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23/01 Konkursordnung;Norm
ASVG §67 Abs10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Ing. J in Ötztal-Bahnhof, vertreten durch Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 14. September 1998, Zl. Vd-4532/3/Br, betreffend Haftung für Zuschläge gemäß § 25a Abs. 7 BUAG (mitbeteiligte Partei: Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in Wien V, Kliebergasse 1a), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war handelsrechtlicher Geschäftsführer der P. Bau GmbH, über deren Vermögen am 13. Dezember 1995 der Konkurs eröffnet wurde. Die P. Bau GmbH schuldet der Mitbeteiligten für den Verrechnungszeitraum vom 1. Mai 1995 bis 31. Dezember 1995 Zuschläge zum Lohn inkl. Kosten von S 1,687.744,-- zuzüglich Zinsen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 25a Abs. 7 BUAG als Geschäftsführer der P. Bau GmbH zur Haftung für rückständige Zuschläge und Nebengebühren für den Zeitraum Juli bis Dezember 1995 im Gesamtbetrag von S 1,137.744 samt Zinsen herangezogen. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers, der verspätete Konkursantrag könne ihm nicht zur Last gelegt werden, weil die Zahlungsunfähigkeit der GmbH für ihn zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennbar gewesen sei, sei für die Haftung nicht maßgeblich. Entscheidend sei lediglich, ob der Beschwerdeführer nach Eintritt des Liquiditätsengpasses in dem Sinn, dass die vorhandenen Mittel nicht mehr zur Begleichung aller Verbindlichkeiten ausreichten, seine Pflichten als Geschäftsführer ordnungsgemäß wahrgenommen habe. Der Beschwerdeführer habe weder gegenüber der Mitbeteiligten noch im Verfahren vor der Behörde erster Instanz und auch nicht im Berufungsverfahren unter Beweis gestellt oder auch nur glaubhaft gemacht, dass er im Zeitpunkt der Fälligkeit der Zuschläge über keinerlei Mittel verfügt und daher auch an keinen Gläubiger irgendwelche Zahlungen geleistet habe. Bei dieser Sachlage sei ihm aber nach der Rechtsprechung der Nachweis oblegen, aus den vorhandenen Mitteln im Verhältnis zu den anderen Verbindlichkeiten die Kasse zumindest aliquot, d.h. in jenem Ausmaß der vorhandenen Mittel befriedigt zu haben, dass dem Verhältnis des Anteils der Forderungen der Mitbeteiligten an den Gesamtforderungen entsprochen hätte. Trotz Aufforderung durch die Berufungsbehörde habe der Beschwerdeführer nicht einmal versucht, diesen Nachweis zu führen. Nach der Rechtsprechung sei es aber nicht Aufgabe der Behörde, dem Geschäftsführer sein Verschulden nachzuweisen, sondern sei es Aufgabe des Geschäftsführers, seine Schuldlosigkeit unter Beweis zu stellen.
Zur Frage der Uneinbringlichkeit der Zuschläge bei der P. Bau GmbH führte die belangte Behörde wörtlich aus:
"Was die Höhe des Haftungsbetrages anlangt, erübrigte sich die Aufnahme weiterer Beweise, da im Hinblick auf die Dauer des Konkursverfahrens dessen vorrangig zu begleichende Kosten und die weitere Masseforderungen einen Umfang erreichen werden, dass von einer nennenswerten Bedienung sämtlicher Gläubiger mit Sicherheit nicht mehr gesprochen werden kann.
Dazu kommt, dass die Haftung des Berufungswerbers - wie er selbst ausführt - lediglich eine subsidiäre ist und sich selbstverständlich um jenen Betrag vermindert, den die Berufungsgegnerin allenfalls im Konkursverfahren noch erhalten wird."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zlen. 98/08/0191, 0192, hat der Verwaltungsgerichtshof in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 67 Abs. 10 ASVG i.d.F. der 48. ASVG-Novelle (und der Novelle BGBl. Nr. 741/1990) ausgesprochen, zu den "den Vertretern auferlegten Pflichten", an deren schuldhafte Verletzung die in der erwähnten Bestimmung vorgesehene Haftung anknüpfe, gehöre - mangels einer dem § 80 Abs. 1 BAO entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschrift - nicht auch die allgemeine, die Vertreter der Beitragsschuldner (und nicht nur Letztere) gegenüber den Beitragsgläubigern (und nicht nur im Innenverhältnis gegenüber den Vertretenen) treffende Pflicht, aus den von ihnen verwalteten Mitteln für die (bei Insuffizienz der Mittel zumindest anteilige) Abfuhr der Beiträge zu sorgen. Spezifisch sozialversicherungsrechtliche Verpflichtungen der in § 67 Abs. 10 ASVG genannten Vertreter und somit Anknüpfungspunkte für deren persönliche Haftung im Falle der schuldhaften Verletzung dieser ihnen "auferlegten" Pflichten seien im Anwendungsbereich dieser Haftungsnorm nur die aus § 111 ASVG i.V.m. § 9 VStG und aus § 114 Abs. 2 ASVG ableitbaren Verhaltenspflichten (vgl. dazu im Einzelnen das zitierte Erkenntnis).
§ 25a Abs. 7 BUAG ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht anders zu verstehen, als die dieser Vorschrift entstehungsgeschichtlich zu Grunde liegenden Vorschriften des § 9 Abs. 1 BAO und des § 67 Abs. 10 ASVG. Knüpft
§ 9 Abs. 1 BAO nach der ständigen Rechtsprechung der Abgabensenate des Verwaltungsgerichtshofes an die Verletzung spezifisch abgabenrechtlicher Pflichten und § 67 Abs. 10 ASVG - nach der insoweit in dem erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates aufrechterhaltenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - an die Verletzung spezifisch sozialversicherungsrechtlicher Pflichten an, so ist die Haftungsnorm des § 25a Abs. 7 BUAG auf die schuldhafte Verletzung der Pflichten zu beziehen, die das Gesetz den in ihm genannten Vertretern (und nicht nur den Zuschlagsschuldnern selbst) in Zusammenhang mit den Zuschlägen gemäß §§ 21ff BUAG "auferlegt".
Zu diesen die Vertreter selbst im Außenverhältnis treffenden Pflichten gehört hier - auf Grund der Blankettstrafnorm des § 32 Abs. 1 leg. cit. - aber auch die Zahlung der Zuschläge. Aus der Besonderheit, dass die Nichtentrichtung von Abgaben hier unter Strafsanktion steht und diese den Vertreter trifft, ergibt sich daher insoweit - ausgehend von einem gleichen Verständnis der Haftungsnorm - im Unterschied zur Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG auf Grund des hier weiter reichenden Ausmaßes der den Vertretern im Außenverhältnis "auferlegten Pflichten", dass die Mithaftung des Vertreters für die Zuschläge nach dem BUAG an die Verletzung einer ihn gegenüber der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse treffenden Pflicht, für die Entrichtung der Zuschläge zu sorgen, anknüpfen kann. Der angefochtene Bescheid entspricht in dieser Hinsicht auch nach den Maßstäben des Erkenntnisses vom 12. Dezember 2000, Zlen. 98/08/0191, 0192, dem Gesetz (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2000, Zl. 97/08/0568).
Soweit der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde vorbringt, er habe im Zeitpunkt der Fälligkeit der Zuschläge über keinerlei Mittel verfügt, um diese Zuschläge zu bezahlen, und habe aus diesem Grunde auch an die anderen Gläubiger keine Zahlungen mehr geleistet, ist darauf zufolge des Neuerungsverbotes im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht einzugehen.
Zur Behauptung des Beschwerdeführers, die Eröffnung des Konkursverfahrens sei Anhaltspunkt dafür, dass ihm die Mittel zur Zuschlagsentrichtung gefehlt haben, ist er darauf hinzuweisen, dass diese im Dezember 1995 erfolgte, der Haftungszeitraum aber auf Mai 1995 zurückreicht, sodass der Beschwerdeführer insoweit auf seine Mitwirkungspflicht im Verfahren zu verweisen.
Der Beschwerdeführer wurde im Verfahren zur Erstattung eines Vorbringens und eines entsprechenden Beweisanbotes aufgefordert. Er hat jedoch die Aufforderung unbeantwortet gelassen. Die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen, ist daher berechtigt.
Soweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, die belangte Behörde habe keine ausreichende Feststellung über die Uneinbringlichkeit der Zuschläge bei der Beitragsschuldnerin getroffen, ist er im Recht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Haftungspflichtige jedenfalls so lange nicht in Anspruch genommen werden, als ein Ausfall beim Beitragsschuldner als Primärschuldner noch nicht angenommen werden kann. Wesentliche und primäre sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters auch nach § 25a Abs. 7 BUAG ist die objektive, gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der Zuschläge beim Primärschuldner. Erst wenn diese feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen. Mit der Haftungsvoraussetzung der Uneinbringlichkeit der Forderung im Falle eines Konkurses hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt befasst (vgl. auch hiezu das oben zitierte Erkenntnis vom 20. Dezember 2000, Zl. 97/08/0568, mit zahlreichen Nachweisen). Demnach kann aus der Tatsache der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer GmbH allein noch nicht zwingend auf die gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der gegenüber der Gesellschaft entstandenen Abgabenforderung geschlossen werden. Andererseits bedarf es zur Beurteilung dieser Uneinbringlichkeit auch nicht notwendig der vollständigen Abwicklung (bis zur Aufhebung) des Konkurses; sie ist vielmehr bereits anzunehmen, sobald im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht (nicht einmal mit einem ziffernmäßig bestimmbaren Teilbetrag) wird befriedigt werden können. Allgemeine und unbestimmt gehaltene Auskünfte des Masseverwalters sind dabei aber keine ausreichende Beurteilungsgrundlage. Es bedarf vielmehr konkreter, im Einzelnen nachprüfbarer Feststellungen der Behörde über die Befriedigungsaussichten.
Die oben wörtlich wiedergegebenen Feststellungen zeigen, dass die belangte Behörde die Bedeutung der primären Haftungsvoraussetzung der Uneinbringlichkeit der Zuschläge nicht erkannt und deshalb zur Frage, in welchem Ausmaß schon feststehe, dass die Befriedigung der Forderungen im Konkurs nicht möglich sein werde, weder Ermittlungen gepflogen noch Feststellungen getroffen hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 14. März 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998080332.X00Im RIS seit
13.06.2001Zuletzt aktualisiert am
23.04.2014