TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/10 S14 404727-1/2009

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Veröffentlicht am 10.03.2009
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Spruch

S14 404.727-1/2009/2E

 

Im Namen der Republik

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Brauchart als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX, p.A. Asyl in Not, Währingerstraße 59/2, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.02.2009, GZ. 08 11.508 EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich folgender Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger, gelangte am 17.11.2008 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und brachte am selben Tag - ebenso wie seine Ehegattin und seine Töchter, welche getrennt vom Beschwerdeführer nach Österreich einreisten - bei der Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamtes einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Am 18.11.2008 wurde der Beschwerdeführer durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich zu diesem Antrag befragt. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei am 17.10.2008 gemeinsam mit seiner Familie (Ehegattin und zwei Töchter) sowie seiner Schwägerin und einem Kind mit dem PKW von Grosny nach Moskau und in weiterer Folge nach Brest/Weißrussland gefahren, von dort seien sie mit dem Zug nach Terespol/Polen weiter gereist. Nach der Ankunft in Polen am 20.10.2008 seien sie von den polnischen Behörden aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt worden. Sie hätten in Polen einen Asylantrag gestellt. Nach einer Nacht im Lager Debak habe man sie ins Lager XXXX überstellt, wo sie ungefähr einen Monat verbracht hätten. Am 16.11.2008 habe er seine Frau und seine Kinder sowie die Schwägerin mit ihrem Kind in einem PKW nach Österreich geschickt. Da für ihn im PKW kein Platz mehr gewesen sei, habe er einen Bus bis nach Katowicze und weiter bis zur tschechischen Grenze genommen, die er zu Fuß überquert habe. Danach sei er per Autostopp mit einem LKW bis nach Wien gereist, von dort habe er sich nach Traiskirchen begeben.

 

Zum Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer an, Tschetschenien verlassen zu haben, weil er dort in Lebensgefahr gewesen sei, zumal er im zweiten Krieg in Tschetschenien für die Freiheit der Tschetschenen gekämpft habe. Nach dem Krieg sei er zweimal von den "Kadirovcy" geholt und geschlagen worden. Bei seiner dritten Abholung sei es zu einer Schlägerei gekommen, bei der sich ein Schuss gelöst habe und ein "Kadirovcy" getötet worden sei. Weil ihm dies angelastet worden sei, habe man nach ihm gesucht.

 

Eine Eurodac-Abfrage am 17.11.2008 ergab, dass der Beschwerdeführer am 20.10.2008 in Lublin/Polen einen Asylantrag gestellt hat (AS 15).

 

Das Bundesasylamt richtete am 20.11.2008 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen (AS 35). Am 24.11.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und dass seit 20.11.2008 Konsultationen mit Polen geführt würden (AS 43). Mit Schreiben vom 24.11.2008, eingelangt am 25.11.2008, stimmte Polen dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ausdrücklich zu.

 

In weiterer Folge wurde im Zulassungsverfahren auf der Grundlage einer am 29.11.2008 stattgefundenen Untersuchung des Beschwerdeführers eine Stellungnahme eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie eingeholt. Aus dieser Stellungnahme geht hervor, dass der Beschwerdeführer an einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung leide, wobei es sich um eine leichtgradige Depression (Belastungsreaktion) bei psychosozialen Belastungsfaktoren und psychosomatischen Beschwerden handle. Der Beschwerdeführer sei bewusstseinsklar und allseits orientiert, er habe keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen und das Denkziel werde erreicht. Es liege keine produktive Symptomatik vor. Ebenso seien Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis nicht beeinträchtigt. Der Antrieb sei gegeben und die Stimmungslage sei subdepressiv bis leicht depressiv, jedoch lägen weder eine frei flotierende Angst noch eine Suizidalität vor. Die psychosomatischen Beschwerden seien affektiv und derzeit nicht auffällig. Neben einem Magengeschwür habe der Beschwerdeführer auch mit der Bauchspeicheldrüse Probleme. In Dagestan habe der Beschwerdeführer einmal Herzschmerzen verspürt, sonst habe er keine schweren Vorerkrankungen und nehme auch keine Medikamente. Abgesehen von einem Metallsplitter im Nacken und einer Narbe am rechten Handgelenk - beides durch einen Panzerangriff - habe er keine Narben oder Verletzungen. Derzeit könne er nicht gut schlafen, sei nervös sowie geräuschempfindlich und habe öfters Magenschmerzen. Als therapeutisch und medizinisch indizierte Maßnahmen werden in der Stellungnahme eine Abklärung der Magenbeschwerden sowie jener der Bauchspeicheldrüse mit entsprechender Behandlung angeführt. Ebenso eine Einstellung mit einem milden Antidepressivum, wobei die angezeigten Maßnahmen nicht ortsgebunden seien. Bei einer allfälligen Überstellung wäre unbehandelt derzeit eine Verschlechterung der angeführten Symptome möglich (AS 57f).

 

Am 15.12.2008 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt in Anwesenheit eines Rechtsberaters und eines Dolmetschers niederschriftlich einvernommen. Er gab dabei im Wesentlichen an, dass er krank sei und Geschwüre im Magen und im Zwölffingerdarm habe. Im Kopf habe er einen Metallsplitter. Ebenso sei er psychisch krank, könne nicht einschlafen, sei schreckhaft und leide an Verfolgungsängsten. Er nehme nur Medikamente gegen die Magengeschwüre. Zum Ergebnis seiner ärztlichen Untersuchung befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Krankenversicherung habe und nicht zum Arzt gehen könne. Er habe schon zwei Herzinfarkte gehabt, den ersten 2007 in Tschetschenien, den zweiten im Oktober 2008 in Polen, Medikamente habe er diesbezüglich nicht erhalten. Befunde habe er in seiner Unterkunft und die Polizei habe Befunde aus seiner Heimat sichergestellt. Bei seinem ersten Herzinfarkt sei er in Tschetschenien einen Monat, das zweite Mal in Polen ein paar Stunden in einem Krankenhaus gewesen. Der Beschwerdeführer habe dem Arzt bei seiner Untersuchung alles gesagt, warum die Herzinfarkte nicht in der Stellungnahme angeführt seien, wisse er nicht. In Polen habe man ihm Fingerabdrücke abgenommen und habe er einen Asylantrag gestellt, wobei es bisher noch zu keiner Einvernahme gekommen sei. Weder in Österreich noch in Europa habe er Verwandte. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und seine Ausweisung nach Polen - nachdem bereits die Zustimmung der polnischen Behörden eingelangt sei - zu veranlassen, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er in Polen nicht in Sicherheit sei. Ein Freund aus dem Flüchtlingslager Debak habe ihm mitgeteilt, dass die "Blutrachemenschen" in Polen bereits nach ihm suchen würden. Ihm drohe seitens der Familie jenes "Kadirovcys", dessen Tötung ihm fälschlicherweise angelastet werde, Blutrache. Deswegen sei er nach Österreich gekommen, damit er mit seiner Familie in Sicherheit sei. Zu den - dem Beschwerdeführer vorgehaltenen - Länderfeststellungen zu Polen (betreffend gesetzliche Grundlagen, Asylverfahren, Rechte und Pflichten des Asylwerbers, Berufungsmöglichkeit, Abschiebehaft, Dublin II-Asylwerber, Non-Refoulement, Versorgungsleistungen, medizinische Versorgung von Asylwerbern in Polen) nahm der Beschwerdeführer dahingehend Stellung, dass er in Polen nicht sicher sei. Sonst stehe einer Ausweisung nichts entgegen.

 

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 16 Abs.1 lit. c Dublin II-VO" Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen, und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen zulässig sei.

 

Der Bescheid enthält eine ausführliche Darstellung zur Lage in Polen, insbesondere zum polnischen Asylverfahren sowie zur Versorgung von Asylwerbern einschließlich der Behandlungsmöglichkeiten traumatisierter Asylwerber, zu staatlichen Leistungen für Fremde mit (bloß) toleriertem Aufenthalt. Asylwerber haben in Polen ein Recht auf medizinische Betreuung, wobei sie auf jene medizinische Versorgung Anspruch haben, die auch polnischen Bürgern zusteht. In jedem Aufnahmezentrum ist ein Allgemeinmediziner beschäftigt, der auch den Bedarf an spezialisierten Behandlungen abklärt. Psychologische Unterstützung wird in allen Aufnahmeeinrichtungen für Asylwerber angeboten. Psychologen arbeiten für das polnische Innenministerium im Bereich der Betreuung von Asylsuchenden. Auch Nichtregierungsorganisationen bieten psychologische Unterstützung an. Im Lager Debak befindet sich eine Arztpraxis, in der auch eine Dentalbehandlung möglich ist. Ein Arzt und eine Krankenschwester sind während der Woche anwesend. Es werden nur unumgängliche Operationen und Behandlungen außerhalb des Aufnahmezentrums bewilligt. Psychologische Betreuung ist einmal wöchentlich sichergestellt. Großes Augenmerk wird auf Kinderbetreuung und verschiedene Kursmaßnahmen, wie Polnisch-Kurse, aber auch EDV-Ausbildung usw. gelegt (AS 137ff). Aus der Darstellung des Bundesasylamtes geht hervor, dass das Verfahren in Polen den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts genügt; es lässt sich daraus nicht ableiten, dass Polen etwa eine mit der GFK unvertretbare rechtliche Sonderposition verträte. Eine ausreichende Versorgung von Asylwerbern - auch von solchen mit psychischen und physischen Problemen - ist demnach gewährleistet. Es ist davon auszugehen, dass es hinsichtlich der medizinischen Versorgung in Polen keine schwerwiegenden Unterschiede zu Österreich gibt und in Polen auch grundsätzlich alle Krankheiten behandelbar sind.

 

3. Gegen den genannten Bescheid des Bundesasylamtes richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher das Asylverfahren in Polen kritisiert und vorgebracht wird, Polen sei für den Beschwerdeführer wegen zu befürchtender Blutrache und wegen dort lebender russischer Staatsangehöriger nicht sicher. Im Fall des Beschwerdeführers sei ein Selbsteintritt Österreichs wegen vorliegender humanitärer (medizinischer) Gründe indiziert.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Der Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seiner Ehegattin und seinen zwei minderjährigen Töchtern von Weißrussland kommend nach Polen, wo er am 20.10.2008 in Lublin erstmals einen Asylantrag stellte. Am 17.11.2008 gelangte der Beschwerdeführer nach Österreich, wo er am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Die übrigen Familienangehörigen des Beschwerdeführers, welche auch am 17.11.2008, jedoch getrennt vom Berufungswerber nach Österreich einreist waren, stellten ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Außer den genannten Familienangehörigen leben keine nahen Angehörigen des Beschwerdeführers in Österreich.

 

2. Die Feststellungen zum Reiseweg des Beschwerdeführers, zu seiner Asylantragstellung in Polen und seinen persönlichen Verhältnissen ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers iVm der damit im Einklang stehenden Aktenlage.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Im vorliegenden Fall ist das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 anzuwenden.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

3.2. Zur Frage der Zuständigkeit Polens (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

 

Die Dublin II-VO sieht in den Art. 6 bis 14 des Kapitels III Zuständigkeitskriterien vor, die gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO in der im Kapitel III genannten Reihenfolge Anwendung finden. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.

 

Die weiters hier relevanten Bestimmungen der Dublin II-VO lauten:

 

Artikel 10:

 

"(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

 

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Asylbewerber - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich zum Zeitpunkt der Antragstellung zuvor während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

 

Hat der Asylbewerber sich für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo dies zuletzt der Fall war, für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

 

Artikel 13:

 

"Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung nicht bestimmen, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig."

 

Artikel 16:

 

"Art. 16 (1) Der Mitgliedstaat der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, ist gehalten:

 

(...)

 

c) einem Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen."

 

(...)

 

(3) Die Verpflichtungen nach Absatz 1 erlöschen, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, der Drittstaatsangehörige ist im Besitz eines vom Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels."

 

Unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes, wonach der Beschwerdeführer zunächst von Weißrussland kommend nach Polen eingereist ist und in Polen erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und er auch - mit Ausnahme der im Familienverfahren behandelten Familienmitglieder - keine "Familienangehörigen" (iSd Art. 7 iVm Art. 2 lit i Dublin II-VO) in Österreich hat, ergibt sich die Zuständigkeit Polens schon aus Art. 10 Dublin II-VO, jedenfalls aus Art. 13 Dublin II-VO. Darüber hinaus hat Polen seine Zuständigkeit ausdrücklich unter Hinweis auf den Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO bejaht und sich zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers bereit erklärt. Hinweise darauf, dass die Zuständigkeit Polens in weiterer Folge wieder entfallen wäre, liegen weder aufgrund der Aktenlage noch aufgrund der Behauptungen des Beschwerdeführers vor. Ausgehend davon ist Polen nach der Dublin II-VO zu Prüfung des Asylantrages des vorliegenden Asylantrages zuständig; auch in der Beschwerde wird diese Beurteilung nicht in Frage gestellt.

 

Die in § 28 Abs. 2 AsylG festgelegte zwanzigtägige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG gilt im Übrigen hier nicht, weil dem Beschwerdeführer das Führen von Konsultationen gemäß Dublin-Verordnung fristgerecht mitgeteilt wurde.

 

3.2.1. Zu prüfen bleibt, ob besondere Gründe iSd § 5 Abs. 3 AsylG für einen fehlenden Schutz vor Verfolgung vorliegen bzw. ob im Fall des Beschwerdeführers vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen ist.

 

3.2.1.1. Hinsichtlich des § 5 Abs. 3 AsylG ist davon auszugehen, dass mit dieser Bestimmung eine Beweisregel normiert wird, nach der der Asylwerber besondere Gründe vorbringen muss, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes sprechen. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen. Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Behörde entweder notorisch von solchen Umständen - die nur nach einer entscheidenden Änderung zum jetzigen Zustand im jeweiligen Staat vorliegen können - weiß oder diese vom Asylwerber glaubhaft gemacht werden müssen (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage 952 BlgNR XXII GP9).

 

Trotz Unzuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Asylbegehrens ist vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO dann Gebrauch zu machen, wenn eine strikte Handhabung der Unzuständigkeit zu einer Grundrechtswidrigkeit führen würde (VfGH 15.10.2004, G 237/03u.a., VfGH 17.06.2005, B 336/05, VwGH 31.05.2005. Zl. 2005/20/0095, VwGH 26.07.2005, Zl. 2005/20/0224). Der Verfassungsgerichtshof geht - gestützt auf den Erwägungsgrund 2 der Dublin II-VO - davon aus, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union andere Mitgliedstaaten, die alle den Grundsatz der Nichtzurückweisung achten, als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige zu behandeln haben. Dabei erfolgt bei Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Vergewisserung, dass diese untereinander sichere Staaten für Drittstaatsangehörige darstellen, nicht durch die Mitgliedstaaten, sondern durch die Organe der Europäischen Union, im konkreten Fall durch den Rat bei Erlassung der Dublin II-VO, sodass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher ist. Indem die Dublin II-VO den Asylbehörden der Mitgliedstaaten aber ein Eintrittsrecht einräumt, ist eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall auch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte die innerstaatliche Überprüfung die Auswirkungen ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, so ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben (VfGH 17.06.2005, B 336/05). Bezugspunkt der Prüfung unter den Aspekten des Art. 3 EMRK ist dabei die Aufenthaltsbeendigung durch Österreich unter dem Gesichtspunkt der Risiken, denen der Betroffene damit ausgesetzt wird. Aus Art. 3 EMRK ergibt sich - unbeschadet internationaler Vereinbarungen oder gemeinschaftsrechtlicher Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen - das Erfordernis der Bedachtnahme auf ein allfälliges Risiko einer Kettenabschiebung, wobei in diesem Zusammenhang auch Verfahrensgestaltungen im Drittstaat von Bedeutung sein können. Die Bedachtnahme auf das Ausmaß verfahrensrechtlicher Garantien im Drittstaat ist aber nur Teil einer ganzheitlichen Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Maßgeblich ist somit, ob eine Gefahrenprognose zu treffen ist, der zufolge ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiiertes "real risk" besteht, ein auf Grund der Dublin II-VO in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber werde trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt sein (VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095, VwGH 31.05.2005, Zl. 2002/20/0582).

 

Hinsichtlich der Prüfung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK ist zunächst festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet sei. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa dann vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union - wie zB Polen - ist auch zu berücksichtigen, dass dieser zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet ist. Gemäß Art. 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst bzw. dass Asylwerber mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (VfGH 06.03.2008, B 2400/07).

 

3.2.1.2. Nach Auffassung des Asylgerichtshofes wurden im Verfahren keine besonderen Gründe aufgezeigt, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Polen im Sinne des § 5 Abs. 3 AsylG sprechen bzw. die nach den Maßstäben der dargestellten höchstgerichtlichen Judikatur einen Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO erforderlich machen würden; derartige Gründe sind auch nicht offenkundig.

 

a.) Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Gesundheitszustand kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Der im Verfahren eingeholten ärztlichen Stellungnahme (AS 57; s. oben Pkt. I.1.) zufolge ist davon auszugehen, dass beim Beschwerdeführer zwar eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliegt, dass es sich bei dieser jedoch um eine leichtgradige Depression (Belastungsreaktion) bei psychosozialen Belastungsfaktoren und mit psychosomatischen Beschwerden handelt, die mit einem milden Antidepressivum einstellbar ist. Die vorgeschlagenen therapeutischen und medizinischen Maßnahmen sind der Stellungnahme zufolge nicht ortsgebunden durchführbar. Laut Stellungnahme wäre bei einer Überstellung nach Polen lediglich unbehandelt eine Verschlechterung der Symptome des Beschwerdeführers möglich. Ausgehend davon sowie angesichts des Krankheitsbildes des Beschwerdeführers sowie des Umstandes, dass aus medizinischer Sicht eine medizinisch-psychologische Behandlung des Beschwerdeführers ortsungebunden, dh auch in Polen, stattfinden kann und den Berichten zu Polen zufolge die für den Beschwerdeführer notwendigen Untersuchungen/Behandlungen auch in Polen durchgeführt werden können sowie die notwendigen Medikamente auch in Polen erhältlich sind, kann kein - nach Art. 3 EMRK relevanter - akut existenzbedrohender Krankheitszustand und keine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers im Falle der Überstellung nach Polen erkannt werden.

 

Zu den zwei vom Beschwerdeführer bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.12.2008 angegebenen Herzinfarkten ist anzumerken, dass solche aus der ärztlichen Stellungnahme nicht hervorgehen. In der Stellungnahme werden nur einmalige "Herzbeschwerden" in Dagestan angesprochen. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe die Herzinfarkte bei der Untersuchung angegeben und wisse nicht, weshalb sie im Gutachten fehlen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass der untersuchende Arzt die Herzinfarkte in seiner Stellungnahme behandelt hätte, wenn der Beschwerdeführer sie ihm mitgeteilt hätte. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der untersuchende Arzt in der Stellungnahme einerseits "Herzbeschwerden" des Beschwerdeführers thematisieren, andererseits auf zwei ihm mitgeteilte Herzinfarkte aber nicht eingehen sollte. Abgesehen davon wurden bei der ärztlichen Untersuchung vom Beschwerdeführer offensichtlich keine auf eine ernstzunehmende Herzerkrankung hindeutenden Symptome angegeben, sodass auch der untersuchende Arzt trotz Kenntnis der "Herzbeschwerden" des Beschwerdeführers weder eine ernstzunehmende Herzerkrankung diagnostizierte noch sich veranlasst sah, diesbezüglich eine Untersuchung oder Behandlung anzuregen. Ausgehend davon kann von einer - die Überstellung nach Polen hindernden - akut schwerwiegenden Herzerkrankung nicht ausgegangen werden. Auch in der Beschwerde werden die Herzinfarkte ohne nähere Darlegung nur am Rande erwähnt. Hinzu tritt, dass auch diesbezüglich eine medizinische Versorgung des Beschwerdeführers in Polen gewährleistet wäre.

 

Die im Beschwerdefall vorliegenden psychischen und physischen Erkrankungen weisen jedenfalls nicht jene besondere Schwere auf, die nach der angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK eine Überstellung nach Polen als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe, zumal eine (Re-)Traumatisierung des Beschwerdeführers durch zwangsweise Ausweisung dadurch verhindert wird, dass der Beschwerdeführer unter möglichster Schonung seiner Person unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes überstellt wird und hinsichtlich der Erkrankungen des Beschwerdeführers eine Behandlung und Therapie jedenfalls auch in Polen gewährleistet ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer wegen dieser Erkrankungen in Österreich regelmäßig oder in einer intensiven Art und Weise medizinisch-psychiatrisch behandelt worden wäre oder dass diese Erkrankungen den Aufenthalt in einer geschlossenen Psychiatrie notwendig gemacht hätten. Nach dem Gesagten stellen die Erkrankungen des Beschwerdeführers somit kein Abschiebehindernis und keine Gründe für einen zwingenden Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO dar (zur Abschiebung eines psychisch kranken russischen Asylwerbers nach Polen s. VfGH 6.3.2008, B 2400/07).

 

b) Mit den allgemein gehaltenen Behauptungen des Beschwerdeführers, es bestünde in Polen eine Bedrohung wegen Blutrache und durch russische Staatsangehörige, wird ein "real risk" einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung nicht dargetan, zumal sich das diesbezügliche Vorbringen in bloßen Mutmaßungen erschöpft und auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass seitens polnischer Behörden gegenüber allfälligen Bedrohungen des Beschwerdeführers effektiver Schutz nicht zur Verfügung gestellt würde. Polen wäre als Mitgliedstaat der EU in der Lage und willens, dem Beschwerdeführer vor allfälligen Übergriffen nichtsstaatlicher Akteure effektiv Schutz zu bieten. Soweit der Beschwerdeführer das Asylverfahren in Polen kritisiert, werden keinerlei konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die die Verfahrensgestaltung unter Gesichtspunkten der EMRK bedenklich erscheinen lassen würden. Bereits bei einer Grobprüfung erkennbare, grundsätzliche und schwerwiegende Mängel im polnischen Asylverfahren sind schon auf Basis der Feststellungen des Bundesasylamtes nicht erkennbar. Solche werden auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht. Konkretes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Polen in Hinblick auf tschetschenische Asylwerber unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, wurde nicht erstattet. Der bloße Umstand, dass eine Reihe von Asylverfahren negativ endet (wobei in Polen notorischerweise Asylwerber aus Tschetschenien zumindest tolerierten Aufenthalt erhalten), ist mangels Bestehens eines allgemeinen Konsens über eine Gruppenverfolgung von Tschetschenen in Russland und mangels verifizierbarer Angaben über ein Fehlverhalten polnischer Behörden im vorliegenden Fall nicht ausreichend, die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG zu erschüttern. Hinzu tritt, dass die jüngsten Änderungen der polnischen Gesetzeslage für Asylwerber insbesondere die Einführung des subsidiären Schutzes entsprechend gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben betrafen. Durch das Bemühen des polnischen Staates die Richtlinie 2004/83/EG umzusetzen, welches zur Einführung des "subsidiären Schutzstatus" neben Flüchtlingsstatus und "tolerated stay" führte, gibt es jedenfalls keinen Grund zur Annahme, dass tschetschenische Asylwerber in Polen potentiell gefährdet wären bzw. das Polen allgemein oder im Besonderen gegenüber tschetschenischen Schutzsuchenden bedenkliche Sonderpositionen verträte.

 

c) Hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Art. 8 EMRK ist festzuhalten, dass (mit Ausnahme der im Familienverfahren behandelten Ehegattin und Töchter des Beschwerdeführers) keine nahen Angehörigen des Beschwerdeführers in Österreich leben. Er lebt auch mit keiner anderen Person in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Es liegen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich vor. Ein dahingehender Sachverhalt wurde im Verfahren auch gar nicht behauptet. Ausgehend davon kann eine Verletzung des Art. 8 EMRK bei einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen nicht erkannt werden.

 

Zusammengefasst stellt daher die Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs und die damit verbundene Überstellung des Beschwerdeführers weder eine Verletzung des Art. 8 EMRK noch ein "real risk" einer Verletzung des Art. 3 EMRK dar. Somit besteht kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.

 

3.3. Gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG gilt der Antrag des Familienangehörigen eines Asylwerbers auf internationalen Schutz als "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes". Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG sind Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind "unter einem" zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Der Beschwerdeführer und seine Ehegattin und ihre Kinder sind Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG des jeweils anderen, alle haben einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, keinem wurde bisher Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt, das Verfahren keines von ihnen wurde bisher zugelassen. Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur - insoweit vergleichbaren - Vorgängerbestimmung (§ 10 Abs. 5 AsylG 1997) bedeutet dies auch, dass dann, wenn das Verfahren auch nur eines Familienangehörigen zuzulassen ist, dies auch für die Verfahren aller anderen gilt (VwGH 18.10.2005, Zl. 2005/01/0402). Sollte daher der Asylantrag eines Familienangehörigen zuzulassen sein, so würde dies auch für den gegenständlichen Antrag selbst gelten. Die Beschwerdeverfahren, welche die Ehegattin und ihre Kinder betreffen, haben aber nicht ergeben, dass ihre Verfahren zuzulassen wären. Vielmehr wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom selben Tag die Beschwerden der Ehegattin und der Kinder ebenfalls als unbegründet abgewiesen.

 

3.3. Zur Ausweisung des Beschwerdeführers nach Polen (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides): Zu diesem Spruchpunkt sind im Beschwerdefall keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich, zumal weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist, noch der Beschwerdeführer in Österreich über nahe Angehörige verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ersichtlich. Die Ausweisung des Beschwerdeführers - gemeinsam mit seiner Ehegattin und seinen Kindern - erweist sich daher als zulässig.

 

3.5. Es war somit spruchgemäß die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ergebnis war auf den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr einzugehen.

 

3.6. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverfahren, gesundheitliche Beeinträchtigung, medizinische Versorgung, real risk, Rechtsschutzstandard, staatlicher Schutz, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008), Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
15.07.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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