TE AsylGH Erkenntnis 2011/03/28 E10 318854-1/2008

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Veröffentlicht am 28.03.2011
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Spruch

E10 318854-1/2008/19E

 

E10 318853-1/2008/13E

 

E10 318852-1/2008/13E

 

E10 404013-1/2009/13E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

1.) Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Reinhard ENGEL als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. ARMENIEN, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.03.2008, Zl. 0709.052-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.03.2011 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 135/2009 idgF unbegründet abgewiesen.

 

2.) Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Reinhard ENGEL als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, StA. ARMENIEN, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.03.2008, Zl. 0709.053-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.03.2011 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 135/2009 idgF unbegründet abgewiesen.

 

3.) Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Reinhard ENGEL als Beisitzer über die Beschwerde des mj. XXXX, StA. ARMENIEN, vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.03.2008, Zl. 0709.054-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.03.2011 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 135/2009 idgF unbegründet abgewiesen.

 

4.) Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Reinhard ENGEL als Beisitzer über die Beschwerde des mj. XXXX, StA. ARMENIEN, vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.01.2009, Zl. 0809.179-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.03.2011 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 135/2009 idgF unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylgerichtshof nimmt den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen an:

 

I.1. Bisheriger Verfahrenshergang

 

I.1.1.1. Die Beschwerdeführer, gem. der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als BF1 - BF4 bezeichnet, sind Staatsangehörige der Republik Armenien.

 

BF1 - BF3 brachten anlässlich ihrer Einreise am 1.10.2007, BF4 nach der Geburt im Bundesgebiet beim Bundesasylamt (BAA) Anträge auf internationalen Schutz ein. Dazu wurden BF1 und BF2 erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen.

 

I.1.1.2. Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte BF1 im Verfahren vor der belangten Behörde im Wesentlichen vor, in Armenien ein Juweliergeschäft betrieben zu haben. Seit Februar 2007 sei er Mitglied der Partei "Aratschatimagan (HAG)", da er Gefallen am Parteiprogramm fand.

 

Im April 2007 nahm der Parteivorsitzende mit dem BF Kontakt auf, da er im Bezirk eine respektierte und geschätzte Person sei, um die Partei im Wahlkampf anlässlich der bevorstehenden Parlamentswahlen zu unterstützten. Auf Vorschlag des Parteivorsitzenden zahlte der BF aus eigener Tasche die Schulden von armen Armeniern in Lebensmittelgeschäften zurück, damit diese die Partei wählen. Es wäre vereinbart gewesen, dass die Partei nach den Wahlen dem BF diese Barauslagen in der Höhe von ca. US$ 5.600,-- ersetzt.

 

Nach den Wahlen weigerte sich die Partei, bzw. der Vorsitzende, den Betrag zu retournieren, worauf der BF Anzeige erstattete. Nachdem die Polizei untätig geblieben wäre, ging der BF zur Staatsanwaltschaft.

 

Im Juli 2007 wären 4 Polizeibeamte ins Geschäft des BF gekommen, hätten ihm fremde Ware untergeschoben und behauptet, es handle sich um gestohlenes Gut, worauf er festgenommen und in die Polizeizentrale gebracht wurde. Dort hätte man ihn drei Tage lang angehalten und unter der Bedingung, US$ 3.000,-- zu zahlen und den Streit mit der Partei zu vergessen wieder entlassen. Unter dieser Bedingung "werde sie die gestohlene Ware vergessen."

 

Während des Aufenthaltes auf der Polizeistation sei er auch geschlagen worden. Bei seiner Entlassung hätte man ihm mitgeteilt, dass es für ihn noch schlimmer kommen würde.

 

Nach der Freilassung hätte er auch fremde Autos im Innenhof gesehen und anonyme Anrufe erhalten.

 

Im August hätte er BF2 und BF3 zur Cousine von BF2 nach XXXX gebracht. Er hätte sich dort hin und wieder aufgehalten, die Nächte hätte er immer bei seiner Familie in XXXX verbracht.

 

Eines Tages, Ende August, wären unbekannte Personen in die Wohnung in XXXX gekommen und hätten die Familie sehr grob und tätlich behandelt. Sie hätten nach dem Aufenthaltsort des BF1 gefragt. Sie hätten gedroht, wieder zu kommen.

 

Hierauf entschlossen sich die BF, Armenien zu verlassen.

 

Das Geschäft hätte er seit 1998 gemeinsam mit seinem Vater betrieben. Nachdem dieser 2004 nach Russland ging, betrieb er es alleine. Gegenwärtig gebe es das Geschäft noch, es wäre jedoch bei Demonstrationen zerstört worden und es kümmert sich niemand darum.

 

BF2 - BF4 beriefen sich auf die Ausreisegründe, welche BF1 vorbrachte.

 

BF1 legte beim BAA einen Parteiausweis vor.

 

I.1.2. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch ersichtlichen Bescheiden des BAA vom 17.3.2008 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

 

I.1.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der BF als unglaubwürdig und begründete dies in Bezug auf das Vorbringen des BF1 wie folgt:

 

"...

 

Im Asylverfahren ist es aber nicht ausreichend, dass der Antragsteller Behauptungen aufstellt, sondern muss er diese glaubhaft machen. Dazu muss das Vorbringen in gewissem Maß substantiiert und nachvollziehbar sein, den Handlungsabläufen und den allgemeinen Lebenserfahrungen entsprechen und auch der Antragsteller persönlich glaubwürdig auftreten.

 

Die Angaben des Antragstellers entsprechen aber diesen Anforderungen nicht, da er sein Vorbringen in wesentlichen, da entscheidungsrelevanten Aspekten, nur äußerst vage und unplausibel dargestellt hat und diese zum Teil auch widersprüchlich ist.

 

Aus dem Vorbringen des ASt, wonach er für finanziellen Aufwand für die bei den letzten Parlamentswahlen siegreiche Partei keine Entschädigung erhalten hätte und nun von der Polizei sowie von unbekannten Personen verfolgt werden würde, ergeben sich, vor allem was die grundlegende Nachvollziehbarkeit des Vorgehens der Partei bzw. auch der Polizei betrifft, Ungereimtheiten, welche in Summe gesehen das Vorbringen des ASt als nicht glaubwürdig erscheinen lassen.

 

Abgesehen davon, dass davon auszugehen ist, dass die vom ASt genannte Partei - immerhin stimmenstärkste Partei bei den letzten Parlamentswahlen in Armenien, wohl auch über ein entsprechendes Budget verfügen müsste, ist keinesfalls schlüssig, warum man, wenn man den ASt schon ersucht, für Kunden in Geschäften Schulden zu bezahlen - und ihm das Geld eigentlich nicht rückerstatten will, warum man gerade dann eine schriftliche Bestätigung dafür ausstellen sollte. Gerade diese Bestätigung wäre laut Angaben des ASt ja der Beweis dafür, dass er für die Partei Geld ausgegeben hat und man ihm versichert hätte, ihm diese Ausgaben rückzuerstatten und würde dies auch die Gefahr mit sich bringen, dass der ASt derartige Vorfälle der Opposition zur Kenntnis bringt.

 

Keineswegs schlüssig ist auch, warum eine derartige Bestätigung erst nachdem der ASt die Gelder bereits ausgelegt hat angefertigt wurde - noch dazu, wo doch angeblich ein Mitarbeiter der Partei bei der Begleichung der Summen als eine Art Vertrauensperson dabei gewesen wäre - und somit das Argument, dass man die genaue Summe ja noch nicht gekannt habe, keine Bedeutung mehr hat. Immerhin hätte ja besagte Vertrauensperson dann die entsprechende Summe an die Parteileitung weitermelden können und hätte dies keinesfalls bedeutet, dass die Bestätigung angefertigt werden hätte müssen.

 

Warum nun gerade der ASt, als seinen Angaben zufolge langjähriger Geschäftsmann, sich überhaupt auf Ausgaben ohne vorherige Bestätigung und Rückversicherung, einlassen sollte und warum gerade der ASt auch nicht daran gedacht haben will, von eben dieser Bestätigung eine Kopie anzufordern, ist jedenfalls nicht nachvollziehbar.

 

Keinesfalls logisch erscheint auch, warum man sich, nachdem die entsprechende Bestätigung dem ASt angeblich schon abgenommen wurde, noch die Mühe machen sollte, ihn festzunehmen und nach der erfolgten Freilassung weiter zu bedrohen, da ja gerade derartige Schritte nichts anderes als Verdachtsmomente auf die beteiligen Personen lenken würde. Andererseits wiederum wäre es, wenn die Angaben des ASt stimmen würden - wohl ohnehin leicht gewesen, ihn durch untergeschobene Diebsbeute nicht nur in Haft zu nehmen, sondern auch in Haft zu behalten - und damit durch Eröffnung eines Verfahrens seine Glaubwürdigkeit in Zweifle zu ziehen.

 

Da im Übrigen nicht zuletzt in Form der Geschäftsleute, wo der ASt die Schulden beglichen haben will, ja auch Zeugen vorhanden sind, wäre es ihm - sowohl was die angebliche Weigerung der Partei, die Kosten zu übernehmen, als auch was die angeblich zu Unrecht erfolgte Festnahme und Freilassung gegen Bestechung betrifft, möglich gewesen, sich z.B. um Hilfe an den Ombudsmann zu richten. Zwar verkennt die Behörde nicht, dass das armenische Rechts- und Justizsystem mitunter noch Defizite aufweist, doch kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass es sich um einen rechtsleeren Raum handelt und vor allem kann keinesfalls ausgeschlossen werden, dass derartigen Vorwürfen, wie vom ASt erhoben, nicht auch nachgegangen wird und verstärkt Maßnahmen gegen Korruption unternommen werden.

 

Zuletzt sei auch noch darauf hingewiesen, dass es wohl auch nicht schlüssig ist, warum man den ASt - von wem immer es auch ausgegangen sein mag - dann noch, wenn man sich ja angeblich sogar schon des Justiz- und Polizeiapparates bedient hätte (also über derartigen Einfluss verfügen würde) unbekannter Männer, die den ASt angeblich beobachtet hätten sowie Drohanrufen durch Unbekannte bedienen hätte sollen.

 

Aus dem Vorbringen des ASt ergeben sich aber auch Widersprüche, indem er angab, die von ihm unterstützte Partei hätte bei den Parlamentswahlen 48 % der Stimmen bekommen - was konträr zu der in den Länderfeststellungen genannten Zahl von 32,8 % ist. Weiters ist zu erwähnen, dass der ASt in der EAST Ost zunächst noch davon sprach, er wäre zunächst Mitglied der Aratschatimagan Partei gewesen wobei der Vorsitzende kurz vor den Wahlen seine Kandidatur zu Gunsten der später siegreichen Republikanischen Partei zurückgezogen hätte, während er in der Außenstelle Wien ständig von einer Mitgliedschaft in der HAG Partei sprach. Widersprüchlich ist ferner, dass der ASt bei der Einvernahme in der EAST Ost im Gegensatz zur Einvernahme in der Außenstelle Wien noch genau Zahlen hinsichtlich der von ihm angeblich entrichteten Summen angeben konnte und er einerseits behauptete, besagte Bestätigung bei der Polizei, andererseits aber wiederum diese zusammen mit der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft abgegeben zu haben. Außerdem hat der ASt entgegen seiner späteren Behauptung, wonach er seine Frau zu einer Cousine gebracht hätte zunächst behauptet, dass auch diese, so wie er, keine Angehörigen mehr in Armenien habe.

 

Beweismittel für sein Fluchtvorbringen konnte der ASt nicht in Vorlage bringen und ist er auch der angeführten Länderfeststellung in keiner Weise entgegengetreten.

 

In Summe gesehen ist das Vorbringen des ASt somit weder in sich schlüssig und vom Ablauf her logisch nachvollziehbar, würden dem ASt selbst dann, wenn sich die geschilderten Ereignisse tatsächlich zugetragen hätten, Rechtschutzeinrichtungen offen stehen und ist vor allem auch darauf hinzuweisen, dass der ASt immerhin legal mittels Reisepass aus seinem Heimatland ausgereist ist und somit auch dahingehend betrachtet keinesfalls von einer asylrelevanten, staatlichen Verfolgung auszugehen ist.

 

Hinzuweisen ist der Vollständigkeit halber auch noch darauf, dass auch dem Vorbringen der Ehefrau des ASt, wonach sie aufgrund der vom ASt geschilderten Probleme ebenfalls Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen wäre, keine Glaubwürdigkeit beschieden wurde.

 

Somit gelangt die erkennende Behörde in einer Gesamtschau betrachtet im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Beweiswürdigung zu einem den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens entsprechendem Ergebnis, indem sie aufgrund der getroffenen Feststellungen, insbesondere auf Grund des Vorbringens des Antragstellers, zu dem Schluss kommt, dass der maßgebende, von diesem behauptete und den Fluchtgrund betreffende Sachverhalt, nicht den Tatsachen entspricht. Das Vorbringen des ASt zu seinen Fluchtgründen ist daher nicht glaubwürdig.

 

..."

 

I.1.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien traf das Bundesasylamt ausführliche Feststellungen.

 

I.1.2.3. Rechtlich führte das Bundesasylamt aus, dass sich aufgrund der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens kein asylrelevanter Sachverhalt ergeben hätte. Ebenfalls wäre kein weiterer Sachverhalt hervorgekommen, welcher gegen eine Rückkehr nach Armenien spreche. Auch bestünden in Österreich keine schützenswerten privaten und/oder familiäre Anknüpfungspunkte.

 

I.1.3. Gegen diese Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben.

 

Die BF wiederholten und bekräftigten ihr Vorbringen. Sie führten ua. aus, bei der Aratschatimagan und HAK handle es sich um ein und dieselbe Partei, sodass in diesem Punkt kein Widerspruch vorliege. Die Partei werde auch zu Deutsch "Progressive Partei" genannt und hätte der Parteivorsitzende seine Kandidatur zu Gunsten der Demokratsichen Partei zurückgezogen.

 

Das Bundesasylamt sei einer Ermittlungstätigkeit nicht im erforderlichen Ausmaß nachgekommen und hätte keine nachvollziehbaren Feststellungen getroffen.

 

Das Vorbringen sei sehr wohl glaubwürdig. Auch sei das Verhalten von BF1 nicht unplausibel, da er bereits früher der Partei öfter Geld vorstreckte (Beträge von jeweils ca. 30 US-Dollar als Barauslagen), welche er jedes Mal ersetzt bekommen hätte.

 

Hinsichtlich des weitern Inhaltes der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

I.1.4.1. Nach Einlangen der Beschwerde beeidete das erkennende Gericht einen Ländersachverständigen und beauftragte ihn mit der Durchführung von Recherchen vor Ort.

 

I.1.4.2. Ebenso wurde eine Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesasylamtes gerichtet, welche sich mit der Progressiven Partei beschäftigte.

 

I.1.5.1. Die Anfragebeantwortung des Sachverständigen vom 18.9.2010 ergab, dass an der besagten Adresse bis vor zwei Jahren ein Schmuckgeschäft existierte, es existiere jedoch nicht mehr an dieser Stelle, es gebe dort nunmehr jedoch ein anderes Geschäft, welches sich mit den Verkauf von teuren Kronleuchtern, Möbelstücken und anderen Dingen beschäftige.

 

Der Inhaber des ehemaligen Schmuckgeschäfts führt einen von BF1 verschiedenen Namen, war immer Inhaber des Geschäfts und betreibt nunmehr ein Geschäft gleich um die Ecke desselben Gebäudes und beschäftige sich nunmehr mit dem Verkauf von Parfüms.

 

Menschen, welche in Geschäfte in der direkten Umgebung arbeiten, sagt der Name des BF1 nichts. Ebenso konnten sich Personen, welche in den Geschäften und im gleichen Gebäude arbeiten, nicht an die von BF1 behauptete Festnahme erinnern. Im Besonderen wurde auch ein älterer Mann, welcher in einem Zeitungskiosk in unmittelbarer Nachbarschaft arbeitet, und sich sehr gut an die Geschehnisse seit dieser Zeit erinnern kann, befragt. Auch er konnte eine derartige Festnahme nicht bestätigen.

 

Ebenso brachen die Ermittlungen keinerlei Hinweise, dass sich an der von BF1 genannten Adresse die von ihm beschriebenen unbekannten Fahrzeuge aufgehalten hätten.

 

I.1.5.2. Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation führte zu folgendem Ergebnis:

 

Es konnten keine Hinweise auf den Parteinamen "Aratschatimagan" gefunden werden. Da der Vorsitzende der Partei als "Dikran Urichanyan" in der Einvernahme angegeben wurde, werden im Folgenden nun Informationen über die "Progressive Party of Armenia" (Fortschrittspartei), deren Vorsitzender Tigran Urichanyan ist, übermittelt.

 

Die Progressive Party of Armenia (Fortschrittspartei) wurde im Jahr 2000 gegründet. Die Basis der Ideologie ist der Zentrismus. Die Hauptaktivität der Partei bezieht sich auf die Erhaltung der Stabilität, starkes Wachstum und die Umsetzung von Reformen.

 

Der freie Ausdruck weiter Schichten der Gesellschaft, der Einfluss der Masse auf wichtige politische und staatliche Entscheidungen und die aktive Partizipation der Zivilgesellschaft in den Prozess der Umsetzung der Reformen, werden als verpflichtend betrachtet.

 

Das zentrale Büro befindet sich in Jerewan an der Adresse 116 Nalbandyan, die Regionalabteilungen arbeiten in allen Regionen der Republik Armenien.

 

Heute hat die Partei mehr als 7300 Mitglieder. Im Vorstand gibt es 23 Mitglieder. Seit Beginn ist Tigran Urichanyan der Vorsitzende der Partei und des Vorstandes.

 

Am 21. Mai 2008 griff Tigran Urichanian Mikhail Danielian, den Chef der NGO Helsinki Association mit einem Luftdruckgewehr an und schoss auf ihn. Trotz zahlreicher Zeugen hatten die Behörden Urichanian nicht verurteilt. Letztlich wurden in der Sache sowohl Mikhail Danielian und Tigran Urichanyan für unschuldig befunden.

 

Die Progressive Party of Armenia, welche eine nicht im Parlament vertretende, jedoch regierungsfreundliche Partei ist, hat bei den letzten Parlamentswahlen offensichtlich ihre Kandidatur im proportionalen Wahlsystem zugunsten der Republikanischen Partei zurückgezogen.

 

Berichte über Repressalien speziell gegen Mitglieder der Progressive Party of Armenia liegen nicht vor.

 

I.1.7. Am 14.3.2011 führte der Asylgerichtshof eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. Bereits mit der Ladung wurden den BF aktuelle Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien zur Kenntnis gebracht. Darüber hinaus wurden sie aufgefordert, im Verfahren mitzuwirken und ihr Vorbringen zu bescheinigen.

 

Im Verlauf der Verhandlung bestätigten die BF ihr bisheriges Vorbringen. Dieses entspreche der Wahrheit. An den Gründen hätte sich insofern etwas geändert, als dass die Person, von welchen die Gefahr ausginge, am helllichten Tag den Vorsitzenden der Helsinki Föderation beschossen hätte. Auch hätte er sich der Partei "Blühendes Armenien" angeschlossen.

 

Ebenso wurde den BF die Möglichkeit eingeräumt, sich zum bisherigen Ermittlungsergebnis sowie zu den Ausführungen der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden zu äußern.

 

Auch wurden in der Verhandlung weiterer Details erfragt.

 

Die Kernaussagen der BF werden an den relevanten Stellen dieses Erkenntnisses wieder-gegeben.

 

I.1.8. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

I.1.9. Auf Grund des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges werden die Verfahren betreffend BF1 - BF4 gem. § 39 Abs 2 AVG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens vgl. auch zB. VwGH 19.3.2009, 2006/01/0930; 17.3.2009, 2006/21/0019; 20.2.2009, 2008/19/1198; 20.2.2009, 2007/19/0961; 21.1.2009, 2008/23/0956; ebenso Beschluss des VfGH v. 3.9.2009 U 1302/09-10, Ablehnung der Behandlung der Beschwerde, wobei ggst. Beschluss 6 Erkenntnisse des AsylGH zu Grunde lagen, welche ebenso gem. § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden).

 

I.2. Basierend auf das Ergebnis des Beweisverfahrens sind folgende Feststellungen zu treffen:

 

I.2.1. Die Beschwerdeführer

 

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Armenisch-Apostolischen Christentums bekennen. Die Beschwerdeführer BF1 und BF2 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

 

BF3 und BF4 sind minderjährige Kinder, deren Pflege und Obsorge durch ihre Eltern BF1 und BF2 gesichert ist. BF3 wurde in Armenien, BF4 in Österreich geboren. Beide Kinder sprechen die armenische und die deutsche Sprache. BF3 besucht in Österreich die Schule.

 

BF1 und BF2 sind in der Lage, sich in der deutschen Sprache zu verständigen. Sie waren einen erheblichen Zeitraum als obdachlos gemeldet. Die BF verfügen über einen Freundes- und Bekanntenkreis, welcher sie unterstützt, weil sie nicht in die Grundversorgung aufgenommen wurden.

 

Die BF sind nicht selbsterhaltungsfähig, BF1 und BF2 geben jedoch an, arbeitswillig zu sein und über Einstellungszusagen für den Fall des Erhalts des Rechts, eine Beschäftigung aufnehmen zu dürfen.

 

Die BF legten Erklärungen von Personen aus ihrem Lebensumkreis vor, wonach sie gut integriert wären. Ebenso legten die BF1 Einstellungszusagen potentieller Arbeitgeber für das Gastronomie- bzw. Bauhilfsgewerbe vor.

 

BF3 und BF4 sind strafunmündig, BF1 und BF2 sind nicht vorbestraft.

 

Die Beschwerdeführer haben über die Kernfamilie hinausgehend keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.

 

I.2.2. Die Lage im Herkunftsstaat Armenien

 

The Functioning of Democratic Institutions in Armenia (Council of Europe, Parliamentary Assembly, Doc. 11962, 22.6.2009)

 

USDOS, 2009 Human Rights Report: Armenia, 25.2.2009; 2001 Human

Rights Report : Armenia 3.11.2010: International Religious Freedom Report 2009, 26.10.2009

 

Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien des Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland vom 02.02.2006, 20.3.2007, 18.6.2008, 11.8.2009, 8.11.2010)

 

Amnesty International Report Armenia 2009, 2010

 

Auswärtiges Amt Berlin an das VG Düsseldorf vom 8.6.2006, GZ. 508.516.80/44613

 

BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007

 

USDOS, Trafficking in Persons Report 2009 -Armenia- 24.6.2009

 

Dr. Abadjian, Expert Opinion, jeweils v. 21.5.2009 zu Zlen.: E19

242.537 u. E10 316.310

 

OSCE, ... violence against journalists in Armenia, 30.4.2009

 

IOM, Anfragebeantwortung zu E9 304.620 v. 12.5.2009

 

IOM, Anfragebeantwortung vom 8.3.2007 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Rückkehrsituation einer 73jährigen Frau

 

http://www.devdir.org/asia_middle_east.htm, Directory of Development Organizations, Edition 2010

 

Country of Return Information Project, Country Sheet Armenia, Feb. 2009,

 

aktualisiert Juni 2009

 

Die im Text genannten Quellen

 

Politik und Menschenrechtslage

 

Armenien hat seit seiner Aufnahme in den Europarat wichtige Reformvorhaben im gesetzgeberischen Bereich verwirklicht und insofern Fortschritte bei der Erfüllung seiner Europaratsverpflichtungen gemacht. Die praktische Umsetzung dieser Rechtsvorschriften geht aber nur langsam voran. Nicht zuletzt aufgrund der geringen Gehälter der Staatsbediensteten gibt es häufig Korruption. Seit der Amtsübernahme von Präsident Kotscharian wird diese aber verstärkt strafrechtlich verfolgt. Es wurde mit finanzieller Unterstützung von Weltbank und der USA eine Kommission beim Präsidenten zur Bekämpfung der Korruption eingerichtet. Ende 2003 wurde ein Korruptionsbekämpfungsprogramm verabschiedet, das mit Hilfe internationaler Experten und der OSZE erarbeitet worden war. (Auswärtiges Amt vom 02.02.2006; ähnlich BAA Staatendokumentation:

Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007).

 

Der Präsident Armeniens ist seit 9.4.2008 Serge Sarkisian.

 

Bisher wurden alle Wahlen in Armenien wegen zahlreicher Manipulationen und Wahlfälschungen von der internationalen Gemeinschaft kritisiert. Die Präsidentenwahl 2008 wurde trotz positiven Tenors ("mostly in line") deutlich kritischer bewertet als die Parlamentswahl 2007.

 

Levon Ter-Petrossian, der bis 1998 Staatspräsident war, unterlag mit 21,5 % der Stimmen und erkannte das Wahlergebnis nicht an. Im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen kam es auf dem Freiheitsplatz im Zentrum Eriwans zu tagelangen Protestdemonstrationen unter seiner Führung, die am 01.03.2008 von Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst wurden. Bei anschließenden Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gab es nach amtlichen Angaben 10 Todesopfer, 210 Polizeikräfte und 55 Zivilisten wurden verletzt. Der(damalige) Präsident Kotscharian rief daraufhin einen auf 20 Tage befristeten Ausnahmezustand für die Stadt Eriwan aus.

 

Mehr als hundert Personen, überwiegend Anhänger von Ter-Petrossian, wurden verhaftet. Derzeit findet der Prozess gegen 7 prominente Angeklagte statt, darunter 3 Abgeordnete, denen am 04.03.2008 die Immunität entzogen worden war.

 

Nach Änderungen des Strafgesetzbuches im März 2009 waren einige Anklagepunkte (Vorwurf des geplanten Staatsstreichs) fallen gelassen sowie das bisher gemeinsame Verfahren in Einzelverfahren aufgeteilt worden. In den bisher abgeschlossenen Gerichtsverfahren wurden bis Mai 2009 5 Personen zu Geldstrafen verurteilt, 38 auf Bewährung freigelassen und 54 zu Haftstrafen verurteilt. 28 Personen wurden inzwischen per Präsidialdekret begnadigt.

 

Am 19.06.2009 hat das Parlament eine Amnestie beschlossen, in deren Zuge auch die meisten der wegen der Märzereignisse verurteilten Personen frei gelassen worden sind. (Stand 8.7.2009: 384 Freilassungen oder Reduzierungen der Haftzeit). Das Strafmaß von Personen die nicht unter diese Amnestieregeln fielen wurde halbiert. Dennoch befinden sich weiterhin einige Oppositionelle in Haft, weil ihre Gesamtstrafe 5 Jahre übersteigt oder sie wegen Vorschriften verurteilt worden sind, die nicht unter die Regelungen der Amnestie fallen.

 

Wegen Gewalt gegen Zivilisten bei den Demonstrationen vom 1.3.2008 wurden im Oktober 4 Polizeibeamte unter Anklage gestellt.

 

(Auswärtiges Amt vom 11.8.2009; The Functioning of Democratic Institutions in Armenia; Council of Europe, Parliamentary Assembly, Doc. 11962, 22.6.2009; Amnesty International Report Armenia 2009, 2010).

 

Aktuelle Lage der Opposition

 

Es gab in der Vergangenheit (vgl. z. B. (Immigration and Refugee Board of Canada "Armenia: People¿s Party: treatment of members by authorities and society (2003 - Sept. 2007), veröffentlicht auf www. wnhcr.org. Zugriff, 10.6.2007) bzw. gibt immer wieder Berichte über Belästigungen und Ungleichbehandlungen der Oppositionsparteien. Besonders im Vorfeld des Präsidentschaftswahlkampfes, aber auch während der eigentlichen Kampagne wurde regelmäßig beobachtet, dass sie Schwierigkeiten bei der Anmietung von Sälen für Großveranstaltungen hatten und dass ihnen der Zugang zu Fernsehen und Radio kaum möglich war. Im Vergleich hierzu hat sie die Situation bei den Stadtratswahlen in Eriwan am 31.05.2009 sehr verbessert. Hauptproblem der Opposition bleibt jedoch, dass sie mangels Programm und Strategie aus Sicht zahlreicher Beobachter für weite Teile der Bevölkerung keine Alternative darstellt und ihr überzeugende Führungspersönlichkeiten fehlen.

 

Spätestens nach der gewaltsamen Auflösung der Demonstration seiner Unterstützer am 01.03.2008 wurde allerdings der unterlegene Präsidentschaftskandidat Levon Ter-Petrossian zu einer Symbolfigur für die Opposition. Viele, die ihn zwar ansonsten nicht unbedingt schätzen, stützen aufgrund des wenig geschickten Vorgehens der Regierung nun Ter-Petrossian. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass dieser in irgendeiner Form in den politischen Prozess eingebunden werden könnte: zum einen verfügt er über keine Abgeordneten in der Nationalversammlung und er hat sich geweigert, die seiner Bewegung zustehenden Sitze im Stadtrat von Eriwan anzunehmen, zum anderen besteht immer noch eine tiefe Kluft zwischen

 

Regierung und außerparlamentarischer Opposition.

 

(Quelle: Auswärtiges Amt Berlin über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien vom 11.8.2009)

 

Im Amnesty International Jahresbericht 2010 findet sich im Zusammenhang mit der Opposition, dass am 19.6.2009 die Nationalversammlung eine Amnestie für Anhänger der Opposition gewährte, die im Zusammenhang mit den Ereignissen in Eriwan vom März 2008 inhaftiert worden waren. Das Strafmaß von Personen die nicht unter diese Amnestieregeln fielen wurde halbiert. Wegen Gewalt gegen Zivilisten bei den Demonstrationen vom 1.3.2008 wurden im Oktober 4 Polizeibeamte unter Anklage gestellt.

 

Waffenstillstand mit Aserbaidschan

 

Der Waffenstillstand zwischen Armenien und Aserbaidschan hinsichtlich des Status von Berg-Karabach wird im Grundsatz respektiert. An der Waffenstillstandslinie kommt es gleichwohl regelmäßig zu lokalen Schusswechseln mit zivilen und militärischen Opfern auf armenischer wie aserbaidschanischer Seite (bis zu 25 Tote pro Jahr). Außerdem gibt es gelegentlich noch Minenopfer.

 

Wirtschaft, Versorgungslage

 

Nach dem fast völligen Zusammenbruch der Industrieproduktion nach Erlangung der Eigenstaatlichkeit wuchs von 1994 bis 2008 die armenische Wirtschaft jedoch ohne Unterbrechungen, in den Jahren 2001 bis 2007 durchschnittlich 13% pro Jahr, erreichte allerdings erst im Jahre 2004 wieder den Stand von 1990.

 

Die Arbeitslosenquote lag im Juni 2009 offiziell bei 6,7% (2008: 6,3%). Die tatsächliche Arbeitslosigkeit ist jedoch erheblich höher. Es sind sehr viele Menschen im informellen Sektor tätig, Einkommen werden oft nicht versteuert.

 

Die durchschnittliche Inflationsrate betrug 2008 9% (2007: 4,4%) und fiel für den Zeitraum Januar bis Juni 2009 auf 2,7%.

 

Aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise kam es neben einem massiven Verfall des Dram zu einem Einbruch von Rücküberweisungen, Direktinvestitionen und privaten Kapitalzuflüssen. Einer der Gründe hierfür sind die Auswirkungen der Krise in Russland. Die armenische Diaspora dort umfasste bislang bis zu ca. 2 Millionen Menschen, darunter viele Arbeitsmigranten, die traditionell Geld, meist für den privaten Konsum, an ihre Familien in Armenien übersandt hatten.

 

 

(http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Armenien/Wirtschaft.html; Stand Oktober 2009, Zugriff: 16.8.2010)

 

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zu Verbesserungen der Lebenssituation bei. Die Gas-, Strom- und Wasserversorgung ist grds. gewährleistet.

 

Ein Teil der Bevölkerung ist finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch internationale humanitäre Organisationen sicherzustellen. Durch die traditionellen starken Familienbande der Armenier werden Versorgungsschwierigkeiten weitgehend überwunden. Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt.

 

Das (statistische) Existenzminimum beträgt in Armenien (wie auch in Berg-Karabach) 36.000 Dram (derzeit ca. 75 Euro), der offizielle Mindestlohn 25.000 Dram im Monat. Das durchschnittliche Familieneinkommen ist dagegen mangels zuverlässiger Daten nur schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten, dazu privaten Geschäften und Gelegenheitsjobs nach. Die sprichwörtliche Geschäftstüchtigkeit der Armenier ermöglicht es vielen, sich ein Zubrot zu verdienen. Die dabei erzielten Einkünfte lassen sich schwer beziffern, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Beträge niedriger angeben, als sie tatsächlich sind, um Steuerzahlungen zu umgehen. Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass viele Armenier das Land verlassen wollen.

 

Der Migrationsdruck hält an, da ein Angleichen des Lebensstandards an westeuropäisches Niveau trotz hoher Wirtschaftswachstumsraten in Kürze nicht zu erwarten ist. Nach einem Bericht der schwedischen Migrationsbehörde sollen von 1991 bis 2007 ca. 800.000 bis 1.000.000 Armenier, meist als Arbeitsmigranten, ihr Land verlassen haben.

 

Zur Bekämpfung der Armut wird auch in Armenien das System der Mikrokredite eingesetzt. Zahlreiche Banken aber auch Hilfsorganisationen vergeben solche zur Gründung von Klein- bzw. Kleinstunternehmungen (http://www.devdir.org/asia_middle_east.htm, Directory of Development Organizations, Edition 2010)

 

Das soziale Sicherungssystem Armeniens umfasst derzeit die folgenden Elemente:

 

¿ Staatliche soziale Unterstützungsprogramme wie etwa Familienbeihilfe, Berufsunfähigkeitsrente, Altersrente und andere soziale Beihilfen, einmalige Kindesprämien und Kindergeld (bis zum Alter von 2 Jahren).

 

¿ Soziale Unterstützungsprogramme für behinderte Mitbürger, Veteranen und Kinder;

 

insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationsprogramme, häusliche Alten- und Behindertenpflege, Heime, Waisenhäuser und Internate.

 

¿ Staatliche Sozialversicherungsprogramme, bestehend aus Alters- und Berufsunfähigkeitsrente sowie Beihilfen bei vorübergehender Berufsunfähigkeit und Schwangerschaft.

 

¿ Beschäftigungsprogramme einschließlich Arbeitslosenunterstützung, berufliche Weiterbildung für Arbeitslose und öffentliche (oder vergleichbare) Arbeiten.

 

¿ Ein System mit Privilegien für bestimmte Bevölkerungsgruppen, die 1999 unter besonders problematischen Lebensbedingungen zu leiden hatten. Dieses System umfasst derzeit einige Privilegien; vornehmlich für Veteranen des 2. Weltkriegs (und vergleichbare Gruppen) im Rahmen der (internationalen) GUS-Abkommen. In der Mehrzahl kommen Dienstleister in den Genuss dieser Privilegien. Für den Zeitraum von 2006 bis 2015 sind keine weiteren Privilegien geplant.

 

(IOM - International Organisation for Migration: Länderinformationsblatt Armenien 2009, letztes Update 30.11.2009)

 

Gesundheitswesen

 

Die medizinische Versorgung ist in Armenien flächendeckend grundsätzlich gewährleistet. Es kann davon ausgegangen werden, dass alle gängigen Erkrankungen, ausgenommen etwa komplizierte Transplantationen, behandelbar sind (BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007)

 

Ein Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung im Gesundheitswesen besteht. Das Gesetz regelt den Umfang der kostenlosen ambulanten oder stationären Behandlung bei bestimmten Krankheiten und Medikamenten, sowie zusätzlich auch für bestimmte sozial bedürftige Gruppen (inkl. Kinder, Flüchtlinge, Invaliden u. a.) und gilt (außer bzgl. der Flüchtlinge) ausschließlich für armenische Staatsangehörige. Die Einzelheiten werden jedes Jahr per Gesetz festgelegt. Die Behandlung in der Poliklinik des Wohnbezirkes ist grds. kostenlos.

 

Im Staatshaushalt sind für die medizinische Versorgung Mittel vorhanden, die auch kontinuierlich aufgestockt werden. Die Beträge, die den Kliniken zur Verfügung gestellt werden, reichen für deren Betrieb und die Ausgabe von Medikamenten gleichwohl nicht aus. Daher sind die Kliniken idR gezwungen, von den Patienten Geld zu nehmen. Da dies ungesetzlich ist, erhalten die Patienten jedoch keine Rechnungen. Im Einzelfall kann deswegen Bereicherung seitens des Klinikpersonals nicht ausgeschlossen werden - ist aber wohl nicht die Regel.

 

Es ist in der Bevölkerung bisher nicht allgemein bekannt, in welchen Fällen das Recht auf kostenlose Behandlung besteht. Die entsprechenden Vorschriften werden de facto unter Verschluss gehalten. Sie sind zwar im Prinzip öffentlich, aber schwierig zu erhalten. Auch die Kliniken erhalten jeweils nur Auszüge aus den Vorschriften. In letzter Zeit erschienen aber in der Presse Artikel mit Informationen über die kostenlose Behandlung, und immer mehr Patienten bestehen erfolgreich auf ihrem Recht auf kostenlose Behandlung.

 

Es besteht die Möglichkeit, eine private Krankenversicherung abzuschließen. Der Großteil der armenischen Bevölkerung macht hiervon jedoch keinen Gebrauch, weil das Vertrauen fehlt. Nur wenige, in der Regel ausländische Arbeitgeber schließen für ihre Mitarbeiter Krankenversicherungen ab. Die Versicherungen arbeiten nur mit bestimmten Kliniken zusammen, und trotz Versicherung sind noch inoffizielle Zuzahlungen seitens der Patienten erforderlich.

 

Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der Krankenhäuser und das technische Gerät ist zwar zum Teil mangelhaft, eine medizinische Grundversorgung ist gleichwohl gewährleistet. Es stehen in einzelnen klinischen Einrichtungen auch moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie und Computertomographie zur Verfügung. Diese Geräte stammen in der Regel aus Spenden humanitärer Organisationen bzw. der armenischen Auslandsbevölkerung (Diaspora) oder befinden sich in Privatkliniken.

 

Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist in Armenien auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. In der Republik Armenien gibt es psychiatrischen Abteilungen in den Krankenhäusern. Fachpersonal steht zur Verfügung.

 

Problematisch ist die Verfügbarkeit der Medikamente: Es sind nicht immer dieselben Präparate vorhanden. Die gängigen Medikamente sind in privaten und staatlichen Apotheken gegen entsprechende Bezahlung erhältlich. Für die Einfuhr von Medikamenten ist eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich. Viele Medikamente werden in Armenien in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland geforderten Preise verkauft. Importierte Medikamente, z. B. von Pharmafirmen wie Bayer (Deutschland), Gedeon Richter (Ungarn), Solvay (Belgien), sind überall erhältlich. Diese sind immer noch wesentlich billiger als identische Produkte derselben Hersteller in Deutschland (Auswärtiges Amt vom 02.02.2006, Seite 23f, dieselbe Quelle vom 20.3.2007, 11.8.2009).

 

Wenn es sich beim Patienten um eine mittellose Person handelt, wird die Behandlung im öffentlichen Gesundheitssystem in Armenien nicht verweigert. Der Patient kann beim Gesundheitsministerium der Republik Armenien einen Antrag stellen und das Ministerium wird ihm darauf folgend in ein entsprechendes Krankenhaus oder ein Gesundheitszentrum verweisen, damit dieser dort eine kostenlose Behandlung im Rahmen des staatlich vorgesehenen Programms, erhält. (IOM, Anfragebeantwortung zu E9 304.620 v. 12.5.2009)

 

Schutzmechanismen

 

Zur Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des armenischen Staates schildert das Auswärtige Amt Berlin im genannten Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom Februar 2006 Fälle, in denen der Staat nicht willens war, Schutz zu gewähren. In der Auskunft des Auswärtigen Amtes Berlin an das VG Düsseldorf vom 8.6.2006, GZ. 508.516.80/44613 geht dieses jedoch nicht von einer generellen Schutzunwilligkeit und Schutzunfähigkeit des armenischen Staates aus. USDOS berichtet im Country Report on Human Rights Practices 2006 vom März 2007 von Modernisierungen innerhalb des Polizeiapparates, berichtet jedoch ebenfalls über Fälle, in denen der Staat nicht den erforderlichen Schutz bot. Im Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage vom März 2007, wird berichtet, dass in jüngerer Zeit keine von staatlicher Seite geduldeten Repressalien Dritter beobachtet wurden. Im jüngsten Bericht räumt das Auswärtige Amt wiederum ein, dass im Rahmen von Demonstrationen oppositioneller Gruppen die Ordnungskräfte gegen Übergriffe auf die Demonstranten nicht energisch genug vorgingen. Übereinstimmend wird in den Quellen die kursierende Korruption noch immer als ein erhebliches Problem genannt, wenngleich Bemühungen zur Bekämpfung unternommen werden. Seit 2006 werden alle Anrufe zur Polizei aufgezeichnet und die Anrufe sind kostenfrei. Im Rahmen der genannten FFM konnte festgestellt werden, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass in Armenien seitens der Sicherheitsbehörden ein genereller Unwille herrscht, Schutz zu gewähren.

 

Unstrittigerweise ist davon auszugehen, dass Armenien über eine Rechtsordnung verfügt, welche auch ein Straf- und Strafprozessrecht und sicherheitspolizeiliche Rechtsmaterien enthält. Ebenso existieren Behörden, welche berufen sind, im Falle der Kenntnisnahme von Straftaten einzuschreiten und gegen die Täter vorzugehen und werden begangene Straftagen auch verfolgt (öffentlich zugängliche Kriminal- und Verurteilungsstatistiken des Armenischen Amtes für Statistik [http://www.armstat.am /file/doc/99458088.pdf]).

 

Die Fähigkeit und der Wille Schutz zu gewähren ist grundsätzlich gegeben. Eine gefährdete Person kann die Strukturen zur Strafverfolgung in Armenien in Anspruch nehmen. Sie kann sich zB. an die Polizei aber auch an die Staatsanwaltschaft wenden. Wenn es Probleme mit derartigen lokalen Strukturen gibt, kann man sich auch an höhere Instanzen wenden. Es können auch Beschwerden beim Gericht erhoben werden. (Dr. Abadjian, Expert Opinion, jeweils v. 21.5.2009 zu Zlen.: E19 242.537 u. E10 316.310)

 

Gegen Verfehlungen staatlicher Organe existiert ein breites Spektrum an Rechtsschutz- und Beschwerdemöglichkeiten. Auch hier kann nicht per se festgestellt werden, dass diese Rechtsbehelfe generell ineffektiv sind. Das armenische Rechtssystem kennt das Rechtsinstitut der Verfahrenshilfe (Bericht FFM vom 1.11.2007). Die nationalen Einrichtungen zum Schutze der Menschenrechte sind Gerichte und die Ombudsperson für Menschenrechte. Nach den 2005 erfolgten Verfassungsänderungen kann auch jeder Bürger Fälle, die höchstinstanzlich entschieden wurden, vor das Verfassungsgericht bringen. Das Institut einer Ombudsperson für Menschenrechte wurde durch die Verfassungsänderung im November 2005 eingeführt. Sowohl der derzeitige Ombudsmann als auch seine Vorgängerin haben sich das Vertrauen der Bevölkerung erworben und konnten viele Fälle erfolgreich bearbeiten. Der derzeitige Ombudsmann sieht sich aufgrund seines Bemühens um Objektivität und der Tatsache, dass er sowohl Fehler und Missstände seitens Regierung als auch Opposition für ihr Verhalten kritisiert, teilweise heftiger Kritik von beiden Seiten ausgesetzt. (Auswärtiges Amt vom 11.8.2009)

 

Armenien bietet aufgrund seines zentralistischen Staatsaufbaus und seiner geringen territorialen Ausdehnung kaum Ausweichmöglichkeiten bei einer hypothetischen Verfolgung durch zentrale Stellen (. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen. (Auswärtiges Amt vom 11.8.2009)

 

Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche oder erniedrigende Strafen, Strafen, die gemessen am begangenen Delikt als extrem unverhältnismäßig anzusehen sind, lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt. Menschenrechtsorganisationen berichten allerdings von Fällen willkürlicher Festnahmen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Angehörige der Sicherheitsbehörden in Einzelfällen ihre Machtposition in privaten Streitigkeiten ausnutzen. Zwangsarbeit existiert nicht. Die Haftbedingungen entsprechen nicht westlichem Standard. Insbesondere bestehen Probleme mit den hygienischen Bedingungen, Überbelegung der Gefängnisse und der ärztlichen Versorgung der Gefangenen. Menschenrechtsorganisationen haben Zutritt zu den Gefängnissen.

 

Folterähnliche Übergriffe sind seit der Unabhängigkeit Armeniens stark zurückgegangen. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen. Einzelfälle können nicht ausgeschlossen werden. Die Todesstrafe wurde abgeschafft. (Auswärtiges Amt vom 11.8.2009 ).

 

Sippenhaft, d.h. die Anwendung staatlicher Repressionen gegenüber Angehörigen oder sonstigen nahe stehenden Personen eines Beschuldigten oder Gesuchten, gibt es in Armenien nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts nicht (Auswärtiges Amt vom 18.6.2008, 11.8.2009; BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007).

 

Rückkehrsituation

 

Die Stellung eines Asylantrages im Ausland ist nicht strafbar. Rückkehrer werden nach Ankunft in Armenien in die Gesellschaft integriert und nutzen häufig die erworbenen Deutschkenntnisse bzw. ihre im Aufenthaltsstaat geknüpften Kontakte. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen (auch Staatsdienst). Wegen der steigenden Auswandererzahlen haben sie überdurchschnittliche Chancen, Arbeit zu finden. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden sind dem deutschen auswärtigen Amt nicht bekannt (Bericht vom 11.8.2009).

 

Rückkehrer stehen oft vor einer schwierigen wirtschaftlichen Ausgangssituation, weil sie zur Finanzierung ihrer Ausreise beträchtliche Vermögenswerte investierten und sich im Zielstaat ihre Einkommenserwartungen oftmals nicht erfüllten (Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007).

 

Für Rückkehrer nach Armenien besteht Unterstützung durch einige Organisationen. GRINGO ist ein Netzwerk aller Organisationen die Rückkehrer in Armenien unterstützen, welches vom "Danish Refugee Council" betreut wird. Rückkehrer haben sich mehrfach an NGOs gewandt, wobei in erster Linie um soziale Unterstützung angesucht wurde. Probleme mit Behörden wurden keine gemeldet. Es gibt mit einigen EU Mitgliedstaaten eigene Rückkehrprogramme im Rahmen derer Rückkehrer besonders unterstützt werden, was zu einer Senkung der "Rückfallsquote" geführt hat. Es existieren auch einige Präventionsprogramme gegen Auswanderung. Dazu gehört ein spezielles Programm von IOM.

 

Ebenso betreibt IOM für rückgekehrte Armenier ein umfassendes Beratungs- und Unterstützungsprogramm, welches etwa ua. die Vergabe von Mikrokrediten zum Start eines (Klein-)Unternehmens besteht. Solche Mikrokredite werden auch von mehr als 20 weiteren Banken oder Geldinstituten vergeben (nähere Details siehe IOM: Returning to Armenia, Country Information, Last Update on 20 November 2009; Zugriff über http://www.iomvienna.at/ am 16.8.2010)

 

Armenien betreibt seit 1.1.2007 ein von der Europäischen Union unterstütztes bzw. finanziertes Rückkehrförderungsprogramm (siehe www.backtoarmenia.com) ua. zur Unterstützung bei der Wiedereingliederung in Armenien.

 

Die Armut in Armenien ist noch immer groß. Geschätzte 37% der Armenier leben unter der Armutsgrenze. Dies betrifft auch häufig Rückkehrer aus Europa. Dennoch treffen die sozialen Probleme alle Armenier gleich, unabhängig von ihrer Ethnie und Herkunft. Es gibt Unterstützungsprogramme seitens des Staates und NGOs, wobei die staatlichen Programme mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden sind.

 

Es ist davon auszugehen, dass idR immer eine Möglichkeit besteht die grundlegende Existenz zum Leben zu sichern, sei es auch durch den Familienverband oder Unterstützung durch andere Stellen in besonders schwierigen Fällen. (BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007)

 

Dokumente

 

Es ist bekannt, dass zahlreiche Asylwerber aus Armenien gültige Reisepässe besitzen, diese jedoch vor den Behörden im Asylantragstaat verheimlichen.

 

Nach Angaben des deutschen Auswärtigen Amtes werden im Asylverfahren häufig echte Dokumente unwahren Inhalts vorgelegt. Hierzu gehören u. a. Haftbefehle, Vorladungen zu Polizei, Behörden, Gerichten etc. Gegen entsprechende Bezahlung können häufig von Angestellten der Behörden Briefbögen mit Siegeln und Stempeln erlangt werden. Diese werden in der Regel durch Dritte mit dem gewünschten Inhalt versehen. Es sind auch Fälle bekannt, in denen Staatsangestellte beim Ausscheiden aus dem Dienst Briefbögen, Stempel und Siegel, Blankovordrucke usw. mitnehmen. Auch werden regelmäßig Gefälligkeitsbescheinigungen erstellt, die einer Überprüfung nicht standhalten.

 

Es ist in Armenien grundsätzlich problemlos möglich, gefälschte Dokumente zu beschaffen. Gefälschte Reisedokumente sind nur selten anzutreffen. Ge- und verfälschte Personenstandsurkunden, Vorladungen, Haftbefehle, Gerichtsurteile oder sonstige Bescheinigungen kommen jedoch häufig vor.

 

Die Progressive Partei Armeniens

 

In Bezug auf die Progressive Partei Armeniens wird auf das bereits Ergebnis der Anfrage an die Staatendokumentation verwiesen, dem die BF nicht widersprachen. Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Progressive Partei Armeniens nicht im Parlament vertreten ist und als regierungsfreundlich einzustufen ist.

 

1.2.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

 

BF1 war gewöhnliches Mitglied der Progressiven Partei Armeniens. Ein darüber hinausgehendes qualifiziertes Engagement für die Partei, insbesondere das Betreiben der von ihm beschriebenen Parteiwerbung kann nicht festgestellt werden.

 

Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass die Partei BF1 von ihm vorgestreckte Barauslagen nicht erstattete. Folglich kann nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund der aus diesem Grund entstandenen Auseinandersetzung den von ihm beschriebenen Repressalien ausgesetzt gewesen wäre.

 

Letztlich kann nicht festgestellt werden, dass für BF2 - BF3 Rückkehrhindernisse in der Form einer relevanten Bedrohung bestehen.

 

Weitere Ausreisegründe und/oder Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Beweiswürdigung

 

II.1.1. Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest.

 

II.1.2. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer ergeben sich aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben, den vorgelegten Bescheinigungsmitteln, sowie ihren Sprach- und Landeskenntnissen.

 

II.1.3 Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei aus der Sicht des AsylGHs um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges handelt, welches es ihm ermöglicht, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage in Armenien machen zu können. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates über den berichtet wird zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisations-zweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten -immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyseder Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme gepaart mit Schlussfolgerungen und Wertungen -allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden- aufzuzeigen, was zu einer anderen Wortwahl bei Beschreibung des selben Sachverhalts führt als dies bei Quellen nationalen Ursprungs der Fall ist (vgl. z. B. ho. Erk. Zl. E10 265248-0/2008/43E vom, 21.2.2011).

 

Auch kommt den Quellen Aktualität zu (vgl. Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß im Zusammenhang mit

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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