TE AsylGH Erkenntnis 2011/03/22 D7 254870-0/2008

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Veröffentlicht am 22.03.2011
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Spruch

D7 254870-0/2008/10E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. STARK als Vorsitzende und die Richterin Mag. SCHERZ als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.10.2004, Zahl 03 31.567-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.03.2011 zu Recht erkannt:

 

Hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde Folge gegeben und Spruchpunkt III. mit der Maßgabe geändert, dass der Spruch zu lauten hat: "Die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ist gemäß § 10 Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, iVm § 10 Abs. 5 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, auf Dauer unzulässig."

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Die (nunmehrige) Beschwerdeführerin reiste am 11.10.2003 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet und stellte am 13.10.2003 beim Bundesasylamt einen Asylantrag (Akt des Bundesasylamtes, Seite 1).

 

Am 05.11.2003 erfolgte eine Einvernahme der Beschwerdeführerin beim Bundesasylamt in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Russisch zu ihrer Person, ihrem Reiseweg und ihren Ausreisegründen (Akt des Bundesasylamtes, Seiten 7 bis 17).

 

Am 16.04.2004 erfolgte eine weitere Einvernahme der Beschwerdeführerin beim Bundesasylamt in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch (Akt des Bundesasylamtes, Seiten 87 bis 91).

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.10.2004, Zahl 03 31.567-BAG, wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin in Spruchpunkt I. gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, abgewiesen. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Russland gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idgF, für zulässig erklärt und die Beschwerdeführerin in Spruchpunkt III. gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Akt des Bundesasylamtes, Seiten 93 bis 129).

 

I.2. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.10.2004, Zahl 03 31.567-BAG, zugestellt am 03.11.2004, richtet sich gegenständliche fristgerecht am 10.11.2004 eingebrachte Beschwerde (Akt des Bundesasylamtes, Seiten 133 bis 135).

 

I.3. Mit 01.07.2008 wurde die ursprünglich zuständige Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat, aufgelöst und an seine Stelle trat der neu eingerichtete Asylgerichtshof. Nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes wurde gegenständlicher Verwaltungsakt einer Gerichtsabteilung zur Weiterführung des Beschwerdeverfahrens zugewiesen.

 

Gegenständlicher Verwaltungsakt wurde der Gerichtsabteilung D/9 abgenommen und am 13.01.2009 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zur Weiterführung des Beschwerdeverfahrens zugewiesen.

 

Für den 08.03.2011 wurde zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem zur Entscheidung berufenen Senat des Asylgerichtshofes anberaumt, an welcher die Beschwerdeführerin mit ihrem rechtsfreundlichen Vertreter teilnahm. Das Bundesasylamt wurde ordnungsgemäß geladen, teilte jedoch mit Schreiben vom 26.01.2011 mit, dass die Teilnahme eines Vertreters aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei und beantragte zugleich die Abweisung gegenständlicher Beschwerde.

 

In der Verhandlung zog die Beschwerdeführerin im Beisein ihres Vertreters die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des verfahrensgegenständlichen Bescheides des Bundesasylamtes zurück, womit diese in Rechtskraft erwuchsen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

 

II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 28 Abs. 5 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 147/2008 in Kraft:

 

das Inhaltsverzeichnis, § 13 Abs. 2 und Abs. 4 letzter Satz, § 14 Abs. 3, § 17 Abs. 5, § 23 und § 29 Abs. 6 mit 1. Juli 2008;

 

§ 24 mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes. Auf vor diesem Zeitpunkt ergangene, zu vollstreckende Entscheidungen Abs. 2 dieser Bestimmung mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass der Asylgerichtshof mit Beschluss nachträglich eine Vollstreckungsbehörde bestimmen kann.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

II.2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 23 Abs. 2 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 51/1991 (AVG), hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, sind alle am

 

31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 mit der Maßgabe zu Ende zu führen, dass in Verfahren, die nach dem 31. März 2009 beim Bundesasylamt anhängig sind oder werden, § 10 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass eine Abweisung des Asylantrages, wenn unter einem festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist, oder eine Zurückweisung des Asylantrages als Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 gilt. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde.

 

§ 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Die Beschwerdeführerin hat gegenständlichen Asylantrag am 13.10.2003 gestellt. Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.

 

Gemäß § 75 Abs. 8 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist § 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 auf alle am oder nach dem 1. Jänner 2010 anhängigen Verfahren nach dem Asylgesetz 1997 mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Ausweisungsentscheidung nach dem Asylgesetz 1997, die vor dem 1. Jänner 2010 erlassen wurde, als eine Ausweisungsentscheidung nach § 10, die Zurückweisung eines Asylantrages nach dem Asylgesetz 1997 als Zurückweisung nach § 10 Abs. 1 Z 1 und die Abweisung eines Asylantrages nach dem Asylgesetz 1997, mit der festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, als Abweisung nach § 10 Abs. 1 Z 2 gilt.

 

II.3. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesasylamtes, in die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Vorlage gebrachten Beweismittel und Befragung der Beschwerdeführerin in der am 08.03.2011 durchgeführten mündlichen Verhandlung.

 

Der Asylgerichtshof geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und stammt aus Kabardino-Balkarien. Sie stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 13.10.2003 einen Asylantrag. Die unbescholtene Beschwerdeführerin hält sich seit rund siebeneinhalb Jahren in Österreich auf. Die Beschwerdeführerin führt seit dem Jahr 2005 eine Lebensgemeinschaft. Die Ausweisung des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX auf Dauer für unzulässig erklärt. Die Beschwerdeführerin geht einer Vollzeitbeschäftigung als Arbeiterin nach und bestreitet damit ihren Lebensunterhalt. Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin ist seit dem Jahr 2002 berufstätig. Die Beschwerdeführerin hat sich während ihres mehrjährigen Aufenthaltes in Österreich gute Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet und am XXXX die Prüfung für die Niveaustufe A2 des Europarats erfolgreich abgelegt. Die Beschwerdeführerin hat im Jahr 2010 an einem EDV-Grundkurs teilgenommen. Die Beschwerdeführerin leidet an einer XXXX und einer XXXX, unterzieht sich derzeit einer XXXX und nimmt XXXX ein. Die Beschwerdeführerin hat in Österreich viele Freunde und Bekannte, jedoch keinen Kontakt zu ihren Eltern und zwei Brüdern im Herkunftsstaat. Das Asylverfahren der Schwester der Beschwerdeführerin ist derzeit beim Asylgerichtshof anhängig.

 

II.4. Die Identität der Beschwerdeführerin konnte mangels Vorlage eines Identitätsdokumentes im Asylverfahren nicht festgestellt werden. Die Feststellungen zur Situation der Beschwerdeführerin in Österreich ergeben sich aus dem Verwaltungsakt der Beschwerdeführerin, ihrem Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung vom 08.03.2011 und dem vorgelegten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX ihren Lebensgefährten betreffend, dem Kurzarztbrief des Krankenhauses XXXX vom XXXX, dem Bericht der Psychotherapeutin der Beschwerdeführerin vom XXXX, dem Unterstützungsschreiben der Familie XXXX sowie einer Unterschriftenliste. Weiters wurden vorgelegt ein Zeugnis des Arbeitgebers der Beschwerdeführerin vom XXXX, die Prüfungsbestätigung der Volkshochschule XXXX vom XXXX, eine Teilnahmebestätigung des XXXX vom XXXX sowie Gehaltsabrechnungen und ein aktueller Versicherungsdatenauszug.

 

II.5.1 Die Beschwerdeführerin zog in der Beschwerdeverhandlung am 08.03.2011 die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 29.10.2004, Zahl 03 31.567-BAG, zurück, womit diese in Rechtskraft erwuchsen.

 

II.5.2. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden wenn:

 

der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

 

der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

 

einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

der Grad der Integration;

 

die Bindung zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005, in der Fassung Erkenntnis VfGH 01.10.2007, G 179, 180/07).

 

Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 4 AsylG 2005).

 

Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist. Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs und verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 08.04.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 04.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; uvm).

 

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR, des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 03.04.2009, 2008/22/0592; 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, S. 282ff).

 

Betreffend den Eingriff in das Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin war Folgendes zu erwägen:

 

Die unbescholtene Beschwerdeführerin befindet sich seit rund siebeneinhalb Jahren in Österreich. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet war ihr auf Grund ihrer Asylantragstellung am 13.10.2003 möglich und erlaubt. Die lange Dauer des einzigen Asylverfahrens der Beschwerdeführerin ist ihr nicht anzulasten. Die Beschwerdeführerin ist sowohl wirtschaftlich als auch sozial integriert und bestreitet ihren Lebensunterhalt kraft eigener Arbeit. Sie hat sich während ihres mehrjährigen Aufenthaltes in Österreich gute Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet. Die Beschwerdeführerin hat in Österreich einen Freundeskreis aufgebaut und viele Bekannte. Sie führt mit ihrem Lebensgefährten, dessen Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig erklärt wurde, seit dem Jahr 2005 eine Lebensgemeinschaft. Das Interesse der Beschwerdeführerin überwiegt nach der Ansicht des erkennenden Senates des Asylgerichthofes unter Berücksichtigung aller Sachverhaltselemente die öffentlichen Interessen, weshalb der Eingriff in das Recht der Beschwerdeführerin auf Fortführung ihres Privat- und Familienlebens in Österreich zum verfolgten legitimen Ziel nicht verhältnismäßig erscheint.

 

Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Das Privatleben der Beschwerdeführerin und ihr Interesse am Verbleib in Österreich überwiegen nach einem langjährigen Asylverfahren, dessen Dauer der Beschwerdeführerin nicht vorgeworfen werden kann, im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung. Dem Umstand, dass die zu keinem Zeitpunkt straffällig gewordene Beschwerdeführerin mit ihrem siebeneinhalb Jahre dauernden Aufenthalt ihre Integrationswilligkeit nicht zuletzt auch dadurch bewiesen hat, dass sie einer Arbeit nachgeht, selbsterhaltungsfähig ist, gut Deutsch spricht und in Österreich viele Freunde gefunden hat, ist im Rahmen der Interessenabwägung im vorliegenden Fall eine besondere Bedeutung zuzumessen. Auch der psychische Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ist in die Interessenabwägung zu ihren Gunsten einzubeziehen. Die privaten Bindungen der Beschwerdeführerin sind nicht länger vorübergehender Natur. Vor dem Hintergrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles und der starken Bindung der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet wäre die vom Bundesasylamt verfügte Ausweisung der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit ihres Privat- und Familienlebens aus gegenwärtiger Sicht wie ausgeführt unverhältnismäßig iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, weshalb die Ausweisung der Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig zu erklären war.

Schlagworte
Ausweisung dauernd unzulässig, Integration, Interessensabwägung
Zuletzt aktualisiert am
12.04.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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