TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/11 S12 404818-1/2009

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Veröffentlicht am 11.03.2009
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Spruch

S12 404.818-1/2009/2E

 

Im Namen der Republik

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Maurer-Kober als Einzelrichterin über die Beschwerde des -XX- alias -XX-, StA. Somalia,gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.02.2009, FZ. 08 13.332, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), idF BGBl. I Nr. 4/2008, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und stellte am 30.12.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Eine Eurodac-Anfrage vom selben Tag wies eine Fehlermeldung auf, da die Fingerabdruckqualität des Beschwerdeführers unzureichend war (vgl. AS 5).

 

1.2. Bei der Erstbefragung am 31.12.2008 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe sein Heimatland am 28.12.2008 ohne Reisedokument illegal mit dem Flugzeug verlassen und sei nach Dubai geflogen. Am 29.12.2008 sei er mit einer ihm nicht bekannten Fluglinie in ein ihm nicht bekanntes Land geflogen und sei von dort aus am 30.12.2008 mit dem Zug nach Wien gefahren. Er habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht oder ein Visum erhalten und sei auch in keinem anderen Land von den dortigen Behörden angehalten und untergebracht worden. Sein Heimatland habe er verlassen, da er Mitglied einer bewaffneten Gruppe gewesen sei und im Zuge dieser Tätigkeit Einheiten des äthiopischen Militärs angegriffen habe, damit diese das Land verlassen würden. Da das Militär erfahren habe, dass er in dieser Gruppe aktiv sei, hätten sie ihn töten wollen.

 

1.3. Nach mehrmaligen ergebnislosen Versuchen ergab schließlich eine Eurodac-Anfrage vom 14.01.2009, dass der Beschwerdeführer am 11.08.2008 in Lampedusa e Linosa (Italien) und am 11.09.2008 in Bari (ebenfalls Italien) erkennungsdienstlich behandelt wurde bzw. einen Asylantrag gestellt hat (vgl. AS 41).

 

1.4. Aufgrund des nunmehr vorliegenden Ergebnisses der Eurodac-Anfrage wurde der Beschwerdeführer am 15.01.2009 vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Somalisch einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass er gesund sei und geistig und körperlich in der Lage, die Einvernahme durchzuführen. Auf die Frage des Bundesasylamtes, warum er seine Fingerkuppen manipuliert habe, gab er an, er habe seine Fingerkuppen mit Schleifpapier behandelt, um zu verheimlichen, dass er in Italien gewesen sei. Er wolle in Österreich bleiben und das Geld seiner Familie in Somalia schicken. Die im Rahmen der Erstbefragung getätigten Angaben zu seiner Reiseroute seien falsch gewesen. Tatsächlich sei er von Somalia über Djibuti, Eritrea, den Sudan und Libyen mit einem Boot in Italien eingereist, wo er erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Von Italien aus sei er dann direkt nach Österreich gefahren. Um Asyl habe er in Italien nicht angesucht. Auf Vorhalt, dass die Eurodac-Anfrage ergeben habe, dass er am 11.09.2008 in Bari um Asyl angesucht habe, brachte er vor, er habe in Italien ein Formular unterschrieben und nicht gewusst, um was es sich dabei handle. Dies sei möglicherweise der Asylantrag gewesen. In Italien habe er sich in Bari in einem Flüchtlingslager aufgehalten, wo er Lebensmittel erhalten und eine Unterkunft bekommen habe. Italien habe er verlassen, da er nach Europa gekommen sei, um seiner Familie zu helfen und in Italien nicht ausreichend versorgt worden sei. Er habe nicht gewusst, ob er in Italien Arbeit bekommen hätte; bemüht habe er sich nicht um Arbeit. In Italien habe er einen positiven Bescheid und ein Travel-Dokument erhalten. In dem Dokument sei ein dreijähriges italienisches Visum eingetragen. Wo dieses Travel-Dokument sei, wisse er nicht. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesasylamtes, ihn nach Italien auszuweisen, gab er an, er sei damit einverstanden. Im Bereich der EU, Norwegen oder Island habe er keine Verwandten, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestehe.

 

Im Rahmen dieser Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass aufgrund der mehrfachen Manipulation seiner Fingerkuppen feststehe, dass er am Verfahren nicht mitwirke und daher die 20-Tages-Frist des § 28 Abs. 2 AsylG seit dem 07.01.2009 nicht mehr gelte. Hierzu gab der Beschwerdeführer an, es tue ihm Leid. Er habe dies nur gemacht, damit er nicht nach Italien zurückmüsse.

 

1.5. Einem Aktenvermerk des Bundesasylamtes vom 15.01.2009 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer der in § 15 Abs. 3 AsylG festgesetzten Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei, indem er seine Fingerkuppen manipuliert habe, sodass eine erfolgreiche Eurodac-Behandlung nicht möglich gewesen sei und sohin die 20-Tages-Frist des § 28 Abs. 2 AsylG mit 07.01.2009 nicht mehr gelte (vgl. AS 61).

 

1.6. Am 19.01.2009 richtete das Bundesasylamt ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO) an die zuständige italienische Behörde.

 

1.7. Am 22.01.2009 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4, 5, 68 Abs. 1 AVG, § 29 Abs.3 Z 4 AsylG), da Dublin Konsultationen mit Italien seit dem 19.01.2009 geführt werden (vgl. AS 87f).

 

1.8. Mit Schreiben vom 04.02.2009 teilte das Bundesasylamt den italienischen Behörden mit, dass diese aufgrund Zeitablaufs / Verfristung gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. c iVm Art. 16 (1) c Dublin II-VO zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers verpflichtet seien (vgl. AS 97).

 

1.9. Am 12.02.2009 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit des Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Somalisch niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass er körperlich und geistig in der Lage sei, die Einvernahme durchzuführen. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesasylamtes, ihn nach Italien - aufgrund des Übergangs der Zuständigkeit für sein Asylverfahren wegen Fristversäumnis - auszuweisen, gab er an, nicht zu verstehen, dass man ihn zurückschicken wolle, wenn Italien nicht geantwortet habe. Einer Ausweisung nach Italien stehe entgegen, dass er dort nicht versorgt und untergebracht worden sei. Er sei auf der Straße gewesen und habe Angst um sein Leben gehabt, da er von Betrunkenen und Obdachlosen verprügelt worden sei. Er habe sich an die Polizei in Bari gewandt, die ihm nicht geholfen habe. Dann sei er nach Österreich gegangen, weil er nicht mehr in Italien habe leben wollen. Auf Vorhalt durch den Rechtsberater, er hätte sich diesen Umständen durch Umzug in eine andere Gegend leicht entziehen können, brachte er vor, in Italien gebe es überall Betrunkene und Obdachlose. Wenn ihn die Behörden untergebracht hätten, wäre er in Italien geblieben. Zu Österreich bestünden weder familiäre noch finanzielle oder berufliche Bindungen.

 

2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 31.12.2008 [richtig: 30.12.2008] ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c iVm Art. 20 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Italien zuständig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig sei.

 

3. Mit Schreiben vom 21.02.2009 erklärte sich Italien nachträglich gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. b der Dublin II-VO für die Wiederaufnahme des Beschwerdeführers und Führung seines Asylverfahrens für zuständig (vgl. AS 167).

 

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er in Italien obdachlos gewesen sei, keine Unterstützung erhalten habe und es ihm nicht möglich gewesen sei, Arbeit zu finden. Er habe Italien mangels Lebensperspektive verlassen. Ferner brachte der Beschwerdeführer vor, dass bei einer Abschiebung nach Italien die Gefahr bestehe, mangels ausreichender Unterbringungsmöglichkeiten keine Versorgung und keine finanzielle Unterstützung zu bekommen sowie Übergriffen in den Haftzentren ausgesetzt zu sein. Der Beschwerdeführer stützte seine diesbezüglichen Ausführungen auf den Jahresbericht 2007 von amnesty international sowie auf verschiedene, von Pro Asyl wiedergegebene, Informationen.

 

5. Die Beschwerde langte am 05.03.2009 beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Somalia, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in Österreich eingereist und stellte am 30.12.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Der Beschwerdeführer hat am 11.09.2008 in Bari (Italien) um Asyl angesucht.

 

Der Beschwerdeführer ist psychisch und physisch gesund und stehen daher seiner Überstellung nach Italien keine gesundheitlichen Bedenken entgegen.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über keine verwandtschaftlichen Beziehungen in Österreich, im Bereich der Europäischen Union, Norwegen oder Island zu einem Staatsangehörigen oder dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden. Eine sonstige Beziehung des Beschwerdeführers zu Österreich in familiärer, finanzieller oder beruflicher Hinsicht besteht ebenfalls nicht.

 

Italien hat sich mit Schreiben vom 21.02.2009 gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. b Dublin II-VO ausdrücklich zur Wiederaufnahme des Asylwerbers für zuständig erklärt.

 

1.2. Der Beschwerdeführer versuchte, seinen Aufenthalt in Italien zu verheimlichen, indem er seine Fingerkuppen mit Schleifpapier behandelte, wodurch ein Fingerabdruckvergleich im Rahmen der Eurodac-Abfrage nicht möglich war. Aus diesem Grund hat der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflichten gemäß § 15 AsylG verletzt und gilt daher die in § 28 Abs. 2 AsylG festgelegte zwanzigtätige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG nicht und ist sohin auch kein Übergang der Zuständigkeit an Österreich wegen Fristüberschreitung eingetreten.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus den Angaben des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 31.12.2008 und bei den niederschriftlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers durch das Bundesasylamt am 15.01.2009 und am 12.02.2009 sowie aus dem Schreiben des Bundesasylamtes an die italienischen Behörden vom 04.02.2009, aus der nachträglichen Zuständigkeitserklärung Italiens vom 21.02.2009 und aus dem Ergebnis der Eurodac-Abfrage vom 14.01.2009.

 

Darüber hinaus ergibt sich insbesondere die Feststellung zur Verletzung der Mitwirkungspflichten ebenfalls aus der eigenen Aussage des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.01.2009 und aus der Eurodac-Abfrage vom 30.12.2008.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Gemäß §§ 73 Abs. 1 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Verfahren das AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 2008/4 (in der Folge: AsylG) anzuwenden war.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG idF der Dienstrechtsnovelle 2008, BGBl. I Nr. 147/2008 sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt."

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I 4/2008 idgF entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG und nach § 68 AVG durch Einzelrichter.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 AsylG haben Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses zu ergehen.

 

3.2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin II-VO ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Staates.

 

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Dublin II-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 Dublin II-VO die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.

 

3.3. . Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit c Dublin II-VO ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrages unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen.

 

Art. 20 Abs. 1 Dublin II-VO besagt, dass gemäß Artikel 4 Absatz 5 und Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben c), d) und e) ein Asylbewerber nach folgenden Modalitäten wieder aufgenommen wird:

 

[...]

 

der Mitgliedstaat, der um Wiederaufnahme des Asylbewerbers ersucht wird, muss die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Antrag so rasch wie möglich und unter keinen Umständen später als einen Monat, nachdem er damit befasst wurde, beantworten. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen;

 

erteilt der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der Frist von einem Monat bzw. der Frist von zwei Wochen gemäß Buchstabe b) keine Antwort, so wird davon ausgegangen, dass er die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert;

 

[...]

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 15 Abs. 1 AsylG hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er

 

ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen;

 

bei Verfahrenshandlungen und bei Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken. Unfreiwillige Eingriffe in die körperliche Integrität sind unzulässig;

 

an der erkennungsdienstlichen Behandlung nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken;

 

[...]

 

Abs. 3 leg. cit. besagt, dass zu den in Abs. 1 Z 1 genannten Anhaltspunkten insbesondere Staaten des früheren Aufenthalts (Z 5.), der Reiseweg nach Österreich (Z 6.) und frühere Asylanträge und frühere Anträge auf internationalen Schutz, auch in anderen Staaten (Z 7.) gehören.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin II-VO oder einem entsprechenden Vertrag geführt. Dass solche Verhandlungen geführt werden, ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht.

 

3.4. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hat und, dass Italien einer Übernahme des Beschwerdeführers auf Grundlage des Art. 20 Abs. 1 lit. b Dublin II-VO am 21.02.2009 zustimmte, zu Recht von einer Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrages ausgegangen.

 

3.5. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen.

 

3.5.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 08.03.2001, G 117/00 u.a. VfSlg 16.122, aus, dass § 5 AsylG nicht isoliert zu sehen sei; das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden. Dieser Rechtsansicht schloss sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, an.

 

Hatte der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 15.10.2005, G 237/03 u.a. ausgesprochen, dass jene zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-VO zutreffen, ergänzte er in seinem Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05-11, dies dahingehend, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die entsprechende Vergewisserung durch den Rat erfolgt sei; eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben.

 

In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (dem ein - die Zuständigkeit Italiens nach dem Dubliner Übereinkommen betreffender - Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zugrunde lag) sowie in dem (bereits die Dublin-VO betreffenden) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095-9, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Verfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist, ob ein - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiiertes "real risk" besteht, dass ein aufgrund der Dublin-VO in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist, wobei insbesondere zu prüfen sei, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wird ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

 

3.5.2. Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihm durch eine Rückverbringung nach Italien die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Zunächst ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.01.2009 selbst zugegeben hat, dass er seine Fingerkuppen mit Schleifpapier behandelt habe, um seinen Aufenthalt in Italien zu verheimlichen. Daher ist das Bundesasylamt zu Recht von einer Verletzung der Mitwirkungspflichten durch den Beschwerdeführer ausgegangen und hat - daraus folgend - zutreffend festgehalten, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG normierte 20-Tages-Frist für das gegenständliche Verfahren nicht gilt. Dieser Beurteilung durch das Bundesasylamt ist die Beschwerde auch nicht entgegengetreten.

 

Zum subjektiven Vorbringen des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass dieser während des gesamten Verfahrens keine substantiierten und glaubhaften Gründe vorgebracht hat, die gegen seine Überstellung nach Italien sprechen würden. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.01.2009 gab er an, er habe in Italien in einem Flüchtlingslager gelebt, wo er mit Lebensmitteln versorgt worden sei und eine Unterkunft erhalten habe. Ob er in Italien Arbeit bekommen hätte, wisse er nicht, da er sich nicht darum bemüht habe. Weiters gab er an, dass er mit seiner Ausweisung nach Italien einverstanden sei. Ein vollkommen anderes Vorbringen erstattete der Beschwerdeführer in der Einvernahme vom 12.02.2009 und zwar führte er - widersprechend zu seinen Angaben vom 15.01.2009 - aus, er sei in Italien nicht versorgt und nicht untergebracht worden, sondern hätte auf der Straße leben müssen. Erstmals gab er an, er sei von Obdachlosen und Betrunkenen verprügelt worden, was er der Polizei gemeldet habe, die ihm jedoch nicht geholfen habe.

 

Betreffend das subjektive Vorbringen des Beschwerdeführers kommt der Asylgerichtshof sohin aufgrund der oben angeführten Gründe zu dem Schluss, dass es sich einerseits um ein gesteigertes Vorbringen handelt und andererseits dieses aufgrund mehrfacher grob widersprüchlicher Angaben als nicht glaubwürdig zu werten ist.

 

Erstmals in der Beschwerde wurde vorgebracht, es bestünde bei einer Abschiebung nach Italien die Gefahr, mangels ausreichender Unterbringungsmöglichkeiten keine Versorgung und keine finanzielle Unterstützung zu bekommen, sowie Übergriffe in den Haftzentren ausgesetzt zu sein, ohne dass diese Behauptungen hinsichtlich der Relevanz für den individuellen Fall des Beschwerdeführers näher konkretisiert worden wären. In diesem Zusammenhang ist überdies festzuhalten, dass die Vorlage allgemeiner Berichte keinesfalls das Erfordernis eines konkreten Vorbringens ersetzt (vgl. VwGH vom 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-7).

 

Zwar können vertragliche oder sonstige Zuständigkeitsregelungen zur Prüfung von Asylanträgen die Mitgliedstaaten nicht von den aus Art. 3 EMRK resultierenden Verpflichtungen entbinden (siehe die Zulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 07.03.2000, Zl. 43844/98, T. I. gegen das Vereinigte Königreich, siehe nunmehr auch die ausdrückliche diesbezügliche Bestimmung in § 5 Abs. 3 AsylG 2005). Selbst unter Zugrundelegung der zitierten Entscheidung des EGMR und der darauf aufbauenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs bzw. Verwaltungsgerichtshofes (VfSlg. 16.122 und VfGH 23.01.2003, 2000/01/0498 und VwGH 31.05.2005, 2005/20/0095) gelangt der Asylgerichtshof jedoch zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall kein "real risk" einer "ungeprüften" Abschiebung in den Herkunftsstaat oder einer sonstigen gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung besteht.

 

Wie im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt, ergibt sich aber kein Hinweis darauf, dass es in Italien regelmäßig zu einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK kommt. Demnach fehlt jeder Anhaltspunkt, dass eine Überstellung nach Italien eine den Bestimmungen der EMRK widersprechende Behandlung zur Folge haben könnte. Es ist vielmehr gemäß § 5 Abs. 3 AsylG davon auszugehen, dass der nunmehrige Beschwerdeführer in Italien Schutz vor Verfolgung findet, zumal er keine besonderen, für das Gegenteil sprechende, Gründe glaubhaft gemacht hat.

 

Soweit der Beschwerdeführer seine Ausführungen zur mangelnden Versorgung in Italien auf den Bericht von amnesty international 2007 stützt, so ist anzumerken, dass aus dem zitierten Bericht lediglich hervorgeht, dass es vermehrt Beschwerden von Migranten gegeben habe; ein konkreter Nachweis für die Behauptung von Unregelmäßigkeiten ist daraus jedoch nicht zu entnehmen, insbesondere hinsichtlich der Behauptung, dass Asylsuchende nicht in das staatliche Versorgungssystem aufgenommen würden. Wenn der Beschwerdeführer unter Hinweis auf diesen Bericht behauptet, es gebe keine staatliche Verpflichtung zur Unterbringung, so vermag der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen das reale Risiko einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK nicht dazulegen. In Art. 13ff der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten ist die Pflicht der Mitgliedstaaten statuiert, für ausreichende materielle Aufnahmebedingungen und eine medizinische Versorgung von kranken Asylwerbern zu sorgen.

 

Eine grundsätzliche bzw. systematische Verletzung dieser Pflicht durch Italien ist aus der Länderdokumentation aktuell nicht entnehmbar. Hierfür bestehen gegenwärtig keine Anzeichen. Dass für den Beschwerdeführer die reale Gefahr besteht, in seinem konkreten Fall keine Basisversorgung in Italien zu erhalten, wenn er diese tatsächlich beanspruchen würde, ist für den Asylgerichtshof im Rahmen einer gesamthaften Abwägung nicht ersichtlich, zumal die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt, er sei in Italien nicht versorgt worden, aufgrund Widersprüchlichkeit zu seinen zuvor getätigten Angaben, er habe sowohl Lebensmittel als auch eine Unterkunft erhalten, als nicht glaubwürdig gewertet wurden. Im Übrigen erklärte sich der Beschwerdeführer am 15.01.2009 vor dem Bundesasylamt mit seiner Ausweisung nach Italien einverstanden.

 

Insbesondere in Hinblick auf die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sowie die im angefochtenen Bescheid dargelegten Ausführungen zur Versorgungssituation von Flüchtlingen in Italien, bestehen für den Asylgerichtshof keine Zweifel an einer Art. 3 EMRK-Konformität der Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien.

 

Soweit sich der Beschwerdeführer schließlich unter Hinweis auf den Jahresbericht 2007 von amnesty international zu Italien auf die Behauptung stützt, es sei in Haftzentren in Italien zu Übergriffen gekommen, so ist ihm entgegenzuhalten, dass demselben Bericht zu entnehmen ist, dass das italienische Innenministerium und die Staatsanwaltschaft Ermittlungen zu diesen Übergriffen aufgenommen haben. Allein die Tatsache, dass es zu Übergriffen gekommen sei, kann nicht zu dem Schluss führen, dass der Beschwerdeführer nach seiner Überstellung nach Italien konkret und real Gefahr laufen würde, eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erfahren. Ganz im Gegenteil geht aus dem zitierten Bericht hervor, dass die staatlichen Behörden Schritte gegen die behaupteten Übergriffe ergriffen haben. Diesbezüglich wird festgehalten, dass es sich im Falle Italiens um einen funktionierenden Rechtsstaat handelt und sich der Beschwerdeführer im Falle eventueller Bedrohungen seiner Person an die staatlichen Stellen wenden und von diesen Schutz erwarten kann. Die erstmals in der zweiten Einvernahme am 12.02.2009 vom Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung, er habe sich aufgrund der Übergriffe von Obdachlosen und Betrunkenen an die Polizei gewandt, die ihm nicht geholfen habe, kann - wie bereits oben erwähnt - nicht als glaubwürdig gewertet werden, da diese einerseits grob widersprüchlich zu den Angaben im Rahmen der ersten Einvernahme vom 15.01.2009 ist, und es sich andererseits offensichtlich um ein gesteigertes Vorbringen handelt, welches nur zu dem Zweck erstattet wurde, um einer Überstellung nach Italien zu entgehen, worauf im Übrigen auch der Versuch des Beschwerdeführers durch Manipulation seiner Fingerkuppen den Aufenthalt in Italien zu verheimlichen, deutlich hinweist.

 

Zu dem in der Beschwerde zitierten Newsletter von Pro Asyl vom Juni 2008, der sich auf einen Vorfall vom 26.05.2008 in einem Haftzentrum für irreguläre Migranten (Hungerstreik aufgrund des Todes eines Asylwerbers) bezieht, ist anzuführen, dass es sich bei diesem Todesfall um einen bedauerlichen Einzelfall handelt, wobei - wie aus dem Bericht ebenfalls zu entnehmen ist - der betroffene Asylwerber am Abend vor seinem Tod ärztlich untersucht worden sei und sohin von einer unterlassenen medizinischen Versorgung durch die Anstaltsleitung nicht gesprochen werden kann.

 

Soweit der Beschwerde zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer in Italien möglicherweise kein Asyl erhalten werde und nach Somalia abgeschoben werden könnte, ist ihm entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden sein kann, "hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang" eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahren anzustellen (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).

 

Auch geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat sind für sich genommen keine ausreichende Grundlage dafür, dass die österreichischen Asylbehörden vom Selbsteintrittsrecht Gebrach machen müssten (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).

 

Aus der Rechtsprechung des EGMR lässt sich ein systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Italien keinesfalls erkennen und gelten im Übrigen die Mitgliedstaaten der EU als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige. Zudem war festzustellen, dass ein im besonderen Maße substantiiertes Vorbringen bzw. das Vorliegen besonderer von dem Beschwerdeführer bescheinigter außergewöhnlicher Unstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Konkret besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass etwa der Beschwerdeführer im Zuge einer so genannten "ungeprüften Kettenabschiebung" in sein Heimatland, also nach Somalia, zurückgeschoben werden könnte.

 

Es fehlen demnach konkrete Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer von den italienischen Behörden im Zuge einer so genannten "Kettenabschiebung" nach Somalia oder in ein Drittland rückgeschoben würde. Ebenso wenig finden sich Anhaltspunkte für die reale Gefahr einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung.

 

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Italien sind weder der Aktenlage noch dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers zu entnehmen und ist daher von der Überstellungsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen, zumal der Beschwerdeführer im Rahmen des Verfahrens das Vorliegen einer Erkrankung nicht behauptet hat.

 

Somit ist festzuhalten, dass die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers nicht jene besondere Schwere aufweist, um eine Überstellung nach Italien als im Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehend zu werten. Durch eine Abschiebung des Beschwerdeführers wird Art. 3 EMRK daher nicht verletzt, und reicht es jedenfalls aus, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung grundsätzlich verfügbar sind, was in Italien jedenfalls der Fall ist.

 

Der Asylgerichtshof kommt daher zu dem Schluss, dass dem Beschwerdeführer in Italien keine reale Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

3.5.3. Ferner ist eine Überprüfung gemäß Art. 8 EMRK dahingehend vorzunehmen, ob der Beschwerdeführer über im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK relevante Verbindungen in Österreich verfügt.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

In der Rechtsprechung des EGMR ist klargestellt, dass Art. 8 EMRK nicht das Recht gewährt, den Ort zu wählen, der nach Ansicht der Betroffenen am besten geeignet ist, ein Familienleben aufzubauen (EGMR 28.11.1996, Ahmut v. Niederlande). Das Ausmaß der staatlichen Verpflichtung, Verwandte der ansässigen Einwanderer in das Staatsgebiet immigrieren zu lassen, hängt vielmehr von den besonderen Umständen der betroffenen Personen ab (EGMR, Fall Abdulaziz, Urteil vom 28.05.1985). Maßgeblich ist die Nähe des Verwandtschaftsgrades, die Intensität des Familienlebens und natürlich der Umstand, ob es sich um einen legalen Aufenthalt der Familie handelt. Dabei können die Beurteilungsparameter, die untereinander abzuwägen sind, sehr unterschiedlich sein. Maßgebend ist auch, ob das Familienleben zu einer Zeit entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten und nicht mit einer Fortsetzung des Familienlebens rechnen konnten (EGMR 11.4.2006, Useinov v. die Niederlande).

 

Seinen eigenen Angaben zufolge verfügt der Beschwerdeführer weder in Österreich noch im Bereich der Europäischen Union (einschließlich Norwegen und Island) über aufenthaltsberechtigte Verwandte und lebt auch nicht mit jemandem in einer Familien- oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Aus diesem Grund verstößt eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien nicht gegen Art. 8 EMRK.

 

Im gegenständlichen Fall liegen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration des Beschwerdeführers in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07 und VfGH vom 01.10.2007, Zl. G 179, 180/07).

 

3.5.4. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO aufgrund einer drohenden Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK besteht.

 

3.5.5. Festzuhalten ist auch, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG normierte 20-tägige Frist im gegenständlichen Fall nicht gilt, da der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflichten im Asylverfahren gemäß § 15 AsylG verletzt hat.

 

3.5.6. Hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich sind, da weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch der Beschwerdeführer in Österreich über Angehörige im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ersichtlich. Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes im Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.

 

3.5.7. Die Beschwerde erwies sich somit als nicht berechtigt und war daher spruchgemäß abzuweisen.

 

3.5.8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG abgesehen werden. Angesichts des Spruchinhaltes erübrigt sich eine gesonderte Erwägung betreffend eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Schlagworte
Ausweisung, gesteigertes Vorbringen, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, real risk, Rechtsschutzstandard, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
25.06.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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