A12 259.865-0/2008/13E
A12 258.263-0/2008/7E
A12 304.562-1/2008/4E
A12 402.054-1/2008/3E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des 1. XXXX, 2. der XXXX, 3. der XXXX, und 4. desXXXX, alle StAe. der Russischen Föderation, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 06.04.2005, Zahl: 04 15.359-BAS (ad 1.), 04.02.2005, Zahl: 04 09.865-BAL (ad 2.), 07.08.2006, Zahl: 06 08.135-BAL (ad 3), 03.10.2008, Zahl: 08 08.076-BAL (ad 4.), vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter ZAWODSKY, Gumpendorfer Straße 71, 1060 Wien, (ad 1.) und RA Mag. Nadja LORENZ, Kirchengasse 19/9, 1070 Wien (ad 2. bis 4.) nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen am 28.06.2007 sowie 18.02.2009 zu Recht erkannt:
1.
Die Beschwerden von XXXX vom 21.04.2005 und XXXXvom 16.02.2005 werden gemäß § 7 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 abgewiesen.
Die Beschwerden von XXXX vom 17.08.2006 und XXXX vom 14.10.2008 werden gem. § 3 AsylG, BGBl. I. Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 idgF als unbegründet abgewiesen.
2.
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 iVm § 50 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von XXXXund XXXX nach der Russischen Föderation nicht zulässig ist.
Gemäß §§ 8 Abs. 1, 34 AsylG BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 wird XXXX und XXXX der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt.
3.
Gemäß § 15 iVm § 8 Abs. 3 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 wird XXXX und XXXX jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 10.03.2010 erteilt.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 wird XXXX und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 10.03.2010 erteilt.
Entscheidungsgründe:
Der Erstbeschwerdeführer ist Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin und sind diese leibliche Eltern der Drittbeschwerdeführerin sowie des Viertbeschwerdeführers.
Der Erstbeschwerdeführer beantragte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 29.07.2004 sowie die Zweitbeschwerdeführerin am 29.04.2004 vor der Erstbehörde die Asylgewährung. Der Erstbeschwerdeführer sowie dessen Ehegattin wurden in der Folge vor der Erstbehörde am 02.08.2004, am 02.02.2005 (ad 1., sowie am 09.12.2004 ad 2.) niederschriftlich einvernommen.
Im Wesentlichen zusammengefasst behauptete der Erstbeschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz, er habe seit dem Jahre 1999 im Krankenhaus seiner Herkunftsgemeinde XXXXverwundete tschetschenische Widerstandskämpfer gepflegt. Im Jahre 2001 seien Kameraden der Widerstandskämpfer, welche zu den Russen gewechselt seien, zu ihm gekommen und hätten gemeint, dass er die Waffen der gepflegten Widerstandskämpfer versteckt hätte und er sie auszuhändigen habe. Deshalb sei er in der Folge in Grozny angehalten und diesbezüglich befragt worden und sei er aus diesem Grund "geflüchtet". Seit dem Zeitpunkt seiner einmaligen Anhaltung sei er nicht mehr bedroht worden. Das Land habe er am 24.07.2004 verlassen. In der Folge habe er eine Ladung für den 15.01.2005 zum "Verhör als Zeuge" erhalten.
Die Zweitbeschwerdeführerin bezog sich inhaltlich darauf, ihren Herkunftsstaat mit ihrer Mutter verlassen zu haben. Individuell-konkrete Verfolgungsgründe führte die Zweitbeschwerdeführerin nicht an.
Das Bundesasylamt hat den Antrag des Erstbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin mit Bescheiden vom 06.04.2005 sowie 04.02.2005 gem. § 7 AsylG abgewiesen sowie des Weiteren festgestellt, dass deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Russland gem. § 8 Abs. 1 AsylG zulässig ist. Unter einem wurden der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin gem. § 8 Abs. 2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.
Die Anträge auf internationalen Schutz der Dritt- und des Viertbeschwerdeführers wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 07.08.2006 sowie 03.10.2008 gem. § 3 Abs. 3 iVm § 11 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen sowie wurde diesen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt. Unter einem wurden beide Letztgenannten gem. § 10 Abs. 1 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach der Russischen Föderation ausgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 21.04. 2005 erhob der Erstbeschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen die Erstentscheidung und rügte er hierin, dass die Erstbehörde der festgelegten Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei: Seine asylrelevanten Gründe stünden in engem Zusammenhang damit, dass er in Erfüllung seiner patriotischen Pflicht und als nationalbewusster Tschetschene im Jahre 1999 im Krankenhaus inXXXXverwundete tschetschenische Widerstandskämpfer gepflegt habe. Er habe aufgrund der Allgemeinentwicklung Mitte 2000 seine diesbezügliche Tätigkeit eingestellt und habe es in der Folge eineinhalb Jahre gedauert, dass er wegen dieser Tätigkeiten Schwierigkeiten bekommen habe. Ehemalige Freiheitskämpfer, die zu den "Mörderbanden" des Kadyrow gewechselt waren und die ihn und seine Tätigkeiten gekannt hätten, hätten ihn offensichtlich an die Behörden verraten. Da er verdächtigt worden sei, den Widerstandskämpfern geholfen zu haben bzw. deren Waffen versteckt zu haben, wurde er aufgefordert, diese zurückzugeben und habe man ihn verdächtigt ein Terrorist zu sein. So sei es auch zu einer Hausdurchsuchung gekommen und hätten all seine Beteuerungen, dass er keine Waffen versteckt und nicht mit Maschadov im Bunde gewesen sei, nichts geholfen, und habe man ihm nicht geglaubt und ihn bedroht. ... Aufgrund kumulativer Gründe wäre in der Gesamtheit der Situation des Antragstellers das Vorliegen einer begründeten Furcht vor Verfolgung zu erkennen, was zum Recht auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt.
Mit Schriftsatz vom 16.02.2005 wurde gegen die erstinstanzliche Entscheidung betreffend die Zweitbeschwerdeführerin Beschwerde erhoben und hierin ausgeführt, dass ihr in ihrem Heimatland asylrelevante Verfolgung drohe bzw. sie dieses deshalb habe verlassen müssen. Ihre Mutter habe bereits erklärt, dass alle Leute, die während der Belagerungszeit zwischen Kriegsausbruch 1999 und Mai 2000 in Grozny geblieben seien, des Widerstands verdächtigt würden und habe sie auch erklärt, dass sie selbst (gemeint: die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin) den Widerstandskämpfern mit Lebensmittel ausgeholfen habe.
Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurde am 28.06.2007 vor dem unabhängigen Bundesasylsenat - als vormals zuständiger Rechtsmittelinstanz - sowie am 18.02.2009 vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung gem. § 67 d AVG durchgeführt, bei welcher der Erstantragsteller sowie die Zweitantragstellerin sowie weiters ein zwischenzeitig namhaft gemachter Zeuge zum Sachverhalt einvernommen wurden.
Beide letztgenannten Antragsteller wurden jeweils umfassend auf die Wichtigkeit einer detaillierten und nachvollziehbaren Aussage hingewiesen und bezog sich der Erstbeschwerdeführer dem Grunde nach auf sein bisheriges Vorbringen vor der Behörde erster Instanz, nämlich zum vormaligen Zeitpunkt in einem Krankenhaus in seinem HerkunftsortXXXXVerwundeten geholfen bzw. diese gepflegt zu haben sowie bestätigte er, nach erheblicher Zeit nach dieser Tätigkeit von unbekannten Personen behelligt, entführt und sodann wieder freigelassen worden zu sein; bzw. habe man ihn nach dem Verbleib von Waffen befragt. Auch sei eine Hausdurchsuchung im Haus seiner Großmutter durchgeführt worden, wobei man jedoch nichts gefunden habe. Diese Ereignisse hätten gemäß unterschiedlicher Darstellung ca. eineinhalb Jahre - an anderer Stelle der Aussage etwa ein halbes Jahr nach seiner Tätigkeit im genannten Spital, sich ereignet.
Eine genaue Zeitangabe oder eine sonstige chronologische Einordnung vermochte der Erstbeschwerdeführer diesbezüglich nicht zu bieten. Der im Rahmen der Zweitbeschwerdeverhandlung einvernommene Zeuge bestätigte dem Grunde nach, dass der Erstbeschwerdeführer im angegebenen Zeitraum in dem obgenannten Spital im Herkunftsort des Erstantragstellers tätig gewesen sei. Des Weiteren legte der Antragsteller ein in russischer Sprache gehaltenes Schriftstück (ie. Ladung für den 15.01.2005 zur Vernehmung) vor.
Sachverhalt:
Positiv festgestellt wird, dass der Antragsteller Staatsangehöriger der russischen Föderation tschetschenischer Herkunft ist. Positiv festgestellt wird weiters, dass der Antragsteller in den Jahren 1999 bis 2000 in seinem Herkunftsort XXXX als Pflegehelfer im örtlichen Krankenhaus tätig war und dort unter anderem auch tschetschenische "Freiheitskämpfer" betreute oder pflegte.
Die weiteren vom Erstbeschwerdeführer getätigten Angaben zu einer Verfolgungssituation konnten nicht als erwiesener Sachverhalt bzw. nachhaltig glaubhaft festgestellt und der gegenständlichen Entscheidung hinsichtlich seiner Person und einer Asylgewährung zugrunde gelegt werden.
Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin wird festgestellt, dass diese ebenfalls Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Herkunft ist, und hat sie Tschetschenien als noch Minderjährige gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren weiteren Familienangehörigen verlassen,ohne selbst vor ihrer Ausreise konkreten gegen ihre Person gerichteten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein.
Beweiswürdigend wird nachstehend ausgeführt:
Eine Aussage ist grundsätzlich dann nicht glaubhaft, wenn Asylwerber den ihrer Meinung nach ihren Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildern oder sich auf Gemeinplätze beschränken. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so dürfen sich Antragsteller nicht in wesentlichen Passagen ihrer Aussage widersprechen.
Festzuhalten ist, dass der Antragsteller, und wird dies auch durch die obgenannte Zeugenaussage bestätigt, in den Jahren 1999 bis 2000 über einen längeren Zeitraum hinweg als Pflegehelfer in einem Krankenhaus in seinem Herkunftsort XXXX tätig gewesen ist.
Der weitere Hergang der Ereignisse konnte aus nachstehenden Gründen nicht als glaubhaft erkannt und der gegenständlichen Entscheidung hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers sachverhaltsmäßig zugrunde gelegt werden:
So lieferte der Antragsteller zum Hergang seiner Habhaftwerdung bzw. Festnahme und der damit einhergehenden Umstände ein lediglich allgemein gehaltenes und diffuses Bild: So sagte der Antragsteller im Rahmen seiner Einvernahme am 28.06.2007 vor dem unabhängigen Bundesasylsenat unter anderem auf nachstehende Fragestellung aus:
...
VL (Verhandlungsleiter): Können Sie nun im Detail allenfalls einige konkrete gegen Sie gerichtete Verfolgungshandlungen im Einzelnen schildern?
BW (ie. Beschwerdeführer): Bei uns finden viele große Verfolgungshandlungen statt. Es reicht schon, dass man schon etwas Gutes über die Rebellen gesagt oder den Wunsch äußert, dass Tschetschenien sich von Russland absondert. In dem Moment wird man schon festgenommen oder entführt.
VL: Können Sie nun konkret zu einzelnen Sachverhaltskreisen Stellung nehmen?
BW: Ich kann es bis zum heutigen Tage nicht genau bestimmen, wann man mich entführt hat, aber es war ca. ein halbes Jahr nachdem ich im Spital aufgehört habe zu arbeiten. Ich danke Gott, dass mein Vater einen guten Bekannten hatte, Dank dessen man mich, nachdem man mich entführt hat, freigelassen hat. Nachdem ich Grozny verlassen habe, habe ich erfahren, dass ich wieder in dessen Polizeirevier geladen wurde, ich habe dieses Dokument und ich habe es beim Erstinterview vorgelegt. Seitdem werde ich eben gesucht, man besucht meine Familie einmal im Monat, fragt nach mir und bedroht sie.
VL: Können Sie nun ganz konkret im Falle ihrer Festnahme im Detail berichten, was sich zugetragen hat, so dass ich eine Vorstellung davon gewinne.
BW: Man hat mich auf der Straße festgenommen, in Grozny, in ein Auto gesetzt und mich weggefahren...
In der Folge wurde der Antragsteller mehrere Male vom vormaligen Verhandlungsleiter aufgefordert, Einzelsachverhaltskreise näher zu beschreiben, so etwa seine Festnahme, Fesselung etc. sowie wurde er mehrfach angehalten, weitere Detailsachverhaltskreise oder Abläufe zu schildern und gelang es ihm jedoch immer nur auf konkrete Aufforderung bzw. auf Anstoß und Hinweis zu einem bestimmten Einzelsachverhaltskreis sich zu erklären, einige wenige Anhaltspunkte eines Ablaufes zu bieten.
So war er aufgefordert die Festnahme näher zu beschreiben und führte er wortkarg hiezu aus:
BW: Ich bin gegangen, dann hat ein Jeep angehalten, es sind Männer rausgestiegen, ein paar Männer haben mich ins Auto gesteckt.
Beispielsweise in diesem Zusammenhang war es dem Antragsteller einerseits nicht möglich oder war er nicht Willens, weitere Begleitumstände, welche ein typisches Realkennzeichen für eigenes Erleben darstellen könnten, ins Treffen zu führen. So lieferte der Antragsteller seine diesbezüglichen Ausführungen, welche er lediglich auf unmittelbar konkrete Anstoßfrage zu liefern vermochte, ohne zeitlichen und örtlichen Anknüpfungspunkt, sodass insgesamt nicht der Eindruck entstand, dass der Antragsteller dies alles tatsächlich höchstpersönlich zum vormaligen Zeitpunkt so oder so ähnlich erlebt hat.
So war der Antragsteller beispielsweise auch wie folgt befragt:
VL: Wann geschah das ungefähr (gemeint die Festnahme und Fesselung)?
BW: Ca. ein halbes Jahr nachdem ich das Krankenhaus verlassen habe.
VL: Also im Jahre 2000?
BW: Nein, 2001 irgendwann im Frühling.
Diese Angaben zeigen, dass der Antragsteller in keinster Weise in der Lage war, die für ihn und sein weiteres Leben doch zentral wichtigen Ereignisse im Herkunftsland in irgendein zeitliches und örtliches Kontinuum zu stellen; was auch die nachstehend zitierte Passage deutlich macht:
...
VL: Wohin hat man Sie gebracht?
BW: Wie gesagt, ich weiß nicht genau wohin. Es war in der Stadt Grozny, ich weiß nicht wie man das Objekt nennt, mit einem Stadtplan könnte ich es zeigen. Es war ein Militärobjekt.
Auch die letztzitierte Aussage zeigt, dass der Antragsteller nicht in der Lage war, in freier Rede einen umfassenden örtlichen Handlungsablauf zu bieten. So wäre es an ihm gelegen gewesen doch zumindest einige markante Punkte oder Stationen seines örtlichen Leidensweges darzulegen bzw. gleichsam in spontaner Rückerinnerung gegenüber der erkennenden Behörde ebensolche nachvollziehbaren Anhaltspunkte zu liefern.
Gleich verhielt es sich mit den Antworten des Erstbeschwerdeführers zum obangesprochenen Themenkreis seiner Anhaltung:
So war der Antragsteller vom Verhandlungsleiter wie nachstehend befragt:
VL: Was passierte dort (gemeint im Gefängnis oder auf der Polizeistation) mit Ihnen genau?
BW: Es war eine sehr unschöne Zeit, man hat uns sehr schlimm misshandelt. Wir waren mehrere dort. Offensichtlich hat man gesehen, wie man mich mitgenommen hat und es wurde dann meiner Familie berichtet.
Ich kann nicht genau sagen, wie lange ich dort verbracht habe, es waren ca. zwei Stunden, mein Vater hat nämlich sofort reagiert. Mein Vater hat nämlich seinen Bekannten kontaktiert und von ihm erfahren, wo man mich festhält, gemeinsam mit Nachbarn und anderen Verwandten ist er dorthin gegangen, und sie haben eine Art Demo vor dem Gebäude abgehalten, dass man mich freilässt.
Auch die diesbezüglich dargestellten Antworten zeigen deutlich, dass der Antragsteller in keinster Weise in der Lage war, über die dramatischen Stunden oder Tage seiner Anhaltung auf der Polizeistation oder auf einer Militärposition zu berichten.
Wäre der Antragsteller tatsächlich festgehalten und misshandelt bzw. schwer bedroht worden, wäre er jedenfalls zu diesem Zeitpunkt der Einvernahme gehalten und in der Lage gewesen ein detailliertes spontan berichtetes Lagebild unter spontaner Rückerinnerung zu bieten.
Auch die weiteren Antworten im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vom 28.06.2007 (S. 9 ff) zeigen deutlich, dass der Antragsteller unmittelbar lediglich auf gezielte Fragestellungen zu antworten imstande war, ohne jedoch weiter und in die Tiefe gehende Antworten unter Zeichnung eines genauen Lagebildes oder Handlungsablaufes zu bieten.
Das diesbezügliche Einschätzungsbild verstärkte sich auch im Rahmen der zweiten Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof, wobei der Erstbeschwerdeführer diesbezüglich nicht willens oder in der Lage war, zu dem nach dem genannten behaupteten Ereignis jahrelangen weiteren Aufenthalt in seiner Herkunftsregion Stellung zu beziehen:
So war der Antragsteller genau dazu befragt, wann dieses dramatische Ereignis stattgefunden hat bzw. wie viel später er dann erst Tschetschenien verlassen hat, so war die Fragestellung einerseits nach den Ereignissen im Spital und hinsichtlich seiner Festnahme und der Suche nach Waffen und antwortete er hiezu:
BF1 (ie Erstbeschwerdeführer): Genau kann ich das nicht sagen. Das mit dem Spital war 2000. Ich kann nicht genau sagen, aber ich wurde ca. ein bis eineinhalb Jahre später, also im Jahre 2001 oder 2002 festgenommen.
VR (ie Vorsitzender Richter): Diese Nachsuche nach Waffen durch Unbekannte hat wann stattgefunden?
BF1: Ich erinnere mich nicht.
VR: Aber das müssen Sie doch ungefähr einordnen können. Ich verlange ja kein genaues Datum.
BF1: Als ich nach Österreich gekommen bin, habe ich nicht damit gerechnet, dass ich das erzählen muss. Ich habe keine Aufzeichnungen geführt und nach dieser Festnahme wurde ich mithilfe eines Menschen freigelassen, dieser war auch Tschetschene, hatte eine gute Stelle gehabt und war ein Verwandter von einem Nachbarn.
Im Weiteren gab der Antragsteller auf Befragen, wann er Tschetschenien verlassen hatte, dies mit 24.04.2004 an.
Befragt auf den Zeitraum zwischen seiner Freilassung im Jahre 2001/2002 bis zu seiner Ausreise im Jahre 2004 gab der Antragsteller wie nachstehend an:
BF1: Nach meiner Freilassung war ich in Tschetschenien unterwegs, ich habe verschiedene Verwandte aufgesucht und blieb dort wo es gerade ruhig war.
Auch die diesbezüglichen Angaben des Antragstellers zeigen mit hoher Deutlichkeit, dass der Antragsteller über diesen jahrelangen Zeitraum seit dem behaupteten Ereignis seiner Festnahme und seiner Ausreise im Jahre 2004 - demgemäß mindestens zwei bis drei Jahre in keinster Weise in der Lage war ein umgangreiches detailliertes Ablaufbild zu zeichnen: So wäre es dem Antragsteller diesbezüglich jedenfalls zumutbar gewesen gegenüber der erkennenden Behörde sein Schicksal dieser Jahre (!) im Detail zu schildern und so der erkennenden Behörde die Möglichkeit der Nachvollziehbarkeit und Glaubhaftigkeit seiner Angaben zu bieten. So war einerseits als erwiesen festzuhalten, dass der Antragsteller in den Jahren 1999 bis allenfalls 2000 tatsächlich im Krankenhaus der StadtXXXX als Pflegehelfer gearbeitet hat und wurde dies auch durch die Zeugenaussage bestätigt.
Dem weiteren Vorbringen einer "Verfolgung" des Antragstellers und der weiters von ihm aufgezeigten Ereignisse konnte sohin keine Glaubhaftigkeit beigemessen werden; dies aufgrund der Gesamtbetrachtung der als äußerst lückenhaft zu bezeichnenden Angaben zu Einzelabläufen und Einzelsachverhaltskreisen.
Die Feststellungen betreffend die Zweitbeschwerdeführerin resultieren aus deren Angaben vor der Behörde erster Instanz in Zusammenschau mit ihren Aussagen vor dem Asylgerichtshof am 18.02.2009.
Die anhand des obigen Protokollauszugs erkennbar ausweichenden bzw. äußerst rudimentären Antworten des Asylwerbers auf mehrfache Aufforderung, über seine Fluchtgeschichte ausführlich zu berichten, muten vor dem Hintergrund, dass tatsächlich verfolgte Personen regelmäßig von sich aus bestrebt sind, möglichst umfassend und detailliert über das eigene Verfolgungsschicksal zu berichten, lebensfremd an und verstärken so auch den Eindruck, dass dem Antrag des Asylwerbers in Wirklichkeit asylfremde Motive zu Grunde liegen.
Es lässt sich mit der allgemeinen Lebenserfahrung nicht vereinbaren, dass eine Person, gegen die tatsächlich ein Strafverfahren gelaufen wäre bzw. aktuell laufen würde, in dessen Rahmen sie bereits Verhören unterzogen worden sein soll und aufgrunddessen sie sich sogar zum Verlassen der eigenen Heimat gezwungen gesehen haben soll, nicht einmal rudimentär den Grund der gegen sie erhobenen Anklage anzugeben imstande wäre, sodass letztlich vollends klar wird, dass es sich bei der vorgetragenen Fluchtgeschichte um ein erfundenes Konstrukt handelt.
So wäre vom Erstbeschwerdeführer jedenfalls zu erwarten gewesen seine "Fluchtgeschichte" in konkreten zeitlich und örtlich festgemachten bzw. verankerten Zusammenhängen glaubwürdig der Darlegung von Einzelsachverhaltskreisen zu schildern, wozu er jedoch in krasser Weise nicht fähig war.
Bei einer Abwägung jener Gründe, die für die Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Bedrohungssituation sprechen - dies ist letztlich allein die Behauptung des Erstantragstellers, dass die Geschichte wahr ist - und jener Gründe, die gegen die Glaubwürdigkeit dieser Angaben sprechen, überwiegen die für eine erfundene Geschichte sprechenden Argumente bei Weitem, sodass das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers nicht als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann.
Zur Situation in der Russischen Föderation wird festgestellt:
Russland befindet sich seit Anfang der 90er Jahre in einem schwierigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformationsprozess. Dem früheren Präsidenten Putin ist es seit seinem Amtsantritt Anfang 2000 gelungen, die Lage schrittweise zu stabilisieren. Putin hat umfassende Veränderungen im Staatsgefüge vorgenommen, die Vereinheitlichung des russischen Rechtsraums und wichtige marktwirtschaftliche Reformen auf den Weg gebracht. Er hat damit die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Gesundung geschaffen. Gleichzeitig trieb der Präsident mit Nachdruck die Stärkung zentralstaatlicher Machtstrukturen voran. Die Amtszeit Putins war durch eine Stärkung der Präsidentschaft und eine damit verbundene Einschränkung demokratischer Freiräume und des politischen Wettbewerbs bestimmt.
Am 7. Mai 2008 übernahm Dmitri Anatoljewitsch Medwedew das Amt des Präsidenten, nachdem er aus den Wahlen am 2. März mit über 70 Prozent der Stimmen als deutlicher Sieger hervorgegangen war. Medwedew schlug am Tag seines Amtsantritts seinen Vorgänger Putin als Premierminister vor, das Parlament bestätigte dies am 8. Mai mit großer Mehrheit. Medwedew war Wunschkandidat Putins und genoss dessen volle Unterstützung im Wahlkampf. Putin, der aus verfassungsrechtlichen Gründen keine dritte konsekutive Amtszeit anstreben konnte, bleibt allerdings der Politiker mit der breitesten Zustimmung in der russischen Bevölkerung. Er ist zudem Parteivorsitzender von "Einheitliches Russland".
Noch vor Amtsantritt als Premierminister hat Putin bereits einige Veränderungen vorgenommen, die dem Amt mehr Gewicht verleihen werden als unter seinem Vorgänger Subkow.
Das Votum für die Regierungspartei bei den kritikwürdigen fünften Parlamentswahlen im Dezember 2007 war ein Vertrauensbeweis für Präsident Putin und den von ihm vorgegebenen Modernisierungskurs. Mit 315 von 450 Sitzen verfügt die rechtszentristische, präsidentennahe Fraktion "Einheitliches Russland" über eine Zweidrittelmehrheit, die es Putin ermöglicht, bei Bedarf auch Verfassungsänderungen durch die Duma zu bringen. Bei der Wahl am 2. Dezember wurde erstmals das in den letzten Jahren veränderte Wahlrecht angewandt. Danach werden alle Abgeordneten ausnahmslos über Parteilisten nach Verhältniswahlrecht gewählt. Darüber hinaus wurde die Sperrklausel von fünf auf sieben Prozent angehoben. Neben "Einheitliches Russland" haben die Kommunisten und die "Liberaldemokraten" des Rechtspopulisten Schirinowski den erneuten Einzug in die Duma geschafft. Deren Fraktionen verfügen derzeit über 57 bzw. 39 Sitze. Die linksorientierte pro-präsidentielle Partei "Gerechtes Russland" entstand im Herbst 2006 aus einem Zusammenschluss der Partei "Heimat" mit der Rentnerpartei und der Partei "Leben". Ihre Abgeordneten bilden die 38-köpfige Fraktion "Gerechtes Russland-Heimat-Penionäre-Leben". Den am westlichen Vorbild von Demokratie und Pluralismus orientierten Parteien "Jabloko" und "Union der Rechten Kräfte" gelang der Sprung über die Sieben-Prozent-Hürde nicht.
(Quelle: Deutsches Auswärtiges Amt, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/RussischeFoederation/Innenpolitik.html, Stand Mai 2008)
Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität etc. diskriminiert, lässt sich grundsätzlich nicht feststellen. Generell ist das Strafmaß in der Russischen Föderation höher als für vergleichbare Delikte in Deutschland.
Immer wieder legen einzelne Strafprozesse in Russland den Schluss nahe, dass politische Gründe hinter der Verfolgung stehen. Prominenteste Fälle waren Michail Chodorkowski und sein Geschäftspartner Platon Lebedew, die 2005 zu acht Jahren Haft verurteilt wurden. Derzeit bereitet die russische Generalstaatsanwaltschaft einen neuen Strafprozess gegen die beiden Personen vor, am 05.02.2007 wurde Anklage erhoben. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft werden ihnen Diebstahl, Unterschlagung und Geldwäsche vorgeworfen. Der Europarat hat bereits das erste Verfahren gegen Chodorkowski und Lebedew wegen offensichtlicher rechtsstaatlicher Mängel kritisiert.
Menschenrechtsorganisationen berichten glaubwürdig über zahlreiche Strafprozesse auf Grund fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus, vor allem Tschetschenen, die aufgrund von unter Folter erlangten Geständnissen oder gefälschten Beweisen zu hohen Haftstrafen verurteilt worden seien. Aber auch unabhängig vom Tschetschenienkonflikt soll es Anklagen mit gefälschten Beweisen gegen angebliche islamistische Terroristen geben, insbesondere in Tatarstan. Berichtet wird über untergeschobene Bombenbaupläne (so angeblich bei einer Hausdurchsuchung am 11.12.2006 in Tujmazy in Baschkortostan) und ähnliches Belastungsmaterial sowie über Geständnisse und Belastungsaussagen, die mit Gewaltanwendung erwirkt wurden.
Die Möglichkeit, einen Angeklagten in Abwesenheit zu verurteilen, wurde im Juli 2006 ausgeweitet. Bisher war eine Verurteilung in Abwesenheit nur bei leichten und mittelschweren Straftaten und allein auf Antrag des Angeklagten möglich. Nun ist dies auch bei schweren Verbrechen und ohne seinen Antrag zulässig. Voraussetzung ist, dass sich der Angeklagte außerhalb Russlands aufhält und noch nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurde. Der Angeklagte muss durch einen Verteidiger vertreten sein. Hat er keinen oder fehlt sein Wahlverteidiger, so bestimmt das Gericht einen Pflichtverteidiger. Kehrt ein Verurteilter nach Russland zurück, so kann das Verfahren auf Antrag wieder aufgenommen werden.
Der Menschenrechtsbeauftragte Lukin moniert, dass es bei Verhaftungen, Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft immer wieder zu Folter und grausamer oder erniedrigender Behandlung durch Polizei und Ermittlungsbehörden kommt. Besonders kritisch sieht der Menschenrechtsbeauftragte die Situation vor Beginn von Strafverfahren im Rahmen der sog. "operativen Ermittlungstätigkeit". Auch amnesty international beklagt in einem Bericht vom November 2006 diese Praktiken. Human Rights Watch berichtet in einer Dokumentation über Folter in Tschetschenien vom 13.11.2006, dass kaum jemand strafrechtlich für dieses unrechtmäßige Handeln belangt werde.
Menschenrechtsorganisationen weisen darauf hin, dass insbesondere sozial Schwache, Obdachlose und Betrunkene, Ausländer und Personen "fremdländischen" Aussehens Opfer von Misshandlungen durch Polizei und Untersuchungsbehörden würden. Nur ein geringer Teil der Täter werde disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt. Im Nordkaukasus kommt es nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen regelmäßig zu schweren Misshandlungen Festgenommener.
(Quelle: Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand:
Oktober 2008)
Der russische Menschenrechtsbeauftragte Vladimir Lukin beklagte in einem Interview in der "Rossijskaja Gazeta" Nr. 27 vom 08.02.2008, dass russische Gerichte den Menschenrechten nicht ausreichend Beachtung schenken würden. Nach seiner Ansicht haben sich die Gerichte noch nicht freigemacht von Formalismus und Bürokratie, niedriger Qualität von Gerichtsentscheidungen und vom Subjektivismus der Richter. Die Menschen glauben daher nicht an die Wahrhaftigkeit der Rechtsprechung und dass ein Gericht in der Lage ist, ihre Rechte wiederherzustellen. Nach Lukins Worten erhält er eine riesige Anzahl von Beschwerden zu Gerichtsentscheidungen in Straf- und Zivilsachen. Lukin betonte in dem Interview, dass Gerichte, die sich der Rechtsprechung versperren und den Menschenrechtsbeauftragten beim Schutz vor Menschenrechtsverletzungen behindern, nicht als gesetzeskonform in einem demokratischen Rechtsstaat anerkannt werden könnten. Am 13.02. überreichte der Menschenrechtsbeauftragte Vladimir Lukin seinen Jahresbericht für 2007 an Präsident Putin. Üblicherweise wird der Jahresbericht erst im Frühjahr veröffentlicht, doch wollte Lukin offenbar die Präsidentenwahlen am 02.03.2008 nicht abwarten. Im vergangenen Jahr gingen 28.000 Beschwerden beim Büro des Ombudsmannes ein im Gegensatz zu 30.000 im Jahre 2006. Nach Lukins Worten bedeute die Abnahme der Zahl der Eingaben nicht, dass die Bevölkerung weniger Interesse an der Institution "Ombudsmann" zeige. Er konstatierte eine Veränderung des Inhalts der Eingaben. Waren es im Jahre 2006 primär Beschwerden über soziale Unzulänglichkeiten und Probleme, standen im Jahre 2007 vermehrt Klagen über Amtsmissbrauch, insbesondere der Rechtschutzorgane und der Justiz, im Mittelpunkt (nahezu 50 % der Eingaben). Andererseits registrierte Lukin große Fortschritte im Bereich des Justizministeriums sowie des Innenministeriums. Dies betraf vor allem die Lage in Isolationszellen und Untersuchungshafteinrichtungen. Dennoch bleibe nach seinen Worten noch viel zu tun. Lukin betonte insbesondere die unhaltbaren Bedingungen in Hafteinrichtungen für junge Häftlinge. Die allgemeinen Haftbedingungen würden nahezu an Folter grenzen. Zudem kritisierte er die weite Verbreitung von Tbc und Aids in den Haftanstalten. Jurij Kalinin, der Direktor des Föderalen Strafvollzugsdienstes (FSIN), erklärte am 14.02., dass er mit der Bewertung der Verhältnisse in russischen Gefängnissen, die der Ombudsmann in seinem Bericht abgegeben habe, nicht einverstanden sei. Er nannte viele Einschätzungen als "befangen", zumal viele internationale Organisationen, einschließlich des Europäischen Komitees zur Vermeidung von Folter, bei vielen Gelegenheiten die Fortschritte im russischen Strafvollzugssystem anerkannt hätten. Kalinin kritisierte vor allem die Aussage, dass die allgemeinen Haftbedingungen nahe an Folter grenzten. Im Einzelfall könne dies nicht ausgeschlossen werden, aber jeder Verletzung der Gefangenenrechte werde nachgegangen. Auch die Einschätzung der Lage der medizinischen Betreuung der Häftlinge entspreche nicht den Tatsachen, da auch auf diesem Gebiet große Fortschritte erzielt worden seien.
(Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, April 2008)
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gem. § 75 Abs. 1 erster Satz, AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.
Gem. § 124 Abs. 2 des ebenfalls mit 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.
ad 1.
Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Rechtlich folgt aus obiger Beweiswürdigung betreffend den Erstbeschwerdeführer, dass seine Flüchtlingseigenschaft nicht festgestellt werden kann bzw. die Asylgewährung in casu nicht statthaft ist. Da im gegenständlichen Verfahren die Erkennung der Angaben des Antragstellers zu den Fluchtumständen als glaubhaft ein Essentiale darstellt und es dem Antragsteller bei weitem nicht gelungen ist ein nachvollziehbares Sachsubstrat zu liefern, konnte auch kein positives Sachsubstrat für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft festgestellt werden.
Betreffend die Zweitbeschwerdeführerin ist rechtlich auszuführen, dass sie weder vor der Behörde erster Instanz noch im Beschwerdeverfahren individuell-konkret ihre eigene Person betreffende Verfolgungsrisiken ins Treffen führte, weshalb auch diesbezüglich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht möglich war.
Hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin und den Viertbeschwerdeführer erübrigen sich diesbezügliche Ausführungen, da diese erst im österreichischen Bundesgebiet geboren wurden.
Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer waren gemäß § 34 Abs. 2 iVm Abs 4 AsylG 2005 hinsichtlich deren Rechtsstatus familiengleich zu behandeln.
ad 2.
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 hat die Behörde, im Falle einer Abweisung eines Asylantrages, von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.
§ 8 AsylG 1997 verweist durch die Übergangsbestimmung des § 124 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) auf § 50 FPG.
Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974) es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Gemäß § 50 Abs. 3 FPG dürfen Fremde, die sich auf eine der in Abs. 1 oder Abs. 2 genannten Gefahren berufen, erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem sie Gelegenheit hatten entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Fremdenpolizeibehörde ist in diesen Fällen vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und hat dann über die Zurückweisung zu entscheiden.
Der Prüfungsrahmen des § 50 Abs. 1 FPG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.
Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 FPG wurde bereits unter Spruchpunkt I geprüft und verneint.
Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Asylwerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele:
VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).
Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).
Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 23.6.1994, 94/18/0295) und muss die drohende Maßnahme von einer bestimmten Intensität sein, ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 MRK zu gelangen.
Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer drohenden Gefahr im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG ist es erforderlich, dass der Fremde, die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe, konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.6.1997, 95/21/0294), und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 5.4.1995, 93/18/0289).
Eine solche Glaubhaftmachung einer individuellen Verfolgungsgefahr ist dem Erstbeschwerdeführer nicht gelungen - diesbezüglich wird auf obige Beweiswürdigung verwiesen, doch ist in casu eine Gesamtbetrachtung der Rückkehrsituation des Erstbeschwerdeführers anzustellen. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin war ein solches Risikopotential aufgrund ihres Vorbringens per se nicht erkennbar, weshalb selbige Erwägungen auch hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin anzustellen sind.
Ausgehend von den Feststellungen zur Allgemeinsituation in der Russischen Föderation und der derzeit nicht absehbaren Entwicklung kann nicht mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass für die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Ingesamt kann daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführer bei Rückkehr nach Tschetschenien nicht einem Risiko im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.
Aufgrund der getätigten Ausführungen und Feststellungen zur Lage in Tschetschenien ist davon auszugehen, dass eine sogenannte innerstaatliche Fluchtalternative nicht offensteht.
ad 3.
Gem. § 15 Abs. 1 AsylG ist Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§ 13) rechtskräftig abgewiesen wurde und die sich ohne rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet befinden, mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn gem. § 8 festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist.
Gem. Abs. 3 leg.cit. ist die befristete Aufenthaltsberechtigung für höchstens ein Jahr und nach der zweiten Verlängerung für jeweils höchstens drei Jahre zu bewilligen.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. Es ergeht der Hinweis, dass gegen dieses Erkenntnis innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden kann. Diese muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Bei Einbringung einer solchen Beschwerde ist eine Gebühr von EUR 220 zu entrichten.
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Asylgerichtshof, Abteilung A12
10.03.2009
Mag. Benda
Für die Richtigkeit
der Ausfertigung: