A3 313.146-1/2008/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Holzschuster als Vorsitzende und den Richter Mag. Lammer als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.06.2007, FZ. 07 03.554-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.03.2011 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 iVm § 34 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 wird XXXX der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 20.03.2012 erteilt.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Am 12.04.2007 wurde hinsichtlich der minderjährigen Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen Nigerias beim Bundesasylamt durch ihre gesetzliche Vertreterin XXXX (Mutter) ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin hatte selbst schon am 03.01.2005 einen Asylantrag gestellt. Die gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Beschwerdeführerin brachte für diese keine eigenen Fluchtgründe vor.
2. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 14.06.2007, Zl. 07 03.554-BAG, den Antrag auf internationalen Schutz der minderjährigen Beschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde ihr Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Absatz 1 Z 2 AsylG wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Berufung, nunmehr Beschwerde, erhoben und diese mit einem weiteren Schriftsatz durch den rechtsfreundlichen Vertreter ergänzt.
4. Am 05.02.2008 wurde vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt. Am 30.03.2009 und am 02.03.2011 fanden vor dem Asylgerichtshof öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlungen statt, in welcher die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin einvernommen wurde. In der letzten Verhandlung wurden folgende Berichte bzw. Schriftstücke erörtert bzw. verlesen:
Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 11.03.2010 (Beilage A);
Bericht des US Department of State, Nigeria, 2010 (Beilage B);
Zusammenfassung über die aktuelle Situation in Nigeria (Beilage C).
5. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. A3 301.393-2/2008/14E, wies der Asylgerichtshof die Beschwerde der Mutter und gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 7 AsylG 1997 ab und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 Abs 1 AsylG idF BGBl. I 101/2003 iVm § 50 FPG, BGBl I Nr. 100/2005 nicht zulässig ist. Gemäß § 8 Abs 3 AsylG idF BGBl I Nr. 101/2003 iVm § 15 Abs 2 AsylG idF BGBl I Nr. 101/2003 wurde der Mutter der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 20.03.2012 erteilt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die minderjährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Nigerias und stellte am 12.04.2007 durch ihre gesetzliche Vertreterin (Mutter) den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Die Mutter und der Bruder der Beschwerdeführerin sind derzeit ebenfalls in Österreich als Asylwerber aufhältig. Eigene Fluchtgründe wurden nicht geltend gemacht.
Dass Vorbringen der Mutter der Beschwerdeführerin wurde für nicht glaubhaft erachtet.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin Verwandte in ihrem Heimatland hat.
Zur allgemeinen politischen Situation und inländischen Fluchtalternative in Nigeria werden folgende Feststellungen getroffen:
Die Situation in Nigeria ist grundsätzlich ruhig, die Staatsgewalt (Polizei und Justiz) funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias (insbesondere in den nördlichen Bundesstaaten Kano, Kaduna und auch Plateau) kommt es wiederholt zu religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Weiters kommt es im Niger-Delta verschiedentlich zu Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Volksgruppen Ijaw und Itsekiri. In bestimmten Fällen wurde das Militär zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt. Abgesehen von diesen lokal begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig. Im Rahmen der im April 2007 stattgefundenen Wahlen kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen in einigen Gliedstaaten, denen Menschen zum Opfer gefallen sind. Die nigerianische Bevölkerung leidet großteils unter Verarmung, doch ist die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgungslage gegeben. Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser.
Grundsätzlich kann örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Alle nigerianischen Großstädte sind multi-ethnisch. In der Regel wohnen die Angehörigen der jeweiligen Volksgruppe möglichst in derselben Gegend, wenn sie nicht sogar ausschließlich ganze Stadtviertel belegen. Jeder der fremd in eine Stadt kommt, wird sich in die Gegend begeben, wo er "seine Leute" findet. Unter "seinen Leuten" können nicht nur Angehörige derselben Ethnie, sondern auch Personen desselben Religionsbekenntnisses, Absolventen derselben Schule oder Universität, Bewohner desselben Dorfes oder derselben Region verstanden werden. Von diesen Personengruppen kann der Betreffende Unterstützung erwarten. In der Regel wird ihm die Bestreitung des Lebensunterhaltes ermöglicht werden.
Vor kurzem wurde der Vizepräsident Jonathan Goodluck als Präsident eingesetzt. Er ist ein Christ aus dem Süden. Obwohl das Militär in den größeren Städten auf der Straße präsent ist, ist die Lage ruhig.
Alleinstehende Frauen begegnen besonderen Schwierigkeiten. In dem traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. In einer Gemeindeverwaltung im Norden wurde alleinstehenden, in der öffentlichen Verwaltung tätigen Frauen nahe gelegt, zu heiraten, wenn sie nicht ihre Arbeit verlieren wollen. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder alleinlebende Frauen eher akzeptiert.
In politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Allgemein sind sie zahlreichen Diskriminierungen, z. B. bezüglich der Zugangsmöglichkeiten zu einer beruflichen Tätigkeit, der Bezahlung und den Beförderungschancen, ausgesetzt. In größerem Maße gilt dies für den politischen und öffentlichen Bereich. Die Anzahl der weiblichen Senatoren und Abgeordneten ist verschwindend gering und hat sich auch nach den Wahlen 2007 nicht signifikant erhöht (9 Senatorinnen bei 109 Sitzen; 26 weibliche Abgeordnete im Repräsentantenhaus bei 360 Sitzen). In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings nach den Wahlen mehrere Vizegouverneurinnen.
Alleinstehende, unverheiratete Frauen sind besonderen Schwierigkeiten ausgesetzt, da sie zumeist wegen des familiären Drucks gezwungen werden, in eine andere Stadt umzuziehen, in der weder Familienmitglieder noch Freunde leben. Im liberalen Südwesten des Landes werden alleinstehende Frauen eher akzeptiert.
2. Diese Feststellungen ergeben sich aus den Asylakten der minderjährigen Beschwerdeführerin und ihrer Mutter. Für die Beschwerdeführerin wurden weder im Laufe des asylbehördlichen Verfahrens, noch im Zuge der Beschwerde eigene Fluchtgründe geltend gemacht; vielmehr wurde auf jene der Mutter verwiesen. In ihrem Verfahren konnte jedoch eine Verfolgung ihrer Person im Herkunftsstaat nicht festgestellt werden. Auch sonst sind keine von Amts wegen aufzugreifende Gründe hervorgekommen, aufgrund derer eine wie immer geartete Bedrohung bzw. Verfolgung festgestellt werden könnte. Im Übrigen wird auf das (die Mutter betreffende) Erkenntnis des Asylgerichtshofes zu A3 301.393-2/2008/14E, verwiesen. Die in diesem Zusammenhang relevante Beweiswürdigung wird auch diesem Erkenntnis zu Grunde gelegt:
"Der Asylgerichtshof gelangt auf Grundlange der ergänzenden Ermittlungen zum Ergebnis, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft ist. Die Beschwerdeführerin machte im Zuge ihres Vorbringens vor dem Bundesasylamt und dem Unabhängigen Bundesasylsenat bzw. Asylgerichtshof in wesentlichen Punkten unbestimmte sowie vielfach widersprüchliche und voneinander abweichende Angaben.
So machte die Beschwerdeführerin in Bezug auf ihren Vater widersprüchliche Angaben. Vor dem Bundesasylamt erklärte sie, dass der Vorname ihres Vaters XXXX sei und er keinen Nachnamen habe bzw. dass er XXXX heiße (siehe Seiten 17 und 143 des erstinstanzlichen Aktes). In der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat gab sie an, dass der Vater XXXX heiße (siehe Seite 2 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). In der ersten Verhandlung vor dem Asylgerichtshof meinte sie, der Name ihres Vaters sei XXXX und schließlich gab sie in der letzten Verhandlung vor dem Asylgerichtshof an, ihr Vater heiße XXXX (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009 und Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).
Auch in Bezug auf ihre Schulbildung äußerte sich die Beschwerdeführerin unterschiedlich. Vor dem Bundesasylamt gab sie an, vier Jahre die Grundschule besucht zu haben (siehe Seite 17 des erstinstanzlichen Aktes). Vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat erklärte sie dann, nicht ganz zwei Jahre in die Grundschule gegangen zu sein. Es wären "ein Jahr und einige Monate" gewesen (siehe Seite 2 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). In den beiden Verhandlungen vor dem Asylgerichtshof behauptete sie dann, sechs Jahre die Grundschule besucht zu haben (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009 und Seite 2 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).
Weitere Widersprüche ergaben sich hinsichtlich des Sterbedatums der Mutter der Beschwerdeführerin. Vor dem Bundesasylamt gab sie zunächst an, ihre Mutter sei am 29.11.1998 gestorben (siehe Seite 25 des erstinstanzlichen Aktes). Dagegen behauptete sie vor dem Asylgerichtshof, dass ihre Mutter am XXXX gestorben wäre (siehe Seite 2 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009 und Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).
Die Beschwerdeführerin gab vor dem Bundesasylamt auch an, dass ihr Vater Häuptling gewesen sei, sieben Frauen gehabt hätte und sie das einzige Kind ihres Vaters gewesen sei. Die anderen Frauen hätten keine Kinder gehabt (siehe Seite 25 des erstinstanzlichen Aktes). Vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat behauptete die Beschwerdeführerin dann, einen Bruder namens XXXX zu haben (siehe Seite 5 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008).
Zudem brachte sie vor dem Bundesasylamt vor, dass ihr Vater der Chief von XXXX gewesen sei und er einer Society angehört habe, die Osagbika bzw. Ohigia heißen würde (siehe Seite 55 des erstinstanzlichen Aktes). In der folgenden Einvernahme erklärte sie, ihr Vater sei Farmer, eine besondere Funktion habe er nicht. Erst nachdem ihr vorgehalten wurde, dass sie bisher eine besondere Funktion ihres Vaters angegeben habe, erklärte sie, dass ihr Vater der Chief von XXXX sei und einer Geheimgesellschaft namens XXXX angehöre (siehe Seiten 143 und 145 des erstinstanzlichen Aktes).
Als Fluchtgrund gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Vater von ihr gewollt habe, einen alten Mann zu heiraten. Gleich nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1998 habe ihr ihr Vater gesagt, dass sie den Mann heiraten soll (siehe Seite 55 des erstinstanzlichen Aktes). Vor dem Asylgerichtshof gab sie dagegen an, dass sie im Jahr 2004 den Mann heiraten hätten sollen und dies einen Monat zuvor von ihrem Vater erfahren habe (siehe Seite 5 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009). Vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat gab sie an, der Name des Mannes sei XXXX (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). Vor dem Asylgerichtshof sagte sie jedoch, der Mann heiße XXXX (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009).
Vor dem Bundesasylamt erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie den Mann nicht heiraten habe wollen, woraufhin sie von den Frauen ihres Vaters geschlagen worden sei (siehe Seite 25 des erstinstanzlichen Aktes). In einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt erklärte sie, dass sie von ihrem Vater geschlagen worden sei (siehe Seite 143 des erstinstanzlichen Aktes). In der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat behauptete sie, von ihrem Vater und den Bodyguards ihres Vaters - diese würden "Kingsmen" heißen - auf der Straße geschlagen worden zu sein. Sie hätten sie den Weg entlang gezogen und geschlagen (siehe Seiten 4 und 5 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). Vor dem Asylgerichtshof gab sie an, von ihrem Vater und den Leuten seiner Familie bzw. Menschen, mit denen er zusammengearbeitet habe, geschlagen worden zu sein (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009). In der letzten Verhandlung vor dem Asylgerichtshof brachte sie dann vor, sie sei von ihrem Vater und ein paar Burschen geschlagen worden (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).
In der zweiten Einvernahme sprach die Beschwerdeführerin davon, dass sie im Jahr 2003 von ihrem Vater verletzt worden sei - er habe sie geschlagen und über den Boden gezogen - weshalb sie im Krankenhaus gewesen sei und in der folgenden Einvernahme erklärte sie, dass sie von ihrem Onkel XXXX - dem Bruder ihrer Mutter - ins Dorfkrankenhaus gebracht worden sei (siehe Seiten 55 und 143 des erstinstanzlichen Aktes). In der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat erklärte sie, dass sie von ihrem Onkel XXXX ins Spital gebracht worden sei. Es sei "etwa der 15.02.2004" gewesen. In derselben Verhandlung erklärte sie etwas später widersprüchlich hierzu, dass sie von ihrem Bruder XXXX ins Spital gebracht worden wäre (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). Vor dem Asylgerichtshof erklärte sie dann, am 14.02.2004 im Spital gewesen zu sein. Dorthin sei sie von ihrem Bruder gebracht worden. Dieser sei "eigentlich mein Onkel, ich nenne ihn aber Bruder". Der Name ihres Onkels sei XXXX (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009). In der zuletzt vor dem Asylgerichtshof stattgefundenen Verhandlung habe sie ihr Onkel XXXX ins Spital gebracht, wo sie vom 13.02. bis zum 15.02.2004 gewesen sei (siehe Seiten 5 und 6 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).
Mit ihrer Berufung legte die Beschwerdeführerin eine "Bestätigung" vor, aus der hervorgeht, dass sie am 15.02.2004 in das Krankenhaus eingeliefert worden sei. Diesem Schreiben ist nicht zu entnehmen, wodurch die Beschwerdeführerin ihre Verletzungen erlitten habe. Es geht aus diesem auch nicht hervor, welche Funktion die unterzeichnende Person im Krankenhaus innehat. Zusätzliche Bedenken ergeben sich, da die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat nicht widerspruchsfrei angeben konnte, wie sie diese Bestätigung erhalten hätte. Zunächst erklärte sie, sie habe diese von der "Tochter des Bruders meines Vaters" erhalten. Der Name dieses Onkels sei XXXX. Danach erklärte sie, sie hätte es vom Vater ihrer Tochter erhalten. Schließlich meinte sie, das Schreiben vom Bruder ihres Lebensgefährten erhalten zu haben, der XXXX heiße (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). In ihrer Berufung wird jedoch ausgeführt, dass sie diese Bestätigung vom Bruder ihres Lebensgefährten namens XXXX erhalten habe (siehe Seite 217 des erstinstanzlichen Aktes). Darüber hinaus konnte die Beschwerdeführerin auch nicht den Namen des Krankenhaus in den einzelnen Einvernahmen übereinstimmend wiedergeben. Vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat erklärte sie, sich nicht an den Namen des Krankenhauses erinnern zu können (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). In der ersten Verhandlung vor dem Asylgerichtshof gab sie an, dass der Name des Krankenhauses "XXXX" sei (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009) und in der letzten Verhandlung vor dem Asylgerichtshof meinte sie, der Name sei "XXXX" (siehe Seite 5 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011). Aus der von der Beschwerdeführerin vorgelegten "Bestätigung" geht jedoch der Name "XXXX" hervor (siehe Seite 225 des erstinstanzlichen Aktes).
Auch hinsichtlich ihres Onkels machte die Beschwerdeführerin widersprüchliche Angaben. Laut ihrem Vorbringen vor dem Asylgerichtshof sei dieser im Jahr 2006 gestorben. In der nachfolgenden Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erklärte sie, er sei im Dezember 2005 verstorben (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 30.03.2009 und Seite 5 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).
Widersprüche ergaben sich auch hinsichtlich ihrer Ausreise. Vor dem Bundesasylamt erklärte sie, am 12.06.2004 ihr Dorf verlassen zu haben und zu ihrem Onkel nach Benin gegangen zu sein (siehe Seite 23 des erstinstanzlichen Aktes). Vor dem Asylgerichtshof erklärte sie, dass sie Nigeria am 15.02.2004 verlassen habe (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011). Vor dem Bundesasylamt erklärte sie weiter, dass sie nach Kano gefahren sei und von dort über Mali, Niger und Algerien nach Marokko gelangt wäre, wo sie am 16.12.2004 ein Schiff bestiegen habe (siehe Seite 23 des erstinstanzlichen Aktes). Vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat führte sie aus, dass sie nach dem Spitalsaufenthalt im Februar 2004 nach Kano, das ein Dorf sei, gefahren wäre. Ein Freund ihres Bruders namens XXXX habe sie nach Mali und Algerien gebracht. Von dort sei sie über Gadaya nach Marokko gelangt, wo sie ein Schiff bestiegen habe (siehe Seiten 5 und 6 des Verhandlungsprotokolls vom 05.02.2008). In der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof gab sie an, in Kano an einen Mann namens XXXX übergeben worden zu sein, der sie nach Mali gebracht habe (siehe Seite 6 des Verhandlungsprotokolls vom 02.03.2011).
Zusammenfassend ist somit aus den Aussagen der Beschwerdeführerin, die unbestimmt und widersprüchlich sind, der Schluss zu ziehen, dass sie die von ihr geschilderten Ereignisse tatsächlich nicht erlebt hat und ihrem Vorbringen insgesamt die Glaubwürdigkeit zu versagen war.
Da das Vorbringen der Beschwerdeführerin wegen zahlreicher Widersprüche als unglaubwürdig zu qualifizieren ist, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob in Nigeria staatlicher Schutz vor Zwangsheiraten erlangt werden kann."
Die Feststellungen zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Nigeria gründen sich auf die in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof herangezogenen Berichte und den darin zitierten Quellen. Die Mutter der Beschwerdeführerin hat zu diesen Feststellungen und den diesbezüglichen Berichten in der Verhandlung Stellung genommen. Diesen ist die Mutter der Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegengetreten. Den Anträgen in der Beschwerde auf Einholung von Stellungnahmen bzw. Gutachten zur Situation im Heimatland der Beschwerdeführerin war nicht Folge zu geben, weil der Asylgerichtshof die Situation auf Grundlage des vorliegenden aktuellen und detaillierten Beweismaterials selbst beurteilen konnte. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Mutter der Beschwerdeführerin konnte auch von weiteren Ermittlungen Abstand genommen werden.
III. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
1. Gemäß § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I 4/2008 idF BGBl. I 147/2008; im Folgenden: AsylGHG) sind - soweit sich aus dem AsylG 2005 nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die - wie im vorliegenden Fall - am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.
2. Zu Spruchpunkt I:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Für die (minderjährige) Beschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Es sind im Verfahren auch keine solchen hervorgekommen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von internationalem Schutz, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, liegen daher nicht vor. Die Mutter der Beschwerdeführerin hat gemäß dem festgestellten Sachverhalt keine im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention relevante Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht.
Der Beschwerde war demnach hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages nicht Folge zu geben.
3. Zu Spruchpunkt II:
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 gilt der Antrag des Familienangehörigen eines Asylwerbers auf internationalen Schutz als "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes". Die Behörde hat gem. § 34 Abs. 4 AsylG 2005 Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind "unter einem" zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur - insoweit vergleichbaren - Vorgängerbestimmung (§ 10 Abs. 5 AsylG 1997) bedeutet dies auch, dass dann, wenn das Verfahren auch nur eines Familienangehörigen zuzulassen ist, dies auch für die Verfahren aller anderen gilt (vgl. VwGH 18.10.2005, Zl. 2005/01/0402).
Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Abs. 3 leg. cit. abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.04.1999, 98/20/0561; 20.05.1999, 98/20/0300).
Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).
Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (nach der Rechtslage nach dem AsylG 1997 musste sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen; zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;
VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 08.06.2000, 99/20/0203; 08.06.2000, 99/20/0586; 21.09.2000, 99/20/0373; 25.01.2001, 2000/20/0367;
25.01.2001, 2000/20/0438; 25.01.2001, 2000/20/0480; 21.06.2001, 99/20/0460; 16.04.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427).
Im vorliegenden Fall wurde der Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin mit Erkenntnis vom heutigen Tag der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 AsylG 1997 erteilt. Der Beschwerdeführerin war daher ebenfalls subsidiärer Schutz zuzuerkennen.
4. Zu Spruchpunkt III:
Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Gemäß § 8 Abs 5 AsylG gilt Abs. 4 in einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.
Der Asylgerichtshof hat mit vorliegendem Erkenntnis der Beschwerdeführerin den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 zu erteilen war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.