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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 1997 §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des am 7. August 1977 geborenen FM in Linz, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen Spruchteil I des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. November 1998, Zl. 200.774/0-VI/16/98, betreffend § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 10. Mai 1997 in das Bundesgebiet ein und stellte am 30. Mai 1997 einen Antrag auf Gewährung von Asyl.
Als Fluchtgründe gab er anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt an, er sei im Jahre 1995 zum christlichen Glauben konvertiert und habe seither viele Probleme gehabt. Er sei am 17. Oktober 1995 in der armenischen Hochkirche in Teheran getauft worden; ca. sechs Monate später habe er zwei Vorladungen zum Revolutionsgericht erhalten, denen er jedoch keine Folge geleistet habe. Am 15. Juni 1996 seien zwei Leute zu seinem Elternhaus gekommen und hätten nach ihm gefragt. Seine Eltern hätten seine Anwesenheit jedoch verleugnet und die Leute seien unter der Ankündigung, wiederkommen zu wollen, gegangen. Der Beschwerdeführer habe seit diesem Zeitpunkt befürchtet, dass diese Personen wiederkommen könnten und habe sich zu seinem Onkel nach Shiraz begeben. Dort habe er sich bis zu seiner Ausreise aufgehalten. Auslösendes Moment für seine Ausreise sei gewesen, dass ihn Leute von der Sepah im Haus seines Onkels gesucht hätten. Dies sei im Monat Aban 1375 (23. Oktober bis 21. November 1996) geschehen. Er habe den Iran im Monat Bahman 1375 (21. Jänner bis 19. Februar 1997) verlassen, in dem er mit dem Flugzeug von Shiraz nach Teheran und von Teheran mit dem Autobus nach Tabriz gefahren und von Tabriz mit Hilfe eines Schleppers weitergereist sei. Er habe Angst gehabt, von der Sepah erwischt zu werden, zumal er per Flug und Bus gereist sei, er habe aber keine andere Wahl gehabt. Von Tabriz aus sei er dann bis zum Gebirge in der Türkei gefahren; die Grenze hätte er zu Fuß überschritten. Schließlich sei er nach Istanbul gelangt, wo er sich von anderen Flüchtlingen und dem Schlepper getrennt und im Haus seiner Tante Unterkunft genommen habe. Dort sei er bis zum 10. Mai 1997 verblieben; an diesem Tag sei er nach Laibach geflogen und von da aus nach Österreich weitergereist.
Mit Bescheid vom 28. Juli 1997 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Asyl gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab. Das Bundesasylamt erachtete die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der zweimaligen Vorladung zum Revolutionsgericht als nicht glaubwürdig. Ebenso wenig habe festgestellt werden können, dass nach der Person des Beschwerdeführers von den Behörden in seinem Elternhaus bzw. im Haus des Onkels gesucht worden sei. Es sei auch nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer weitere drei Monate bei seinem Onkel gewohnt haben solle, wenn die Sepah tatsächlich dort nach ihm gesucht habe, weil er mit einem nochmaligen Erscheinen der Sepah-Leute hätte rechnen müssen. Auch hinsichtlich der Kontaktaufnahme mit dem Schlepper wurde den Ausführungen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit versagt, ebenso hinsichtlich seiner Angaben zur restlichen Reiseroute. Das Bundesasylamt habe weiters nicht feststellen können, dass iranische Staatsbürger, die zum christlichen Glauben konvertierten, aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe verfolgt würden, weil nach einem dem Bundesasylamt zur Verfügung stehenden Bericht einer schwedischen Delegation an die CIREA-Gruppe vom Februar 1996 konvertierte iranische Staatsbürger in ihrer Heimat bei einer Rückkehr keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt seien. Weil das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig zu betrachten sei, sei davon auszugehen, dass sich dieser nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes aufhalte; es könne ihm daher auch nicht Asyl gewährt werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er sich gegen die Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz wandte und versuchte, die als widersprüchlich und unglaubwürdig genannten Punkte in seiner Darstellung der Fluchtgründe aufzuklären. Zu dem von der Behörde erster Instanz zitierten Bericht über die Behandlung von konvertierten iranischen Staatsbürgern im Falle der Rückkehr in ihre Heimat rügte der Beschwerdeführer in seiner Berufung, der Bericht sei nicht im Wortlaut vorgelegt worden, sodass er darauf nicht eingehen könne. Es werde jedoch in diesem Zusammenhang auf die in den vergangenen Jahren zwei Mal geänderte Spruchpraxis der schwedischen Berufungsbehörde hinsichtlich der Konvertiten und ihrer Behandlung im Falle einer Rückkehr in den Iran verwiesen; demnach sei 1993 eine Abschiebung solcher Asylwerber ausgeschlossen, 1995 nur dann als zulässig erachtet worden, wenn die Konversion den iranischen Behörden nicht bekannt geworden sei. Dies sei immer noch gültige Praxis der schwedischen Behörden. In seinem Fall sei die Konversion den iranischen Behörden aber sehr wohl bekannt geworden, er sei ja eben wegen seiner Konversion gesucht worden. Der Beschwerdeführer verwies weiters auf den aktuellen Länderbericht des UNHCR vom Mai 1997 zur Situation der zum Christentum konvertierten Iraner, wonach (u.a.) derartige Personen Verfolgung und/oder Exekution zu gewärtigen hätten. Nachdem der Beschwerdeführer auf den Umstand verwiesen hatte, dass auch ein Onkel und eine Tante von ihm als anerkannte Flüchtlinge in Österreich lebten, zitierte er ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Gießen vom 3. April 1996, wo es zum Falle einer zum Christentum konvertierten Iranerin ausdrücklich heiße, dass "der Abfall von Islam im iranischen Strafgesetzbuch zwar nicht unter Strafe stehe, wohl aber ganz überwiegend nach schiitischem Recht, welches als Rechtsfolge die Todesstrafe festlege." Auch in seinem Fall - so bringt der Beschwerdeführer vor - läge dies vor, dazu komme noch der Umstand seiner Flucht zu seinen politisch verfolgt gewesenen Verwandten in Österreich. Er befinde sich somit aus wohlbegründeter Furcht, wegen seiner Religionszugehörigkeit verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes, wobei diese Verfolgung den staatlichen Behörden seines Heimatlandes zuzurechnen sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. November 1998 wies die belangte Behörde unter Spruchpunkt I die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG), und unter Spruchpunkt II einen (zwischenzeitig eingebrachten) Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 4 AsylG ab.
Die belangte Behörde ging von der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers, insbesondere auch hinsichtlich der Vorladungen und der Suche nach dem Beschwerdeführer in seinem Elternhaus bzw. im Haus seines Onkels aus; hingegen habe die belangte Behörde nicht feststellen können, dass der Religionswechsel des Beschwerdeführers den iranischen Behörden zur Kenntnis gelangt sei. Dem gesamten Vorbringen des Asylwerbers seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Behörden des Heimatlandes überhaupt Kenntnis vom Religionswechsel gehabt hätten. So habe der Beschwerdeführer selbst ausdrücklich angegeben, dass er nicht wisse, durch welche Umstände seine Taufe den Behörden überhaupt zur Kenntnis gelangt sein könnte und habe er auch die ersten sechs Monate nach seiner Taufe keine wie immer gearteten Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt. Dass die beiden Vorladungen zum Revolutionsgericht sowie die Suche nach dem Beschwerdeführer bei seinem Onkel im Zusammenhang mit dem Religionswechsel gestanden seien, lasse sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ableiten, zumal dem Vorbringen nicht entnommen werden könne, aus welchem Grund diese beiden Vorladungen erlassen worden seien. Auch die Nachfrage nach dem Beschwerdeführer bei seinen Eltern sowie die Suche nach ihm im Hause seines Onkels enthielt keinen wie immer gearteten Hinweis darauf, dass die Behörde auf Grund seines Religionswechsels nach dem Berufungswerber suche. Auch dazu habe der Beschwerdeführer angegeben, sein Onkel habe ihm erzählt, dass Leute von der Sepah nach ihm gesucht hätten, er jedoch den Grund dafür nicht wissen würde. Folglich sei es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine diesbezügliche wohlbegründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen. Die bloß subjektive Befürchtung reiche jedoch laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Asylgewährung nicht aus. Erkundigungen nach der Person des Beschwerdeführers vermögen mangels Intensität und Qualität dieser Vorkommnisse dem Asylbegehren nicht zum Durchbruch zu verhelfen. Der Beschwerdeführer habe nicht hinreichend dargetan, dass er einer Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre, die aus objektiver Sicht gesehen einen Verbleib in seinem Heimatland für ihn unerträglich gemacht hätte. Dies werde noch dadurch bestärkt, dass sich der Beschwerdeführer nach der Suche der Sepah-Leute im Hause seines Onkels noch weitere drei Monate dort aufgehalten habe, ohne für diesen Zeitraum Umstände bzw. Vorfälle namhaft machen zu können, welche auf die Gefahr einer bloß angenommenen Verfolgung hinweisen könnten. Auf den von der Behörde erster Instanz herangezogenen Bericht sowie auf den UNHCR-Bericht sei daher nicht näher einzugehen gewesen, zumal den heimatlichen Behörden die Konversion des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis gelangt sei.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt sei, habe gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden können.
Gegen diesen Spruchteil des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 (AsylG), hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Der unabhängige Bundesasylsenat ist gemäß Art. 129 und 129c B-VG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/1998 ein unabhängiger Verwaltungssenat. Er hat gemäß § 23 AsylG das AVG anzuwenden. Deshalb finden für das Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat auch die Bestimmungen des AVG für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten, insbesondere die Bestimmung des § 67d AVG Anwendung, sofern im AsylG oder in einem anderen Gesetz keine spezielle Bestimmung normiert ist. Im AsylG findet sich zu § 67d AVG keine spezielle Regelung. Gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG hat der unabhängige Bundesasylsenat § 67d AVG jedoch mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Im Sinne dieser Bestimmung ist der Sachverhalt im Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat etwa dann nicht als aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt anzusehen, wenn in der Berufung ein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird.
Im vorliegenden Fall ergibt sich die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Beschwerdeführer bereits daraus, dass dieser die Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz bekämpft und ausdrücklich auf seine Glaubwürdigkeit hingewiesen hat. Der Beschwerdeführer hat in der Berufung auch ausdrücklich behauptet, dass den iranischen Behörden der Umstand seiner Konversion zur Kenntnis gelangt sei und hat damit - ebenso wie mit seinem Hinweis auf die internationalen Berichte über die Situation von Konvertiten im Iran - auch einen neuen, im Verfahren erster Instanz noch nicht vorgebrachten Sachverhalt geltend gemacht. Schließlich hat die belangte Behörde auch einem Teil der Fluchtgründe des Beschwerdeführers im Gegensatz zur Behörde erster Instanz die Glaubwürdigkeit zuerkannt und somit eine Umwürdigung der Beweise vorgenommen. Aus all diesen Gründen wäre es daher im vorliegenden Fall notwendig gewesen, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen. Auf diesen Verfahrensmangel weist der Beschwerdeführer in der Beschwerde auch ausdrücklich hin.
Allerdings führt nicht jede Verfahrensverletzung zur Aufhebung eines damit belasteten Bescheides, sondern nur eine solche, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensfehlers ist im gegenständlichen Fall aber gegeben. Hätte die belangte Behörde mit dem Beschwerdeführer insbesondere wegen seiner Behauptung, seine Konversion sei den iranischen Behörden bekannt gewesen, eine mündliche Verhandlung durchgeführt und hätte sie in diesem Zusammenhang Erhebungen zur Einrichtung und zum Zweck des Revolutionsgerichtes, das den Beschwerdeführer wiederholt vorgeladen hatte und das sich - nach den Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerde - nur mit "islamisch motivierten" Delikten beschäftige, gepflogen, so ist nicht auszuschließen, dass sie zum Ergebnis gelangt wäre, der Beschwerdeführer müsse in seinem Heimatland aus religiösen Gründen mit asylrelevanter Verfolgung durch staatliche Behörden rechnen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. März 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999200141.X00Im RIS seit
18.05.2001