Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg erlässt durch das Einzelmitglied Mag. Peter Nußbaumer über die Berufung von Herrn Hannes A., M. 3/2a, L., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gerald I., L., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann i.Pg. vom 17.06.2008, Zahl 30406-369/2420-2008, folgendes
Erkenntnis:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben. Das Verwaltungsstrafverfahren wird gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Begründung:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird dem Beschuldigten Folgendes vorgeworfen:
"Angaben zur Tat:
Zeit der Begehung: 17.01.2008, 12:50 Uhr
Ort der Begehung: Bad Gastein, B 167, bei Str.-KM 23,300
Schutzweg auf Höhe Raiba, Fahrtrichtung Böckstein Fahrzeug: Personenkraftwagen, xxx (A)
* Sie haben als Lenker das Fahrzeug vor dem Schutzweg nicht angehalten, um einem Fußgänger, der sich vorschriftsmäßig auf dem Schutzweg befand, das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.
Sie haben dadurch folgende Verwaltungsübertretung begangen:
* Übertretung gemäß § 9(2) Straßenverkehrsordnung
Deshalb wird gegen Sie folgende Verwaltungsstrafe verhängt:
Strafe gemäß:
§ 99(2c) Ziffer 1 Straßenverkehrsordnung Euro 250,00 Ersatzfreiheitsstrafe: 84 Stunden"
Der Beschuldigte hat durch seinen ausgewiesenen Vertreter hiegegen rechtzeitig schriftliche Berufung eingebracht wie folgt:
"In umseits rubrizierter Verwaltungsstrafsache erhebt der Beschuldigte durch seinen ausgewiesenen Rechtsfreund Dr. Gerald I., Rechtsanwalt in L., O. 6, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pg. vom 17. Juni 2008, Zl. 30406-369/2420-2008, zugestellt am 19. Juni 2008, in offener Frist Berufung:
Das vorgenannte Straferkenntnis wird seinem gesamten Inhalte nach angefochten, dessen Aufhebung und die Einstellung des Verfahrens begehrt. Als Berufungsgründe werden unrichtigte Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht und im Einzelnen ausgeführt:
1. Dem gesamten Beweisergebnis ist nicht zu entnehmen, dass dem Mädchen das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht möglich gewesen sein soll.
Selbst wenn man der (unrichtigen) Ansicht der Behörde folgen will, wonach der Beschuldigte nicht vor dem Zebrastreifen angehalten hätte, hat der Meldungsleger selbst in seiner Anzeige ausgeführt, dass sich das Mädchen bereits "ca. in Fahrbahnmitte" befunden hatte, der Beschuldigte sein Fahrzeug "kurz abbremste, nach rechts auswich" und er hinter dem Mädchen (in dessen Richtung gesehen) seine Fahrt nach Böckstein fortsetzte.
Der Meldungsleger hat weder bei seiner Erstanzeige und auch nicht in seiner nachfolgenden Stellungnahme im Beweisverfahren ausgeführt, worin eine Behinderung bzw. Gefährdung des die Strasse überquerenden Mädchens gelegen sein soll.
Tatsächlich hat das Mädchen auch die Strasse zügig und ohne die geringste Behinderung bzw. Beeinträchtigung überqueren können und überquert, wobei das Mädchen sogar - wie der Beschuldigte in seiner bisherigen Stellungnahme verwiesen hat - in einem Zug über die Strasse gelaufen ist.
Daraus ist ersichtlich, dass
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bei Annäherung des Beschuldigtenfahrzeuges an den Zebrastreifen sich das Mädchen bereits in Fahrbahnmitte befunden hat,
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das Mädchen sohin die nach Böckstein führende Fahrspur des Beschuldigten bereits verlassen hatte und
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die Fahrspur des Beschuldigten somit bereits frei und eine Weiterfahrt über den Schutzweg ohne jegliche Behinderung oder Gefährdung des überquerenden Mädchens daher möglich war. Der Tatbestand des § 9 (2) StVO wurde daher nicht verwirklicht, wäre dieser Umstand aus den bisherigen Beweisergebnissen klar erkennbar gewesen und war die Fällung eines diesbezüglichen Schuldspruches rechtsirrig.
2. § 9 (2) StVO normiert keine generelle Verpflichtung, in jedem Fall vor einem Schutzweg anzuhalten. Eine Anhaltung des Fahrzeuges vor dem Schutzweg hat nur erforderlichenfalls zu erfolgen, nämlich dann, wenn eine unbehinderte und ungefährdete Überquerung der Fahrbahn durch jenen den Schutzweg benützenden Fussgänger nicht möglich ist.
Wie bereits oben ausgeführt, konnte das Mädchen den Schutzweg ungehindert und ungefährdet überqueren und hat die Fahrspur des Beschuldigten bereits vor Querung des Fahrzeuges verlassen gehabt. Eine Anhaltung des Fahrzeuges wäre sohin nicht erforderlich gewesen.
Dass der Beschuldigte dennoch sein Fahrzeug vor dem Schutzweg kurz angehalten hat - hier wird, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden auf die bisherigen Stellungnahmen verwiesen - ergibt sich daraus, dass das Mädchen den Schutzweg laufend überquert hat und der Beschuldigte damit rechnete, dass möglicherweise eine weitere Schülerin diesem Mädchen hinterherlaufen könnte. Da die Sicht auf den rechten Fahrbahnrand vorerst verstellt war, hat der Beschuldigte aus Vorsichtsgründen sein Fahrzeug kurz angehalten und - nachdem er sich überzeugen konnte, dass keine weitere Person den Schutzweg betreten würde - seine Fahrt fortgesetzt. Der im Verfahren einvernommene Zeuge Christoph G. hat in seiner schriftlichen Fragebeantwortung an den Beschuldigtenvertreter ausdrücklich klargestellt, dass er sich mit seinem Fahrzeug unmittelbar hinter dem Fahrzeug des Beschuldigten A. befunden hat und der Zeuge Christoph G. vor dem Schutzweg deswegen stehengeblieben ist, da auch das Fahrzeug vor ihm (nämlich das Beschuldigtenfahrzeug) angehalten hatte.
Die Erstbehörde hätte daher feststellen müssen, dass der Beschuldigte durchaus (wenngleich aus blossen Vorsichtsgründen, welche mit dem querenden Mädchen nicht im Zusammenhang standen) sein Fahrzeug vor dem Zebrastreifen angehalten hatte. Nachdem nach Angaben des Zeugen Christoph G. seine Einvernahme etwas missverständlich protokolliert wurde (was dieser in seiner Anfragebeantwortung richtiggestellt hatte) und der Beschuldigtenvertreter für den Fall, dass der Behörde die schriftliche Fragebeantwortung nicht ausreichend erscheint, die nochmalige und ergänzende zeugenschaftliche Einvernahme des Christoph G. im Sinne dieser Fragestellung beantragt hatte, wäre die Erstbehörde verpflichtet gewesen, antragsgemäss die nochmalige ergänzende Einvernahme des Zeugen Christoph G. durchzuführen.
Das Verfahren ist sohin in diesem Punkt mangelhaft geblieben und wurde der Sachverhalt im erstinstanzlichen Verfahren nicht richtig festgestellt.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Feststellungen der Erstbehörde, dem Mädchen wäre das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht möglich gewesen, unrichtig sind, mit den Beweisergebnissen in krassem Widerspruch stehen, ist weiters in der Unterlassung der nochmaligen Einvernahme des Zeugen G. ein Verfahrensmangel zu erblicken ist und hätte bei richtiger rechtlicher Würdigung der bereits bisher vorliegenden Beweisergebnisse eine Verfahrenseinstellung erfolgen müssen.
Aus den obigen Gründen wird daher beantragt, dieser Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung gem. § 9 (2) StVO zur Einstellung zu bringen."
In der Sache wurde am 02.03.2009 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Der Beschuldigte war darin durch seinen Rechtsbeistand vertreten und wurde als Partei gehört. Zeugenschaftlich einvernommen wurden der meldungslegende Polizist und der unmittelbar nach dem Beschuldigten nachfahrende Lenker.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat hiezu gemäß § 51c VStG durch ein Einzelmitglied erwogen:
Gemäß § 9 Abs 2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, einem Fußgänger oder Rollstuhlfahrer, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, dass er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten.
§ 9 Abs 2 StVO verpflichtet den Kraftfahrer nicht dazu, vor einem Schutzweg, auf dem sich ein Passant befindet, unter allen Umständen anzuhalten. Zweck der Vorschrift ist vielmehr, einem Fußgänger das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Dies bedeutet, dass ein Fahrzeuglenker weiterfahren darf, wenn sein Abstand vom bevorrangten Fußgänger so groß ist, dass er diesen beim Überqueren des Schutzweges weder gefährdet noch behindert. Eine Behinderung eines Fußgängers ist jedenfalls anzunehmen, wenn dieser ausweichen oder stehen bleiben muss (vgl VwGH 21.10.1992, 92/02/0183, und UVS Niederösterreich 04.10.2004, Senat-BN-03-1129).
Im vorliegenden Fall hat der Meldungsleger ausgesagt, dass der Beschuldigte mit seinem Fahrzeug den Schutzweg unmittelbar hinter einer Schülerin gequert habe, dies nach Verringerung seiner Geschwindigkeit und leichtem Ausweichen nach rechts. In welchem Abstand zur Fußgängerin der Beschuldigte den Schutzweg gequert habe, könne er allerdings nicht mehr sagen.
Aufgrund dieser Aussage kann allerdings eine Behinderung oder Gefährdung eines Fußgängers nach § 9 Abs 2 StVO noch nicht angenommen werden, weil diesfalls eine Angabe dazu erforderlich gewesen wäre, in welchem Abstand und mit welcher Geschwindigkeit der Beschuldigte hinter der Fußgängerin vorbeigefahren ist. In Anbetracht der Tatsache, dass sich diese zum Zeitpunkt des Querens durch den Beschuldigten offenbar bereits auf dem Fahrstreifen für den Gegenverkehr befunden hat, gibt es keinen ausreichenden Anhaltspunkt für eine Behinderung oder Gefährdung.
Damit war das Verwaltungsstrafverfahren ohne weitere Prüfung der Glaubwürdigkeit des Entlastungszeugen gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.