E8 417.378-1/2011/5E
BESCHLUSS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die Richterin Dr. FAHRNER als Beisitzerin über die Beschwerde der XXXX, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.12.2010, Zl. 10 05.552-BAE, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
Die Beschwerde wird gem. § 63 Abs. 5 AVG 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idgF als verspätet zurückgewiesen.
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: "BF"), eigenen Angaben zufolge eine türkische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Türken, reiste zu einem nicht näher angegebenen Zeitpunkt im Jahr 2004 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 26.06.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am 26.06.2010 erfolgte ihre Erstbefragung und wurde sie am 05.08.2010 vor dem BAA, Außenstelle Eisenstadt, niederschriftlich einvernommen (AS. 3 ff, AS. 105 ff).
2. Mit Bescheid vom 22.12.2010, Zahl: 10 05.552-BAE, wies das BAA den Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Ziffer 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I); gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.); gem. § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG wurde die BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III).
Dieser Bescheid wurde nach einem am 23.12.2010 erfolgten Zustellversuch beim Postamt hinterlegt; Beginn der Abholfrist war der 24.12.2010 (Rückschein AS. 165). Die Verständigung über die Hinterlegung wurde laut Rückschein am 23.12.2010 in den Briefkasten eingelegt.
3. Mit Schriftsatz vom 10.01.2011, per Fax beim BAA noch am 10.01.2011 eingelangt, gab die BF ihre nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung bekannt und erhob durch ihren Vertreter gleichzeitig Beschwerde gegen den Bescheid des BAA (AS. 171 ff).
4. Mit Schreiben vom 20.01.2011 (OZ 2) teilte der AsylGH dem Vertreter der BF mit, die Beschwerde vom 10.01.2011 sei als verspätet anzusehen; so habe die zweiwöchige Beschwerdefrist mit Hinterlegung beim Postamt am 24.12.2010 zu laufen begonnen und sei der letzte Tag der Rechtsmittelfrist daher der 07.01.2011 gewesen. Zu dieser Annahme wurde die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt.
5. Mit Stellungnahme vom 27.01.2011 (OZ 3) führte der Vertreter der BF aus, die Beschwerde sei zwar tatsächlich erst am 10.01.2011 erhoben worden, jedoch sei dies nicht verspätet gewesen, da die BF die Verständigung von der erfolgten Hinterlegung erst am 27.12.2010 erhalten habe. Sodann wird die Einvernahme der BF zum Beweis dafür beantragt, "dass die Zustellung des angefochtenen Bescheids am Montag, den 27.12.2010, rechtswirksam erfolgte", was in weiterer Folge (nochmals) dahingehend präzisiert wird, dass die BF erst am 27.12.2010 Kenntnis von der Hinterlegung erlangen konnte und somit auch die Beschwerdefrist am 27.12.2010 zu laufen begonnen und am 10.01.2011 geendet habe.
Schließlich wird "der Vorsicht halber" angemerkt, dass die BF einen in Österreich niedergelassenen türkischen Staatsangehörigen geheiratet und mit diesem zwei Kinder habe; weiters sei gegen die BF zwar "aufgrund ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsangehörigen" ein bis zum 27.07.2014 gültiges, rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen worden, allerdings habe sie bereits einen "Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsgrund" gestellt, da die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbots geführt hätten, durch die Ehe mit dem in Österreich niedergelassenen türkischen Staatsangehörigen weggefallen seien.
II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:
1. In der gegenständlichen Rechtssache sind die Bestimmungen des Asylgerichtshofgesetzes (AsylGHG), BGBl. I Nr. 4/2008 und gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, sowie die Bestimmungen des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. An die Stelle des Begriffs "Berufung" tritt gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG mit Wirksamkeit ab 01.07.2008 der Begriff "Beschwerde".
2. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.
Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 oder 3a vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.
3. Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof kein Fall einer Einzelrichterzuständigkeit iSd. § 61 Abs. 3 oder 3a AsylG 2005 vorliegt, war die gegenständliche Rechtssache dem nach der Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat E8 zur Behandlung zuzuweisen.
4. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm. § 23 Abs. 1 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Der Asylgerichtshof ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
5. Gemäß § 22 Abs. 3 AsylG 2005 steht gegen abweisende und zurückweisende Bescheide des Bundesasylamtes unter den gesetzlichen Voraussetzungen die Möglichkeit der Beschwerde an den Asylgerichtshof offen, welche nach Zustellung innerhalb der gesetzlich jeweils vorgesehenen Frist ab Erlassung des angefochtenen Bescheides beim Bundesasylamt einzubringen ist; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung (§ 61 AVG) anzugeben; §§ 61a und 63 Abs. 5 letzter Satz AVG gelten nicht. Das Bundesasylamt kann die Beschwerde unter sinngemäßer Anwendung des § 64a AVG durch Beschwerdevorentscheidung erledigen.
Gegen abweisende Bescheide des Bundesasylamtes gilt gemäß § 22 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 63 Abs. 5 AVG eine Beschwerdefrist von zwei Wochen ab Erlassung des angefochtenen Bescheides.
6. Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Die Tage des Postenlaufes werden gemäß § 33 Abs. 3 AVG in die Frist nicht eingerechnet. Zur Wahrung der Frist genügt es also, dass der Postenlauf vor Ablauf des letzten Tages der Frist in Gang gesetzt wird, d. h. dass die Beschwerde an einen Zustelldienst iSd § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Beförderung an die richtige Stelle übergeben wird.
7. Gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz ist im Falle einer Hinterlegung das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden konnte.
8. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:
Der angefochtene Bescheid des BAA wurde nach einem am 23.12.2010 erfolgten Zustellversuch beim Postamt hinterlegt; Beginn der Abholfrist war der 24.12.2010 (Rückschein AS. 165). Die Verständigung über die Hinterlegung wurde laut Rückschein am 23.12.2010 in den Briefkasten eingelegt. Gem. § 17 Abs 3 ZustellG gelten hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt, im vorliegenden Fall somit am 24.12.2010. Eine Zustellung zu diesem Zeitpunkt wäre nur dann nicht gegeben, wenn die BF von der Abgabestelle abwesend gewesen wäre und deshalb vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis hätte erlangen können (§ 17 Abs 3 ZustellG); eine derartige Abwesenheit wurde von der (anwaltlich vertretenen) BF jedoch nicht vorgebracht. Der Bescheid wurde daher rechtswirksam am 24.12.2010 erlassen.
Keinen anderen Zustellungszeitpunkt vermögen im Übrigen die Ausführungen des Vertreters der BF aufzuzeigen: Wenn er - lapidar und ohne jegliche Begründung - argumentiert, die BF habe die Verständigung von der erfolgten Hinterlegung erst am 27.12.2010 "erhalten", so ändert dies zum einen nichts daran, dass laut Rückschein die Verständigung über die Hinterlegung bereits am 23.12.2010 in den Briefkasten eingelegt wurde; zum anderen ist für das Wirksamwerden der Zustellung der Zeitpunkt des Zukommens der Hinterlegungsanzeige auch irrelevant (zB. VwGH 23.2.1994, 93/09/0462). Vor dem dargestellten Hintergrund und mangels jedweder Konkretisierung erhellt auch nicht, was der Vertreter mit seinem lapidaren Antrag auf Einvernahme der BF zum Beweis dafür aufzeigen will, "dass die Zustellung des angefochtenen Bescheids am Montag, den 27.12.2010, rechtswirksam erfolgte", sodass diesem Antrag nicht nachgekommen werden kann.
Der gegenständlich angefochtene Bescheid des BAA wurde der BF somit am 24.12.2010 durch Hinterlegung zugestellt. Der letzte Tag der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist war damit der 07.01.2011.
Im gegenständlichen Fall erweist sich somit die am 10.01.2011 (per Telefax) - nach Ablauf der Rechtsmittelfrist - eingebrachte Beschwerde gegen den im Spruch ersichtlichen Bescheid des BAA als verspätet, sodass die Beschwerde beschlussgemäß zurückzuweisen war.
9. Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.
Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und die Beschwerde zurückzuweisen war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.