TE AsylGH Erkenntnis 2011/03/29 D7 313275-3/2010

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Veröffentlicht am 29.03.2011
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Spruch

D7 313275-3/2010/2E

 

Analoge Entscheidung betreffend Familienmitglieder:

 

D7 313273-3/2010/2E

 

D7 313274-3/2010/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. STARK als Vorsitzende und die Richterin Mag. SCHERZ als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zahl 07 05.022-BAL bzw. 10 02.657-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde Folge gegeben und Spruchpunkt III. mit der Maßgabe geändert, dass der Spruch zu lauten hat: "Die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ist gemäß § 10 Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, iVm § 10 Abs. 5 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, auf Dauer unzulässig."

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Die Beschwerdeführerin wurde am XXXX in Österreich geboren und brachte am 01.06.2007 durch ihre gesetzliche Vertretung beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz ein, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.06.2007, Zahl 07 05.022-BAL, gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 iVm § 11 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen wurde und in dem der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 11 Abs. 1 leg. cit. nicht zuerkannt wurde. Unter einem wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 313.275-1/4E-XV/54/07, wurde die dagegen erhobene Berufung betreffend Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 iVm § 34 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Der Berufung wurde betreffend Spruchteil II. stattgegeben und gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 34 Abs. 1 leg. cit. der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 leg. cit. wurde der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.09.2008 erteilt. Die Behandlung der gegen Spruchpunkt I. erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 02.03.2010, Zlen. 2008/19/0134 bis 0138-7, abgelehnt.

 

Mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 14.08.2008, beim Bundesasylamt eingelangt am 18.08.2008, stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung. Der der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 313.275-1/4E-XV/54/07, zuerkannte Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.03.2009, Zahl 07 05.022-BAL, in Spruchpunkt I. gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde der Beschwerdeführerin die mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 313.275-1/4E-XV/54/07, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 9 Abs. 2 leg. cit. entzogen und in Spruchpunkt III. wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. In Erledigung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17.08.2009, Zahl D7 313275-2/2009/6E, behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

Der der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 313.275-1/4E-XV/54/07, zuerkannte Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zahl 07 05.022-BAL bzw. 10 02.657-BAL, in Spruchpunkt I. gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde der Beschwerdeführerin die mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 313.275-1/4E-XV/54/07, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 9 Abs. 4 leg. cit. entzogen und in Spruchpunkt III. wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Akt des Bundesasylamtes, Seiten 481 bis 527).

 

I.2. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zahl 07 05.022-BAL bzw. 10 02.657-BAL, zugestellt am 09.09.2010, richtet sich gegenständliche fristgerecht am 22.09.2010 im Familienverfahren eingebrachte Beschwerde (Akt des Bundesasylamtes, Seiten 535 bis 547).

 

Mit Schreiben vom 10.02.2011 brachte die Beschwerdeführerin im Wege ihres Vertreters einen Verdienstnachweis für die Monate November und Dezember 2010 des Vaters der Beschwerdeführerin und einen Gewerberegisterauszug ihrer Mutter vom 03.01.2011 in Vorlage und betonte die Selbsterhaltungsfähigkeit der Familie.

 

Am 11.03.2011 langte beim Asylgerichtshof eine Teilnahmebestätigung an der Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahme XXXX der Mutter der Beschwerdeführerin vom 17.12.2010 und eine Verständigung des Bezirksverwaltungsamtes XXXX über die Begründung einer Gewerbeberechtigung mit 01.01.2011 sowie ein Beschluss des Landesgerichtes XXXX, über die Bewilligung der Eintragung des Unternehmens der Mutter der Beschwerdeführerin ein.

 

Mit Schreiben vom 22.03.2011 brachte die Beschwerdeführerin im Wege ihres Vertreters eine Bestätigung des Arbeitgebers und des Vorarbeiters über die Deutschkenntnisse ihres Vaters in Vorlage und zog die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des verfahrensgegenständlichen Bescheides des Bundesasylamtes zurück, womit diese in Rechtskraft erwuchsen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

 

II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 28 Abs. 5 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 147/2008 in Kraft:

 

das Inhaltsverzeichnis, § 13 Abs. 2 und Abs. 4 letzter Satz, § 14 Abs. 3, § 17 Abs. 5, § 3 und § 29 Abs. 6 mit 1. Juli 2008;

 

§ 24 mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes. Auf vor diesem Zeitpunkt ergangene, zu vollstreckende Entscheidungen Abs. 2 dieser Bestimmung mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass der Asylgerichtshof mit Beschluss nachträglich eine Vollstreckungsbehörde bestimmen kann.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 00/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

II.2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 23 Abs. 2 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 51/1991 (AVG), hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

 

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997), BGBl. I Nr. 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Gegenständlicher Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde am 14.08.2008 beim Bundesasylamt gestellt, weshalb das Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden ist.

 

II.3. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesasylamtes die Beschwerdeführerin und ihre Eltern betreffend, sowie Einsichtnahme in die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Vorlage gebrachten Dokumente, sowie Einsicht in das Betreuungsinformationssystem.

 

Der Asylgerichtshof geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

 

Die minderjährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an. Sie ist die Tochter der Beschwerdeführerin zu D7 313272-3/2010 und des Beschwerdeführers zu D7 252168-4/2010. Sie wurde in Österreich geboren und stellte durch ihre gesetzliche Vertretung am 01.06.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz, über den rechtskräftig negativ entschieden wurde. Unter einem mit der Abweisung der Berufung gegen die Abweisung des Asylantrages durch das Bundesasylamt wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007 subsidiärer Schutz zuerkannt. Im Verfahren über die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung musste mit einer Behebung des Bescheides des Bundesasylamtes durch den Asylgerichtshof vorgegangen werden. Die minderjährige Beschwerdeführerin lebt mit ihren Eltern und ihren zwei Geschwistern im gemeinsamen Haushalt. Die berufstätigen Eltern der Beschwerdeführerin sind unbescholten. Die Beschwerdeführerin befindet sich mit ihrer Familie seit ihrer Geburt vor beinahe vier Jahren in Österreich. Die Eltern der Beschwerdeführerin haben sich wirtschaftlich und sozial integriert, der Vater der Beschwerdeführerin bestreitet mit seinem Einkommen als Schichtarbeiter den Lebensunterhalt der fünfköpfigen Familie. Die Mutter der Beschwerdeführerin verfügt seit Jänner 2011 über eine Gewerbeberechtigung und betreibt einen Textilienhandel in XXXX. Die Eltern der Beschwerdeführerin haben sich gute Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet. Die Beschwerdeführerin besucht den Kindergarten, ebenso wie ihre Geschwister.

 

Im Verfahren der Eltern der Beschwerdeführerin kam der zur Entscheidung berufene Senat des Asylgerichtshofes zu dem Schluss, dass die Ausweisung der Eltern der Beschwerdeführerin einen unzulässigen Eingriff in Art. 8 EMRK bedeuten würde, weshalb mit Erkenntnis vom heutigen Tag die Ausweisung der Eltern der Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig erklärt wurde.

 

II.4. Die Identität der Beschwerdeführerin konnte mangels Vorlage eines Identitätsdokumentes im Asylverfahren nicht festgestellt werden. Die Feststellungen zur Verwandtschaft beruhen auf der vorgelegten österreichischen Geburtsurkunde und den Angaben der Eltern der Beschwerdeführerin. Die Feststellungen zur Situation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie in Österreich ergeben sich aus dem Verwaltungsakt der Beschwerdeführerin und ihrer Eltern, dem Vorbringen ihrer Eltern in der Beschwerde und den im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Beweismitteln.

 

II.5.1 Die Beschwerdeführerin zog mit Schriftsatz vom 22.03.2011 im Wege ihres Vertreters die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zahl 07 05.022-BAL bzw. 10 02.657-BAL, zurück, womit diese in Rechtskraft erwuchsen.

 

II.5.2. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden wenn:

 

der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

 

der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

 

einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

der Grad der Integration;

 

die Bindung zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005, in der Fassung Erkenntnis VfGH 01.10.2007, G 179, 180/07).

 

Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 4 AsylG 2005).

 

Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist. Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs und verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 08.04.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 04.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; uvm).

 

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR, des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 03.04.2009, 2008/22/0592; 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, S. 282ff).

 

Betreffend den Eingriff in das Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin war Folgendes zu erwägen:

 

Im Verfahren der Eltern der Beschwerdeführerin wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tag die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig erklärt. Die Ausweisung der Beschwerdeführerin würde daher einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben darstellen. Eine Trennung von der Kernfamilie widerspräche den Intentionen des Gesetzgebers und wäre dies ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben, für den - auch unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - keine Rechtfertigung zu erkennen ist. Die Beschwerdeführerin wurde in Österreich geboren und lebt seither in Österreich. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007 wurde der Beschwerdeführerin subsidiärer Schutz zuerkannt. Sie besucht in Österreich den Kindergarten. Die unbescholtenen Eltern der Beschwerdeführerin sind wirtschaftlich und sozial integriert, haben sich gute Deutschkenntnisse angeeignet und bestreiten den Lebensunterhalt der Familie kraft eigener Arbeit. Die Beschwerdeführerin lebt mit ihren Eltern und Geschwistern im gemeinsamen Haushalt. Die Eltern der Beschwerdeführerin haben Freunde in Österreich gefunden und sich nachhaltig in der österreichischen Gesellschaft integriert.

 

Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Der Beschwerdeführerin und ihrer Familie wurde subsidiärer Schutz zuerkannt. Das Privatleben der Beschwerdeführerin und ihrer Familie und ihr Interesse am Verbleib in Österreich überwiegen im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung. Die Familie der Beschwerdeführerin hat sich in Österreich wirtschaftlich und sozial integriert. Die privaten Bindungen der Beschwerdeführerin und ihrer Familie sind nicht länger vorübergehender Natur. Vor dem Hintergrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles und der starken Bindung der Beschwerdeführerin und ihrer Familie im Bundesgebiet wäre die vom Bundesasylamt verfügte Ausweisung der Beschwerdeführerin und ihrer Familie im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit ihres Privatlebens aus gegenwärtiger Sicht wie ausgeführt unverhältnismäßig iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, weshalb die Ausweisung der Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig zu erklären war.

Schlagworte
Ausweisung dauernd unzulässig, Integration, Interessensabwägung, Lebensgrundlage
Zuletzt aktualisiert am
12.04.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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