TE AsylGH Erkenntnis 2011/03/24 E5 308741-1/2008

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Veröffentlicht am 24.03.2011
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Spruch

E5 308.741-1/2008-14E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Kloibmüller als Vorsitzende und den Richter Mag. HABERSACK als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. REICHENVATER, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.12.2006, Zl. 05 21.942-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.10.2010 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 AsylG 1997 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I.1.Verfahrensgang:

 

I.1.1. Der Beschwerdeführer gab an, ein Staatsangehöriger der Türkei kurdischer Abstammung zu sein. Nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.12.2005 stellte der Beschwerdeführer am 14.12.2005 schriftlich gegenständlichen Asylantrag. Hiezu wurde er am 25.01.2006 sowie am 17.12.2006 niederschriftlich vor dem Bundesasylamt einvernommen.

 

Im Wesentlichen brachte der Beschwerdeführer als Grund für das Verlassen der Türkei vor, dass ein Gerichtsverfahren gegen ihn wegen der Unterstützung der PKK anhängig sei bzw würde es einen Haftbefehl seit 1991, 1992 oder 1993 geben. Des Weiteren werde der Beschwerdeführer in der Türkei gesucht, da er seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet habe.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.12.2006, Zl. 05 21.942-BAG, wurde der Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei für zulässig erklärt. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

 

Im Wesentlichen wurde vom Bundesasylamt das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig bzw nicht asylrelevant bewertet.

 

Dieser Bescheid wurde am 18.12.2006 dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers ordnungsgemäß zugestellt, wogegen mit Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters vom 01.01.2007 fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) erhoben wurde.

 

Im Wesentlichen wurde das erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt. Ergänzend wurde die Einholung von Amnesty International Länderberichten aus dem Jahr 2005/2006 über die allgemeine Menschenrechtslage in der Türkei sowie eine Anfrage bei der UNHCR-Zentrale in Wien, welche Sanktionen der Beschwerdeführer bei einer zwangsweisen Abschiebung in sein Heimatland zu gegenwärtigen hätte, beantragt.

 

I.1.2. Am 12.10.2010 führte der Asylgerichtshof in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung in der Türkei anhand vorliegender Länderdokumentationsunterlagen erörtert.

 

I.2. Sachverhalt:

 

I.2.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und sunnitischen Glaubens. Er wurde im Dorf XXXX, in der Provinz Gaziantep geboren, wo er fünf Jahre die Volksschule besuchte. Drei Jahre lang besuchte der Beschwerdeführer die Hauptschule in einem Nachbardorf und drei Jahre das Lyzeum in der Stadt Gaziantep, welches er im Jahr 1987 abschloss. Im Jahr 1989 bestand der Beschwerdeführer die Aufnahmeprüfung für die Universität, woraufhin er zu studieren begann. Der Beschwerdeführer wechselte die Studienrichtung, schloss jedoch niemals seine universitäre Ausbildung ab. Bis zur Beendigung der Hauptschule lebte der Beschwerdeführer bei seinen Eltern in einem eigenen Haus im Heimatdorf. Während des Lyzeums war der Beschwerdeführer bei seiner Schwester in Gaziantep wohnhaft. Während der Studienzeit lebte der Beschwerdeführer alleine in einer Mietwohnung. Der Beschwerdeführer arbeitete in der Zeit von 1989 bis 1995 in verschiedenen Branchen, wie zB in der Baubranche, und half in der familieneigenen Landwirtschaft mit.

 

In der Türkei sind nach wie vor der Vater des Beschwerdeführers, die Mutter ist bereits im Jahr 1989 verstorben, zwei Schwestern und drei Brüder, zwei davon sind Halbbrüder, aufhältig, zu welchen der Beschwerdeführer in telefonischem Kontakt steht. Der Vater und die Stiefmutter leben in der Türkei von Pistazienbäumen und von der eigenen Landwirtschaft. Der leibliche Bruder des Beschwerdeführers ist Hilfsarbeiter in Gaziantep. Die beiden Stiefbrüder des Beschwerdeführers besuchen derzeit die Schule. Die Schwestern des Beschwerdeführers sind bereits verheiratet und haben eigene Haushalte. Zwei weitere Schwestern des Beschwerdeführers sind legal in Deutschland aufhältig.

 

Der Beschwerführer reiste am 17.03.1996 nach Deutschland, wo er in der Folge einen Asylantrag stellte. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28.06.1996 abgelehnt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes hinsichtlich der Türkei vorliegen. Mit Urteil des Verwaltungsgerichtes Dresden vom 25.01.1999 wurde der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28.06.1996 in Ziffer 2 aufgehoben. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 06.01.2000 wurde in der Folge festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 des Ausländergesetzes nicht vorliegen. Der Beschwerdeführer wurde weiters aufgefordert, Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, ansonsten er abgeschoben werde. Mit Urteil des Verwaltungsgerichtes Dresden vom 26.03.2002 wurde die gegen den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 06.01.2000 erhobene Klage abgewiesen.

 

Am XXXX hat der Beschwerdeführer eine deutsche Staatsbürgerin geheiratet und entstammt dieser Ehe eine gemeinsame Tochter. Aufgrund der Eheschließung bekam der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitsbewilligung für Deutschland. Ab dem Jahr 2001 lebte der Beschwerdeführer von seiner Ehegattin getrennt und wurde er im Jahr 2004 von Deutschland in die Türkei abgeschoben. Die Ehe ist nach wie vor aufrecht.

 

Nach der Abschiebung von Deutschland in die Türkei war der Beschwerdeführer bei Verwandten oder in Hotels wohnhaft.

 

In Österreich lebt der Beschwerdeführer mit seiner türkischen Lebensgefährtin und den drei gemeinsamen Kindern, ebenso türkische Staatsangehörige, in einem gemeinsamen Haushalt. Sowohl die Lebensgefährtin, welche im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Österreich kam, als auch die Kinder verfügen über Niederlassungsbewilligungen für das österreichische Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer wird von seiner Lebensgefährtin unterstützt und ist bisher in Österreich noch keiner Arbeit nachgegangen. Der Freundeskreis des Beschwerdeführers setzt sich vorwiegend aus Kurden und ein kleiner Teil auch aus Türken zusammen. Der Beschwerdeführer vermag sich auf einfachem Niveau, ohne bisher einen Deutschkurs besucht zu haben, in der deutschen Sprache auszudrücken. Zu Hause wird innerhalb der Familie des Beschwerdeführers Deutsch, Türkisch und Kurdisch gesprochen. Er besucht weiters den Verein XXXX, ohne ein Mitglied zu sein.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in der Türkei eine asylrelevante - oder sonstige - Verfolgung oder Strafe maßgeblicher Intensität oder die Todesstrafe droht oder dem Beschwerdeführer in der Türkei die Existenzgrundlage völlig entzogen wäre. Es ergaben sich auch nach Prüfung gemäß Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall keine gegen die vorgesehene Ausweisung bestehenden Hinderungsgründe.

 

I.2.2. Zur Lage in der Türkei wird festgestellt:

 

Überblick

 

Die Republik Türkei ist eine parlamentarische Republik und definiert sich in ihrer Verfassung (Art. 2) als demokratischen, säkularen und sozialen Rechtsstaat auf der Grundlage der Ideen des öffentlichen Friedens, nationaler Solidarität und Gerechtigkeit sowie der Menschenrechte und als besonders verpflichtet den Grundsätzen ihres Gründers Atatürk. Staatsoberhaupt mit weitgehend repräsentativer Funktion ist der Staatspräsident, die politischen Geschäfte führt der Premierminister. Durch Referendum vom 21.10.2007 wurde die Verfassung dahingehend geändert, dass der Staatspräsident künftig nicht mehr vom Parlament, sondern vom Volk gewählt wird. Die rechtliche Entwicklung der vergangenen Jahre ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Reformprozess, der wesentliche Teile der Rechtsordnung (besonders im Strafrecht, aber auch im Zivil- oder Verfassungsrecht) erfasst hat und auf große Teile der Gesellschaft ausstrahlt. Die Regierung hat mehrfach, zuletzt während der 8. Beitrittskonferenz in Brüssel am 21. Dezember 2009 ein klares Bekenntnis zum Ziel der EU-Vollmitgliedschaft abgegeben und angekündigt, den Reformprozess zu beschleunigen.

 

Meinungsfreiheit

 

Die Meinungsfreiheit wird durch die Anwendung verschiedener Gesetze (insbesondere Strafgesetzbuch, Anti-Terror-Gesetz) eingeschränkt. Schriftliche wie mündliche Aussagen, die die PKK (z.B. Bezeichnung der PKK als "Guerrilla"), den PKK-nahen Fernsehsender ROJ-TV oder den inhaftierten Abdullah Öcalan (z.B. "Verehrter Öcalan") in ein positives Licht stellen, werden strafrechtlich verfolgt. Themen wie Militär, die Armenierfrage und die Kurdenproblematik können inzwischen überwiegend ohne rechtliche Konsequenzen im öffentlichen Raum angesprochen werden. So lehnte es die Staatsanwaltschaft Ankara Anfang 2009 ab, Unterzeichner einer Internetkampagne, die von türkischen Intellektuellen zur Entschuldigung gegenüber den armenischen Opfern von 1915 eingerichtet worden war, strafrechtlich zu verfolgen. Ein Urteil des obersten Zivilgerichts gegen den Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk wegen seiner Äußerung zu Morden an Armeniern und Kurden (Oktober 2009) eröffnet jedoch den zivilrechtlichen Weg des Schadensersatzes bei Aussagen, die Kläger in ihrer Eigenschaft als türkische Staatsangehörige in ihrem Ehrempfinden verletzen. Kritik, Infragestellung oder Ironisierung des Staatsgründers Kemal Atatürk läuft weiterhin Gefahr, zur Anzeige gebracht und von Staatsanwälten auch strafrechtlich verfolgt zu werden.

 

Insbesondere im Südosten kommt es vor, dass Meinungsäußerungen bzw. die Teilnahmen an einer Demonstration bei öffentlichen Stellen wie der Polizei oder dem Gemeindeamt registriert werden. Dies kann in der Folge zur Diskriminierung bei der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen führen (z.B. Bezug von Sozialleistungen über die Grüne Karte).

 

Politische Opposition

 

Politisch Oppositionelle werden nicht systematisch verfolgt. Die Arbeit der oppositionellen prokurdischen und in Teilen PKK-nahen DTP (Demokratik Toplum Partisi) wurde jedoch seit ihrem Bestehen ebenso wie ihre Vorgängerorganisationen von Seiten der Justiz durch Verfahren behindert, die die Meinungsfreiheit oder die politische Betätigungsfreiheit der DTP-Abgeordneten oder -Mitglieder einschränken. Nach zwei vornehmlich gegen DTP-und DTP-nahe Gewerkschaftsmitglieder gerichteten Verhaftungswellen am 15.und 28.05.2009 folgten im September, Oktober, Dezember 2009 und Januar 2010 weitere Verhaftungen. Dabei wurden über 800 Personen wegen angeblich terroristischer Aktivität im Rahmen der PKK-nahen Organisation (Kurdistan-Parlament, KCK) in Gewahrsam genommen. Das 2007 gegen die Partei eingeleitete Verbotsverfahren wurde am 11.12.2009 abgeschlossen. Die Partei wurde wegen ihrer Verbindungen zur terroristischen PKK verboten, gegen 37 DTP-Mitglieder (Antrag betraf 221 Personen) wurde wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" ein politisches Betätigungsverbot ausgesprochen. Zwei der betroffenen DTP-Mitglieder sind Abgeordnete im Parlament.

 

Dem Auswärtige Amt ist kein Fall bekannt geworden, in dem die einfache Mitgliedschaft in der HADEP oder in der DEHAP - ohne besondere, z.B. strafrechtlich relevante Verdachtsmomente - zu Repressalien gegen die Betreffenden geführt hätte.

 

Exilpolitische Aktivitäten

 

Nur türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den türkischen Staat rechnen.

 

Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nach türkischem Recht nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden können.

 

Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis

 

Die Entwicklung der vergangenen Jahre ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Reformprozess, der wesentliche Teile der Rechtsordnung (besonders im Strafrecht, aber auch im Zivil- oder Verfassungsrecht) erfasst hat und auf große Teile der Gesellschaft ausstrahlt. Die türkische Regierung hat zuletzt im Rahmen des 47. Assoziationsrates der EG mit der Türkei in Brüssel am 19. Mai 2009 ein klares Bekenntnis zum Ziel der EU-Vollmitgliedschaft abgegeben und angekündigt, den Reformprozess zu beschleunigen.

 

Das türkische Recht sichert die grundsätzlichen Verfahrensgarantien im Strafverfahren. Die Unabhängigkeit der Justiz ist in der Verfassung verankert (Art. 138). Für Entscheidungen u. a. über Verwarnungen, Versetzung oder den Verbleib im Beruf ist der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte unter Vorsitz des Justizministeriums zuständig (Verhandlung in geschlossenen Verfahren; ohne gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit). Seit 2008 hat sich die vormals zögerliche Haltung bezüglich der Verfolgung von Soldaten, Gendarmen und Polizeibeamten nachweisbar verbessert. Allerdings kommt es vor allem mangels Kooperation der Behörden bei der Tatsachenfeststellung nur in wenigen Einzelfällen tatsächlich zu Verurteilungen.

 

Dem Auswärtigen Amt sind in jüngster Zeit keine Gerichtsurteile auf Grundlage von durch die Strafprozessordnung verbotenen, erpressten Geständnissen bekannt geworden. Anwälte berichten, dass Festgenommene in einigen Fällen durch psychischen Druck verleitet werden, Aussagen zu machen. Bekannt ist auch, dass Erkenntnisse aus unzulässigen Telefonüberwachungen in Strafverfahren Eingang finden. Human Rights Watch weist in diesem Zusammenhang auf den nachlässigen Umgang mit Beweismitteln hin. 2008 sei es wiederholt zu Vertuschungsversuchen, Zerstörung und Unterdrückung von Beweisen bzw. Behinderung der staatsanwaltlichen Ermittlungen gekommen. Ähnliche Erkenntnisse ergeben sich aus der Beobachtung von Gerichtsverfahren durch die Botschaft Ankara.

 

Reformierte Strafrechtsnormen werden von den Gerichten auch in Fällen mit Terrorbezug und Separatismusvorwürfen grundsätzlich rechtsstaatskonform angewandt. Im Mai 2009 wurden vier Anwälte des Menschenrechtsvereins IHD kurzfristig aufgrund von Terrorismusvorwürfen verhaftet. Dabei wurden auch Unterlagen von Klienten beschlagnahmt. Das Recht auf sofortigen Zugang zu einem Rechtsanwalt innerhalb von 24 Stunden ist grundsätzlich gewährleistet. Das Recht auf kostenlose Rechtsberatung bei Schuldvorwürfen mit einem Strafrahmen bis 5 Jahre wurde 2006 (mit Blick auf den Mangel an dafür geeigneten Rechtsberatern) eingeschränkt. Seit Dezember 2006 kann die kostenlose Rechtsberatung nur derjenige in Anspruch nehmen, der einem Tatvorwurf mit Strafandrohung von mindestens fünf Jahren ausgesetzt ist.

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) spielt in der Türkei eine wichtige Rolle: Zum einen, weil er als Ersatz für die im türkischen Recht fehlende Verfassungsbeschwerde angesehen und daher in vielen Fällen nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges angerufen wird; zum anderen ist die EMRK aufgrund einer entsprechenden Verfassungsbestimmung nationalem Recht vorrangig und direkt anwendbar.

 

Die Zahl der Beschwerden, die im Zusammenhang mit mutmaßlichen Folterfällen stehen, ist nach Angaben von Menschenrechtsverbänden 2009 landesweit zurückgegangen. Aus den vorliegenden Statistiken lassen sich jedoch keine Rückschlüsse ziehen, da längst nicht alle potentiellen Hinweise auf Folter durch die Menschenrechtsorganisationen überprüft und bestätigt werden konnten und die Erfassung in unterschiedlicher, teils sehr stark voneinander abweichender Weise gehandhabt wird. Bei einem statistischen Vergleich muss zudem berücksichtigt werden, dass gerade durch die "Null-Toleranz-Politik" die Sensibilität für das Thema erheblich zugenommen hat. Die aus Sicht des Auswärtigen Amtes verlässlichsten Zahlen stammen von der Menschenrechtsstiftung der Türkei, TIHV. In der Gesamtzahl berichtet TIHV von einer leichten Abnahme der bei ihnen behandelten Fälle von Folter und Misshandlung. Bis Ende November 2009 wurden insgesamt 252 Personen registriert, die im selben Jahr gefoltert oder unmenschlich behandelt wurden (2008: 269, 2007: 320; 2006: 222).

 

Sippenhaft

 

In der Türkei gibt es keine "Sippenhaft" in dem Sinne, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen - etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten - werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen.

 

Dem Auswärtigen Amt liegen keine Anhaltspunkte vor, dass Personen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben und die zB eine strafrechtliche Verfolgung oder Gefährdung durch "Sippenhaft" in der Türkei behaupten, bei Rückkehr in die Türkei einer Gefährdung durch Folter oder Misshandlungen allein aufgrund der Tatsache droht, dass ein Asylantrag gestellt wurde.

 

Staatliche Repressionen

 

Es gibt keine Anhaltspunkte für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder allein wegen ihrer politischen Überzeugung. Es kommt jedoch zu staatlichen repressiven Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen.

 

Repressionen Dritter

 

In der Türkei gibt es zahlreiche militante religiöse Gruppierungen wie die türkische Hizbullah, die "Front der Vorkämpfer des Großen Ostens" (IBDA-C) und linksradikale, terroristische Gruppierungen wie die DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi - "Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front") bzw. die TKP-ML (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist) oder die linksterroristische MLKP (Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei). Trotz der andauernden Bedrohung der nationalen Sicherheit durch Teile dieser Gruppierungen kann davon ausgegangen werden, dass sie keine Repressionen gegenüber einer bestimmten Personengruppe wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion oder politischen Überzeugung ausüben.

 

Kurden

 

Neben den offiziell anerkannten religiösen Minderheiten gibt es folgende ethnische Gruppen: Kurden (ca. 13-15 Mio.), Kaukasier (6 Mio, davon 90% Tscherkessen), Roma (ca. 2 Mio.), Lasen (zwischen 750.000 und 1,5 Mio.) und andere Gruppen in kleiner und unbestimmter Anzahl (Araber, Bulgaren, Bosnier, Pomaken und Albaner). Türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit sind aufgrund ihrer Abstammung keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (Ausnahme: Kleinkindern dürfen seit 2003 kurdische Vornamen gegeben werden). Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus.

 

Der private Gebrauch des Kurdischen, d.h. der beiden in der Türkei vorwiegend gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmanci und Zaza, ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings noch eingeschränkt. Kurdischunterricht und Unterricht in kurdischer Sprache an öffentlichen Schulen sind nicht erlaubt. Durch die verfassungsrechtliche Festschreibung von Türkisch als der einzigen Nationalsprache und dem damit einhergehenden Verbot für Behörden und Parteien, eine andere Sprache als Türkisch zu verwenden, wird die politische Betätigung von Kurden, aber auch anderer ethnischer Gruppen, eingeschränkt und ihnen die Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen erschwert. Eine positive Entwicklung ist der neu geschaffene staatliche TV-Sender TRT 6, der seit Anfang 2009 ein 24-Stunden-Programm in kurdischer Sprache sendet. Zudem hob im November die staatliche Fernseh- und Rundfunkanstalt die bisher geltenden Beschränkungen für Privatfernsehen in "Sprachen und Dialekten, die traditionell von türkischen Bürgern im Alltag gesprochen werden" auf. Seit 2004 war es möglich wöchentlich vier Stunden im Privatfernsehen und sechs Stunden im Privatradio zu senden.

 

An der privaten Istanbuler Bilgi Universität wurde ab dem WS 2009 Kurdischunterricht als Wahlfach eingerichtet. An der Universität in Mardin wurde die Einrichtung eines "Instituts für lebende Sprachen" (u.a. für Kurdisch) durch den Hochschulrat beschlossen; für weitere Universitäten (Ankara; Istanbul) wird dies diskutiert.

 

Kurdische Arbeiterpartei (PKK)

 

Die Kurdenfrage ist eng verflochten mit dem jahrzehntelangen Kampf der türkischen Staatsgewalt gegen die von Abdullah Öcalan gegründete "Kurdische Arbeiterpartei" (PKK) und ihre terroristischen Aktionen. Das in Deutschland und der EU bestehende Verbot der Terrororganisation PKK erstreckt sich auch auf die Nachfolgeorganisationen unter anderem Namen. Die Stärke der PKK in der Türkei/Nordirak wird aktuell auf noch 5.000 - 5.500 Kämpfer geschätzt, davon ca. zwei Drittel im Nordirak. Von 2002 bis 2004 hatte sich die Terrororganisation PKK mehrfach umbenannt (KADEK/KHK/KONGRA-GEL). Mittlerweile ist sie zu ihrer alten Bezeichnung PKK zurückgekehrt. Für die von ihr selbst als politisch bezeichnete Betätigung im Ausland hat sie jedoch die Bezeichnung KONGRA-GEL beibehalten. Ihr Anführer, der zu lebenslanger Haft verurteilte Abdullah Öcalan, befindet sich seit 1999 im Gefängnis auf der Insel Imrali im Marmara Meer. Kurdischen Quellen zufolge soll sich die PKK wieder verstärkt der Anwerbung "junger Kämpfer" widmen. Nach Berichten PKK nahe stehender Medien sind zahlreiche neue Guerillakämpfer in die Reihen der "Volksverteidigungskräfte" HPG aufgenommen und danach in ihre Einsatzgebiete entsandt worden.

 

Weiterhin sind Spannungen in den kurdisch geprägten Regionen im Südosten des Landes zu verzeichnen. Die türkischen Militäroperationen gegen PKK-Einrichtungen im Nordirak dauern an; sie stützen sich inzwischen auf eine Kooperation mit den USA und Irak. Türkische Streitkräfte und die Regierung weisen häufiger darauf hin, dass die PKK Rekrutierungsschwierigkeiten habe und den Rückhalt in der Bevölkerung verliere. Beides lässt sich bisher jedoch nicht mit konkreten Zahlen belegen. PKK-interne Opposition (Ungehorsam, Befehlsverweigerung etc.) und Abfall (Desertion) von der PKK werden von dieser konsequent sanktioniert. Es gibt Hinweise auf Zwangsrekrutierungen durch die PKK, die allerdings nicht nachzuweisen sind.

 

Allerdings sehen Regierung und Militär, dass die Probleme im Südosten nicht allein mit militärischen Mitteln zu überwinden sind. Auf wirtschaftlichem und kulturpolitischem Gebiet hat die Regierung zahlreiche Anstrengungen zur Verbesserung der Lage der Kurden unternommen. Neben der Einführung kurdischsprachiger Sendungen im staatlichen Fernsehen ist die von Staatspräsident Gül und Ministerpräsident Erdogan im Mai 2009 angekündigte "Demokratische Öffnung" (zuvor "Kurdische Öffnung") von besonderer Bedeutung. Diese zielt insbesondere auf eine Lösung der Probleme des Südostens und beinhaltet politische, wirtschaftliche und soziokulturelle Maßnahmen. Die volle Umsetzung der von der Regierung angestrebten Öffnungspolitik gegenüber den Kurden hängt stark davon ab, ob die mächtigen Beharrungskräfte im Oppositionslager sowie in den Bereichen Militär, Justiz und Polizei letztlich mitziehen oder gegensteuern.

 

Grundversorgung

 

Die Türkei kennt bisher keine staatliche Sozialhilfe die mit dem EU-Standard vergleichbar ist. Sozialleistungen für Bedürftige werden auf der Grundlage der Gesetze Nr. 3294 über den Förderungsfonds für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanismayi Tesvik Kanunu) und Nr. 5263, Gesetz über Organisation und Aufgaben der Generaldirektion für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanisma Genel Müdürlügü Teskilat ve Görevleri Hakkinda Kanun) gewährt. Die Sozialhilfeprogramme werden von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten vertretenen Stiftungen für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanisma Vakfi) ausgeführt und sind den Gouverneuren unterstellt.

Anspruchsberechtigt nach Art. 2 des Gesetzes Nr. 3294 sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der Sozialsicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die durch eine kleine Unterstützung oder durch Gewährleistung einer Ausbildungsmöglichkeit gemeinnützig und produktiv werden können.

 

Die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung werden von Amts wegen geprüft. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützung der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Hilfen für die Ausbildung (Schülerbedarfsartikel, Unterkunft), Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besondere Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder die Volksküchen. In einem im Jahr 2008 begonnenen Projekt sollen erstmals Bedürftigkeitskriterien für die einzelnen Leistungsarten entwickelt werden. Die Leistungen werden in der Regel als zweckgebundene Geldleistungen für neun bis zwölf Monate gewährt; in Einzelfällen entscheidet der Vorstand der Stiftung. In der Türkei existieren darüber hinaus weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben.

 

Medizinische Versorgung

 

In der Türkei gibt es neben dem staatlichen Gesundheitssystem, das eine medizinische Grundversorgung garantiert, mehr und mehr leistungsfähige private Gesundheitseinrichtungen, die in jeglicher Hinsicht EU-Standards entsprechen. Auch das staatliche Gesundheitssystem hat sich in den letzten Jahren strukturell und qualitativ erheblich verbessert. Versorgungsdefizite - vor allem in den ländlichen Provinzen - bestehen aber noch bei der medizinischen Ausstattung, bei Ärzten und Krankenpflegern. In diesen Fällen besteht die Möglichkeit, die Patienten in Behandlungszentren der nächstgelegenen größeren Städte zu überweisen.

 

Das am 1. Oktober 2008 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Sozialversicherungsreform (Gesetz Nr. 5510) dehnt die gesetzliche Krankenversicherung auf alle Personengruppen, einschließlich der unter 18-Jährigen, aus. Ziel ist die Sicherstellung einer einheitlichen gesundheitlichen Versorgung aller Bürger mit im Wesentlichen gleichen Bezugsvoraussetzungen und Leistungsansprüchen für Angestellte, Rentner und Selbständige. Nach einer Übergangszeit von zwei Jahren (bis 30.09.2010) werden auch bisher unversicherte Mittellose, die die sog. "Grüne Karte" (Yesil Kart) für eine kostenlose medizinische Versorgung im staatlichen Gesundheitssystem nutzen, sowie bisher durch die Maschen des Systems fallende Personen, einbezogen.

 

Eine medizinische Versorgung sowie die Behandlungsmöglichkeit psychischer Erkrankungen ist grundsätzlich landesweit gegeben. In ländlichen Regionen müssen Patienten unter Umständen in Behandlungszentren größerer Städte überwiesen werden. Das Gesundheitswesen garantiert psychisch kranken Menschen umfassenden Zugang zu Gesundheitsdiensten und Beratungsstellen. Dauereinrichtungen für psychisch Kranke wie offene oder geschlossene Psychiatrien oder betreute Wohnheime gibt es jedoch nur in begrenzter Kapazität für chronische Fälle, in denen familiäre Unterstützung nicht gewährleistet ist oder die eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Auch bei der Behandlung psychischer Erkrankungen ist ein ständig steigender Standard festzustellen. Die Behandlung psychischer Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) ist in allen Krankenhäusern der Türkei möglich, die über eine Abteilung für Psychiatrie verfügen. Für die Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) werden in der Türkei die international anerkannten Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV angewandt. Zu Behandlungskonzepten zählen u.a. Psychotherapie mit Entspannungstraining, Atemtraining, Förderung des positiven Denkens und Selbstgespräche, kognitive Therapie, Spieltherapie sowie Medikationen wie Antidepressiva und Benzodiazepine. Eine Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) ist grundsätzlich auch über die Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) möglich.

 

Behandlung von Rückkehrern

 

Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle grundsätzlich ungehindert passieren. In Fällen von Rückführungen gestatten die türkischen Behörden die Einreise nur mit türkischem Reisepass oder Passersatzpapier.

 

Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Ein Eintrag besteht nicht, wenn zuvor anhängige Ermittlungsverfahren oder eingeleitete Strafverfahren wegen Verjährung oder Amnestiebestimmungen eingestellt wurden oder die Person freigesprochen und ein Fahndungs- bzw. Haftbefehl aufgehoben wurde.

 

Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Ein Anwalt wird zur Durchführung des Verhörs, bei welchem der Festgenommene zu den schriftlich vorliegenden Anschuldigungen gehört wird, hinzugezogen. Der Festgenommene wird ärztlich untersucht. Das Verhör wird durch den Staatsanwalt oder durch einen von ihm bestimmten Polizeibeamten im Namen der Staatsanwaltschaft vorgenommen. Der Festgenommene darf zunächst 24 Stunden festgehalten werden. Eine Verlängerung dieser Frist auf 48 Stunden ist möglich. Danach findet erneut eine ärztliche Untersuchung statt. Nach der ärztlichen Untersuchung wird der Festgenommene mit dem Bericht des Arztes dem Staatsanwalt vorgeführt, der nochmals eine Befragung im Beisein eines Anwaltes durchführt. Der Staatsanwalt verfügt entweder die Freilassung oder überstellt den Betroffenen dem zuständigen Richter mit dem Antrag auf Ausstellung eines Haftbefehls. Bei der Befragung durch den Richter ist ebenfalls der Anwalt anwesend. Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Strafverfahren anhängig ist, wird die Person bei der Einreise festgenommen und der Staatsanwaltschaft überstellt. Ein Anwalt wird hinzugezogen und eine ärztliche Untersuchung vorgenommen.

 

Der Staatsanwalt überprüft von Amts wegen, ob der Betroffene von den Amnestiebestimmungen des 1991 in Kraft getretenen Antiterrorgesetzes Nr. 3713 oder des im Dezember 2000 in Kraft getretenen Gesetzes Nr. 4616 (Gesetz über die bedingte Entlassung, Verfahrenseinstellung und Strafaussetzung zur Bewährung bei Straftaten, die vor dem 23. April 1999 begangen worden sind) profitieren kann oder ob gemäß Art. 102 StGB a. F. (jetzt Art. 66 StGB n. F.) Verjährung eingetreten ist. Sollte das Verfahren aufgrund der vorgenannten Bestimmungen ausgesetzt oder eingestellt sein, wird der Festgenommene freigelassen.

 

Andernfalls fordert der Staatsanwalt von dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, einen Haftbeschluss an. Der Verhaftete wird verhört und mit einem Haftbefehl - der durch den örtlich zuständigen Richter erlassen wird - dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, überstellt. Während der Verhöre - sowohl im Ermittlungs- als auch im Strafverfahren - sind grundsätzlich Kameras eingeschaltet.

 

Dem Auswärtigen Amt ist in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten - dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - gefoltert oder misshandelt worden ist. Auch seitens türkischer Menschenrechtsorganisationen wurde kein Fall genannt, in dem politisch nicht in Erscheinung getretene Rückkehrer oder exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen menschenrechtswidriger Behandlung durch staatliche Stellen ausgesetzt war. Nach Auskunft von EU-Mitgliedstaaten (Dänemark, Schweden, Niederlande, Frankreich, England, auch der Kommission) sowie Norwegen, der Schweiz und den USA ist auch diesen aus jüngerer Zeit kein Fall bekannt, in dem exponierte Mitglieder, führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen sowie als solche eingestufte Rückkehrer menschenrechtswidriger Behandlung ausgesetzt waren.

 

Wehrpflicht

 

Der Wehrpflicht unterliegt jeder männliche türkische Staatsangehörige ab dem 1. Jänner jenes Jahres, in dem ein Staatsbürger 19 Jahre alt wird unabhängig von seiner Volkszugehörigkeit, sofern eine gesundheitliche Eignung gegeben ist. Der fünfzehnmonatige (für Universitätsabsolventen sechs- bzw. zwölfmonatige) Wehrdienst wird in den Streitkräften einschließlich der Jandarma abgeleistet. Das Höchstalter für die Ableistung des Wehrdienstes liegt bei 40 Jahren. Das wehrdienstpflichtige Alter erstreckt sich damit über eine Zeitspanne von 21 Jahren, kann aber bei hinreichend dargelegter Notwendigkeit durch Generalstab und Verteidigungsministerium vom Nationalrat um fünf Jahre erhöht oder reduziert werden. Das wehrpflichtige Alter teilt sich in drei Phasen: die Einberufungsphase, den aktiven Dienst und die Reserve.

 

Gem. Art. 63 des Militärstrafgesetzes beträgt die Strafe für Wehrdienstverweigerung, wenn die Person dem Musterungsbefehl nicht folgt und drei Monate nach Zustellung desselben gefasst wird, zwischen sechs Monaten und drei Jahren. Die Verjährungsfrist richtet sich nach Art. 66e tStGB und beträgt zwischen fünf und acht Jahre, falls die Tat mit Freiheitsstrafe bedroht ist.

 

Obwohl im türkischen Militärgesetz § 63 die Verweigerung des Wehrdienstes mit schwerer Strafe bedroht wird, wird diese in den meisten Fällen nicht verhängt, es sei denn, es liegt ein weiterer qualifizierter Sachverhalt vor. Auch die Ländersachverständige Sedef Dearing geht davon aus, dass sich die Bestrafungen im unteren bzw. untersten Bereich des Strafrahmens bewegen.

 

In der Türkei gibt es keine gesetzliche Möglichkeit, einen Wehrersatzdienst zu leisten. Bei der Behandlung des Problems "Kriegsdienstverweigerung" schien sich auf offizieller Ebene eine Tendenz durchzusetzen, diese Personen als "untauglich" zu erklären, um wiederholte Inhaftierung und entsprechende internationale Proteste zu vermeiden. Dennoch kam es auch im Jahr 2008 zu Strafverfolgung von Wehrdienstverweigerern.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass kurdischstämmige Wehrdienstleistende während des Militärdienstes generell relevanten Nachteilen auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit ausgesetzt wären. Vereinzelte Vorfälle können aber nicht ausgeschlossen werden.

 

Die Zuteilung der Wehrpflichtigen zu den Einheiten des Militärs erfolgt durch ein Computerprogramm (Zufallsprinzip). Vom Computersystem abweichende Zuteilungen - etwa über Intervention - sind im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen. Das GIGA geht in der genannten Anfragebeantwortung davon aus, dass Wehrpflichtige idR in der Nähe ihrer Wohnsitze einberufen werden, was jedoch nicht für Kurden aus dem Südosten der Türkei gilt, welche in der Regel im Norden und Westen eingesetzt werden, um Loyalitätskonflikte zu vermeiden. Der Zuweisungsort erfolgt grundsätzlich durch ein Computersystem, das gewisse Parameter berücksichtigt. So erfolgt kein Einsatz in der Region, in der ein Wehrdienstpflichtiger gemeldet ist und auch nicht in jener, aus der die betreffende Person ursprünglich stammte (in der er geboren ist).

 

Für türkische Staatsbürger, die aus dem Ausland zurückkämen, gibt es keine gesonderte Vorgangsweise - auch ihre Zuteilung zu bestimmten Regionen würde von der Wehrdienstbehörde per Computer entschieden.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass es hinsichtlich des militärischen Einsatzes der Türkei gegen die PKK in der Türkei bzw. im Nordirak von der Völkerrechtsgemeinschaft bzw. dem UN-Sicherheitsrat zu einer Verurteilung gekommen wäre, weil dieser etwa den Grundregeln menschlichen Verhaltens widersprechend wäre. Kritische Äußerungen von Staaten gibt es und die Türkei wird von Staaten aufgefordert von unverhältnismäßigen Militäraktionen abzusehen. Die Türkei stützt ihre militärische Aktion gegen die PKK im Nordirak auf Art 51 der UN-Charta, wonach Selbstverteidigungsmaßnahmen des Landes grundsätzlich erlaubt sind, wenn es bewaffneten Angriffen ausgesetzt ist, was für gegeben erachtet wird, weil die PKK vom Nordirak aus immer wieder Terroranschläge auf türkischem Gebiet verübt. Nach einer UN-Resolution aus dem Jahr 1974 (3314) kann eine solche Aggression nicht nur von einem Staat sondern auch von bewaffneten Banden ausgehen.

 

Für den Kampf gegen die PKK werden in der Türkei sowohl Armee, die Gendarmerie, die Polizei und Spezialeinheiten eingesetzt. Bei Gendarmerie, Polizei und Spezialeinheiten erfolgt kein Einsatz gegen den Willen des Betroffenen im eigentlichen Sinne, da diese Personen sich aus freiem Willen zu diesem Beruf entschlossen haben und ihn auch aufgeben könnten. Zudem kommen bei größeren Operationen gegen die PKK Personen/Einheiten zum Einsatz, welche eine Spezialsausbildung im Antiterrorkampf besitzen. Auch bei der gezielten Terrorbekämpfung gegen die PKK durch die Armee werden spezielle ausgebildete Kommandoeinheiten eingesetzt. Seit 2008 werden in diesen Kommandoeinheiten keine Reserveoffiziere mehr eingesetzt. Ab 2009 sollen die bisher eingesetzten Wehrpflichtigen, welche ebenfalls eine Spezialausbildung im Antiterrorkampf absolviert haben, durch Berufsoldaten ersetzt werden.

 

Es gibt in der türkischen Armee Spezialeinheiten, welche sich aus hoch spezialisierten und qualifizierten Leuten zusammensetzt, die als "politisch zuverlässig" und daher nicht nur über eine sehr spezielle Ausbildung, sondern auch über eine hohe Loyalität verfügen. Seit 2008 werden den dafür zuständigen Kommandobrigaden keine neuen Grundwehrdiener mehr zugeteilt. Es ist daher nicht wahrscheinlich, dass derzeit solche noch zu diesen Einheiten zur Bekämpfung des Terrorismus zugewiesen werden. Bis Ende 2009 sollen diese nach Beendigung der Umstrukturierung nur mehr aus hauptberuflichem Militärpersonal bestehen.

 

Eine Auswertung der Herkunftsorte gefallener Soldaten zeigt, dass eine Mehrzahl aus der Schwarzmeerregion und aus Zentralanatolien stammt.

 

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde, den bekämpften Bescheid, den Beschwerdeschriftsatz, die vorgelegten Dokumente, die Asylunterlagen betreffend das Asylverfahren in Deutschland sowie durch öffentlich mündliche Verhandlung der Beschwerdesache und durch

Berücksichtigung nachstehender Länderdokumentationsunterlagen:

 

Allgemein:

 

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, 11.04.2010, 29.06.2009 und 11.09.2008

 

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Glossar Islamische Länder, Band 23, Februar 2009

 

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Erkenntnisse, Juni 2009

 

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Türkei, November 2009

 

EU-Kommission, Türkei Fortschrittsbericht 2009, 14.10.2009

 

Annual Report of the United States Commission on International Religious Freedom, Mai 2008

 

Home Office, Country of Origin Information Report, Turkey, 20.10.2009

 

USDOS: Country Reports on Human Rights Practices 2008: Turkey, 25.02.2009

 

USDOS: International Religious Freedom Report Turkey, 26.10.2009

 

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, Verbot der DTP, 14.12.2009

 

Zum Wehrdienst:

 

Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei vom 11.04.2010.

 

GIGA, Anfragebeantwortung an den Unabhängigen Bundesasylsenat vom 10.9.2007

 

www.focus.de , Der türkische Einmarsch und das Völkerrecht, 22.2.2008;

 

Generalversammlung der Vereinten Nationen, 3314.-Definition der Aggression, 14.12.1974, Art 51 der UN-Charta;

 

www.allaboutturkey.com/index.htm

 

BAMF/Informationszentrum für Asyl und Migration (Oktober 2008):

Vortrag Eurasil-Workshop vom 24.6.2008 in Nürnberg, Bericht von Michael Bittner, BAMF

 

ACCORD: Wehrdienstverweigerung in der Türkei, März 2009

 

Workshop AsylGH Türkei vom 24.4.2009: Vortragende Ländersachverständige Sedef Dearing

 

I.3. Beweiswürdigend wird ausgeführt:

 

I.3.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet und des Datums seiner Asylantragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten türkischen Personalausweis, ausgestellt am XXXX durch das türkische Konsulat in Berlin (AS 31).

 

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren und den diesbezüglich in Vorlage gebrachten Unterlagen.

 

Die festgestellten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers gründen sich auf die Wahrnehmungen des entscheidenden Senates in der Beschwerdeverhandlung.

 

Die Eheschließung mit einer deutschen Staatsbürgerin sowie die gemeinsame Tochter ergeben sich aus den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers und der deutschen Heiraturkunde vom XXXX.

 

Das Asylverfahren in Deutschland ergibt sich aus den diesbezüglich von den deutschen Behörden übermittelten Unterlagen.

 

I.3.2. Was hingegen die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe betrifft, so ist Folgendes auszuführen:

 

Der Beschwerdeführer gab vor dem Bundesasylamt und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung als Ausreisegrund an, dass gegen ihn ein Gerichtsverfahren in der Türkei wegen der Unterstützung der PKK laufen würde und dass er seinen Militärdienst noch nicht abgeleistet habe.

 

Hinsichtlich des Militärdienstes ist Folgendes auszuführen:

 

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er im Falle einer Rückkehr in die Türkei seinen Wehrdienst ableisten müsse - was ob seines Alters, er ist mittlerweile 43 Jahre alt und die Wehrpflicht endet grundsätzlich mit 40 Jahren, mehr als zweifelhaft ist -, er jedoch den Wehrdienst nicht ableisten wolle, weil in der Türkei seit 30 Jahren Krieg geführt werden würde, ist vorweg auszuführen, dass auf die getroffenen Feststellungen zu verweisen ist, wonach vereinzelte Vorfälle bei der Ableistung des Wehrdienstes nicht ausgeschlossen werden können, jedoch nicht festgestellt werden kann, dass kurdischstämmige Wehrdienstleistende während des Wehrdienstes generell relevanten Nachteilen auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit ausgesetzt wären. Auch Diskriminierungen von Angehörigen ethnischer Minderheiten können im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden. Ein gezieltes, systematisches Vorgehen ist hierin jedoch nicht erkennbar.

 

Darüber hinaus ist es dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht gelungen, eine gezielt und konkret gegen ihn gerichtete, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretende, Asylrelevanz erreichende Verfolgung in Form von Misshandlungen oder Verwendungen im Rahmen der Ableistung des Militärdienstes oder des Strafvollzuges darzutun. Auch von Amts wegen existieren keine aufzugreifenden Anhaltspunkte dafür, dass gerade der Beschwerdeführer bei der Ableistung seines Militärdienstes oder der Abbüßung einer Haftstrafe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit solchen Situationen ausgesetzt wäre.

 

Gemäß den getroffenen Länderfeststellungen ist jeder männliche Staatsbürger der Türkei zwischen 19 und 40 Jahren verpflichtet, für 15 Monate beim Militär einzurücken.

 

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer den Militärdienst abzuleisten hat, ergibt sich aus seinem Vorbringen, seinem Geschlecht, seinem Alter und den Feststellungen zum Militärdienst in der Türkei.

 

Sofern der Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zum Ausdruck bringt, dass ihm wegen seiner behaupteten Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe Misshandlungen und Repressalien beim Militär drohen würden, so finden diese Ausführungen keine Deckung in der festgestellten Situation der Wehrdienstpflichtigen in der Türkei; eine systematische Diskriminierung von Kurden konnte nicht festgestellt werden. Insofern sich der Beschwerdeführer auf einen möglichen Kampfeinsatz allenfalls gegen eigene Volksgruppenangehörige berufen mag, ist ihm zu entgegnen, dass derzeit bewaffnete Kampfhandlungen nur in geringerem Umfang stattfinden und Rekruten überdies in der Regel abseits ihres Heimatgebietes eingesetzt werden. Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer zum Kampf gegen Kurden eingesetzt wird, ist demnach nicht gegeben (gemäß dem Bericht des Auswärtigen Amtes erfolgt in der Regel ein Einsatz für alle Wehrdienstleistenden in gewisser Entfernung vom Wohnort). Auch ergibt sich aus den nunmehr dem Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen, dass die Auswahl des Einsatzortes per Computer nach dem Zufallsprinzip erfolgt und kann daher diesem Vorbringen kein Erfolg zukommen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Furcht vor Verfolgung im Fall der Wehrdienstverweigerung oder Desertion jedoch nur dann als asylrechtlich relevant anzusehen, wenn der Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während dieses Militärdienstes im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde oder davon auszugehen sei, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsbürgern härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung drohe (Verstärkter Senat des VwGH vom 29.06.1994, Slg Nr. 14.089/A; VwGH vom 21.08.2001, 98/01/0600; ). Bei der rechtlichen Beurteilung des zugrunde liegenden Sachverhaltes kommt es auf die Grundsätze an, die der Verwaltungsgerichtshof auf dem Boden der bestehenden Rechtslage insbesondere in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates zur Zl. 93/01/0377 niedergelegt hat, wobei sich seine dabei zum Ausdruck kommende Rechtsansicht nur zum Teil mit der vom UNHCR (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft) vertretenen Auffassung deckt (VwGH 20.12.1995, 95/01/0104). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht der Entscheidungspraxis in Deutschland, welche aufgrund der notorisch bekannten Vergemeinschaftung nicht als gänzlich unbeachtlich angesehen werden kann (vgl. Übersicht zur deutschen und schweizerischen Rechtssprechung in hg. Erkenntnis vom 12.04.2010, E3 319.230).

 

Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen (VwGH vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0718; 21. April 1993, Zlen. 92/01/1121, 1122). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben (vgl. VwGH 30. November 1992, Zl. 92/01/0789, betreffend Somalia, und Zl. 92/01/0718, betreffend Äthiopien, vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0243, vom 16. Dezember 1992, Zl. 92/01/0734, und vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0784, alle betreffend die frühere Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien).

 

Allein die Furcht vor Ableistung des Militärdienstes stellt somit grundsätzlich keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar; ebenso wenig wie eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes oder wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung. In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber noch festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer auch hinsichtlich eines möglichen Aufschubs des Militärdienstes in Unplausibilitäten verwickelte, die er nicht aufzuklären vermochte. Beispielsweise führte er aus, dass er bis zu seiner Ausreise nach Deutschland im Jahr 1996 mehrmals von der Polizei festgenommen und angehalten worden sei, jedoch in diesem Zusammenhang niemals den Militärbehörden vorgeführt worden sei. Ebenso habe es sich im Jahr 2004, nach seiner Abschiebung aus Deutschland, zugetragen. Er sei zwar für drei Tage angehalten worden, den Militärbehörden habe man ihn jedoch nicht vorgeführt.

 

Des Weiteren führt der Beschwerdeführer aus, dass gegen ihn in der Türkei aufgrund der unterstellten Unterstützung der PKK ein Gerichtsverfahren anhängig sei. Diesbezüglich verwickelte sich der Beschwerdeführer jedoch in massive Widersprüche, die er nicht aufzulösen vermochte, weshalb diesem Vorbringen keine Glaubwürdigkeit zuzuerkennen ist. Diese Unglaubwürdigkeit gründet sich auf mehrere Umstände. So ist es für den Asylgerichtshof nicht nachvollziehbar, wenn der Beschwerdeführer ausführt, dass seine Freunde im Jahr 1994 festgenommen und gegen diese ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden sei, an dessen Ende einer zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe und der andere zu einer 19monatigen Haftstrafe verurteilt worden seien. Anlässlich dieses Gerichtsverfahrens sei der Name des Beschwerdeführers gefallen, weshalb auch gegen ihn, wie er im Zuge seiner Abschiebung von Deutschland in die Türkei erfahren habe, ein Gerichtsverfahren anhängig sei. Wenn man dieses Vorbringen einer Beurteilung zugrunde legen würde, so ist es nicht plausibel, weshalb man den Beschwerdeführer, er führte aus, dass er in der Zeit bis 1996 ein paar Mal von der Polizei angehalten und mitgenommen worden sei, nicht gleich einem Gericht überstellt habe. Es ist weiters nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer anlässlich seiner Abschiebung im Jahr 2004 nach drei Tagen Anhaltung und der Bezahlung von 8.000 ¿ Kaution wieder freigelassen und nicht einem Gericht überstellt worden sei, zumal er sich dem bisherigen Verfahren ja entzogen hätte, somit gute Gründe für eine Inhaftnahme zur Sicherung des Verfahrens bestanden hätten. Auch habe keine einzige Anhaltung, vor 1996 und nach 2004, für ihn irgendwelche Konsequenzen nach sich gezogen. Überhaupt vermochte der Beschwerdeführer hinsichtlich der behaupteten Gerichtsverhandlung keine genauen Details zu schildern - vielmehr erging er sich in oberflächlichen Ausführungen - noch vermochte er in diesem Zusammenhang irgendwelche Beweismittel in Vorlage zu bringen.

 

Des Weiteren ist es für den Asylgerichtshof auch nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer wegen einer unterstellten Unterstützung der PKK in der Türkei gesucht werden sollte, zumal er sich hinsichtlich einer politischen Tätigkeit in derartige Widersprüche verwickelte, die nur den Schluss zulassen, dass das politische Engagement lediglich eine bloße Behauptung darstellt, um dem Asylantrag einen Begründung zu geben. Dies deshalb, da der Beschwerdeführer beispielsweise behauptete, dass er sich bis 1996 in der DEHAP und nach seiner Rückkehr im Jahr 2004 für die HADEP engagiert habe. Auf Vorhalt, dass dies nicht möglich sei, zumal die HADEP bereits im Jahr 2003 verboten worden sei, bestand der Beschwerdeführer darauf, dass diese im Jahr 2006 geschlossen worden sei. Nachdem der Beschwerdeführer darüber aufgeklärt wurde, dass es sich dabei um die DEHAP gehandelt habe, meinte er ausweichend, wenn er ein großes politisches Wissen gehabt hätte, wie Abdullah Öcalan, würde er heute nicht hier sein. Abgesehen von der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers ist dem deutschen Auswärtige Amt kein Fall bekannt geworden, in dem die einfache Mitgliedschaft in der HADEP oder in der DEHAP - ohne besondere, z.B. strafrechtlich relevante Verdachtsmomente - zu Repressalien gegen die Betreffenden geführt hätte.

 

Was das Vorbringen bezüglich der mehrmaligen Mitnahmen und Anhaltungen des Beschwerdeführers durch die Polizei bis zum Jahr 1996 anbelangt, so ist dazu festzuhalten, dass - abgesehen von der Glaubwürdigkeit - diesen Angaben der notwendige zeitliche Zusammenhang zur Ausreise des Beschwerdeführers im Jahr 2005 fehlt, zumal er selbst ausführte, dass er nach seiner Rückkehr im Jahr 2004, abgesehen von der dreitägigen Anhaltung, mit der Polizei keinen Kontakt mehr gehabt habe. Schließlich sind Umstände, denen es an einem entsprechenden zeitlichen Konnex zur Ausreise mangelt, nicht zur Glaubhaftmachung eines Fluchtgrundes geeignet; die wohlbegründete Furcht müsste vielmehr bis zur Ausreise andauern (VwGH 23.01.1997, 95/20/0221). Die oben angeführten behaupteten Anhaltungen sind - unabhängig von der Glaubwürdigkeit - per se nicht geeignet, einen zeitlichen Konnex zur Ausreise im Jahr 2005 herzustellen. Diese Vorfälle haben damit nicht dazu geführt, dass der Beschwerdeführer so große Angst vor weiteren Übergriffen auf sich selbst gehabt hätte, die einer begründeten Furcht entsprechen und es dem Beschwerdeführer unerträglich gemacht hätten, in seinem Heimatstaat zu bleiben.

 

Hinsichtlich der behaupteten Anhaltung anläßlich der Abschiebung des Beschwerdeführers von Deutschland in die Türkei ist noch anzumerken, dass er diesbezüglich keine Übergriffe oder dergleichen behauptete, die in irgendeiner Form eine Asylrelevanz entfalten könnten. Hinsichtlich der 8.000 ¿ führte der Beschwerdeführer selbst aus, dass es sich dabei um eine Kaution gehandelt habe, weshalb darauf nicht näher einzugehen war.

 

Soweit der Beschwerdeführer nun seinen Ausreisegrund auf seine kurdische Abstammung und die daraus resultierenden Schwierigkeiten in der Gesellschaft stützt, er habe Probleme auf der Universität gehabt, ist auszuführen, dass die schwierige allgemeine Lage einer ethnischen Minderheit oder der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft für sich allein nicht geeignet ist, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun. Die bloße Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden bildet daher noch keinen ausreichenden Grund für die Asylgewährung (vgl. VwGH vom 31.01.2002, 2000/20/0358).

 

Hinsichtlich der kurdischen Abstammung des Beschwerdeführers ist weiters auszuführen, dass sich entsprechend der Länderberichte die Situation für Kurden derart gestaltet, dass momentan keine aktuellen Berichte über die Lage der Kurden in der Türkei und damit keine von Amts wegen aufzugreifenden Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten - sohin auch einer maßgeblichen Intensität erreichenden - Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden. Gründe, warum die türkischen Behörden ein nachhaltiges Interesse gerade an der Person des Beschwerdeführers haben sollten, wurden von diesem nicht bzw nicht glaubwürdig vorgebracht.

 

Der Vollständigkeit halber soll noch festgehalten werden, dass ein weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers der U

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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