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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §49 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/08/0037 2000/08/0038 2000/08/0039 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2001/08/0036 E 14. März 2001Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerden des Dr. W in 1030 Wien, gegen die auf Grund der Beschlüsse des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 13. März 2000, 1) GZ LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1999-2158 (zur Zl. 2000/08/0036) und 2) 2729 (zur Zl. 2000/08/0037) sowie 3) GZ LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-3245 (zur Zl. 2000/08/0038) und
4) 3247 (zur Zl. 2000/08/0039), betreffend Verlust der Notstandshilfe (zu den Zlen. 2000/08/0036 bis 0038) und Wiederaufnahme (zur Zl. 2000/08/0039), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
A. Aus den Beschwerden und den vorgelegten Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
1. Mit den Bescheiden des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien vom 29. September 1999, 10. November 1999 und 27. Jänner 2000 wurde unter Berufung auf § 49 Abs. 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer wegen Unterlassung von Kontrollmeldungen für die Zeit vom 23. August bis zum 14. September 1999, 22. September bis 21. Oktober 1999 und 17. November 1999 bis 3. Jänner 2000 keine Notstandshilfe erhalte. Begründet wurden diese Entscheidungen damit, dass der Beschwerdeführer die für den 23. August 1999, 22. September 1999 und 17. November 1999 vorgeschriebenen Kontrollmeldungen nicht eingehalten habe und sich erst am 15. September 1999, 22. Oktober 1999 bzw. 4. Jänner 2000 wieder gemeldet habe.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Bescheide Berufung. Darin behauptete er - nach der vom Beschwerdeführer nicht angezweifelten Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens in den angefochtenen Bescheiden - im Wesentlichen das Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit durch das Arbeitsmarktservice. Ein weiterer triftiger Grund für die Kontrollmeldeversäumnisse sei, dass der Beschwerdeführer an den jeweiligen Kontrollmeldetagen jeweils einen "Kreislaufschwächeanfall" bzw. einen "Migräne- /Kreislaufschwächeanfall" gehabt habe, sodass er das Haus nicht habe verlassen können. Ferner verwies der Beschwerdeführer auf Entschuldigungsschreiben vom 24. August, 22. September und 18. November 1999.
Der belangten Behörde lag ein amtsärztliches Gutachten vom 7. September 1995 sowie ärztliche Bestätigungen vom 23. April 1998 vor, wonach das Leiden des Beschwerdeführers auf Nebenwirkungen infolge der Einnahme des medizinisch indizierten Medikamentes "Pantoloc" zurückzuführen sei und die gesundheitlichen Beschwerden nach einigen Stunden wieder vergingen. Nach dem aktuellen amtsärztlichen Gutachten vom 11. November 1999 sei das Leiden des Beschwerdeführers möglicherweise auf Nebenwirkungen infolge der Einnahme eines medizinisch indizierten, blutdrucksenkenden Medikamentes (Acetan) zurückzuführen, wobei eine Behandlungsumstellung bzw. alternative Behandlung mit anderen Medikamenten gegen Bluthochdruck, welche diese gesundheitlichen Beschwerden nicht verursachten, durchaus möglich und dem Beschwerdeführer zumutbar sei. Das Medikament Pantoloc könne nach diesem Gutachten nur in seltenen Fällen die vom Beschwerdeführer beschriebenen Nebenwirkungen verursachen.
Mit den erst- bis drittangefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Berufungen des Beschwerdeführers keine Folge. Sie begründete ihre Ansicht, dass keine triftigen Entschuldigungsgründe für das Versäumen der Kontrollmeldungen vorlägen, damit, dass die Angaben des Beschwerdeführers unglaubwürdig seien. Dies vor allem deshalb, weil der Beschwerdeführer kein konkretes, den jeweils bescheidgegenständlichen Termin betreffendes ärztliches Attest vorgelegt habe. Nach Ansicht der belangten Behörde wäre es dem Beschwerdeführer sehr wohl zumutbar gewesen, bei Kreislaufschwäche einen Arzt zu rufen. In jedem Beipackzettel eines Medikamentes werde darauf hingewiesen, dass erste Anzeichen von Nebenwirkungen einem Arzt zu melden seien. Bei der angegebenen Migräne bzw. bei eingetretener Kreislaufschwäche wäre es dem Beschwerdeführer weiters zumutbar gewesen, zumindest nach Abklingen des Anfallshöhepunktes das Arbeitsmarktservice telefonisch zu verständigen und sich nicht erst einen Monat bzw. eineinhalb Monate später zu melden.
2. Mit Bescheid vom 13. März 2000 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme der mit den Bescheiden vom 23. Mai 1997, 10. November 1997, 24. November 1997, 28. Jänner 1998, 16. Juli 1998, 25. Oktober 1998, 17. Dezember 1998, 17. Dezember 1998, 24. März 1999, 21. Juni 1999, 13. August 1999 und 18. Oktober 1999 beendeten Verfahren, in welchen den Berufungen des Beschwerdeführers betreffend Aufhebung der Einstellung des Notstandshilfebezuges auf Grund der Unterlassung von Kontrollmeldungen jeweils keine Folge gegeben worden war, gemäß § 69 AVG ab.
Die genannten, die Berufungen des Beschwerdeführers abweisenden Bescheide der belangten Behörde waren damit begründet worden, dass die Angaben des Beschwerdeführers unglaubwürdig gewesen seien und jeweils kein triftiger Entschuldigungsgrund für das Versäumen der Kontrollmeldung vorgelegen sei. Dies vor allem deshalb, weil der Beschwerdeführer kein konkretes, die bescheidgegenständlichen Termine betreffendes ärztliches Attest vorgewiesen habe. Nach Ansicht der belangten Behörde wäre es dem Beschwerdeführer sehr wohl zumutbar gewesen, bei Auftreten der von ihm in den jeweiligen Berufungen genannten gesundheitlichen Beschwerden (Migräneanfall, Kreislaufschwäche, Kopfschmerzen, Durchfall, Übelkeit) einen Arzt zu rufen, zumal auch in dem Beipackzettel des vom Beschwerdeführer als ursächlich genannten, vom Arzt verschriebenen und medizinisch indizierten Medikamentes Pantoloc darauf hingewiesen werde, dass erste Anzeichen von Nebenwirkungen einem Arzt zu melden seien. Bei Auftreten der jeweils einzeln oder in Verbindung miteinander auftretenden Beschwerden wäre es dem Beschwerdeführer ferner zumutbar gewesen, zumindest bei Abklingen des Beschwerdehöhepunktes das Arbeitsmarktservice telefonisch zu verständigen und sich nicht erst Wochen später zu melden.
Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag vom 12. November 1999 auf Wiederaufnahme der genannten Verfahren damit, dass die arbeitsmedizinische Untersuchung vom 8. November 1999 ergeben habe, dass seine Kreislaufschwäche bzw. die Migräneanfälle zwar erwiesen seien, jedoch nicht als Nebenwirkung von Pantoloc, sondern eher als Nebenwirkung des Medikamentes Acetan, welches der Beschwerdeführer ebenfalls täglich einnehmen müsse. Dieses Untersuchungsergebnis sei eine neue Tatsache, welche im Hauptinhalt der Sprüche anders lautende Bescheide herbeigeführt hätte.
Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren damit, dass die in den Berufungen vorgebrachte medikamentöse Ursächlichkeit für das unentschuldigte Fernbleiben von den Kontrollmeldeterminen Gegenstand der Bescheidbegründung gewesen sei, wobei die Art des Medikamentes, welches die gegenständlichen gesundheitlichen Nebenwirkungen auslösen könne, keinen Einfluss auf die Entscheidung im jeweiligen Fall gehabt habe. Auch auf dem Beipackzettel des Medikamentes Acetan werde darauf hingewiesen, dass erste Anzeichen von Nebenwirkungen einem Arzt zu melden seien. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens seien daher nicht erfüllt.
B. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
1. Zum erst- bis drittangefochtenen Bescheid:
Der Beschwerdeführer bekämpft die Beweiswürdigung der belangten Behörde betreffend das Nichtvorliegen von triftigen Entschuldigungsgründen mit dem Argument, die belangte Behörde habe die telefonischen und schriftlichen Entschuldigungen, den ärztlichen Befund vom 10. März 1997, die ärztliche Bestätigung der Hausärztin vom 29. Juni 1999, das ärztliche Gutachten vom 11. November 1999 sowie den Umstand, dass der Beschwerdeführer sich jeweils unverzüglich wieder beim Arbeitsmarktservice gemeldet habe, sobald er gänzlich beschwerdefrei gewesen sei, nicht ausreichend berücksichtigt. Diese Beweismittel und Tatsachen habe die belangte Behörde überhaupt nicht gewürdigt, sondern einfach übergangen. Dies stelle einen wesentlichen Sachverhaltsermittlungsmangel dar. Die belangte Behörde habe das Vorliegen triftiger Entschuldigungsgründe einzig und allein deshalb verneint, weil der Beschwerdeführer kein ärztliches Attest habe vorlegen können. Es sei jedoch unmöglich, ein solches Attest vorzulegen, weil jeder Arzt einen Hausbesuch zwecks Attestausstellung ablehne, sondern nur "Niederlegen bis zum Abklingen der Beschwerden" empfehlen würde.
Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um deren Schlüssigkeit - also die Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut - oder darum handelt, ob die Beweise, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 262 ff zu § 45 AVG wiedergegebene ständige Rechtsprechung). Der belangten Behörde, die in der Vergangenheit mit einer Fülle gleichartiger Entschuldigungen des Beschwerdeführers für das Versäumen von Kontrollmeldeterminen konfrontiert war, ist auch im vorliegenden im Wesentlichen gleich gelagerten Fall zu dem Ergebnis gelangt, dass die Angaben des Beschwerdeführers über seine angebliche gesundheitsbedingte Unfähigkeit, Kontrollmeldetermine wahrzunehmen, unglaubwürdig seien. Zur Unbedenklichkeit der Beweiswürdigung sei auf die ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden hg. Erkenntnisse vom 20. September 2000, Zl. 2000/08/0123, und vom 29. März 2000, Zl. 97/08/0464, verwiesen, wonach den in seiner Gesamtheit zu betrachtenden bisherigen Verhaltensweisen und Erklärungen des Beschwerdeführers bei der Nichtwahrnehmung bisher vorgeschriebener Kontrollmeldungen und seinen bisher abgegebenen Erklärungen keine ernsthaften, einer Überprüfung zu unterziehenden Entschuldigungsgründe entnommen werden können.
Auch im Beschwerdefall ergibt sich aus keinem der vom Beschwerdeführer zitierten "Beweismittel" (i.S. eines Beweisergebnisses über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers an den Tagen der vorgeschriebenen Kontrollmeldungen), dass die von ihm behaupteten Störungen durch die Einnahme bestimmter Medikamente am Tage der Kontrollmeldung tatsächlich aufgetreten sind, noch dass solche Störungen nahezu regelmäßig bei der Einnahme dieser Medikamente auftreten. Es ist daher auch entbehrlich, der Frage nachzugehen, ob dem Beschwerdeführer der Wechsel eines Medikamentes zumutbar ist, da sein Beschwerdevorbringen eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht darzutun vermag.
Des weiteren vertritt der Beschwerdeführer, wie schon in früheren gleichgelagerten Fällen weiterhin die Auffassung, dass die Verweigerung der Nachsicht von der Einhaltung von Kontrollmeldungen ein triftiger Grund im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG sei, die Vorschreibung von Kontrollmeldungen zu missachten. Diese Auffassung ist unrichtig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 98/08/0053). Ebenfalls ohne Einfluss auf die Obliegenheit des Beschwerdeführers, die Kontrollmeldetermine wahrzunehmen, ist der Umstand, dass das Arbeitsmarktservice in Anbetracht von gesundheitlichen oder altersmäßigen Umständen, die eine Vermittlung des Beschwerdeführers auf dem Arbeitsmarkt erschweren, keine vielversprechende Aussicht hat, den Beschwerdeführer wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Anhaltspunkte dafür, dass das "Unterlassen jeglicher Vermittlungstätigkeit des AMS" rechtsmissbräuchlich wäre, bestehen jedenfalls nicht.
Die Aussprüche über den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe jeweils bis zur Wiedermeldung des Beschwerdeführers entsprechen dem § 49 Abs. 2 AlVG.
2. Zum viertangefochtenen Bescheid:
Auch wenn man den Verfahren das Ergebnis des amtsärztlichen Gutachtens vom 11. November 1999 zu Grunde legte, wonach die Kreislaufschwächeanfälle bzw. Migräneanfälle des Beschwerdeführers Nebenwirkungen des Medikamentes Acetan (und nicht Pantoloc) seien, so betrifft dieser Umstand lediglich die angebliche Ursache der von der belangten Behörde in ihrem Ausmaß nicht für glaubhaft gehaltenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Auf dieses Ausmaß und dessen Nichteignung, die Versäumungen der Kontrollmeldetermine des Beschwerdeführers zu entschuldigen, bezog sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde in den wiederaufzunehmenden Verfahren, sodass der neu hervorgekommene Umstand im entscheidenden Punkt keine im Hauptinhalt der Sprüche anders lautende Bescheide herbeiführen könnte. Ein gesetzlicher Wiederaufnahmsgrund iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG liegt daher nicht vor.
Da die Beweiswürdigung der belangten Behörde sich in den erstbis drittangefochtenen Bescheiden als frei von einer durch den Verwaltungsgerichtshof wahrnehmbaren Rechtswidrigkeit erweist und die belangte Behörde in dem viertangefochtenen Bescheid zu Recht davon ausgegangen ist, dass Wiederaufnahmsgründe nicht vorliegen, waren die Beschwerden ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Ein Auftrag an den Beschwerdeführer zur Verbesserung der selbstverfassten Beschwerden durch Anwaltsfertigung erweist sich daher ebenso als entbehrlich wie
eine Entscheidung über seinen Antrag, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 14. März 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000080036.X00Im RIS seit
18.10.2001