TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/10 A1 250760-0/2008

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Veröffentlicht am 10.03.2009
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Spruch

A1 250760-0/2008/8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Andreas Druckenthaner als Vorsitzenden und den Richter Dr. Christian Filzwieser als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Ines Csucker über die Beschwerde der XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.06.2004, Zl. 04 11.058-EAST Ost, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.02.2009 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997 idgF abgewiesen.

 

II. Gemäß §§ 8, 10 Abs. 3 AsylG 1997 idgF wird festgestellt, dass die Abschiebung von XXXX nach Nigeria nicht zulässig ist.

 

III. Gemäß § 15 Abs. 2 AsylG 1997 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.02.2010 erteilt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer beantragte am 26.5.2004 die Gewährung von Asyl.

 

Vor dem Bundesasylamt wurde der Beschwerdeführer am 28.5.2004 und am 1.6.2004 niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, Nigeria verlassen zu haben weil er von der nigerianischen Regierung gesucht werde. In XXXX hätte es am 11.5.2004 Ausschreitungen zwischen Moslem und Christen gegeben, die Moslems hätten alles niedergebrannt. Diese hätten auch sein Haus und sein Geschäft angezündet. Er konnte noch rechtzeitig flüchten, wisse aber nicht wo sich seine Ehefrau und seine drei Kinder befinden. Es seien sehr viele Christen getötet und auch viele Kirchen niedergebrannt worden. Er werde gesucht, weil er beschuldigt wird an diesen Kämpfen teilgenommen zu haben. Er gab zwar an gekämpft zu haben, aber er habe niemanden verletzt. Dass er gesucht werde habe er von einem Freund, von dem er nur dessen Spitznamen "XXXX" kenne erfahren, wisse aber nicht woher dieser diese Information hat. Die Regierung hätte eine Fahndung nach ihm herausgegeben. Die Regierung habe seinen Namen im Rahmen der Untersuchungen herausgefunden.

 

Mit Bescheid vom 8.6.2004, Zl. 04 11.058-EAST Ost, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG (Spruchpunkt I.) ab, erklärte gleichzeitig seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt III.).

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

 

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX, GZ: XXXX vom 7.1.2008 wegen §§ 27 Abs. 1, 1. und 2. Fall 27 Abs. 1 Z 1, 7. Fall, 27 Abs. 3 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten rechtskräftig verurteilt.

 

Am 12.9.2008 und am 11.2.2009 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof durchgeführt.

 

II. Dem Erkenntnis liegen folgende Erwägungen zugrunde:

 

Sachverhaltsfeststellungen:

 

Zur Person des Asylwerbers:

 

Der Beschwerdeführer ist der Lebensgefährte von XXXX, und der Vater vonXXXX.

 

Der Beschwerdeführer hat für das Verlassen seines Herkunftsstaates keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht.

 

Der Tochter des Beschwerdeführers,XXXX, wurde mit Erkenntnis vom 12.2.2009 subsidiärer Schutz zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 11.2.2010 erteilt.

 

Zur Herkunftsstaat Nigeria:

 

Allgemeine politische Lage:

 

Nigeria ist mit etwa 140 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Staat Afrikas. Seit der Unabhängigkeit 1960 hat sich die Bevölkerungszahl Nigerias mehr als verdreifacht. Regierungsführung und Wirtschaftsentwicklung haben mit dieser rasanten und sich weiter fortsetzenden demographischen Entwicklung nicht Schritt gehalten. Die Wirtschaftsreformen der letzten Jahre haben zwar zu einer makroökonomischen Konsolidierung geführt, allerdings wurde die Lage der breiten Bevölkerung noch nicht verbessert. Ca. 70 % der Bevölkerung leben am Existenzminimum und stützen sich auf informellen Handel und (Subsistenz-) Landwirtschaft. Geldtransfers und Investitionen der im Ausland lebenden Nigerianer tragen wesentlich zur Unterstützung der nigerianischen Wirtschaft bei (2006 insgesamt 7,7 Milliarden US-Dollar). Die öffentlichen Haushalte speisen sich zu 80 % aus der Öl- und Gasförderung. Die übrigen Wirtschaftszweige, insbesondere das verarbeitende Gewerbe, sowie die Infrastruktur werden vernachlässigt. Korruption, die Güter und Dienstleistungen verteuert und eine breitere Streuung der Ölrente verhindert, ist allgegenwärtig. Teilerfolge sind bei der Korruptionsbekämpfung allerdings sichtbar (Gründung der Economic and Financial Crimes Commission, EFCC, im Jahr 2003).

 

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich bei den meisten der ca. 50 kleineren Parteien entlang ethnischer Linien. Stammesloyalitäten gehen anderen Loyalitäten vor. Unterhalb der Ethnie gibt es Personenloyalitäten. Keine der Parteien repräsentiert eine eindeutige politische Richtung. Die Verfassung (Art. 65 Abs.2) verlangt von allen politischen Kandidaten eine formelle Parteizugehörigkeit. Nur über eine Partei besteht Zugang zu Macht, Ämtern und entsprechenden Ressourcen. Parteien werden daher primär als Zweckbündnisse zur Erlangung von Macht angesehen. Politische Führungskräfte wechseln die Partei (sog. "decamping"), wenn sie andernorts bessere Erfolgschancen wittern. Die einzige große überregionale Partei ist die Regierungspartei PDP (People's Democratic Party). Zweitstärkste Partei ist die ANPP (All Nigeria People's Party), die vor allem im Norden stark vertreten ist. Dritte Kraft ist der anlässlich der Wahlen 2007 gegründete Action Congress. Die übrigen Parteien haben kaum eine Bedeutung. Mit der Amtseinführung des neu gewählten Präsidenten Yar-Adua am 29. Mai 2007 ist erstmals in der Geschichte des unabhängigen Nigeria ein demokratischer Regierungswechsel gelungen.

 

Bei den Wahlen am 14. und 21. April 2007 waren ebenfalls die Gouverneure und Landesparlamente in den 36 Bundesstaaten und die beiden Kammern der Nationalversammlung (Senat und Repräsentantenhaus) neu zu bestimmen. Die Regierungspartei PDP erhielt erneut die Mehrheit in den beiden Kammern der Nationalversammlung (Senat und Repräsentantenhaus). Die Oppositionsparteien ANPP und PPA stellen künftig in 5 bzw. 2 Bundesstaaten die Staatsregierungen (Gouverneure), in den übrigen 28 Bundesstaaten werden die Gouverneure von der PDP gestellt. In- und ausländische Wahlbeobachter (einschließlich der "European Observer Mission") stellten massive Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen fest. Wahllokale öffneten sehr spät und hatten nur in unzureichender Menge Wahlunterlagen zur Verfügung. Dadurch konnten viele Bürger von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch machen. Die Zusammenführung der Ergebnisse von der untersten Ebene zur Zentralbehörde war nicht transparent; Fälschungsmöglichkeiten bestanden reichlich. Berichten der Wahlbeobachter zufolge kam es im Zuge der Wahlen zu ca. 200 Todesfällen.

 

Die nigerianische Verfassung wurde von der Übergangsmilitärregierung per Dekret am 29. Mai 1999 in Kraft gesetzt. Die Verfassung enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtstaates und orientiert sich insgesamt am US-amerikanischen System. Einem starken Präsidenten, der zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, steht ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber. Das Land ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (Landkreise) untergliedert, die von direkt gewählten Gouverneuren bzw. Vorsitzenden regiert werden. Die Verfassung enthält einen Grundrechtskatalog. Die Finanzverfassung ist trotz der bundesstaatlichen Gliederung zentralistisch. Der Bundesregierung in Abuja fließt bis auf den Vorab-Behalt ("derivation") ein Großteil der Steuereinnahmen zu, darunter die für den Staatshaushalt wichtigen Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung, die dann wieder an die unteren Ebenen verteilt werden. Polizei und Justiz (diese über den National Judicial Council) werden ebenfalls vom Bund kontrolliert. Die Umsetzung der Politik und insbesondere die Ausgabenkontrolle in den Bundesstaaten liegt in der Hand der Gouverneure und deren Staatsregierungen. Die Bundesregierung hat kein Durchgriffsrecht.

 

In der Verfassungswirklichkeit dominiert die Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und der ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Dies ist zugleich Ausdruck der in Nigeria vorherrschenden Tradition des "Oga", des starken Mannes. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität und häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln bis hin zum politischen Mord geführt. Verfassungsreformen wie z.B. die Stärkung der föderalen und lokalen Ebene, die Kontrolle der den Missbrauch und die Korruption fördernden Haushaltsführung durch die Bundesstaaten und die Stärkung der Justiz stehen aus. Die neue Regierung von Präsident Yar Adua hat erkennen lassen, dass sie sich dieser Themen annehmen will.

 

Die Verfassung sieht die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor. Tatsächlich ist die Justiz allerdings der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie von einzelnen politischen Führungspersonen ausgesetzt. Die insgesamt zu geringe personelle und finanzielle Ausstattung behindern außerdem die Funktionsfähigkeit des Justizapparats. Das Recht auf ein zügiges Verfahren wird von der Verfassung garantiert, in der Praxis jedoch nicht umgesetzt. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Anwalt oder Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht. Den Untersuchungshäftlingen wird oft nicht offenbart, welche Vorwürfe ihnen zur Last gelegt werden. Ca. 65 % der Gefängnisinsassen sind - z. T. langjährige - Untersuchungsgefangene. Die Dauer der Untersuchungshaft übersteigt mitunter erheblich die Höchststrafe für die vorgeworfene Straftat. Seit Sommer 2006 überprüft eine Untersuchungskommission des Justizministeriums Fälle langjähriger Untersuchungshaft. Auf Grund erster vorliegender Ergebnisse bereitet die staatliche Gefängnisverwaltung Freilassungen vor.

 

Die Sicherheitsorgane (Militär, Staatsschutz SSS [State Security Service] und die Polizei sowie paramilitärische Verbrechensbekämpfungseinheiten, die so genannten RRS [Rapid Response Squads]) waren wesentliche Stützen der früheren Militärregime. Die Zivilregierungen bleiben zur Durchsetzung des stets gefährdeten staatlichen Gewaltmonopols auf alle diese Organisationen angewiesen, auch wenn ihnen vorgeworfen wird, Menschenrechtsverletzungen sowohl während der Militärregierung als auch - wenn auch im geringeren Umfang - während der Zivilregierung begangen zu haben und weiterhin zu begehen. Der SSS ist weiterhin für die innere Sicherheit zuständig, hat jedoch an Bedeutung verloren und wurde verkleinert. Die RRS blieben ebenfalls in reduziertem Umfang erhalten, setzen sich nun allerdings ausschließlich aus Polizisten und nicht mehr aus Soldaten zusammen. Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der Bundespolizei, die dem Inspector General Police in Abuja untersteht. Die Lage der ca. 300.000 Mann starken Polizeitruppe ist durch schlechte Besoldung sowie schlechte Ausrüstung und Unterbringung gekennzeichnet. Die Korruption bei der Polizei ist nach wie vor weit verbreitet, Gelderpressung an Straßensperren und willkürliche Verhaftungen sind an der Tagesordnung. Die Polizeiführung versucht gegenzusteuern und veranstaltete 2006 Menschenrechtskurse für mehrere Hundert Polizisten, die mit einem Examen und einer feierlichen Diplomvergabe endeten. Solange die Bezahlung für Polizisten (Grundgehalt US$ 80,- im Monat) nicht signifikant angehoben wird, ist mit einer Veränderung der gegenwärtigen menschenrechtsbeeinträchtigenden Lage jedoch nicht zu rechnen. Das Militär wird zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der inneren Sicherheit eingesetzt. Im September 2004 führte das Militär auf Isaka Island massive Schläge gegen vermutete Stützpunkte der Niger Delta Volunteer Force (militante Organisationen, die sich überwiegend aus Mitgliedern der Ethnie der Ijaws zusammensetzt) durch. Dabei wurden Dörfer von Hubschraubern mit Raketen beschossen. Nach Angaben internationaler Beobachter wurden bei einer drei Tage dauernden Operation acht Dörfer vollständig zerstört. Es ist von einer Vielzahl von Toten und Verletzten, darunter auch Zivilisten, auszugehen. Auch im Februar 2005 kam es zu vereinzelten Übergriffen des Militärs im Niger-Delta. Der Einsatz des Militärs im Delta geschieht im Rahmen einer Joint Task Force zusammen mit der Polizei.

 

Religionsfreiheit:

 

Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit und verbietet, eine bestimmte Religion zur Staatsreligion zu machen. Im Vielvölkerstaat Nigeria mit einer überwiegend muslimischen Bevölkerung im Norden und einer christlichen bzw. traditionellen Religionen verpflichteten Bevölkerung im Süden ist die Garantie der Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, zum Beispiel bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften und religiösen Gruppen ist - lokal unterschiedlich - nur schwach ausgeprägt. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit problematisch. Häufig liegen religiösen Auseinandersetzungen jedoch wirtschaftliche, soziale und ethnische Konflikte zugrunde. Religiöse Argumente werden bemüht, um die Agitation und die Mobilisierung der Bevölkerungsgruppen zu verstärken. Die Religionsfreiheit von Nicht-Muslimen wird in den 12 nördlichen Bundesstaaten durch eine unterschiedslose Anwendung der im Jahr 2000 eingeführten Scharia in folgenden Bereichen des öffentlichen Lebens beschränkt: Verbot des gemischten Schulunterrichts, kein Alkoholgenuss in der Öffentlichkeit, Geschlechtertrennung in Bussen, Verbot der Beförderung von Frauen auf Motorrädern. Grundsätzlich gilt allerdings das Scharia-Recht nur für Muslime, bei den anderen Religionszugehörigen wird das säkulare "Common Law" oder nichtmuslimisches Stammesrecht angewendet. Im Bundesstaat Kaduna erfährt die dort lebende christliche Minderheit eine systematische Benachteiligung beim Zugang zu öffentlichen Ämtern sowie allgemein bei staatlichen Leistungen; umgekehrt klagen die Muslime im Bundesstaat Plateau über unzureichende Berücksichtigung ihrer Interessen durch die Regierung des Bundesstaates. Im Februar 2006 führten gewalttätige Ausschreitungen im Gefolge der in einer dänischen Zeitung veröffentlichten Mohammed-Karikaturen im Norden und Südosten des Landes zu über 900 Toten und Verletzten. Wenig später musste in Dutse, der Hauptstadt des Bundesstaates Jigawa, der Ausnahmezustand ausgerufen werden, als ein Streit zwischen einer muslimischen Kauffrau und einem christlichen Kunden erhebliche Unruhe auslöste. Im März 2007 wurde im nördlichen Bundesstaat Gombe eine christliche Lehrerin von muslimischen Schülern auf bestialische Weise umgebracht, angeblich weil sie den Koran geschändet habe. Offenbar hatte die Lehrerin die Wut der Schüler auf sich gezogen, weil sie keinen Betrug bei Prüfungen duldete. Die "Christian Association of Nigeria" rief in Gombe eine zweitägige Trauer aus. Nach der Ermordung eines prominenten sunnitischen Geistlichen durch einen einer anderen Richtung angehörenden Sunniten in Kano aus religiösen Motiven (Nichtbeachtung des Geburtstags des Propheten) am 13. April 2007 überfielen eine Woche später bewaffnete Islamisten eine Polizeistation und töteten 13 Polizisten. Die Regierung setzte die Armee ein, die ihrerseits mindestens 25 Islamisten tötete.

 

Gefährdungsrisiko von Konflikten zwischen Christen und Moslems:

 

Es gibt in Nigeria grundsätzlich noch Menschenrechtsprobleme durch Einschränkung der Religions- und Bewegungsfreiheit, Gewalt durch Kultgemeinschaften und religiöse Diskriminierung. Circa die Hälfte der Bevölkerung sind Moslems, 40 % Christen und die restlichen 10 % praktizieren traditionelle Religionen oder gehören keiner Glaubensrichtung an. Während meist Hausa/Fulanis Muslime sind, sind Yorubas und Igbos meist Christen. Geographisch ist die Mehrzahl der Bevölkerung im Norden Muslimisch, während die meisten der Christen im Süden leben. Insgesamt ist eine zunehmende Radikalisierung bzw. Fundamentalisierung sowohl in christlichen als auch in muslimischen Kreisen zu beobachten, wobei die religiösen Trennlinien zumeist entlang ethnischer Linien erfolgen.

 

Zum einen werden Angehörige von religiösen Gruppen (ChristInnen, MuslimInnen) bei Ausschreitungen Opfer gezielter Gewaltanwendung durch staatliche und nichtstaatliche Akteure. Zum anderen kommt es vor allem im Norden von Nigeria zu einer fortschreitenden Islamisierung durch die Einführung der "Sharia-Gesetzgebung" in 12 nördlichen Staaten Nigerias (Zamfara, Sokoto, Kebbi, Niger, Kano, Katsina, Kaduna, Jigawa, Yobe, Bauchi, Borno und Gombe), welche überwiegend von Muslimen bewohnt werden. In diesen Staaten hat sich eine Selbstschutzgruppe "Hisbah" gegründet, die mit Stöcken und Peitschen bewaffnet die Einhaltung der Shariagesetze, wie das Alkoholverbot, das Tragen von unanständiger Kleidung sowie Trennung der Geschlechter in öffentlichen Verkehrsmitteln, überwacht. Sie werden für das Auspeitschen und Verprügeln von Verdächtigen verantwortlich gemacht und existieren in diesen 12 Staaten neben der staatlichen Polizei als zweite exekutive Gewalt. Personen, die Verfolgung oder die Angst vor einer lokalen Hisbahgruppe angeben, steht eine sichere Umsiedlung in einen anderen Teil Nigerias zur Verfügung, weil die Hisbahgruppen außerhalb ihrer Staaten nicht operieren und über keinen Einfluss verfügen.

 

Auseinandersetzungen zwischen religiösen Gruppen basiert nicht nur auf religiöser Intoleranz sondern ist meist mit politischen, wirtschaftlichen und ethnischen Faktoren verbunden. Zwischen 2001 und 2004 kam es in Plateau State und Kano State zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, wo auch Personen getötet wurden. Die Gewalt ging sowohl von muslimischer (Viehzüchter) als auch von christlicher (Ackerbauern) Seite aus. Im Februar 2002 brach die Gewalt nach Veröffentlichung der "Mohamed-Cartoons" wieder in Maiduguri (Norden)und Onitsha (Süden) aus, wobei diese Gewaltausbrüche durch politische Machtspiele wegen der bevorstehenden Wahlen 2007 angefacht wurden.

 

Der neu gewählte Präsident Umaru Yar'Adua versprach im Juni 2007 die Schaffung eines interkonfessionellen Beratungskollegiums, welches aus prominenten muslimischen und christlichen Führern bestehen sollte, um die Regierung im Erhalten des Friedens zwischen den religiösen Gemeinschaften zu unterstützen. So haben die christliche Vereinigung von Nigeria und das oberste nationale Gremium für islamische Angelegenheiten ein gemeinsames Statement abgegeben, um die Anhänger beider Glaubensrichtungen zu Zuvorkommenheit und Toleranz, vor allem in einer Zeit der erhöhten politischen Unsicherheit, zu mahnen. Interreligiöse Anspannungen zwischen Moslem und Christen bestehen nach wie vor in einigen Gegenden, erreichen aber nicht mehr die Intensität vergangener Berichtszeiträume.

 

Ausweichmöglichkeiten:

 

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repression Dritter durch Umzug in einen anderen Teil Nigerias auszuweichen. Dies kann allerdings zu wirtschaftlichen und sozialen Problemen führen, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie, der erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der anhaltend schlechten Wirtschaftslage und der Bedeutung derartiger Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es schwierig, an Orten, in denen kein solches soziales Netz besteht, Fuß zu fassen. Für allein stehende Frauen besteht zusätzlich die Schwierigkeit, bei Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie unter Druck gesetzt zu werden, mit der Folge, im Bedarfsfall keine wirtschaftliche Unterstützung zu erhalten.

 

Bürgerkriegsgebiete:

 

Es gibt in Nigeria keine Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien. Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Niger-Delta handelt es sich einerseits um einen Konflikt zwischen regionalen Gruppen und Ölfirmen, andererseits um Rivalitäten der unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Partikularinteressen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund. Im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Das Niger-Delta stellt einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeit der staatlichen Ordnungskräfte sehr begrenzt ist. Trotz verfassungsmäßig garantierter Sondereinnahmen der Delta-Bundesstaaten ist im Niger-Delta die Entwicklung aufgrund von Korruption und schlechter Regierungsführung nicht vorangekommen. Die lokale Bevölkerung leidet vor allem unter den enormen Umweltschäden. Seit 2006 wurden über 200 Angestellte der im Delta operierenden internationalen Ölfirmen entführt und zumeist nach Zahlung von Lösegeldern wieder freigelassen. Im gleichen Zeitraum wurden über 80 Angehörige der Sicherheitskräfte ermordet und den Ölförderungseinrichtungen durch Sabotageakte schwerwiegende Schäden zugefügt. Politische Motive bei Entführungen und Geiselnahme sind häufig vorgeschoben. Die wenigen tatsächlich politisch motivierten Gruppen im Niger-Delta haben sich in den vergangenen Monaten mit Gewaltakten zurück gehalten. Die Regierung geht gegen die militanten Gruppen mit teilweise brutaler Härte vor, unter der auch die Bewohner des Nigerdeltas zu leiden haben, die immer wieder Opfer schwerer Übergriffe durch die Sicherheitskräfte werden. Die Sicherheitspolitik der Regierung im Delta schwankte auch im Jahr 2006 zwischen Zuckerbrot (Entwicklungsmaßnahmen) und Peitsche ("Shoot at sight"-Anweisung). Der ehemalige Präsident Obasanjo stellte am 27. März 2007 den "Niger Delta Regional Development Master Plan" vor, der eine nachhaltige Entwicklung des Deltas gewährleisten soll. Danach soll die "Niger Delta Development Commission" ein Berufsausbildungsprogramm für Jugendliche erarbeiten und durchführen. Präsident Yar'Adua kündigte bereits an, die Delta-Region zum Schwerpunkt seiner Arbeit zu machen und den Master-Plan seines Amtsvorgängers umzusetzen.

 

Der Norden Nigerias, welcher von den ethnischen Gruppen der Hausa-Fulani und der Kanuri dominiert wird, ist überwiegend muslimisch geprägt, jedoch haben sich christliche Gruppen während der letzten 50 Jahre dort angesiedelt. Im Allgemeinen leben Muslime und Christen friedlich nebeneinander, bis auf einige Teile in Kaduna State hat sich keine Gemeinschaft von der anderen vollständig getrennt.

 

Menschenrechtslage:

 

Die am 29. Mai 1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Kritiker bemängeln die weit reichenden Möglichkeiten, einige der Grundrechte einzuschränken. Insgesamt hat sich die Menschenrechtslage seit dem Amtsantritt der Regierung Obasanjo im Juni 1999 deutlich verbessert.

 

Gemäß Art. 12 der nigerianischen Verfassung bedürfen völkerrechtliche Vereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit der Ratifizierung durch Senat und Repräsentantenhaus. Die o.g. völkervertragsrechtlichen Verpflichtungen wurden nur lückenhaft in das nationale Recht aufgenommen. Soweit eine Umsetzung erfolgte, ist in der Regel die Durchsetzung der garantierten Rechte nicht gewährleistet.

 

Meldewesen:

 

Jeder Bewohner Nigerias kann sich in anderen Landesteilen niederlassen, da es kein Meldesystem gibt. Dies wird dadurch bekräftigt, dass sich auch in der Praxis viele Nigerianer in anderen Bundesstaaten als dem Heimatstaat niedergelassen haben und dort eine wirtschaftliche Existenz aufbauen konnten. So kann eine aktive landesweite Verfolgung angesichts der Größe Nigerias, seiner Bevölkerungszahl von 127 Millionen Einwohnern und Umständen wie z.B. eines fehlenden Meldewesens auch nicht effektiv durchgeführt werden. In einer Stadt wie Lagos mit über 12 Millionen Einwohnern ist ein Untertauchen problemlos möglich, wodurch eine Flüchtende in der Anonymität unkontrollierter Wohn- bzw. Slumviertel Schutz vor etwaigen Verfolgungen erlangen kann.

 

Grundversorgung und medizinische Versorgung:

 

Nigerias Wirtschaft lebt zum einen vom Öl- und Gassektor, der 40 % des BSP, 80 % der Staatseinnahmen und 97 % der Exporterlöse ausmacht, zum anderen vom (informellen) Handel und der Landwirtschaft, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet. Die Industrie (Zentren im Südwesten, Südosten und Norden) liegt wegen Energiemangels danieder. Es bestehen große Defizite bei der Infrastruktur. Schätzungsweise 50-70 % der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze von einem US-Dollar pro Tag. Das Pro-Kopf-Jahreseinkommen beträgt zwar ca. 1000,-

US-Dollar, ist aber völlig ungleichmäßig zwischen einer winzigen Elite und der Masse der Bevölkerung verteilt. Es gibt eine allgemeine Kranken- oder Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im "formalen Sektor" gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern oder Landarbeiter oder Tagelöhner im "informellen Sektor". Leistungen der Krankenversicherung kommen damit maximal 10 % der Bevölkerung zugute. Die neu eingeführte Rentenversicherung ist ebenfalls auf den formalen Sektor beschränkt, wobei abzuwarten bleibt, ob die Beitragszahlungen tatsächlich zu Leistungen an die Berechtigten führen werden. Die Gesundheitsversorgung, vor allem auf dem Lande, ist mangelhaft. Der Zugang zu Wasser und Strom ist dem größten Teil der Bevölkerung erschwert. Die Bildungschancen sind sehr ungleich verteilt. Rückkehrer finden in den Großstädten eine ausreichende medizinische Versorgung vor. Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser. In privaten Kliniken können die meisten physischen und psychischen Krankheiten behandelt werden. Die Patienten müssen auch in staatlichen Krankenhäusern ihre Behandlung selbst bezahlen. Hilfsorganisationen, die für Not leidende Patientinnen und Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwendigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/Aids, sind zwar möglich, können von dem Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden. Nach offiziellen Schätzungen sind ca. 5 % der Bevölkerung an HIV/AIDS infiziert. Regierung und private Organisationen betreiben Aufklärung, was zu einer leicht fallenden Infektionsrate geführt hat.

 

Behandlung abgeschobener nigerianischer Staatsangehöriger nach Rückkehr:

 

Erkenntnisse darüber, dass abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt geworden. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft vom Nigerian Immigration Service oder der Drogenpolizei befragt. Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen nicht zu befürchten. Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Diese befinden sich jedoch in einem derart desolaten Zustand, dass z.B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre. Nach der Rückgabe der Bakassi-Halbinsel an Kamerun war der UNHCR 2006 maßgeblich an der Rückführung von ca. 10.000 Nigerianern beteiligt. Die Rückkehrer werden von der nigerianischen Regierung alimentiert, die Lebensbedingungen in den Aufnahmelagern sind Zeitungsberichten zufolge jedoch insgesamt nicht zufrieden stellend. Das Büro des Sonderbeauftragten des Präsidenten für Fragen der Migration und der Humanitären Hilfe (Office of the Special Assistant to the President on Migration and Humanitarian Affairs) organisierte 2006 die Hilfeleistung zur Rückkehr gestrandeter nigerianischer Flüchtlinge in Marokko und Algerien. Die Regierung Obasanjo führte Anfang April 2007 die Repatriierung von 473 Nigerianern aus libyischen Gefängnissen mit Großchartern durch. Als Aufnahmebehörde fungierte die "National Emergency Management Authority".

 

Entscheidungsgrundlagen:

 

Deutsches Auswärtiges Amt, Aktueller Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Berlin 2007

 

United States Departement of State, Aktueller Country Reports on Human Rights Practices - 2007, Released by the Bureau of Democracy, Human Rights, and Labour

 

U.K. Home Office, Border & Immigration Agency, Country of Origin Information Report, Nigeria, 13. November 2007.

 

U.K. Home Office, Operational Guidance Note Nigeria, 18 January 2007

 

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Informationszentrum Asyl und Migration, Nigeria, Aktuelle Lage, April 2006.

 

Amnesty International, Report 2008, 28. May 2008

 

ACCORD, Nigeria - Länderbericht August 2004

 

BBC News, Country Profile Nigeria (http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/country_profiles/10646557.stm)

 

Wikipedia, Nigeria (http://en.wikipedia.org/wiki/Nigeria)

 

PV

 

Verfahren der Tochter, XXXX, A1 308.175.

 

Beweiswürdigung:

 

Das Verwandtschaftsverhältnis des Beschwerdeführers zu seiner Tochter XXXX ergibt sich insbesondere aus der Geburtsurkunde der Tochter. Der Tochter des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis GZ: A1 308175-1/2008 vom 12.2.2009 subsidiärer Schutz gewährt und eine Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.2.2010 erteilt.

 

An dem Bestehen der Lebensgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und XXXXbesteht insofern kein Zweifel, zumal ein gemeinsamer Haushalt besteht und der Vater des am XXXX geborenen zweiten Kindes vonXXXX, XXXX, ebenfalls der Beschwerdeführer ist.

 

Der Beschwerdeführer war keineswegs in der Lage, die Darstellung seiner Fluchtsituation gleichbleibend wiederzugeben, und waren seine Fluchtgründe unplausibel und unglaubwürdig.

 

Bereits seinen Fluchtweg schilderte der Beschwerdeführer wenig nachvollziehbar, indem er in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt angab, in Nigeria ein Flugzeug ohne Flugticket bestiegen zu haben und auf einmal in Österreich gewesen zu sein. Anschließend hätte ihm ein weißer Mann ein Zugticket nach XXXX gekauft, welches er nach der Fahrt weggeworfen hätte. Es ist aber unmöglich, ein Flugzeug ohne umfassende Personen- und Ticketkontrolle zu besteigen, weswegen der Beschwerdeführer, ohne im Besitz eines Tickets zu sein, niemals in ein Flugzeug gelangen konnte. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Zugticket direkt nach der Fahrt weggeworfen haben soll, deutet ebenfalls auf eine Verschleierung des Fluchtweges hin.

 

Die Behauptung des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt, dass er gesucht werde, weil er beschuldigt würde, an den Kämpfen zwischen Christen und Moslem teilgenommen zu haben und sein Name den Behörden bekannt sei, erscheint schon aus dem Grund nicht glaubhaft, da er nicht in der Lage war näher zu erläutern, wie die Polizei seinen Namen herausgefunden hatte und woher diese wüssten, dass er an den Kämpfen beteiligt war. Auch konnte er nicht erklären, wie die Behörden innerhalb einer kurzen Zeit von vier Tagen schon so intensive Ermittlungen gegen ihn geführt haben und er bereits per Haftbefehl gesucht würde.

 

Der Beschwerdeführer war in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof nicht in der Lage, Auskunft über wesentliche Zeitpunkte, wie zum Beispiel, wann er von XXXX nach XXXX umgezogen ist, zu geben. Er sagte lediglich, er habe "darüber keine Aufzeichnungen geführt". Schließlich gab er erst auf nochmalige Nachfrage an, es sei irgendwann in dem Zeitraum zwischen 1999 bis 2000 gewesen. Befragt nach der Jahreszeit gab er an, dass in Nigeria nur zwischen Trocken- und Regenzeit unterschieden wird. Als er aber eben danach gefragt wurde, konnte er darauf auch nicht antworten und meinte nur: "Ich glaube es war in der Trockenzeit. Ich glaube es. Sicher bin ich mir nicht, ich habe darüber keine Aufzeichnungen."

Dazu ist zu bemerken, dass einem erwachsenen Mann durchaus zugemutet werden kann, dass ihn ein einschneidendes Erlebnis in seinem Leben, nämlich der Umzug weg von seiner Familie in das andere Ende seines Landes, soweit in Erinnerung bleibt, dass er sich zumindest daran erinnern kann, ob es zu dieser Zeit Trocken- oder Regenzeit war, und zwar ohne dass er darüber Aufzeichnungen führen muss.

 

Schon diese unbestimmten Behauptungen deuten darauf hin, dass der Beschwerdeführer die von ihm geschilderten Situationen nicht selbst erlebt haben kann. Wäre dem so, wäre er durchaus in der Lage auch ganz spontan Jahr und Jahreszeit seines Umzuges anzugeben.

 

Anzumerken ist, dass im Gegensatz dazu der Beschwerdeführer über die Unruhen, die angeblich zu seiner Flucht geführt haben, genau Bescheid weiß, und zwar ohne dass er darüber Aufzeichnungen hat. Dazu gab er nämlich, ohne zu zögern, an, dass die religiösen Unruhen im Mai 2004 stattgefunden hätten.

 

Außerdem hat der Beschwerdeführer vor dem Asylgerichtshof sein Vorbringen abweichend von seinem Vorbringen vor dem Bundesasylamt geschildert. Vor dem Bundesasylamt sagte er noch aus, dass er in Nigeria gesucht werde, weil es in XXXX religiöse Ausschreibungen gab und die Moslems alles, einschließlich sein Haus und sein Geschäft niedergebrannt hätten, und die Regierung ihn beschuldige, an diesen Kämpfen teilgenommen zu haben. Dazu führte er aus, dass er schon gekämpft habe; dabei habe er aber niemanden verletzt.

 

Vor dem Asylgerichtshof steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen insoweit, als er angab, mit seiner Familie gerade in der Kirche gewesen zu sein, als plötzlich eine Gruppe Muslime in die Kirche gekommen seien wo sie alles zerstört hätten und schließlich die Kirche anzündeten. Er habe versucht, sich gegen diese Leute zu wehren, die Menschen seien alle davongelaufen und er sei schließlich auch nach Hause gegangen.

 

Auf den Vorhalt in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof, dass seine Aussagen voneinander abweichend wären, nämlich dass zuerst sein Haus und sein Geschäft niedergebrannt worden seien, und später dass die Moslems in der Kirche gegen die Christen vorgegangen seien, gab er an, die Moslems hätten zuerst die Kirche in Brand gesetzt und anschließend sein Geschäft angezündet. Dazu betonte er, dass er dies vor dem Bundesasylamt genauso angegeben hätte. Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer die Niederschrift vom 28.5.2004 vorgehalten, aus der sich ergibt, dass er die angeblichen Geschehnisse in der Kirche definitiv nicht gesagt hat, und er sogar nach erfolgter Rückübersetzung die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Niederschrift mit seiner Unterschrift bestätigt hat. Der Beschwerdeführer versuchte dies damit zu erklären, dass er an diesem Tag noch unter Schock stand. Daraufhin wurde ihm vorgehalten, dass er eingangs der Befragung durch das Bundesasylamt aber angegeben hat, geistig und körperlich in der Lage zu sein, die Verhandlung durchzuführen und auch das Protokoll selbst keine Anzeichen enthält, welche an einem guten Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zweifeln ließe. Obwohl der Beschwerdeführer seine ihm vorgehaltenen Aussagen bejahte, fügte er hinzu, dass er an diesem Tag nicht ganz bei sich gewesen sei.

 

Auch wenn man die Aussagen des Beschwerdeführers vor dem Asylgerichtshof betrachtet waren schon diese für sich allein in sich widersprüchlich. Befragt nach der Dauer seines Aufenthaltes zu Hause nach dem Vorfall in der Kirche gab er zuerst an, dieser sei "nur kurz" gewesen. Auf genau Nachfrage erklärte er dann, er sei "Nur mehr diesen einen Tag." zu Hause gewesen Nur kurz darauf war die Antwort des Beschwerdeführers auf die Frage, wann er denn sein Zuhause verlassen habe: "Ich glaube das war am nächsten Tag. Oder vielleicht auch 2 Tage später.".

 

Es gelang ihm in weiterer Folge nicht, seine Widersprüchliche aufzuklären. Seine Erklärung dahingehend, dass "Am Tag, an dem die Unruhen geschahen, bin ich zunächst nach Hause zurückgegangen. Tags darauf bzw. am übernächsten Tag habe ich mein Haus dann verlassen, als die Polizei verschiedenste Leute abholte." ist insofern nicht ausreichend, als dies wieder nur eine unzureichend konkrete Angabe darstellt.

 

Soweit der Beschwerdeführer schildert, dass er auf dem Weg von der Kirche nach Hause einen Freund, von dem er nur dessen Spitznamen kennt, getroffen hätte und dieser ihm gesagt hätte, dass die Polizei nach ihm suche und zahlreiche Polizisten hinter ihm her sind, ist auszuführen, dass es wenig nachvollziehbar ist, wie es der Polizei möglich sein sollte innerhalb einer so kurzen Zeit die Person des Beschwerdeführers zu identifizieren, obwohl an diesen Unruhen zahlreiche Personen beteiligt waren und er nur einer unter vielen Tausenden war. Auch konnte er nicht darlegen, wieso die Polizei ausgerechnet nach ihm suche, obwohl er mit den Behörden sowie mit der Polizei vorher nie Schwierigkeiten hatte.

 

Schließlich hat der Beschwerdeführer, befragt nach etwaigen Vorstrafen in Österreich, ausdrücklich verneint, jemals verurteilt worden zu sein. Er gab zwar an, dass er in Untersuchungshaft gewesen ist, jedoch sei er nach Abschluss der Ermittlungen wieder freigelassen worden. Die entspricht jedoch insoweit nicht der Wahrheit, als laut Strafregisterauszug der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen in XXXX wegen des Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz sehr wohl zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten rechtskräftig verurteilt wurde.

 

Der Beschwerdeführer konnte somit nicht nachvollziehbar und in sich schlüssig darlegen, dass er Nigeria verlassen habe, weil er von der Regierung bzw. der Polizei wegen seiner Beteiligung an den Kämpfen zwischen Christen und Moslem gesucht werde.

 

Aufgrund der völlig widersprüchlichen und unplausiblen Angaben des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspricht und kann daher sein Vorbringen zu seinen Fluchtgründen den Feststellungen zur Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden.

 

Aber selbst bei Zutreffen des vom Beschwerdeführer in Treffen geführten Fluchtvorbringens wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil ihm in Nigeria jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht. Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Konflikt zwischen Christen und Moslem ist - wie es sich aus zahlreichen Länderberichten ergibt - hauptsächlich regional begrenzt und könnte der Beschwerdeführer durch einen Umzug in einen anderen Teil Nigerias, insbesondere in den südlichen Gebieten des Landes ausweichen, insbesondere da es in Nigeria kein Meldesystem gibt und eine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit besteht. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Beschwerdeführer ursprünglich aus Benin City stammt, wo er bis zu seinem 27. Lebensjahr bei seiner Familie gelebt hat und dort sowohl seine Ausbildung absolviert hat und auch einige Jahre als Elektriker gearbeitet hat. Er ist nach Kanu gezogen um dort selbständig zu werden. Bei einer Rückkehr nach Benin City kann der Beschwerdeführer jederzeit in einen bestehenden Familienverband zu seiner Mutter und seinen Brüdern zurückkehren und hat daher weder wirtschaftliche noch soziale Probleme zu befürchten.

 

Zur Situation im Herkunftsland:

 

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem o.a. Länderdokumentationsmaterial, welches keine Widersprüche aufweist und im Detail die Situation in Nigeria feststellt.

 

Angesichts der Seriosität dieser Quellen besteht für den Asylgerichtshof kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

 

Insbesondere wurde dem Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof oben abgeführtes Länderdokumentationsmaterial vorgehalten und hatte dieser nichts hinzuzufügen.

 

Rechtlich folgt daraus:

 

Anzuwenden war gegenständlich gemäß §75 Abs1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF 2008/4, in Verbindung mit §44 Abs1 AsylG 1997 idF BGBl. I 2003/101 das AsylG in der Fassung BGBl. I 2003/101, da der Beschwerdeführer den Antrag auf Gewährung von Asyl am 26.5.2004 gestellt hat.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist.

 

Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter.

 

Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat.

 

Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor, sodass Senatszuständigkeit gegeben ist.

 

In der Sache selbst:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen oder er staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 23.09.1998, 98/01/0224). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (vgl. zur der Asylentscheidung immanenten Prognose VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352).

 

Im gegenständlichen Fall kann aufgrund der angenommenen Unglaubwürdigkeit des Vorbringens von einer drohenden Verfolgung des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr in seinen Heimatstaat nicht ausgegangen werden.

 

Aber selbst bei Zutreffen der Ausführungen des Beschwerdeführers steht ihm in seinem Heimatstaat eine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

 

Somit war Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheides zu bestätigen.

 

Da es sich beim Beschwerdeführer um einen Familienangehörigen (§ 1 Z 6 AsylG 1997, BGBl I Nr. 101/2003), nämlich dem Vater vonXXXX handelt, in deren Verfahren GZ: A1 308.175-1/2008 der erstinstanzliche Bescheid in Bezug auf die Frage der Abschiebungszulässigkeit behoben wurde, ergibt sich als Konsequenz für das gegenständliche Verfahren aus § 10 Abs. 3 AsylG 1997, BGBl I Nr. 101/2003, dass einem Familienangehörigen eines subsidiär Schutzberechtigten der gleiche Schutzumfang zu gewähren ist. Somit war im gegenständlichen Fall aufgrund der Tochter des Beschwerdeführers, welcher mit heutigem Tag der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Beschwerdeführer der gleiche Schutzumfang einzuräumen.

 

Gemäß § 8 Abs 3 AsylG ist Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§ 13) rechtskräftig abgewiesen wurde, von jener Asylbehörde mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, von der erstmals festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist.

 

Gemäß § 15 Abs 2 AsylG ist die befristete Aufenthaltsberechtigung für höchstens ein Jahr und nach der ersten Verlängerung für höchstens fünf Jahre zu bewilligen. Die Aufenthaltsberechtigung behält bis zur Entscheidung über die Verlängerung durch das Bundesasylamt Gültigkeit.

 

Der Tochter des Beschwerdeführers wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.2.2008 erteilt und war daher dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung im selben Ausmaß zu erteilen.

 

Sohin war insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren, Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative, subsidiärer Schutz
Zuletzt aktualisiert am
21.07.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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