TE Vfgh Erkenntnis 1998/6/24 B2676/97

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Veröffentlicht am 24.06.1998
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art83 Abs2
RundfunkG §27 Abs1 Z1 litb

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Bestimmung des RundfunkG über die Zulässigkeit einer Beschwerde an die Rundfunkkommission wegen behaupteter Verletzung des RundfunkG unter der Voraussetzung der Unterstützung der Beschwerde von mindestens 500 weiteren Inhabern einer (Rundfunk-Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung; keine Gleichheitswidrigkeit der Festlegung einer starren Mindestanzahl der für eine Popularbeschwerde erforderlichen Unterschriften unabhängig von der voraussichtlichen Reichweite einer Sendung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, den beteiligten Parteien Gerhard Zeiler und dem Österreichischen Rundfunk zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 27.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 16. September 1997 wies die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (im folgenden: RFK) die an sie vom nunmehrigen Beschwerdeführer vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß §27 Abs1 Z1 litb Rundfunkgesetz, BGBl. 379/1984 (im folgenden: RFG) wegen Verletzung des Objektivitätsgebotes erhobene Beschwerde zurück, da die Eingabe nicht von (zumindest) 500 Inhabern einer (Rundfunk-Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung unterstützt worden war. Der Beschwerdeführer - ein Angehöriger der slowenischen Volksgruppe in Kärnten - behauptete, daß in der Sendung "Dober dan Koroska" vom 29. Juni 1997 über die "Präsentation des Memorandums der österreichischen Volksgruppen" insofern einseitig berichtet worden sei, als im wesentlichen nur eine ausführliche Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers zum Memorandum gesendet, nicht aber die Kritik zweier bedeutender Organisationen der Kärntner Slowenen zu diesem Memorandum wiedergegeben worden sei. Die Beschwerde sei von 366 Inhabern einer (Rundfunk-Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung unterstützt worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung (nicht näher bezeichneter) verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und wegen Anwendung einer gleichheitswidrigen generellen Norm, nämlich des §27 Abs1 Z1 litb RFG begehrt wird. Gleichzeitig wird angeregt, ein Normprüfungsverfahren einzuleiten und die Wortfolge "mindestens 500" in §27 Abs1 Z1 litb RFG als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Der Generalintendant des Österreichischen Rundfunks brachte eine Äußerung ein, in der er dem Beschwerdevorbringen entgegen- und für eine kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintrat.

4. Darauf replizierte die beschwerdeführende Partei.

5. Die RFK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zur Zulässigkeit:

1. Die RFK ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug im Sinne des Art144 Abs1, zweiter Satz, B-VG ist also ausgeschöpft (vgl. VfSlg. 12795/1991, 12969/1992, 13509/1993 uvam.).

2. Wie der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 7716/1975, 7717/1975, 7718/1975, 8320/1978 und 13338/1993 darlegte, ist es nicht ausgeschlossen, daß eine (natürliche oder juristische) Person, die eine auf §27 Abs1 Z1 RFG gestützte Beschwerde an die RFK gerichtet hat, durch den ihren Antrag ablehnenden Bescheid der Kommission in (irgend-)einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt wird. Sie ist daher legitimiert, gegen den Bescheid der Kommission gemäß Art144 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen.

3. Die Prozeßvoraussetzungen treffen (insgesamt) zu (vgl. VfSlg. 12491/1990, 12795/1991, 13338/1993, 13510/1993), die Beschwerde ist daher zulässig.

B. In der Sache:

1.1. Der Vorwurf der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wird mit Bezug auf die behauptete Anwendung eines verfassungswidrigen einfachen Bundesgesetzes in der Beschwerde wie folgt darzutun versucht:

"Gemäß §27 Abs1 Z1 litb RFG entscheidet die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes über Beschwerden eines Inhabers einer Rundfunk-Hauptbewilligung, sofern eine solche Beschwerde von mindestens 500 weiteren Inhabern einer derartigen Bewilligung unterstützt wird. Dabei macht der Gesetzgeber keinen Unterschied dahingehend, wie groß die potentielle Seheranzahl einer Sendung ist, sondern verlangt für jede Popularbeschwerde die Unterstützung von 500 Inhabern einer Rundfunk-Hauptbewilligung.

Auszugehen ist davon, daß eine österreichweit ausgestrahlte Sendung in deutscher Sprache potentiell von 8 Mio. Menschen gesehen werden kann. Für eine Beschwerde an die Rundfunkkommission sind 500 Unterstützungserklärungen notwendig, es ist somit ausreichend, wenn 0,006 % der potentiellen Seher eine derartige Beschwerde unterstützen.

Bei einer Bundesländersendung, etwa im kleinsten Bundesland Burgenland, ist ausgehend von einer potentiellen Seheranzahl von 270.000 für eine Beschwerde an die Rundfunkkommission noch immer die Unterstützung von lediglich 0,18 % der potentiellen Seher ausreichend. Es ist in diesen Fällen daher die Beibringung der erforderlichen Anzahl an Unterstützungserklärungen keinesfalls unzumutbar.

Bei Volksgruppensendungen, wie es die Sendung 'Dober dan Koroska' ist, ist jedoch die potentielle Seheranzahl von vornhinein beschränkt. Es ist zwar möglich die Sendung kärntenweit zu empfangen, da die Sendung jedoch in slowenischer Sprache gestaltet wird, ist davon auszugehen, daß sie, abgesehen von einer vernachlässigbaren Anzahl von Personen mit entsprechenden Fremdsprachenkenntnissen, ausschließlich von den Angehörigen der slowenischen Volksgruppe in Kärnten verstanden wird. Bei der Volkszählung 1991 haben nun etwa 15.000 Personen angegeben die slowenische Sprache als Umgangssprache zu verwenden. Geht man daher von einer potentiellen Seheranzahl für diese Volksgruppensendung in der Höhe von 15.000 aus, müßte eine Beschwerde an die Rundfunkkommission bereits von 3,3 % aller Volksgruppenangehörigen unterstützt werden. Wenn man zusätzlich berücksichtigt, daß nicht jeder Volksgruppenangehörige Inhaber einer Rundfunk-Hauptbewilligung ist, sondern man bei einer vorsichtigen Schätzung davon ausgeht, daß dies nur auf jeden dritten Volksgruppenangehörigen zutrifft, müßte eine Beschwerde bereits von 10 % aller Volksgruppenangehörigen, welche Inhaber einer Rundfunk-Hauptbewilligung sind, unterstützt werden. Wenn man davon ausgeht, daß die Ergebnisse der Volkszählung 1991 nicht das tatsächliche Bild wiedergeben, sondern die Zahl der Volksgruppenangehörigen höher liegt, verändern sich diese Prozentsätze zwar entsprechend, bleiben aber im Vergleich zu den Prozentsätzen bei bundesweit ausgestrahlten Sendungen oder Bundesländersendungen in deutscher Sprache noch immer unzumutbar hoch.

Der Beschwerdeführer geht daher davon aus, daß §27 Abs1 Z1 litb RFG insofern gleichheitswidrig ist, als diese Bestimmung in Ansehung von Volksgruppensendungen ein sachlich nicht gerechtfertigtes unverhältnismäßig hohes Quorum von Unterstützungserklärungen erfordert. Würde man für eine bundesweit ausgestrahlte Sendung in deutscher Sprache ein prozentmäßig gleich hohes Quorum des potentiellen Seherkreises an Unterstützungserklärungen fordern, müßten für eine Beschwerde an die Rundfunkkommission bereits die Erfordernisse eines erfolgreichen Volksbegehrens erfüllt sein und über 250.000 Unterstützungserklärungen vorliegen.

Der Beschwerdeführer fühlt sich daher insofern in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, als es ihm als Volksgruppenangehörigen nur unter unzumutbar schwierigen Bedingungen möglich ist eine Beschwerde an die Rundfunkkommission wegen der behaupteten Verletzung des Objektivitätsgrundsatzes in der einzigen für die slowenische Volksgruppe vorgesehenen Fernsehsendung einzubringen. Damit verbunden ist die Gefahr, daß Verletzungen des Objektivitätsgrundsatzes in dieser einzigen slowenischsprachigen Fernsehsendung schwieriger bzw. überhaupt nicht geahndet werden können, da keine effektive Beschwerdemöglichkeit besteht."

1.2. In der Äußerung des beteiligten Generalintendanten vom 10. Dezember 1997 wird den gegen die dem Bescheid tragenden Rechtsvorschriften vorgebrachten Bedenken entgegengetreten und diese Auffassung wie folgt begründet:

"I.

Der Beschwerdeführer releviert im wesentlichen, daß für regionale Sendungen, zumal diese nur von einem Bruchteil der Bevölkerung (diesfalls aufgrund der slowenischen Sprache) verstanden werden können, die erforderliche Anzahl von 500 Unterschriften für eine Popularbeschwerde zu hoch und unsachlich wäre.

Das Rundfunkgesetz legt für Verletzungen desselben, durch die nicht eine Person unmittelbar geschädigt zu sein behauptet, fest, daß eine derartige Beschwerde von mindestens 500 weiteren Inhabern (zusätzlich zum Beschwerdeführer) einer Rundfunk- (Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung unterstützt werden muß. Darüber hinausgehend gibt es ein Antragsrecht des Bundes, eines Landes, der Hörer- und Sehervertretung bzw des Kuratoriums (§27 Abs1 Z2 RFG).

In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des RFG 1974 findet man zur Voraussetzung von 500 Unterschriften für eine Popularbeschwerde die Bemerkung, dies 'erscheint nicht sehr sinnvoll, da diese Zahl wesentlich höher liegen müßte, um notorische Querulanten abzuhalten'. Daraus ist sehr deutlich der Zweck dieser Bestimmung zu erkennen. Objektive Rechtsverletzungen können ja darüber hinausgehend auch vom Bund, den Ländern, der Hörer- und Sehervertretung bzw dem Kuratorium releviert werden, weniger Unterschriften sind daher nicht durch ein Rechtschutzbedürfnis zu rechtfertigen.

II.

Der Beschwerdeführer übersieht bei seiner Argumentation weiters, daß die Unterstützungserklärungen gemäß §27 Abs1 Z1 litb RFG nicht zur Voraussetzung haben, daß der Unterstützende die Sendung tatsächlich sehen konnte bzw daß er sie auch tatsächlich verstanden hat (zB sprachliche Gründe, Kinder, ...). Es muß lediglich das Formalerfordernis 'Inhaber einer Rundfunk- (Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung vorliegen. Das heißt, es könnte eine Beschwerde gegen eine Sendung im Kärntner Regionalprogramm in slowenischer Sprache auch von einem Wiener unterstützt werden, der die Sendung weder gesehen hat noch (mangels Kenntnis der slowenischen Sprache) verstehen hätte können. Demgemäß ist die Bestimmung über die Legitimation zur Popularbeschwerde durchaus verfassungskonform, da aufgrund des Formalerfordernisses 'Inhaber einer Rundfunk-(Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung' keine Sendung (das heißt, weder bundesweit noch regional) betreffend die Beschwerdelegitimation 'benachteiligt' ist.

Die Grenze von 500 Unterschriften ist auch deswegen sachlich gerechtfertigt, weil sie sich an der Untergrenze (vgl oben I. Abs3: ErläutRV 1974) orientiert. Das heißt, die 500 Unterschriften sind nicht auf die Gesamtheit der derzeit ca. 2,6 Mio Medienhaushalte abgestimmt: Die Folge ist daher auch nicht, daß - wie in der Beschwerde gefordert - für weniger Haushalte, in denen die slowenische Sprache gesprochen wird, weniger Unterschriften erforderlich sind, sondern daß im Gegenteil diese Regelung bereits eine 'Privilegierung' der in Frage kommenden Medienhaushalte, die einer Minderheit zuzuordnen sind, darstellt. Darüber hinausgehend wurde die inkriminierte Sendung auch bundesweit ausgestrahlt (30.6.1997, 2.05 Uhr), weshalb die Argumentation des Beschwerdeführers auch aus diesem Grund unzutreffend ist.

In diesem Zusammenhang verweisen wir auch auf die VfGH-Entscheidung vom 5.12.1983 ('Gemeinschaftsantennenanlage II, B19/83, RfR 1984, 16 ff), in der ausgesprochen wurde, daß (iS des §17 Abs3 Zif 2 litb UrhG das Kriterium der

'Öffentlichkeit' bei Vorliegen von) 500 (Teilnehmern, hier:) Unterschriften im Rahmen der Verfolgung (zulässiger) rechtspolitischer Ziele als sachlich gerechtfertigt angesehen werden können.

III.

Weiters ist auszuführen, daß gemäß Art144 B-VG der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden entscheidet, soweit der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Wesentlich im konkreten Fall ist daher, ob die vom Beschwerdeführer relevierte Verfassungswidrigkeit von §27 Abs1 Z1 litb RFG diesem ein subjektives Recht einräumt. Dies ist ganz klar zu verneinen, ergibt sich doch bereits aus §27 Abs1 Z1 lita RFG (Individualbeschwerde) eindeutig, daß genau jene Bestimmung es ist, die ein subjektives (Beschwerde-) Recht einräumt, nicht aber eine Beschwerde nach §27 Abs1 Z1 litb RFG, es sei denn, ein solches wäre bereits im (allenfalls inhaltslosen) 'Recht auf Beschwerdeerheben' zu sehen."

2. Die Beschwerde ist nicht begründet.

2.1. Nach §27 Abs1 Z1 litb RFG entscheidet die RFK - soweit dafür nicht eine andere Verwaltungsbehörde oder ein Gericht zuständig ist - über die Verletzung von Bestimmungen des RFG aufgrund von Beschwerden eines Inhabers einer (Rundfunk-Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung, sofern eine solche Beschwerde von mindestens 500 weiteren Inhabern einer derartigen Bewilligung unterstützt wird. Wäre diese Bestimmung gleichheitswidrig (unsachlich), dann wäre der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer gleichheitswidrigen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.2. Die Einrichtung der Beschwerdemöglichkeit an die RFK gemäß §27 RFG tritt zu den im Rahmen des österreichischen Rechtsschutzsystems der Bundesverfassung vorgesehenen Rechtsschutzeinrichtungen ergänzend hinzu. Aus Sicht der Bundesverfassung insgesamt, aber auch unter Bedachtnahme auf das BVG über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks ist die Eröffnung einer solchen besonderen Beschwerdemöglichkeit nicht zwingend vorgesehen. Entschließt sich der Gesetzgeber zur Schaffung einer solchen besonderen, zusätzlichen Rechtsschutzeinrichtung, unterliegen die diesbezüglichen Regelungen zwar dem Gleichheitsgebot, doch steht dem Gesetzgeber ein weiterer Gestaltungsspielraum offen als bei Ausgestaltung der in der und durch die Bundesverfassung vorgeprägten, weil näher geregelten Institutionen des Rechtsschutzes.

§27 Abs1 Z1 litb RFG sieht für die Zulässigkeit von Beschwerden an die RFK, in denen bloß die Verletzung des RFG gerügt wird, die Unterstützung von 500 Inhabern einer (Rundfunk-Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung in Form einer Unterschriftenliste vor (§27 Abs2 RFG). Bei diesen (Popular)Beschwerden ist - im Gegensatz zur lita der genannten Bestimmung - nicht die Behauptung erforderlich, durch die Gesetzesverletzung in seinen Rechten unmittelbar geschädigt zu sein. Für die Fällung einer Entscheidung in der Sache durch die RFK genügt es, wenn die Beschwerde erkennbar zum Ausdruck bringt, daß ein Verhalten seitens des ORF gegen das RFG verstoße. Die Verpflichtung zur Objektivität bei der Auswahl und Vermittlung von Nachrichten und Reportagen, bei der Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen, bei der Wiedergabe von Kommentaren und Sachanalysen (vgl. §2 RFG) bringt es mit sich, daß beim bloßen Erfordernis der Behauptung der Verletzung des RFG von der Sache her alles und jedes bekämpft werden kann. Naturgemäß können auch eindeutig bloß subjektive Empfindungen und Beurteilungen der Zuseher bzw. Zuhörer zum Anlaß genommen werden, Beschwerde an die RFK zu erheben und dadurch diese zu einer Sachentscheidung zu zwingen. Das Erfordernis der Beibringung einer gewissen Anzahl von Unterstützungsunterschriften von Inhabern einer (Rundfunk-Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung ist daher im Grunde aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

Gleiches gilt im Ergebnis für die konkrete Ausgestaltung der bekämpften Regelung unter dem Aspekt der vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wenn der Gesetzgeber die Grenze für die Behandlung der Beschwerde in der Sache mit mindestens 500 Unterstützungen festlegt, handelt er im Hinblick auf den hier in Betracht kommenden Gleichheitsgrundsatz im Rahmen der Verfolgung zulässiger rechtspolitischer Zielsetzungen, demnach innerhalb des ihm verfassungsmäßig zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraums:

Der Gesetzgeber wählte mit der Festlegung einer starren Untergrenze erforderlicher Unterschriften für die Zulässigkeit einer "Popularbeschwerde" einen Weg, der nicht dahingehend differenziert, welche Breitenwirkung eine vom ORF ausgestrahlte Sendung entfalten könnte bzw. danach, wer sich primär für sie interessieren mag. Der ORF hat auf Grund des gesetzlich vorgegebenen Auftrages hinsichtlich seiner Programmgestaltung ein möglichst breites Bevölkerungsspektrum anzusprechen. Er strahlt deshalb auch Sendungen aus, die von ihrer Themenstellung her nur eine enger umgrenzte Gruppe innerhalb der Inhaber einer (Rundfunk-Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung berühren können. So kann etwa eine Sendung vornehmlich eine bestimmte Altersgruppe ansprechen, eine andere aber eine bestimmte Berufsgruppe, eine kulturell in eine bestimmte Richtung interessierte Personengruppe oder einen räumlich begrenzten Rezipientenkreis. Die von der Beschwerde gegen die präjudizielle Regelung sub titulo Minderheitenschutz vorgetragenen Bedenken sind folglich nicht isoliert, sondern unter dem angesprochenen allgemeinen Aspekt zu prüfen, ob der Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet ist, die Mindestanzahl von Unterschriften für die Zulässigkeit einer Popularbeschwerde je nach Umfang des Personenkreises, der sich für eine ausgestrahlte Sendung besonders interessieren dürfte, unterschiedlich festzulegen.

Zwar wäre es aus Sicht des Bundesverfassungsrechts gewiß zulässig, wenn der Gesetzgeber je nach den - jeweils auch nur zu vermutenden - Interessen, die einer Sendung entgegengebracht werden könnten, und damit korrelierend unter Bedachtnahme auf die voraussichtliche Reichweite einer Sendung (oder eines in einer Sendung gebrachten Berichtes), eine Differenzierung bezüglich der Zahl der für eine Popularbeschwerde erforderlichen Unterschriften vornähme. Von der Bundesverfassung wird solches aber nicht gefordert. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er anordnet, daß auch bei Sendungen, die sich inhaltlich nur an eine kleinere Zahl von Inhabern einer (Rundfunk-Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung richten, diese Personen - wenn sie in der Berichterstattung des ORF eine Verletzung des RFG erblicken und eine Popularbeschwerde zu erheben gedenken - gehalten sind, weitere Inhaber einer (Rundfunk-Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung von der Verletzung des RFG zu überzeugen und zu einer Unterschriftenleistung zu bewegen.

Der Beschwerdeführer ist deshalb nicht durch Anwendung des §27 Abs1 Z1 litb RFG in seinen Rechten verletzt worden.

In Anbetracht dessen hat die RFK die an sie gerichtete Beschwerde zu Recht zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer wurde deshalb auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Die Beschwerde erweist sich deshalb insgesamt als unbegründet; sie war abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung zugunsten des beteiligten Generalintendanten des Österreichischen Rundfunks und des beteiligten Österreichischen Rundfunks stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500,-- enthalten.

Schlagworte

Rechtsschutz, Rundfunk, Beschwerdeverfahren (Rundfunk), Minderheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B2676.1997

Dokumentnummer

JFT_10019376_97B02676_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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