutzt, um dieser die Handtasche zu entreißen. Am 17. November 1997 habe der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Komplizen eine Frau in ihrer Wohnung überfallen. Die Täter hätten die Frau zu Boden geworfen, gewürgt und ihr mehrere tausend Schilling weggenommen. Nur wenige Tage später am 12. November 1997 habe der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem Komplizen wiederum einer alten Dame die Handtasche entrissen. Am 11. Dezember 1997 habe der Beschwerdeführer allein in einem Stiegenhaus einer Frau unter Ausnützung des Überraschungseffektes die Einkaufstasche entrissen.

Zuletzt sei der Beschwerdeführer am 30. August 1999 wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahles zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten als Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB zum letztgenannten Urteil rechtskräftig verurteilt worden.

Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei somit erfüllt.

Das gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers, vor allem aber das dem Urteil vom 27. August 1999 zu Grunde liegende, gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 36 Abs. 1 FrG als gerechtfertigt erweise.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. In Österreich lebten seine Eltern sowie vier Geschwister. Mit diesen Angehörigen lebe er im gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer habe in Österreich die Hauptschule und den polytechnischen Lehrgang besucht. Danach weise er im Zeitraum von Ende 1996 bis Juni 1998 sechs jeweils nur sehr kurze Arbeitsverhältnisse auf. Nach einer im Berufungsverfahren vorgelegten Bestätigung seines Vaters könne er nach der Haftentlassung wieder bei diesem wohnen und bei einer Gebäudereinigungsfirma als Fensterputzer arbeiten. Das Aufenthaltsverbot sei zweifellos mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Dessen ungeachtet sei es aber zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Insbesondere die der zweiten Verurteilung zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen ließen die krasse Geringschätzung der zum Schutz des Eigentums und des Vermögens sowie der körperlichen Unversehrtheit Dritter aufgestellten strafrechtlichen Normen erkennen. Eine "Zukunftsprognose" könne für den Beschwerdeführer nicht positiv ausfallen, weil er sich trotz seiner bereits erfolgten Verurteilung nicht davon habe abhalten lassen, neuerlich straffällig zu werden. Die Art und Schwere der den vorliegenden gerichtlichen Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten lasse die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zum Schutz der Rechte Dritter dringend geboten erscheinen.

Aus dem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe in der Justizanstalt bereits das Privileg eines "Freigängers" erhalten, lasse sich für den Beschwerdeführer nichts gewinnen, liege doch das seiner Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhalten noch viel zu kurz zurück, um auf Grund des verstrichenen Zeitraumes eine wesentliche Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für die besagten öffentlichen Interessen annehmen zu können.

Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung sei auf den langjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass der daraus ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet stünden die hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

Angesichts der zahlreichen Straftaten, deren sich der Beschwerdeführer schuldig gemacht habe und die noch dazu in letzter Zeit eskaliert seien, könne auch nicht erkannt werden, wann der Beschwerdeführer seine Einstellung zur Rechtsordnung und zu den Strafgesetzen ändern werde, sodass die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes jedenfalls gerechtfertigt sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die auf Grundlage der unstrittig feststehenden gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers unbedenkliche Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, unbekämpft.

2.1. Es kann dahinstehen, ob auf den Beschwerdeführer die Regelungen betreffend die Beschäftigung und die Freizügigkeit von türkischen Arbeitnehmern nach dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei aus dem Jahr 1963 und dem darauf gestützten Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB) anzuwenden sind. Der Abschnitt 1 des Kapitels II. dieses Beschlusses, der die die Beschäftigung und die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer regelnden Bestimmungen enthält, gilt nämlich nach dessen Art. 14 Abs. 1 "vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind". Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in dem in der Beschwerde zitierten Urteil vom 10. Februar 2000 in der Rechtssache C 340/97, Nazli, jeweils unter Zitierung früherer Judikatur ausgeführt, dass bei der Bestimmung des Umfangs der in Art. 14 Abs. 1 ARB vorgesehenen Ausnahme der öffentlichen Ordnung darauf abzustellen ist, wie die gleiche Ausnahme im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Angehörige der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sind, ausgelegt wird. Eine solche Auslegung sei umso mehr gerechtfertigt, als die genannte Vorschrift nahezu denselben Wortlaut wie Art. 48 Abs. 3 EGV habe (RNr 56). Im Rahmen des Gemeinschaftsrechts und insbesondere dieser Vertragsbestimmung setze der Begriff der öffentlichen Ordnung voraus, dass außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstelle, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre (RNr 57). Hingegen stehe das Gemeinschaftsrecht der Ausweisung eines Angehörigen eines Mitgliedstaates entgegen, die (nur) auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützt, also nur zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt werde (RNr 59). Daher könnten auch einem türkischen Staatsangehörigen die ihm unmittelbar aus dem ARB zustehenden Rechte nur dann im Weg einer Ausweisung abgesprochen werden, wenn diese Maßnahme dadurch gerechtfertigt sei, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeute (RNr 61).

2.2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Verurteilungen und die diesen zu Grunde liegenden schweren Straftaten des Beschwerdeführers festgestellt. Sie hat - im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 Abs. 1 FrG - die Ansicht vertreten, dass aus den strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers dessen "krasse Geringschätzung der zum Schutz des Eigentums und des Vermögens sowie der körperlichen Unversehrtheit Dritter aufgestellten strafrechtlichen Normen" abgeleitet werden könne. Eine "Zukunftsprognose" könne für den Beschwerdeführer nicht positiv ausfallen, weil er sich trotz einer bereits erfolgten Verurteilung nicht davon habe abhalten lassen, neuerlich straffällig zu werden. Die Art und Schwere der den Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten ließen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zum Schutz der Rechte Dritter dringend geboten erscheinen.

Damit hat die belangte Behörde - entgegen der Beschwerdemeinung - eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass ihrer Meinung nach die Gefahr bestehe, der Beschwerdeführer werde weitere einschlägige Straftaten begehen. Darauf - und nicht auf die bloße Tatsache der bisherigen Verurteilungen - hat sie das Aufenthaltsverbot gestützt. Sie hat somit im Ergebnis die Ansicht vertreten, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen (nämlich die mehrfache Begehung schwerer Vermögensdelikte trotz bereits erfolgter einschlägiger Verurteilung) auf die konkrete Gefahr von weiteren derartigen schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeute.

2.3. Diese Ansicht kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Beschwerdeführer hat trotz bereits erfolgter rechtskräftiger Verurteilung wegen Einbruchsdiebstahls mehrere Raubüberfälle und weitere Vermögensdelikte begangen. Dieses strafbare Verhalten erstreckte sich über einen längeren Zeitraum. Mehrere Raubüberfalle hat er zum Nachteil von älteren - teilweise im Zustand der Hilflosigkeit befindlichen - Frauen begangen. Aus diesen Umständen, insbesondere dem Rückfall nach einer einschlägigen Verurteilung und der Vielzahl der Tathandlungen, ist der Schluss gerechtfertigt, dass der Beschwerdeführer auch in Hinkunft derartige, öffentliche Interessen in hohem Maß beeinträchtigende Straftaten begehen werde.

Der seit der Begehung der letzten Straftat verstrichene Zeitraum ist zu kurz, um daraus auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können, zumal der Beschwerdeführer in dieser Zeit auch seine Freiheitsstrafe verbüßt hat. Die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde ins Treffen geführte "wesentliche Gewissenswandlung" unter dem Eindruck der langdauernden Haftstrafe kann schon deshalb nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausschlagen, weil sich dieser nach seinem eigenen Vorbringen jedenfalls im Zeitpunkt der Erhebung der Berufung am 6. März 2000 noch in Strafhaft befand und somit - wenn überhaupt - nur während eines jedenfalls nicht mehr als zwei Monate dauernden Zeitraumes Gelegenheit hatte, diese "Gewissenswandlung" außerhalb der Strafvollzugsanstalt unter Beweis zu stellen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, aus dem ihm während der Strafhaft zu Teil gewordenen Privileg als "Freigänger" lasse sich auf seine Persönlichkeitswandlung schließen, ist entgegen zu halten, dass die belangte Behörde die Frage des Gerechtfertigtseins des Aufenthaltsverbotes unabhängig von den Erwägungen der Strafvollzugsbehörden bei der Gewährung des genannten Privilegs an den Beschwerdeführer ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen hatte. (Vgl. in diesem Zusammenhang die ständige hg. Judikatur, wonach die Fremdenpolizeibehörde bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht an die die Strafbemessung und die bedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes gebunden ist, etwa das Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033.)

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers steht daher der ARB dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen. Da sich dies - wie dargestellt - aus den Feststellungen der belangten Behörde ergibt, kommt der - im Übrigen nicht konkretisierten - Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe keine Feststellungen "hinsichtlich der konkreten schwer wiegenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch das Verhalten des Beschwerdeführers" getroffen, keine Berechtigung zu.

3.1. Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen (2.3.) kann auch die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme sei gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3.2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Dauer des inländischen Aufenthaltes sowie die Haushaltsgemeinschaft mit Eltern und vier Geschwistern zugute gehalten. Weiters hat sie berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer in Österreich die Hauptschule und den polytechnischen Lehrgang besucht hat und er nach der Haftentlassung bei einer Gebäudereinigungsfirma als Fensterputzer arbeiten könne. Zu Recht hat die belangte Behörde auf die Minderung der sozialen Komponente der Integration durch die Straftaten des Beschwerdeführers hingewiesen. Nach dem bei den Verwaltungsakten erliegenden Auszug aus den Versicherungsdaten des Beschwerdeführers war dieser bisher nur von 2.

bis 16. Dezember 1996, von 27. bis 28. Jänner 1997, von

6. bis 23. Mai 1997, von 2. Februar bis 15. April 1998, von 20. April 1998 bis 17. August 1998 und (gleichzeitig mit dem zuletzt genannten Beschäftigungsverhältnis) von 18. Mai bis 22. Juni 1998 beschäftigt. Es liegen daher jeweils nur sehr kurzfristige Arbeitsverhältnisse vor. Eine Integration auf dem österreichischen Arbeitsmarkt besteht somit nur in sehr geringem Umfang.

Dem steht die Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen durch die Straftaten des Beschwerdeführers gegenüber. Insbesondere auf Grund der Raubüberfälle des Beschwerdeführers auf ältere Menschen und der dadurch bewirkten gewichtigen Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentums- und Gewaltkriminalität stößt die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), auf keine Bedenken.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach der Begründung des bei den Verwaltungsakten erliegenden Strafurteils einen - weder in diesem Urteil noch in der Beschwerde konkretisierten - Teil des von ihm verursachten Schadens wieder gut gemacht hat, bewirkt keine relevante Verschiebung der Interessenlage zu Gunsten des Beschwerdeführers und kann daher zu keinem anderen Ergebnis der Interessenabwägung führen.

4. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist § 48 Abs. 1 FrG, nach dessen zweiten Satz die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, nicht zulässig ist, auf ihn nicht anwendbar, weil er weder EWR-Bürger (§ 1 Abs. 9 FrG) noch Angehöriger eines solchen ist. Art. 14 ARB aber, der aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen nach Art. 6 oder Art. 7 ARB berechtigte türkische Staatsangehörige unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, stellt nicht darauf ab, ob der türkische Arbeitnehmer bereits zehn Jahre ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet des Aufnahmestaates hatte.

5. Schließlich wendet sich der Beschwerdeführer auch gegen die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Dem angefochtenen Bescheid mangle es "an jeglicher Begründung und Feststellung, weshalb ein unbefristetes Aufenthaltsverbot und nicht lediglich ein befristetes verhängt worden ist". Die besonderen Umstände (jugendliches Alter bei Tatbegehung, Schadensgutmachung, Reue und Einsicht, Lebensmittelpunkt in Österreich, positives Verhalten während der Haft) hätte dazu führen müssen, höchstens ein befristetes Aufenthaltsverbot über den Beschwerdeführer zu verhängen. Die belangte Behörde habe in diesem Zusammenhang jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Juni 2000, Zl. 2000/18/0114) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass "angesichts der zahlreichen Straftaten, deren sich der Berufungswerber schuldig gemacht hat und die noch dazu in letzter Zeit eskaliert sind," nicht erkannt werden könne, zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer "seine Einstellung zur Rechtsordnung und zu den Strafgesetzen" ändern werde.

Dies stellt im Zusammenhang mit dem übrigen Bescheidinhalt, insbesondere den Feststellungen zu Art und Schwere der Straftaten, eine ausreichende Begründung für die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes dar. Die belangte Behörde hat damit auf die sich in den - zuletzt gesteigerten (Raubüberfalle) - Straftaten manifestierende Neigung zu weiteren Rechtsbrüchen abgestellt.

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der in der wiederholten Verübung von schweren Straftaten zu Tage getretenen Charaktereigenschaften des Beschwerdeführers die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände nicht vorhergesehen werden könne, und daher das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen hat.

Dass der Beschwerdeführer bei der Begehung der strafbaren Handlungen noch jugendlich war, er sich in Haft "positiv" verhalten und einen Teil des Schadens wieder gut gemacht hat, sowie die vorgebrachte "Reue und Einsicht" können angesichts der Begehung von mehreren schweren Straftaten über einen längeren Zeitraum zu keinem anderen Ergebnis führen. Im Übrigen wird zu diesem Beschwerdevorbringen auch auf die obigen Ausführungen (2.3.) verwiesen.

6. Aus den dargestellten Gründen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. März 2001

Gerichtsentscheidung

EuGH 61997J0340 Ömer Nazli VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000180105.X00

Im RIS seit

02.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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