TE AsylGH Erkenntnis 2011/03/29 D7 313272-3/2010

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Veröffentlicht am 29.03.2011
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Spruch

D7 313272-3/2010/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. STARK als Vorsitzende und die Richterin Mag. SCHERZ als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zahl 04 13.308-BAL bzw. 09 03.239-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde Folge gegeben und Spruchpunkt III. mit der Maßgabe geändert, dass der Spruch zu lauten hat: "Die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ist gemäß § 10 Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, iVm § 10 Abs. 5 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, auf Dauer unzulässig."

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Die Beschwerdeführerin reiste am 21.06.2004 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet und brachte am selben Tag beim Bundesasylamt einen Asylantrag ein, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.07.2004, Zahl 04 13.308, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen wurde und in dem festgestellt wurde, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates die Slowakei zuständig sei. Unter einem wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 5a Abs. 1 iVm § 5a Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Slowakei ausgewiesen. Mit Berufungsvorentscheidung des Bundesasylamtes vom 15.09.2004, Zahl 04 13.308, wurde der dagegen erhobenen Berufung gemäß § 64a Abs. 1 AVG 1991 idF BGBl. I 1998/158 stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.06.2007, Zahl 04 13.308-BAL, wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idgF, abgewiesen, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation für zulässig erklärt und die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 313.272-1/8E-XV/54/07, wurde die dagegen erhobene Berufung betreffend Spruchpunkt I. gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Der Berufung wurde betreffend Spruchteil II. stattgegeben und gemäß § 8 AsylG iVm § 50 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I 100/2005, festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation nicht zulässig sei. Gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 AsylG wurde der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.09.2008 erteilt. Die Behandlung der gegen Spruchpunkt I. erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 02.03.2010, Zlen. 2008/19/0134 bis 0138-7, abgelehnt.

 

Mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 14.08.2008, beim Bundesasylamt eingelangt am 18.08.2008, stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung. Der der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 313.272-1/8E-XV/54/07, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.03.2009, Zahl 04 13.308-BAL, in Spruchpunkt I. gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde der Beschwerdeführerin die mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 313.272-1/8E-XV/54/07, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 2 leg. cit. entzogen und in Spruchpunkt III. wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. In Erledigung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17.08.2009, Zahl D7 313272-2/2009/14E, behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

Der der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 313.272-1/8E-XV/54/07, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zahl 04 13.308-BAL bzw. 09 03.239-BAL, in Spruchpunkt I. gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde der Beschwerdeführerin die mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007, Zahl 313.272-1/8E-XV/54/07, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 leg. cit. entzogen und in Spruchpunkt III. wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Akt des Bundesasylamtes, Seiten 1183 bis 1253).

 

I.2. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zahl 04 13.308-BAL bzw. 09 03.239-BAL, zugestellt am 09.09.2010, richtet sich gegenständliche fristgerecht am 22.09.2010 im Familienverfahren eingebrachte Beschwerde (Akt des Bundesasylamtes, Seiten 1261 bis 1273).

 

Am 27.09.2010 wurde eine Beschwerde im Verfahren der Beschwerdeführerin vom 23.09.2010 beim Asylgerichtshof in Vorlage gebracht.

 

Mit Schreiben vom 10.02.2011 brachte die Beschwerdeführerin im Wege ihres Vertreters einen Verdienstnachweis ihres Mannes für die Monate November und Dezember 2010 und einen Gewerberegisterauszug der Beschwerdeführerin vom 03.01.2011 in Vorlage und betonte die Selbsterhaltungsfähigkeit der Familie.

 

Am 11.03.2011 langte beim Asylgerichtshof eine Teilnahmebestätigung an der Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahme XXXX der Beschwerdeführerin vom 17.12.2010 und eine Verständigung des BezirksverwaltungsamtesXXXX über die Begründung einer Gewerbeberechtigung mit 01.01.2011 sowie ein Beschluss des Landesgerichtes XXXX, über die Bewilligung der Eintragung des Unternehmens der Beschwerdeführerin ein.

 

Mit Schreiben vom 22.03.2011 brachte die Beschwerdeführerin im Wege ihres Vertreters eine Bestätigung des Arbeitgebers und des Vorarbeiters über die Deutschkenntnisse des Ehegatten der Beschwerdeführerin in Vorlage und zog die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des verfahrensgegenständlichen Bescheides des Bundesasylamtes zurück, womit diese in Rechtskraft erwuchsen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

 

II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 28 Abs. 5 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 147/2008 in Kraft:

 

das Inhaltsverzeichnis, § 13 Abs. 2 und Abs. 4 letzter Satz, § 14 Abs. 3, § 17 Abs. 5, § 3 und § 29 Abs. 6 mit 1. Juli 2008;

 

§ 24 mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes. Auf vor diesem Zeitpunkt ergangene, zu vollstreckende Entscheidungen Abs. 2 dieser Bestimmung mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass der Asylgerichtshof mit Beschluss nachträglich eine Vollstreckungsbehörde bestimmen kann.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 00/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

II.2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 23 Abs. 2 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 51/1991 (AVG), hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

 

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997), BGBl. I Nr. 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Gegenständlicher Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte wurde am 14.08.2008 beim Bundesasylamt gestellt, weshalb das Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden ist.

 

II.3. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesasylamtes die Beschwerdeführerin und ihren Ehegatten betreffend, sowie Einsichtnahme in die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Vorlage gebrachten Dokumente, sowie Einsicht in das Betreuungsinformationssystem und das Strafregister.

 

Der Asylgerichtshof geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an und ist moslemischen Glaubens. Sie stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 21.06.2004 einen Asylantrag, über den rechtskräftig negativ entschieden wurde. Unter einem mit der Abweisung der Berufung gegen die Abweisung des Asylantrages durch das Bundesasylamt wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.09.2007 subsidiärer Schutz zuerkannt. Im Verfahren über die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung musste mit einer Behebung des Bescheides des Bundesasylamtes durch den Asylgerichtshof vorgegangen werden. Die unbescholtene Beschwerdeführerin hält sich mit ihrem Ehegatten und ihren drei minderjährigen Kindern, wovon eines im Herkunftsstaat und zwei in Österreich geboren wurden, seit beinahe sieben Jahren in Österreich auf. Seit 18.09.2007 ist die Beschwerdeführerin subsidiär Schutzberechtigte. Die Beschwerdeführerin lebt mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen Kindern im gemeinsamen Haushalt. Der Ehemann der Beschwerdeführerin arbeitet seit Jänner 2008 als Hilfsarbeiter im Schichtdienst in Oberösterreich. Der Ehemann der Beschwerdeführerin bestreitet mit seinem Einkommen den Unterhalt der Familie. Die Beschwerdeführerin verfügt seit 01.01.2011 über eine Gewerbeberechtigung, ihr Moden-Shop ist im Firmenbuch eingetragen. Die Beschwerdeführerin hat sich gute Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet und Freunde, darunter auch Österreicher, gefunden. Zwei Brüder der Beschwerdeführerin leben als Asylberechtigte in Österreich. Zuletzt wurde eine leichtgradige depressive Episode diagnostiziert. Die Kinder der Beschwerdeführerin besuchen in Österreich den Kindergarten.

 

II.4. Die Identität der Beschwerdeführerin konnte mangels Vorlage eines Identitätsdokumentes im Asylverfahren nicht festgestellt werden. Die Feststellungen zur Situation der Beschwerdeführerin in Österreich ergeben sich aus dem Verwaltungsakt der Beschwerdeführerin, ihrem Vorbringen in der Beschwerde und den im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Beweismitteln.

 

II.5.1 Die Beschwerdeführerin zog mit Schriftsatz vom 22.03.2011 im Wege ihres Vertreters die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zahl 04 13.308-BAL bzw. 09 03.239-BAL, zurück, womit diese in Rechtskraft erwuchsen.

 

II.5.2. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden wenn:

 

der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

 

der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

 

einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

der Grad der Integration;

 

die Bindung zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005, in der Fassung Erkenntnis VfGH 01.10.2007, G 179, 180/07).

 

Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 4 AsylG 2005).

 

Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist. Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs und verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 08.04.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 04.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; uvm).

 

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR, des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 03.04.2009, 2008/22/0592; 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, S. 282ff).

 

Betreffend den Eingriff in das Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin war Folgendes zu erwägen:

 

Die unbescholtene Beschwerdeführerin befindet sich seit beinahe sieben Jahren in Österreich, wobei sie seit September 2007 subsidiär Schutzberechtigte ist. Die Beschwerdeführerin und ihr Mann bestreiten mit dem Einkommen ihres Mannes den Lebensunterhalt der Familie, die Beschwerdeführerin verfügt seit Jänner 2011 über eine Gewerbeberechtigung. Die minderjährigen Kinder der Beschwerdeführerin, wovon zwei in Österreich geboren wurden und der älteste Sohn, der mit neun Monaten nach Österreich kam, besuchen in Österreich den Kindergarten. Die Beschwerdeführerin hat sich während ihres mehrjährigen Aufenthaltes in Österreich gute Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet, wovon die im Akt einliegende Teilnahmebestätigung an der Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahme XXXX Zeugnis ist. Die Beschwerdeführerin betreibt einen Textilienhandel in XXXX. Der berufstätige Ehemann der Beschwerdeführer hat sich ebenfalls gute Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben sich sozial und wirtschaftlich integriert und sind selbsterhaltungsfähig. Das Interesse der Beschwerdeführerin und ihrer Familie überwiegt nach der Ansicht des erkennenden Senates des Asylgerichthofes unter Berücksichtigung aller Sachverhaltselemente die öffentlichen Interessen, weshalb der Eingriff in das Recht der Beschwerdeführerin und ihrer Familie auf Fortführung ihres Privatlebens in Österreich zum verfolgten legitimen Ziel nicht verhältnismäßig erscheint.

 

Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Der Beschwerdeführerin und ihrer Familie wurde subsidiärer Schutz zuerkannt. Das Privatleben der Beschwerdeführerin und ihrer Familie und ihr Interesse am Verbleib in Österreich überwiegen im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung. Dem Umstand, dass die zu keinem Zeitpunkt straffällig gewordene Beschwerdeführerin mit ihrem beinahe sieben Jahre dauernden Aufenthalt ihre Integrationswilligkeit nicht zuletzt auch dadurch bewiesen hat, dass sie über eine Gewerbeberechtigung verfügt und einen Textilienhandel betreibt, die Familie selbsterhaltungsfähig ist, sie gut Deutsch spricht und in Österreich Freunde gefunden hat, ist im Rahmen der Interessenabwägung im vorliegenden Fall eine besondere Bedeutung zuzumessen. Die privaten Bindungen der Beschwerdeführerin und ihrer Familie sind nicht länger vorübergehender Natur. Vor dem Hintergrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles und der starken Bindung der Beschwerdeführerin und ihrer Familie im Bundesgebiet wäre die vom Bundesasylamt verfügte Ausweisung der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit ihres Privatlebens aus gegenwärtiger Sicht wie ausgeführt unverhältnismäßig iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, weshalb die Ausweisung der Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer für unzulässig zu erklären war.

Schlagworte
Ausweisung dauernd unzulässig, Identität, Integration, Interessensabwägung, Lebensgrundlage
Zuletzt aktualisiert am
12.04.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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