S12 404.715-1/2009/3E
Im Namen der Republik
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Maurer-Kober als Einzelrichterin über die Beschwerde des-XX-, StA. Algerien, p.A. PAZ Roßauer Lände, Roßauer Lände 7-9, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.02.2009, FZ. 08 11.716, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), idF BGBl. I Nr. 4/2008, als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Araber, hat sein Heimatland ohne Reisedokumente verlassen, ist illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und stellte am 23.11.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Eine Eurodac-Anfrage vom selben Tag ergab, dass der Beschwerdeführer am 09.10.2008 in -XX- (Italien) von den Behörden angehalten bzw. erkennungsdienstlich behandelt wurde .
1.2. Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe sein Heimatland vor ca. sieben Tagen [sohin ca. am 15.11.2008] illegal und ohne Reisedokument verlassen und sei mittels LKW bzw. auf einem Schiff nach Österreich gebracht worden. Er habe nach Europa gewollt und nicht gewusst, dass er in Österreich sei. Er habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht und sei auch in keinem anderen Land von den Behörden angehalten und untergebracht worden. Sein Heimatland habe er verlassen, da es in seinem Heimatdorf keinen Strom gebe, er keine Arbeit habe und sein Vater verstorben sei. Auf Vorhalt des Eurodac-Treffers zu Italien gab er an, es seien ihm keine Fingerabdrücke abgenommen worden. Er sei nie in Italien gewesen.
1.3. Am 25.11.2008 richtete das Bundesasylamt ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO) an die zuständige italienische Behörde.
1.4. Am 26.11.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4, 5, 68 Abs. 1 AVG, § 29 Abs.3 Z 4 AsylG), da Dublin Konsultationen mit Italien seit dem 25.11.2008 geführt werden (vgl. AS 55f).
1.5. Am 07.01.2009 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Körperverletzung gegen einen anderen Asylwerber aus der Betreuungsstelle weggewiesen und gegen ihn ein Betretungsverbot verhängt. Ferner wurde Anzeige wegen § 83 StGB an die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt erstattet.
1.6. Mit Schreiben vom 28.01.2009 teilte das Bundesasylamt den italienischen Behörden mit, dass sohin aufgrund Zeitablaufs/Verfristung gemäß Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO zur Aufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO zuständig geworden sei (vgl. AS 87).
1.7. Am 06.02.2009 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit des Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Arabisch niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass er körperlich und geistig in der Lage sei, die Einvernahme durchzuführen. Seine bisherigen Angaben würden der Wahrheit entsprechen und er habe diesen nichts mehr hinzuzufügen. Verwandtschaftliche Beziehungen in Österreich habe er nicht, und er lebe auch nicht mit jemandem in einer Familien- oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Sonstige Bindungen familiärer, finanzieller oder beruflicher Natur zu Österreich bestünden ebenfalls nicht. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesasylamtes, ihn nach Italien zu überstellen, gab er an, er habe keine Einwände gegen Italien. Der Zustand im Gefängnis in Österreich sei unerträglich. Er habe sonst nichts mehr zu sagen. Er sei jedoch noch nie in Italien gewesen.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.11.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes gemäß Art. 18 Abs. 7 iVm Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Italien zuständig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig sei.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er Italien nicht kenne und es für ihn dort keine Bedrohung gebe. Er habe auch keine Dokumente unterschrieben, die nachweisen könnten, dass er in Italien gewesen sei. Er habe kein bestimmtes Ziel in Europa gehabt und seine Einreise nach Österreich sei ein Zufall gewesen. Weiters bezog sich der Beschwerdeführer auf sein Verhalten im Flüchtlingslager und versuchte, dieses zu rechtfertigen.
4. Die Beschwerde langte am 27.02.2009 beim Asylgerichtshof ein.
5. Mit Schreiben vom 03.03.2009 erklärte sich Italien gemäß Art. 10 Abs. 1 der Dublin II-VO für die Aufnahme des Beschwerdeführers und Führung seines Asylverfahrens für zuständig.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Algerien und Angehöriger der Volkgruppe der Araber, hat sein Heimatland verlassen, ist am 23.11.2008 illegal in Österreich eingereist und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer hat in Italien nicht um Asyl angesucht, sondern wurde lediglich erkennungsdienstlich behandelt.
Der Beschwerdeführer ist psychisch und physisch gesund und stehen daher seiner Überstellung nach Italien keine gesundheitlichen Bedenken entgegen.
Der Beschwerdeführer verfügt über keine verwandtschaftlichen Beziehungen in Österreich, im Bereich der Europäischen Union, Norwegen oder Island zu einem Staatsangehörigen oder aufenthaltsberechtigten Fremden. Eine sonstige Beziehung des Beschwerdeführers zu Österreich besteht ebenfalls nicht.
Italien hat sich mit Schreiben vom 03.03.2009 gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO ausdrücklich zur Aufnahme des Asylwerbers für zuständig erklärt.
1.2. Die in § 28 Abs. 2 AsylG festgelegte zwanzigtätige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG gilt nicht, weil dem Beschwerdeführer das Führen von Konsultationen gemäß der Dublin II-VO innerhalb der Frist mitgeteilt wurde, weshalb kein Übergang der Zuständigkeit an Österreich wegen Fristüberschreitung eingetreten ist.
2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus den Angaben des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.11.2008 und bei der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesasylamt am 06.02.2009 sowie aus dem Schreiben des Bundesasylamtes an die italienischen Behörden vom 28.01.2009 und aus der nachträglichen Zuständigkeitserklärung Italiens vom 03.03.2009.
3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
3.1. Gemäß §§ 73 Abs. 1 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Verfahren das AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 2008/4 (in der Folge: AsylG) anzuwenden war.
Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG idF der Dienstrechtsnovelle 2008, BGBl. I Nr. 147/2008 sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt."
Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I 4/2008 idgF entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG und nach § 68 AVG durch Einzelrichter.
Gemäß § 22 Abs. 1 AsylG haben Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses zu ergehen.
3.2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin II-VO ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Staates.
Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Dublin II-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 Dublin II-VO die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.
3.3. Das Zuständigkeitskriterium des Art. 10 Dublin II-VO sieht in seinem Abs. 1 vor, dass wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt wird, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
Bei den beiden in Art. 18 Abs. 3 Dublin II-VO genannten Verzeichnissen handelt es sich um
a) Beweismittel:
i) Hierunter fallen förmliche Beweismittel, die insoweit über die Zuständigkeit nach d dieser Verordnung entscheiden, als sie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden.
ii) Die Mitgliedstaaten stellen dem in Artikel 27 vorgesehenen Ausschuss nach Maßgabe der im Verzeichnis der förmlichen Beweismittel festgelegten Klassifizierung Muster der verschiedenen Arten der von ihren Verwaltungen verwendeten Dokumente zur Verfügung.
b) Indizien:
i) Hierunter fallen einzelne Anhaltspunkte, die, obwohl sie anfechtbar sind, in einigen Fällen nach der ihnen zugebilligten Beweiskraft ausreichen können.
ii) Ihre Beweiskraft hinsichtlich der Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages wird von Fall zu Fall bewertet.
Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO).
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin II-VO oder einem entsprechenden Vertrag geführt. Dass solche Verhandlungen geführt werden, ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen.
3.4. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer bereits in Italien erkennungsdienstlich behandelt wurde und, dass Italien einer Übernahme des Beschwerdeführers auf Grundlage des Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO am 03.03.2009 zustimmte, zu Recht von einer Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrages ausgegangen.
3.5. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen.
3.5.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 08.03.2001, G 117/00 u.a. VfSlg 16.122, aus, dass § 5 AsylG nicht isoliert zu sehen sei; das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden. Dieser Rechtsansicht schloss sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, an.
Hatte der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 15.10.2005, G 237/03 u.a. ausgesprochen, dass jene zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-VO zutreffen, ergänzte er in seinem Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05-11, dies dahingehend, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die entsprechende Vergewisserung durch den Rat erfolgt sei; eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben.
In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (dem ein - die Zuständigkeit Italiens nach dem Dubliner Übereinkommen betreffender - Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zugrunde lag) sowie in dem (bereits die Dublin-VO betreffenden) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095-9, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Verfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist, ob ein - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiiertes "real risk" besteht, dass ein aufgrund der Dublin-VO in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist, wobei insbesondere zu prüfen sei, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wird ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
3.5.2. Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihm durch eine Rückverbringung nach Italien die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.
Während des gesamten Verfahrens hat der Beschwerdeführer keine substantiierten Gründe vorgebracht, die gegen seine Überstellung nach Italien sprechen würden. Er hat lediglich angegeben, dass er nie in Italien gewesen sei, was allerdings eindeutig durch das vorliegende Eurodac-Ergebnis und die Zustimmung Italiens zur Aufnahme des Beschwerdeführers widerlegt wurde.
Ferner hat er im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt sogar ausdrücklich angegeben, dass er keine Einwände gegen Italien habe, sodass der Asylgerichtshof aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers zu dem Schluss kommt, dass keinerlei Überstellungshindernisse vorliegen.
Das Beschwerdevorbringen bezieht sich eingangs lediglich darauf, dass der Beschwerdeführer - seiner Meinung nach - nicht in Italien gewesen sei, was allerdings - wie bereits oben erwähnt - eindeutig widerlegt wurde. Ferner lässt sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen, dass der Beschwerdeführer kein bestimmtes Ziel gehabt habe, sondern "zufällig" nach Österreich gekommen sei, wobei auch hier keine Einwände gegen eine Überstellung nach Italien vorgebracht wurden, sondern der Beschwerdeführer sogar darauf verwiesen hat, dass es für ihn in Italien keine Bedrohungssituation gebe. In weiterer Folge versucht der Beschwerdeführer in seinen Beschwerdeausführungen lediglich sein Verhalten im Lager zu rechtfertigen bzw. zu entschuldigen, was allerdings für das gegenständliche Verfahren nicht von Relevanz ist.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass nach den umfassenden Länderfeststellungen zum italienischen Asylverfahren im angefochtenen Bescheid - denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist - kein Zweifel daran besteht, dass der Beschwerdeführer in Italien Zugang zu einem inhaltlichen Asylverfahren und einer ordnungsgemäßen Versorgung hat.
Soweit der Beschwerde zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer in Italien möglicherweise kein Asyl erhalten werde und nach Algerien abgeschoben werden könnte, ist ihm entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden sein kann, "hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang" eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahren anzustellen (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).
Auch geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat sind für sich genommen keine ausreichende Grundlage dafür, dass die österreichischen Asylbehörden vom Selbsteintrittsrecht Gebrach machen müssten (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).
Aus der Rechtsprechung des EGMR lässt sich ein systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Italien keinesfalls erkennen und gelten im Übrigen die Mitgliedstaaten der EU als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige. Zudem war festzustellen, dass ein im besonderen Maße substantiiertes Vorbringen bzw. das Vorliegen besonderer von dem Beschwerdeführer bescheinigter außergewöhnlicher Unstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Konkret besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass etwa der Beschwerdeführer im Zuge einer so genannten "ungeprüften Kettenabschiebung" in sein Heimatland, also nach Algerien, zurückgeschoben werden könnte.
Es fehlen demnach konkrete Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer von den italienischen Behörden im Zuge einer so genannten "Kettenabschiebung" nach Algerien oder in ein Drittland rückgeschoben würde. Ebenso wenig finden sich Anhaltspunkte für die reale Gefahr einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung.
Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Italien sind weder der Aktenlage noch dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers zu entnehmen und ist daher von der Überstellungsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen, zumal der Beschwerdeführer im Rahmen des Verfahrens das Vorliegen einer Erkrankung nicht behauptet hat.
Somit ist festzuhalten, dass die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers nicht jene besondere Schwere aufweist, um eine Überstellung nach Italien als im Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehend zu werten. Durch eine Abschiebung des Beschwerdeführers wird Art. 3 EMRK daher nicht verletzt und reicht es jedenfalls aus, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung grundsätzlich verfügbar sind, was in Italien jedenfalls der Fall ist.
Der Asylgerichtshof kommt daher zu dem Schluss, dass dem Beschwerdeführer in Italien keine reale Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.
3.5.3. Ferner ist eine Überprüfung gemäß Art. 8 EMRK dahingehend vorzunehmen, ob der Beschwerdeführer über im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK relevante Verbindungen in Österreich verfügt.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
In der Rechtsprechung des EGMR ist klargestellt, dass Art. 8 EMRK nicht das Recht gewährt, den Ort zu wählen, der nach Ansicht der Betroffenen am besten geeignet ist, ein Familienleben aufzubauen (EGMR 28.11.1996, Ahmut v. Niederlande). Das Ausmaß der staatlichen Verpflichtung, Verwandte der ansässigen Einwanderer in das Staatsgebiet immigrieren zu lassen, hängt vielmehr von den besonderen Umständen der betroffenen Personen ab (EGMR, Fall Abdulaziz, Urteil vom 28.05.1985). Maßgeblich ist die Nähe des Verwandtschaftsgrades, die Intensität des Familienlebens und natürlich der Umstand, ob es sich um einen legalen Aufenthalt der Familie handelt. Dabei können die Beurteilungsparameter, die untereinander abzuwägen sind, sehr unterschiedlich sein. Maßgebend ist auch, ob das Familienleben zu einer Zeit entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten und nicht mit einer Fortsetzung des Familienlebens rechnen konnten (EGMR 11.4.2006, Useinov v. die Niederlande).
Seinen eigenen Angaben zufolge verfügt der Beschwerdeführer weder in Österreich noch im Bereich der Europäischen Union (einschließlich Norwegen und Island) über aufenthaltsberechtigte Verwandte und lebt auch nicht mit jemandem in einer Familien- oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Aus diesem Grund verstößt eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien nicht gegen Art. 8 EMRK.
Im gegenständlichen Fall liegen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration des Beschwerdeführers in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07 und VfGH vom 01.10.2007, Zl. G 179, 180/07).
3.5.4. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO aufgrund einer drohenden Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK besteht.
3.5.5. Festzuhalten ist auch, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG normierte 20-tägige Frist im gegenständlichen Fall eingehalten worden ist.
3.5.6. Hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich sind, da weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch der Beschwerdeführer in Österreich über Angehörige im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ersichtlich. Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes im Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.
3.5.7. Die Beschwerde erwies sich somit als nicht berechtigt und war daher spruchgemäß abzuweisen.
3.5.8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG abgesehen werden. Angesichts des Spruchinhaltes erübrigt sich eine gesonderte Erwägung betreffend eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.