B9 250.250-0/2008/1E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Z 2 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl. I 2008/4, (AsylG) und § 66 Abs. 4 AVG durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Vorsitzende und den Richter Mag. Stefan HUBER als Beisitzer über die Beschwerde von
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Beschwerdeführer behauptete im Zuge des Asylverfahrens Staatsangehöriger von "Serbien und Montenegro" und am 07.04.2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Am selben Tag stellte er einen Antrag auf Gewährung von Asyl, woraufhin er am 10.05.2004 im Beisein eines geeigneten Dolmetschers der albanischen Sprache niederschriftlich einvernommen wurde. Dabei gab er im Wesentlichen Folgendes an:
"F: Besitzen oder besaßen Sie einen Reisepass?
A: Ich hatte einen UNMIK-Pass. Diesen Pass habe ich jedoch in meiner Heimat im Kosovo verloren. Als Nachweis für meine Identität lege ich meine ID-Card von UNMIK Prishtine vor.
F: Wann, wo und von wem wurde der Pass ausgestellt und wie lange ist er gültig?
A: Mein Pass wurde von UNMIK Prishtine ausgestellt. Ich habe diesen Pass jedoch bereits im Jänner 2004 irgendwo im Kosovo verloren und kann über die Gültigkeit des Passes auch keine näheren Angaben machen. Ich habe die zur Ausstellung erforderlichen Behördenwege selbst erledigt.
F: Befand sich ein Visum in diesem Pass?
A: Nein.
Ich werde in Kenntnis gesetzt, dass ich den Pass im Falle der Wiedererlangung oder einer Neuausstellung beim Asylamt vorzulegen habe.
A: Das nehme ich zur Kenntnis.
F: Seit wann hatten Sie die Absicht Ihr Heimatland zu verlassen?
A Ich habe mich im Dezember 2003 dazu entschlossen den Kosovo mit meiner Frau -XX- bei Gelegenheit zu verlassen.
F: Haben Sie Ihr Heimatland früher schon einmal verlassen?
A Nein, auch nicht während des Krieges.
F: Haben Sie in anderen Staaten um Asyl angesucht?
A: Nein.
F: Wann haben Sie jetzt Ihren Wohnsitz im Heimatland endgültig verlassen und wo, wie lange und bei wem haben Sie sich danach innerhalb Ihres Heimatlandes noch aufgehalten?
A: Ich habe meinen Wohnsitz bei meinem Vater in -XX- bereits im Dezember 2003 verlassen und begab mich mit meiner Frau zu meiner Schwester -XX- nach Mitrovice, wo wir uns bis zu unserer Ausreise am 04.04.2004 aufgehalten haben.
F: Wann, wie und wo sind Sie aus Ihrem Heimatland ausgereist?
A: In Mitrovice habe ich einen Schlepper gefunden, der mir versprach mich und meine Frau gegen Bezahlung nach Österreich zu bringen. Am 04.04.2004 trafen wir uns mit dem Schlepper und brachte er uns in seinem Kombi aus dem Kosovo weg.
F: Wie gelangten Sie nach Österreich?
A: Wir haben Mitrovice am 04.04.2004 verlassen und fuhren mit einigen Unterbrechungen im Kombi bis hierher nach Graz. Der Schlepper traf sich unterwegs immer wieder mit Leuten und redete mit ihnen. Meine Frau und ich verblieben bei diesen Gesprächen aber im Fahrzeug und stiegen nur kurzzeitig aus.
Über die Fahrtroute kann ich keine genauen Angaben machen. Der Schlepper hat mit uns darüber auch nicht gesprochen. Ich weiß nicht, über welches Land wir in Österreich eingereist sind, aber wir sind illegal hier eingereist.
Ich weiß auch nicht, ob wir über einen offiziellen Grenzübergang gekommen sind. Wir wurden jedenfalls nicht kontrolliert.
Am 07.04.2004 ließ uns der Schlepper am Vormittag hier in Graz, in der Nähe des Asylamtes aussteigen und zeigte uns den Weg zum Asylamt, wo wir dann um Asyl angesucht haben.
F:Weshalb gerade Österreich?
A: Wir haben uns für Österreich entschieden, weil ich wir nur Gutes von diesem Land gehört haben.
F: Wie viel haben Sie für die Schleppung bezahlt und woher stammte das Geld dafür?
A: Ich habe für beide Personen insgesamt 3000.- Euro bezahlt. Das Geld dafür habe ich von verschiedenen Verwandten und Bekannten ausgeliehen.
F: Ist Ihre Versorgung hier gesichert?
A: Nein, wir sind derzeit bei der Caritas untergebracht und benötigen Unterstützung.
F: Gehören Sie einer politischen Partei oder einer parteiähnlichen Organisation an?
A: Nein.
F: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren anhängig?
A: Nein.
F: Wird nach Ihnen gefahndet?
A: Nein.
F: Waren Sie in Haft oder wurden Sie festgenommen? Wenn ja, wie oft insgesamt?
A: Nein, ich war nie in Haft und wurde auch nicht festgenommen.
F: Wie war ihre wirtschaftliche Lage in ihrer Heimat. Was und wo haben sie zuletzt gearbeitet?
A: Meine wirtschaftliche Situation war katastrophal. Ich habe mit meiner Frau in -XX- in einem im Krieg zerstörten kleinen Häuschen gelebt. Wir hatten nur einen Raum zur Verfügung und jahrelang kein Einkommen. Wir lebten von Gelegenheitsarbeiten und von geringen Unterstützungen meiner Geschwister. Diese bewohnten auch nur kleine Unterkünfte und hatten auch gerade genug, um davon zu leben.
Die wirtschaftliche Situation im Kosovo ist sehr schlecht und es gibt keine Aussicht auf eine Besserung.
Wenn ich nun aufgefordert werde meine Flucht- und Asylgründe zu schildern, gebe ich an:
Ich wurde in meiner Heimat weder von der Polizei oder einer anderen Behörde verfolgt.
Der Hauptgrund für unsere Flucht war unsere wirtschaftliche Situation. Es gibt keine Zukunft und keine Aussicht auf eine Arbeit. Wir mussten eigentlich in völliger Armut leben.
Außerdem gab es Schwierigkeiten mit der Familie meiner Frau, weil wir am 10.August 2003 ohne Einverständnis ihrer Familie geheiratet haben. Seither wurden wir von ihrer Familie verstoßen und konnten uns von dieser Seite keine Unterstützung erwarten.
F: Wollen Sie hier in Österreich arbeiten?
A: Ja, ich würde gerne hier arbeiten, wenn ich eine Möglichkeit dazu bekommen würde. Ich möchte für mich und meine Frau sorgen, damit wir niemanden zur Last fallen.
F: Wer von Ihren Verwandten und Familienmitgliedern lebt noch im Kosovo?
A: Mein Vater und meine sieben Geschwister mit ihren Familien leben nach wie vor im Kosovo. Andere Verwandte habe ich auch. Die Familie meiner Frau auch, aber die wollen uns nicht.
F: Wollen Sie noch weitere Gründe geltend machen?
A: Nein.
F: Würde Ihnen im Falle der Rückkehr Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?
A: Wir hätten weder von der Polizei noch von anderen Behörden etwas zu befürchten, aber ich würde in meiner Heimat Probleme bekommen, weil die Familie meiner Frau mit unserer Hochzeit nicht einverstanden war.
Sie ist zwar auch Albanerin, hat sich aber in mich verliebt und ihre Familie nicht um Erlaubnis gefragt. In unserer Heimat ist das nicht üblich.
F: Wurden sie wegen dieser Beziehung von der Familie ihrer Frau konkret unter Druck gesetzt oder bedroht?
A: Die Brüder meiner Frau waren bei meinem Vater und haben ihm gesagt, dass er Probleme bekommen würde, wenn er mich und meine Frau unterstützt.
F: Wurden Sie von den Brüdern Ihrer Frau konkret bedroht?
A: Nein, ich wurde nicht bedroht, ich bin ihnen immer ausgewichen.
F: Wann konkret waren die Brüder bei Ihrem Vater?
A: Sie waren nicht persönlich bei ihm, sie haben ihm jemanden geschickt, der ihm das ausrichten sollte. Das war im Dezember 2003. Danach sind meine Frau und ich zu meiner Schwester nach Mitrovice gezogen.
V: Wirtschaftliche Gründe und familiäre Probleme innerhalb der Familie stellen keinen Asylgrund dar.
A: Das nehme ich zur Kenntnis, aber was hätten wir machen sollen. Wir hatten keinen anderen Ausweg und wussten nicht wohin.
F: Haben Sie irgendwelche Verwandte oder Familienmitglieder hier in Österreich?
A: Nein.
V: Eine Ihre Existenz bedrohende Notlage ist nicht ersichtlich, zumal alle ihre Familienmitglieder und ihre Verwandten im Kosovo leben.
A: Das nehme ich zur Kenntnis.
F: Können Sie Gründe anführen, die gegen eine Ausweisung aus Österreich sprechen würden?
A: Meine Frau und ich wollen einfach frei sein und in Ruhe leben. Wir möchten eine Familie gründen. Das ist in unserer Heimat nicht möglich.
F: Wollen Sie noch etwas ergänzen?
A: Nein.
F: Hat es während der Einvernahme Verständigungsprobleme mit dem Dolmetsch gegeben ?
A: Nein."
Das Bundesasylamt hat den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 12.05.2004, Zahl: 04 06.876-BAG, gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.); die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien und Montenegro gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 2 AsylG den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer am 28.05.2004 fristgerecht Beschwerde eingebracht.
Darin wird ausgeführt, dass die Erstinstanz ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen ist; es wurde nicht in Erwägung gezogen umfangreichere Nachforschungen bezüglich seiner Probleme im Kosovo anzustellen. Dies stellt einen Verfahrensmangel dar, den der Beschwerdeführer gegen seinen Asylantrag abweisenden Bescheid geltend machten möchte. Das Bundesasylamt ist der Meinung, dass keine konkrete asylrelevante Verfolgung wegen der nicht geduldeten Verehelichung seitens anderer Familienmitglieder behauptet wurde. Dies ist in der Tat zutreffend, jedoch hat der Beschwerdeführer angegeben, dass er nicht weiß, was ihm im Falle einer Rückkehr in den Kosovo passieren würde, da er den Familienangehörigen seiner Frau immer aus dem Weg gegangen ist. Daher gab es nie die Möglichkeit, zu erfahren was er im Falle einer Rückkehr zu befürchten hätte. Angesichts der absolut bösartigen Absichten dieser Leute und dem Druck den sie auf die Beschwerdeführer ausüben, ist er sich aber sicher, dass er angegriffen werde, sollten sie sie treffen. Der Beschwerdeführer möchte dem Bundesasylamt verdeutlichen, dass seine Gesundheit und sein Leben in Gefahr ist, sollten diese Leute im Kosovo auf ihn treffen. Auch wäre es sinnlos zu versuchen ausreichenden Schutz von Seiten der Behörden im Kosovo zu bekommen, da diese grundsätzlich der Meinung sind bei familiären Problemen nicht eingreifen zu müssen, bis es einen handfesten Grund dazu gibt.
Die Familie seiner Gattin hat sie verstoßen, da sie ohne deren Einverständnis geheiratet haben. Deswegen können der Beschwerdeführer und seine Gattin von diesen Leuten keinerlei Unterstützung erwarten. Ganz im Gegenteil: Die Angehörigen seiner Frau üben sehr großen Druck auf seine eigene Familie und Freunde aus, damit auch diese sie nicht mehr unterstützen. Tatsächlich werden sie auf Grund der Aktivitäten der Familie seine Frau vom allgemeinen Sozialleben ausgeschlossen.
Angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Situation die im ganzen Kosovo vorherrscht, ist dies ein existenzbedrohliches Problem, denn es ist unmöglich ohne soziale Kontakte und Beziehungen Arbeit zu finden. Auch bekommen der Berufungswerber und seine Gattin keine Unterstützung von irgendwelchen öffentlichen Stellen, da sie auf Grund deren Lebensumstände nicht berechtigt sind einen Antrag auf finanzielle Unterstützung zu stellen.
Da noch keine rechtskräftige Feststellung getroffen wurde, ob dem Beschwerdeführer im Kosovo unmenschliche Behandlung drohen würde oder sein Leben dort in Gefahr wäre, möchte er eine Überprüfung, dass er nicht in sein Heimatland rückgeschoben oder abgeschoben werden könne.
Abgesehen von seiner finanziellen und sozialen Situation ist es ihm zur Zeit aus tatsächlichen Gründen nicht möglich Österreich zu verlassen, da er illegal eingereist ist und keine gültigen Reisedokumente besitze. Müsste er Österreich verlassen, wäre er gezwungen illegal in ein anderes Land einzureisen.
Auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden seitens des Asylgerichtshofes folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo und stellte am 07.04.2004 einen Asylantrag. Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und hatte nie Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt und hat seine Heimat auf Grund der wirtschaftlichen schlechten Lage verlassen.
Er hat einen in Österreich geborenen Sohn -XX-.
Eine Bedrohung auf Grund der nicht genehmigten Heirat mit Frau -XXwird nicht festgestellt.
Zur Heimat des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:
1. Allgemeine Lage im Kosovo:
1. a. Allgemeines:
Im Kosovo, einem Gebiet von ca. 11.000 qkm, leben - geschätzt - 2,1 Millionen Menschen, davon 92 Prozent ethnische Albaner, 5,3 Prozent Serben, 0,4 Prozent Türken, 1,1 Prozent Roma sowie 1,2 Prozent anderer Ethnien. Die Amtssprachen sind Albanisch und Serbisch. Auf Gemeindeebene werden auch Bosnisch, Romanes und Türkisch als Amtssprachen in Verwendung sein. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seiten 3-5]
1. b. Lageentwicklung:
1. b.1. Kosovo unter UN - Verwaltung
Am 24.03.1999 begann die NATO die Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit dem erklärten Ziel, "eine humanitäre Katastrophe zu verhindern (und) das Morden im Kosovo zu beenden". Im Juni 1999 rückten die unter Führung der NATO gebildeten KFOR-Einheiten in den Kosovo ein. Am 10.06.1999 wurde das Gebiet auf der Basis der Sicherheitsrats-Resolution 1244 der vorläufigen zivilen UN-Verwaltung "United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK)" unterstellt. Völkerrechtlich gehörte der Kosovo aber nach wie vor zur Bundesrepublik Jugoslawien. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:: Entscheidungen Asyl 03/2008 , Seite 2]
1. b.2. Statusverhandlungen
Der VN-Generalsekretär hat für die Verhandlungen zum Status des Kosovo den ehemaligen finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari zu seinem Sondergesandten ernannt. Ahtisaari hat am 21. Oktober 2005 die Statusgespräche begonnen. Nach anfänglicher Pendeldiplomatie zwischen Wien und Pri¿tina bzw. Belgrad begannen am 22. Februar 2006 direkte Gespräche zwischen beiden Delegationen. VN-Sondergesandter Ahtisaari hat am 02.02.2007 den Parteien einen Entwurf des Statuspakets übergeben. Abschließend hat sich der UN-Sicherheitsrat mit der Statuslösung befasst. In intensiven Verhandlungen bis Ende Juli 2007 konnte jedoch keine Einigung über einen Resolutionstext erzielt werden, und die Befassung des UN-Sicherheitsrates wurde zunächst auf Eis gelegt.
Unter Federführung einer "Troika" aus USA, Russland und EU begannen am 01.08.2007 neue Verhandlungen, die jedoch am 10.12.2007 endgültig scheiterten.
[Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 7; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:
Entscheidungen Asyl 03/2008 , Seite 2]
1. b.3. Wahlen
Am 17.11.2007 fanden Parlaments-, Kommunal- und Bürgermeisterwahlen, die ohne besondere Zwischenfälle abliefen, statt. Der mit der Wahlbeobachtung betraute Europarat hat bestätigt, dass die Wahlen entsprechend der internationalen und europäischen Standards verlaufen sind.
Ergebnisse der Parlamentswahlen vom 17.November 2007
Partei: 2004 2007 Sitze Frauenanteil
AAK (Ramush Haradinaj) 8,39% 9,6% 10 3
AKR (Beghjet Pacolli n.k. 12,3% 13 4
LDD (Nexhat Daci) n.k. 10% 11 4
LDK (Fatmir Sejdu) 45,42% 22,6% 25 8
ORA (Veton Surroi) 6,23%. 4,1% - -
PDK (Hashim Thaci) 28,85% 34,3% 37 12
Andere Parteien 11,11%. 7,1% 24 6
Gesamt 120 27
[Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seite 28; Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seite 36]
Am 9. Jänner 2008 hat das Parlament sowohl Präsident Fatmir Sejdiu in seinem Amt als auch das Kabinett von Ministerpräsident Hashim Thaci (Demokratische Partei des
Kosovo, PDK) bestätigt. Das neue Kabinett hat zwei Vizeministerpräsidenten und 15
Minister, sieben davon kommen der PDK, fünf dem Koalitionspartner
LDK
und drei den Minderheiten zu. [APA 09.01.2008: Kosovos neue Führungsspitze von Parlament bestätigt]
1. b.4. Unabhängigkeit des Kosovo
Das kosovarische Parlament erklärte am 17.02.2008 gegen den Willen Serbiens seine Unabhängigkeit. Die Proklamation enthält neben dem Bekenntnis zur Verwirklichung des Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit eine Einladung an die EU, die Staatswerdung des Kosovo mit einer eigenen Mission zu begleiten, und an die NATO, ihre Schutztruppen im Land aufrechtzuerhalten.
Die einseitige Sezession ist völkerrechtlich und international umstritten. Gleichwohl haben mittlerweile über 30 Staaten, allen voran die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, den Kosovo förmlich anerkannt.
Das neue Staatswesen ist zwar formal souverän, die internationale Staatengemeinschaft wird jedoch weiterhin sowohl zivil als auch militärisch präsent sein. Die Außenminister der EU und die NATO haben sich verständigt, die KFOR nicht abzuziehen; rund 17.000 NATO-Soldaten bleiben im Kosovo, darunter knapp 2.400 Deutsche. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben die Entsendung
einer ca. 2.000 Mann starken EU-Mission (EULEX) beschlossen. Sie soll die UN-Verwaltung (UNMIK) nach einer Übergangszeit ablösen. Rund 70 Experten sind für ein International Civilian Office (ICO) unter Leitung eines EU-Sondergesandten mit weitreichenden Befugnissen vorgesehen. Als Leiter von EULEX wurde der französische General und ehemalige KFOR-Kommandeur Yves de Kermabon zum EU-Sondergesandten (EUSR) der Niederländer Pieter Feith bestellt.
[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seiten 2-3]
Wegen der unklaren rechtlichen Verhältnisse und Kompetenzen hatte sich der Aufbau von EULEX mehrfach verzögert. Am 26. November 2008 hat der UN-Sicherheitsrat hat dem Plan zum Aufbau der EU-Polizei- und Justizmission EULEX im Kosovo zugestimmt. In einer einstimmig verabschiedeten Erklärung gab der Sicherheitsrat in New York nach Diplomatenangaben grünes Licht für den Aufbau der Mission. Zuvor hatten die Außenminister von Serbien und Kosovo, Vuk Jeremic und Skender Hyseni, vor dem UN-Sicherheitsrat ihre Bereitschaft zur Kooperation mit EULEX versichert.
[APA 27.11.2008: UN-Sicherheitsrat stimmte EU-Mission EULEX im Kosovo zu]
Am 09.12.2008 hat EULEX die Tätigkeit aufgenommen. Der offizielle Start der EU-Rechtsstaatsmission EULEX im Kosovo ist ohne Zwischenfälle verlaufen. Landesweit nahmen rund 1.400 EULEX-Vertreter ihre Arbeit auf. In den Wintermonaten soll eine geplante Stärke von rund 1.900 internationalen und etwa 1.100 lokalen Mitarbeitern erreicht werden. Dann arbeiten 1.400 internationale Polizeibeamte, 300 Justizbeamte - darunter 40 Richter und etwa 20 Staatsanwälte - sowie 27 Zollbeamte im Rahmen von EULEX für mehr Rechtsstaatlichkeit im Kosovo.
[Der Standard 09.12.2008: Start der EU-Mission ohne Zwischenfälle]
Unter UNMIK-Verwaltung haben sich im Kosovo demokratische Strukturen entwickelt; es gibt ein Parlament und eine demokratisch legitimierte (provisorische) Regierung. Gewaltenteilung ist gewährleistet. Das Justizsystem bedarf an vielen Stellen noch der Verbesserung.
Eine kosovarische Polizei wurde aufgebaut, die sich bislang als gute Stütze der demokratischen Strukturen etabliert hat. Der Transitionsprozess, d. h. die schrittweise Übertragung der Kompetenzen von UNMIK auf kosovarische Institutionen hat bereits begonnen. Nach dem vorliegenden Verfassungsentwurf ist die Republik Kosovo ein demokratisches, multiethnisch zusammengesetztes Staatswesen, das den Minderheiten starke Rechte zusichert. Der Entwurf enthält alle notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Bedrohungen oder Diskriminierung von Minderheiten. Nationale Identitäten, Kulturen, Religionen und Sprachen werden darin respektiert.
[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seiten 2-3]
Die Verfassung wurde am 15. Juni 2008 vom Parlament verabschiedet [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations
Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008], welche am selben Tag in Kraft trat. [Constitution of the Republic of Kosovo. http://www.gazetazyrtare.com/egov/index.php?option=com_content&task=view&id=130&Itemid=54]
Die serbische Staatsführung bezeichnete die Verfassung der abtrünnigen Provinz als "rechtlich nicht existent". Präsident Boris Tadic kündigte an, die Proklamation der Kosovo-Verfassung werde von Belgrad nicht als rechtsgültig anerkannt.
Der Kosovo bleibt unter internationalem Protektorat.
Laut den Übergangsbestimmungen der Verfassung sind alle kosovarischen Institutionen verpflichtet, mit dem Internationalen Beauftragten, internationalen Organisationen und anderen Akteuren voll zu kooperieren, deren Mandat im Status Vorschlag des UNO-Vermittlers Ahtisaari definiert wurde. Auch die im Kosovo seit Juni 1999 stationierte NATO-geführte internationale Schutztruppe KFOR wird weiterhin das Mandat und die Befugnisse im Einklang mit einschlägigen internationalen Instrumenten genießen, die UNO-Resolution 1244 eingeschlossen.[APA 10.06.2008: Der Kosovo will Heimat aller seiner Bürger sein ]
1. b.4.1.Staatsangehörigkeit:
Das Staatsangehörigkeitsgesetz der Republik Kosovo trat am 15.06.2008 in Kraft.
Im Folgenden die wesentlichsten Bestimmungen im Originaltext in englischer Amtssprache des Kosovo:
Erlangung der Staatsbürgerschaft bei Vorliegen folgender Fakten:
CHAPTER II ACQUISITION OF CITIZENSHIP
Article 5 Modalities of the acquisition of citizenship
The citizenship of Republic of Kosova shall be acquired:
a) by birth;
b) by adoption;
c) by naturalization;
d) based on international treaties
e) based on Articles 28 and 29 of this Law.
Erlangung der Staatsbürgerschaft durch Geburt:
Acquisition of citizenship by birth
Article 6 Acquisition of citizenship by birth based on parentage
6.1 A child shall acquire the citizenship of Republic of Kosova by birth if on the day of his/her birth both of his/her parents are citizens of Republic of Kosova.
6.2 If on the day of the child's birth only one parent is a citizen of Republic of Kosova, the child shall acquire the citizenship of Republic of Kosova under the following conditions:
a) the child is born in the territory of Republic of Kosova;
b) the child is born outside the territory of Republic of Kosova and one parent is stateless or has unknown citizenship;
c) the child is born outside the territory of Republic of Kosova and one parent has another citizenship but both parents agree in writing that the child shall acquire the citizenship of Republic of Kosova. This provision must be exercised prior to the child's fourteenth birthday.
Übergangsbestimmungen:
CHAPTER V TRANSITIONAL PROVISIONS
Article 28 The Status of habitual residents of Republic of Kosova
28.1 Every person who is registered as a habitual resident of Republic of Kosova pursuant to UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry shall be considered a citizen of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens.
Article 29 Citizenship according to the Comprehensive Proposal for the Republic of Kosova Status Settlement
29.1 All persons who on 1 January 1998 were citizens of the Federal Republic of Yugoslavia and on that day were habitually residing in Republic of Kosova shall be citizens of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens irrespective of their current residence or citizenship.
29.2 Provisions of paragraph 1 of this Article apply also to direct descendants of the persons referred to in paragraph 1.
29.3 The registration of the persons referred to in paragraphs 1 and 2 of this Article in the register of citizens shall take effect upon the application of the person who fulfills the requirements set out in this Article.
29.4 The competent body shall determine in sub-normative acts the criteria which shall constitute evidence of the citizenship of the Federal Republic of Yugoslavia and habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998.
29.5 The competent body shall use the criteria set for the in UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry to determine habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998
Exkurs:
REGULATION NO. 2000/13
UNMIK/REG/2000/13
17 March 2000
ON THE CENTRAL CIVIL REGISTRY
Section 3
HABITUAL RESIDENTS OF KOSOVO
The Civil Registrar shall register the following persons as habitual residents of
Kosovo:
(a) Persons born in Kosovo or who have at least one parent born in Kosovo;
(b) Persons who can prove that they have resided in Kosovo for at least a continuous period of five years;
(c) Such other persons who, in the opinion of the Civil Registrar, were forced to leave Kosovo and for that reason were unable to meet the residency requirement in paragraph (b) of this section; or
(d) Otherwise ineligible dependent children of persons registered pursuant to
subparagraphs (a), (b) and/or (c) of this section, such children being under the age of
18 years, or under the age of 23 years but proved to be in full-time attendance at a recognized educational institution.
Doppelstaatsbürgerschaft
Article 3 Multiple Citizenships
A citizen of Republic of Kosova may be the citizen of one or more other states. The acquisition and holding of another citizenship shall not cause the loss of the citizenship of Kosova. [Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 06.03.2008, Zahl 156/08 an das BAL , Regulation no. 2000/13, 17 March 2000 On the Central Civil Registry; Law on Citizenship of Kosova
http://www.assembly-kosova.org/?krye=laws&lang=en&ligjid=243 ]
Zusammenfassend ergibt sich:
Nach Art. 155 haben alle rechtmäßigen Bewohner Kosovos einen Anspruch auf die kosovarische Staatsbürgerschaft. Außerdem haben ihn alle Bürger (und deren Abkömmlinge) der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien, die am 01.01.1998 ihren ständigen Wohnsitz in Kosovo, unabhängig vom derzeitigen Wohnort, hatten.
Ein Bürger kann auch Bürger eines oder mehrerer anderer Staaten sein, der Erwerb oder Besitz einer anderen Staatsbürgerschaft bedeutet nicht den Verlust der kosovarischen Staatsangehörigkeit.
Eine erleichterte Einbürgerung ermöglicht Art. 13 den Mitgliedern der Kosovo-Diaspora (Ausreise vor dem 01.01.1998). Als ihr Mitglied gilt, wer seinen Wohnsitz außerhalb Kosovos hat, in Kosovo geboren ist und enge familiäre und wirtschaftliche Beziehungen in Kosovo hat (Abs. 2). Auch Nachkommen der ersten Generation, die familiäre Verbindungen in Kosovo haben, zählen zur Kosovo- Diaspora (Abs. 3). Art. 28 und 29 StAG regeln den Status derjenigen, die als rechtmäßige Bewohner registriert sind (legal residents) und der Bürger des ehemaligen Jugoslawiens, die am 01.01.1998 ihren ständigen Wohnsitz in Kosovo hatten (habitually residing).
Jeder, der die Voraussetzungen erfüllt, gilt automatisch als Staatsbürger der Republik Kosovo. Laut Art. 28 I ist jede Person, die als "habitual resident" gem. UNMIK Regulation No. 2000/13 im Zivilregister registriert wurde, als Staatsbürger Kosovos zu betrachten (shall be considered) und als solcher in einem Staatsbürgerschaftsregister zu erfassen.
Um als rechtmäßiger Bewohner (habitual resident) registriert zu werden, musste nachgewiesen werden:
-
in Kosovo geboren zu sein,
-
oder mindestens einen in Kosovo geborenen
Elternteil zu haben,
-
oder mindestens fünf Jahre ununterbrochen in
Kosovo gewohnt zu haben
(ausgenommen von dieser Regel sind Personen, die aufgrund ihrer Flucht die minimale Residenzpflicht nicht erfüllen können). Nur wer im Zivilregister eingetragen ist, konnte eine UNMIK - Identity Card (ID) und damit ein UNMIK- Travel-Dokument (TD) beantragen. Der Besitz eines UNMIK - Dokuments spricht demnach dafür, dass der Inhaber Staatsbürger Kosovos ist (Art. 28).
Eine Sonderegelung für Vertriebene und Flüchtlinge des Kosovo-Krieges ist Art. 29 StAG. Danach sind auch alle Personen (und ihre direkten Nachkommen), die am 01.01.1998 Bürger der Bundesrepublik Jugoslawien waren und an diesem Tag ihren
gewöhnlichen Aufenthaltsort in Kosovo hatten, Bürger von Kosovo und als solche im Bürgerregister unabhängig von ihrem derzeitigen Wohnort oder ihrer derzeitigen Staatsangehörigkeit zu erfassen. Für die Erfassung im Bürgerregister bedarf es jedoch eines Antrags (Abs. 3) Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes in Kosovo am 01.01.1998 sind analog der in der UNMIK- Richtlinie 2000/13 zum zentralen Zivilregister festgelegt (Abs. 5). Auch dieser Personenkreis hat also die Staatsbürgerschaft kraft Gesetzes erworben, so er die Erfassung im Register beantragt.
[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 08/2008]
1. c. Religionen
Im Kosovo sind Islam und Christentum mit verschiedenen Untergruppen vertreten.
Die Bevölkerung ist sehr religionstolerant, trotz verstärkter Versuche vor allem der arabischen Staaten den sehr pragmatischen Islam fundamentalistischer zu gestalten, war das in der breiten Bevölkerung nicht erfolgreich.
Der Vorstand der islamischen Gemeinde im Kosovo und der katholische Bischof treten in Eintracht gemeinsam auf (u.a. bei der Ausrufung der Unabhängigkeit am 17.02.2008 im Parlamentsgebäude).
Die verschiedenen religiösen Feste werden gemeinsam gefeiert, man gratuliert und besucht sich gegenseitig. Politiker nehmen öffentlich an den Feiern beider Religionsgemeinschaften teil (u.a. Präsident Sejdiu an der Christmette 2007).
Die freie Religionsausübung ist im Kosovo uneingeschränkt möglich, es besteht eine
gegenseitige Akzeptanz.
Selbst Personen, welche eine fundamentalistische Form des Islams sowohl im Erscheinungsbild (Vollbart, Pluderhose, Schleier) als auch in der strengen Anwendung des Islams (strikte Einhaltung der Gebote) praktizieren, sind im öffentlichen Leben akzeptiert, auch wenn sie von der Bevölkerung mit Argwohn betrachtet werden. [Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seiten 7 und 9]
2. Sicherheitslage im Kosovo:
2. a. Lageentwicklung:
Insgesamt hat sich die Sicherheitslage seit Juni 1999 verbessert, mit den Unruhen Mitte März 2004 wieder punktuell eingetrübt (ohne auf das Niveau von 1999 zurückzufallen). Nach den Ausschreitungen im März 2004 gab es keine weiten Unruhen mehr.
Die Zahl der registrierten Delikte verringerte sich 2006 im Vergleich zum Jahr 2005 um ca. 5 % auf 64.165. Für 2006 lässt sich ein Rückgang der Delikte gegen Leib und Leben feststellen, während Eigentumsdelikte durchschnittlich um etwa 5 % zugenommen haben.
Nachfolgend detaillierte Zahlen zu ausgewählten Delikten:
Delikt 2005 2006
Mord einschließl. Mordversuch 308 236
Vergewaltigung 60 55
Raub 488 441
Körperverletzung 4284 3711
Menschenhandel 56 32
Brandstiftung 470 427
Illegaler Waffenbesitz 1442 1371
Einbruch 4035 4769
[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008 , Seite 9]
2. b. Sicherheitsaspekte in Bezug auf UCK und AKSH:
Die kosovo-albanische Befreiungsarmee UÇK hat die im Juli 1999 gegenüber KFOR deklarierten großen Waffen abgegeben und sich am 21.09.1999 formell aufgelöst. Am 01.02.2000 wurde das zivile Hilfskorps "Kosovo Protection Corps" (KPC, alb. TMK "Kosovo Verteidigungs- Truppe") eingerichtet, um politisch neutral und multi ethnisch organisiert strikt zivile Aufgaben wie Katastrophenschutz, Such- und Rettungsdienste, Minenräumung, Wiederaufbau, humanitäre Hilfseinsätze etc. zu übernehmen. Insgesamt 5.000 (ca. 3.000 Aktive und 2.000 Reservisten) ehemalige Angehörige der UÇK, aber auch Angehörige von Minderheiten (etwa 10 % des KPC) sollten dadurch eine geregelte Tätigkeit im zivilen Bereich unter Steuerung und Aufsicht von UNMIK bzw. KFOR erhalten. Der zivile Charakter des KPC wird jedoch noch immer nicht von all dessen Mitgliedern vorbehaltlos akzeptiert. So tragen die Mitarbeiter des KPC militärische Rangbezeichnungen.
Mitglieder der Provisional Institutions of Self Government (PISG) haben die KPC öffentlich wiederholt als Nukleus einer künftigen KOS-Armee bezeichnet.
Seit 2002 macht die "Albanische Nationale Armee" (AKSh), vormals "Front für Albanische Nationale Einheit" (FBKSh), durch wiederholte großalbanische Propaganda in den Medien und durch die Übernahme der Verantwortung für den Sprengstoffanschlag auf die Eisenbahnlinie bei Zveçan/Zvecan im April 2003 auf sich aufmerksam. Eine akute Gefährdung der Sicherheitslage in der Region stellt diese bewaffnete Gruppierung, die Verbindungen zu ehemaligen und aktiven Mitgliedern des KPC und mutmaßlich auch zu Strukturen der organisierten Kriminalität hat, derzeit jedoch nicht dar. UNMIK hat diese bewaffnete Gruppierung als terroristische Organisation verboten, wodurch schon die reine Mitgliedschaft zu einer strafbaren Handlung wird. Auch 2006 verübte die AKSh vermutlich weitere kriminelle Handlungen. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007 , Seite 8]
Laut den zur Verfügung stehenden Quellen wird durch die Gruppe keine zwangsweise Rekrutierung von Personen durchgeführt, auch sind keine Fälle von "Bestrafungen" bekannt.
"Verwarnungen", Ladungen und Drohungen tauchen immer wieder bei Asylwerbern in schriftlicher Form sowohl in Österreich als auch in Deutschland und der Schweiz auf, konnten aber bisher immer als Fälschungen eingestuft werden.
Personengruppen versuchen unter dem Deckmantel "AKSH" ihre kriminellen Tätigkeiten auszuüben (Straßenraub, etc), bzw. Druck auf politische Verantwortungsträger unter dieser Bezeichnung durchzuführen.
Das Auftreten von diversen Gruppen passiert meist in der Nacht bei Stützpunkten auf der Straße, welche - wie oben angeführt - meist kriminellen Zwecken dienen.
Die beiden Verurteilungen (Fall ZVECAN und im März 2007 SOPI) zeigen, dass wirksamer Schutz durch die ho. Behörden besteht.
Zusätzlich sind bei Bedarf noch Unterstützungen durch KFOR und EULEX- Police im Anlassfall möglich. [Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 51]
2.1. Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden:
Kosovo Police (KP), ehemals Kosovo Police Service KPS /ShPK:
Die OSCE leitete in VUSHTRRI eine zentrale Aus -und Fortbildungsstätte für KPS.
Seit 1999 werden die verschiedenen Lehrgänge - bisher immerhin über 8.000 Polizisten - durch internationale Trainer aus verschiedenen Staaten ausgebildet.
Inzwischen wird das Institut durch einen lokalen Direktor geleitet und auch seit 2006 aus dem Kosovo Budget finanziert. Die OSCE ist mit einem kleinen Stab an Mitarbeitern (12 und 2 sonstige) direkt vor Ort bzw. als Unterstützung auch im Hauptquartier vertreten.
Neben der Ausbildung besteht ein Hauptaugenmerk auf Fortbildung. Immer wieder werden bei Kursen auch externe Experten eingeflogen, welche dann in ihrem Spezialgebiet die Kenntnisse weitergeben.
Durch entsprechende gesetzliche Regelungen wurde die Aus- und Fortbildung von Polizei, Zoll, Feuerwehr und Justiz (Justizwache) an dieser Fortbildungsstätte
zusammengefasst. Das KOSOVO CENTRE for PUBLIC SAFETY EDUCATION
and DEVELOPMENT - KCPSED - ist im Ministerium für Inneres angesiedelt und hat 2008 ein Budget von 2,7 Millionen Euro bei einem Personalstand von 177 ständigen Mitarbeitern.
Nach der Ausbildung erfolgt die Aufteilung in die verschiedenen Regionen des Kosovo.
Von diesen waren bis auf die Region MITROVICA alle bereits von UNMIK Police an KPS übergeben worden. UNMIK Police übte eine beobachtende Rolle aus, unterstützt und evaluierte die Arbeit von KPS.
Gesamtstand: 7.160 Beamte (30.11.2007)
davon serbische Ethnie: 716 Beamte = 10,0 Prozent
sonstige Minderheiten: 403 Beamte = 5,6 Prozent
[Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seiten 41-42]
KPS geht Anzeigen professionell nach. Beschwerden und Anzeigen gegen Angehörige von KPS werden sehr genau auch im Zuge von Disziplinarverfahren untersucht, Konsequenzen wie Suspendierungen, etc werden nach den bisherigen Erfahrungswerten fast rascher ausgesprochen als in Österreich. [Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 22.10.2006, Zahl 154/07 an das BAE ]
KPS erfüllt seine Aufgaben generell professionell und kompetent. [Commission of the European Communities: Kosovo Under UNSCR 1244 2007 Progress Report, COM(2007) 663 final, 06.11.2007, Seite 46]
Es besteht eine beratende und überwachende Tätigkeit von EULEX Polizei bezüglich Kosovo Police auch im Falle, wenn Anzeigen nicht entgegengenommen werden.
[Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 15.01.2009, Zahl 10/09 an den Asylgerichtshof]
Wenden sich Personen an KFOR, versuchen diese, die Anzeige an eine dafür zuständige Stelle weiterzuleiten. KFOR hat keine Exekutivgewalt im Kosovo.
Als weitere Möglichkeit bietet sich eine direkte Anzeige bei der Justiz (Staatsanwalt) an, wo dann über die weitere Vorgangsweise entschieden wird.
Die Beamten von KPS tragen deutlich sichtbar ihre jeweilige Dienstnummer, wodurch eine Zuordnung ohne Probleme möglich ist. Die Tätigkeit ist in den Dienstberichten dokumentiert und transparent nachvollziehbar.
Das Einbringen von Beschwerden ist jederzeit möglich, aufgrund der Sensibilisierung werden Beschwerden auch rasch behandelt und führen - wenn berechtigt - zu den entsprechenden Konsequenzen für den betroffenen Funktionsträger.
Missstände in der Verwaltung können auch beim Ombudsmann angezeigt werden.
Dieser strich bei einem persönlichen Gespräch hervor, dass Beschwerden gegen KPS von dieser Institution unverzüglich und effizient bearbeitet werden, was bei anderen Institutionen absolut nicht der Fall wäre. [Kosovo - Bericht 31.03.2007 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seiten 9-10]
Zudem wird die Tätigkeit jeder Polizeidienststelle von der OSZE (Security Issues Officer) überwacht. Täglich werden Polizeiberichte verfasst, welche auch der OSZE übermittelt werden. Gegebenenfalls kann sich eine Person auch an die OSZE wenden, sollte ein KPS Mitarbeiter seine Kompetenzen überschritten bzw. nicht erfüllt haben. [Demaj, Violeta: Gutachten zu Aktivitäten der AKSh. 07.05.2007 , Seite 11]
UNMIK Police/EULEX Police
Seit August 1999 war UNMIK Police im Kosovo präsent. Konkrete operative Aufgaben bestanden in der Region Mitrovica (noch nicht an KPS übergeben), in der Abteilung für Organisierte Kriminalität, im Interpol - Büro, bei Kriegsverbrechen und im Ordnungsdienst (Demonstrationen, etc).
Sonderfälle waren die Einheiten für Zeugenschutz, Transport von Häftlingen und Personenschutz.
Sonst hatte UNMIK POLICE eine beobachtende Funktion von KPS eingenommen.
Nunmehr hat EULEX Police die Rolle von UNMIK Police übernommen.
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Der Aufgabenbereich liegt in Überwachung und Beratung der lokalen Polizei. Operative Aufgaben im Polizeibereich sind:
Finanzverbrechen, Kriegsverbrechen, Organisierte Kriminalität, Wirtschaftsverbrechen, Terrorismus.
[Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 15.01.2009, Zahl 10/09 an den Asylgerichtshof]
Generell ist für alle ethnischen Albaner, auch solchen in Gebieten, wo sie eine Minderheit bilden, hinlänglicher Schutz durch UNMIK/KPS verfügbar.
UNMIK/KPS sind willens und auch in der Lage, denjenigen, die Verfolgung befürchten, Schutz zu gewähren und stellen einen rechtlichen Mechanismus zur Ermittlung, Strafverfolgung und Bestrafung von Verfolgungsmaßnahmen sicher.
(Home Office, Operational Guidance Note Kosovo, 22.07.2008, Seiten 4 und 5)
Die Aufklärungsquote liegt bei Eigentumsdelikten bei 45 Prozent, bei Straftaten gegen Personen bei 71 Prozent. Schwerere Verbrechen haben eine höhere Aufklärungsrate als weniger schwere Verbrechen aufgrund der Ressourcen, die zu deren Ermittlung bereitgestellt werden.
(UN Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo. S/2008/211, 28.03.2008, Seite 11)
Kosovo Protection Corps KPC / TMK - KOSOVO SECURITY FORCE KSF / FSK
KPC / TMK wurde nach der Demilitarisierung der Kosovo Liberation Army KLA / UCK 1999 gegründet und wird in Ausrüstung, Training und Dienstversehung durch Kosovo Force KFOR unterstützt. Nach Ablauf der Übergangsphase von 120 Tagen nach Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeitserklärung sollte KPC / TMK in eine Kosovo Security Force KSF / FSK übergeleitet werden. Die Schaffung der neuen Einheit ist im Ahtisaari - Paket vorgesehen. Die Auflösung von KPC / TMK wurde im Parlament mittels Gesetz 2008/03-L083 am 13.06.2008 beschlossen.
[Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seite 42].
Umgesetzt wird der Plan am 20. 01.2009: KPC/TMK wird aufgelöst, am 21.01. wird KSF die Tätigkeit aufnehmen. Die Truppe (bis zu 2500 Aktive und 800 Reservisten) wird anfangs für Krisenmanagement, Zivilschutz und Minenräumung verantwortlich sein und unter Überwachung von KFOR stehen.
[SETimes 15.01.2009: Kosovo Security Force to begin work within days]
Zum ersten Befehlshaber wurde General Sylejman Selimi ernannt, einer der Gründer und auch Generalstabschef der albanischen Kosovo-Befreiungsarmee UCK.
[APA 20.12.2008: Kosovo ernannte Befehlshaber für neue Sicherheitskräfte]
KFOR:
KFOR hat eine Präsenz von ca. 16.000 Soldaten und gliedert sich in fünf Regionen, welche jeweils unter verschiedener Führung stehen, das Hauptquartier ist in Pristina. Das Vertrauen der Bevölkerung in KFOR ist im Vergleich mit anderen internationalen Institutionen am höchsten. KFOR führt auch im CIMIC Sektor immer wieder zahlreiche Projekte durch, mit welchen die Infrastruktur im Kosovo verbessert werden soll. [Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seiten 45-46]
Municipal Community Safety Council:
In allen Gemeinden des Kosovo besteht darüber hinaus ein "Municipal Community Safety Council" (MCSC, Rat zum Schutz der Volksgruppen). Dem Rat gehören neben KFOR, UNMIK Polizei, KPS auch Vertreter der verschiedenen Glaubensgemeinschaften (orthodoxe, katholische, islamische Gemeinschaft) wie auch alle Dorfvorsitzenden der Gemeinde an. Zweck des Rates, welcher vom Gemeindepräsidenten einberufen wird, ist es, einmal pro Monat über die Sicherheitslage im Allgemeinen und eventuelle Bedenken bzw. Bedürfnisse der einzelnen ethnischen bzw. religiösen Minderheiten zu beraten und wenn erforderlich korrigierende Maßnahmen zu ergreifen. Personen, die sich unsicher fühlen, können sich an diesen Rat wenden bzw. über ihre Dorfräte ihre Sicherheitsbedenken den zuständigen Behörden bekannt machen. So klagte beispielsweise der Dorfrat eines Dorfes im albanischen Grenzgebiet in der Gemeinde Gjakove/Djakovica (der MCSC wurde in dieser Gemeinde im August 2006 eingerichtet) über Raubüberfälle (vorwiegend Viehraub) durch maskierte Banden. Zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung dieser Gegend verstärkte die KFOR ihre Truppen in der Region und auch die Polizei führt seither mehr Patrouillen in der Region durch. [Demaj, Violeta:
Gutachten zu Aktivitäten der AKSh. 07.05.2007 , Seiten 11-12]
Die Sicherheitssituation ist derzeit stabil mit Ausnahme Nordkosovo. Bisher verlief die Phase seit der Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeit durch den Kosovo überraschend ruhig.
Für den Großteil der Bevölkerung im Südkosovo und auch in den anderen serbischen Gemeinden außerhalb des Brennpunktes Mitrovica gestaltet sich das Leben völlig normal und ist in keiner Weise von mangelnder Sicherheit betroffen.
[Kosovo - Bericht 29.09.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI , Seite 46-37]
2.2. Kosovo - Albaner
Der UNHCR wies bereits im Januar 2003 darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Kosovo - Albaner, die während der Kosovo - Krise geflohen waren, nach H